"Es war ein Moment der
Scham" Die Hamburger Filmemacherin
Heike Mundzeck erinnert sich an ihre
Kindheit
Hamburg - Stunde der Wahrheit. Sechzig Jahre nach Kriegsende
zeigen Fernsehberichte und Filme Chroniken der Endkatastrophe.
Ein eindringliches, fast privates Dokument ist im Abaton-Kino
zu sehen: Heike Mundzecks "Wer wohnte in der Synagoge von
Friedrichstadt?" Es ist das persönlichste, zudem
selbstfinanzierte Projekt der Hamburgerin, die sich in
zahlreichen Reportagen und Dokumentationen mit der
deutsch-jüdischen Thematik beschäftigt hat und unter anderem
mit der Ludwig-Thoma-Medaille für mutigen Journalismus
ausgezeichnet wurde.
Alles begann mit einem
unscheinbaren Gedenkstein. Heike Mundzeck, zu einem Ausflug
ins idyllische Friedrichstadt südlich Husums gereist, fand den
Stein, las die Aufschrift und war schockiert. Das große gelbe
Haus, in dem sie 1944 mit ihrer Mutter und zwei Geschwistern
gelebt hatte, war einst - die Synagoge des Städtchens an der
Eider.
Der zweite Schock kam nach einem Besuch im
Stadtarchiv. Aus Ahnung wurde Gewißheit: Den Auftrag zum Umbau
des in der Reichspogromnacht 1938 geschändeten Tempels hatte
ihr Vater, Polizeipräsident von Kiel und hoher SS-Offizier,
gegeben. Er wollte seine Familie nach den Bombenangriffen auf
Hamburg in Sicherheit bringen. "Es war ein Moment der Scham",
gesteht die heute 66jährige, die als Dokumentaristin
zahlreiche preisgekrönte Filme über Kinder ehemaliger NS-Täter
und ihrer Opfer gedreht hat. "Doch dann stand für mich fest,
den Ereignissen von damals nachzuspüren." Mit ihrem Vater
hatte sie nach 1945 nicht über seine Verstrickungen
gesprochen. Sie habe es versucht, aber "es gab heftigen
Disput, aber keinen kritischen Dialog".
Ihr 45 Minuten
langer Film (Kamera: Holger Braack) protolliert engagiert und
bewegend, ohne die übliche Anklage-Rhetorik, die Suche nach
Spuren der eigenen Vergangenheit. Biographie als
Zeiterkundung. "Es ging mir vor allem um die Rekonstruktion
des Alltags, um das Zusammenleben von Juden und Christen bis
zur Pogromnacht 1938. Toleranz hatte ja in Friedrichstadt mit
seinen Religionsgemeinschaften seit 1619 Tradition."
Aufschlußreich die Erinnerungen vieler Zeitzeugen, etwa von
Demütigungen jüdischer Schüler durch Nazi-Lehrer. Nach Abriß,
Umbau und Rückbau wurde aus der Synagoge übrigens eine
kulturelle Begegnungsstätte. Ein Zeichen der Versöhnung - nach
mehr als 60 Jahren.
"Wer wohnte in der Synagoge von
Friedrichstadt?" am Sonntag, 17. und 24. April um 11 Uhr im
Abaton-Kino. Günther Wolf
erschienen am 15. April 2005 in Kultur / Medien
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