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Zur Seite über die jüdische Geschichte in Bad Wimpfen
Bad Wimpfen
(Kreis Heilbronn)
Ritterstiftskirche der Benediktinerabtei
Antijüdische Darstellungen: "Ecclesia und Synagoga" sowie
die "Judensau"
Übersicht:
Zur Geschichte der Ritterstiftskirche
Die Kirche des ehemaligen Ritterstiftes St. Peter stammt
aus drei Bauperioden. Das Westwerk ist ein letzter Rest einer romanischen
Zentralkirche aus dem 10. Jh. In der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts wurde mit
dem Bau einer gotischen Kirche begonnen. Sie konnte erst im Laufe des 15.
Jahrhunderts vollendet werden. An die Kirche wurde, ebenfalls in drei
verschiedenen Abschnitten, ein gotischer Kreuzgang angebaut, der vermutlich
breiteste gotische Kreuzgang der Welt.
Erklärung zu der Darstellung einer "Judensau"
Bei den Darstellungen einer "Judensau" handelte es sich um obszöne
Spottdarstellungen, die erstmals im Mittelalter vor allem an Kirchen, aber auch
an anderen Gebäuden angebracht waren. Zu sehen sind bei solchen Darstellungen Juden,
die wie Ferkel an den Zitzen eines Mutterschweines gierig Milch saugen oder sich
am After des Schweines zu schaffen machen. Dass es sich um Juden handelt, ist
leicht an ihren damaligen Kennzeichen zu sehen, dem "Judenring" auf
der Kleidung oder dem trichterförmigen "Judenhut". Die bekannteste
"Judensau"-Darstellung findet sich an der Schlosskirche von
Wittenberg. Von ihr liegt auch eine Beschreibung Martin Luthers vor, in der auch
er die jüdische Religion verhöhnt.
Durch das "Judensau"-Motiv wurden Juden und ihre Religion in
übelster Weise beleidigt und verletzt. Denn das Schwein gilt für Juden ein
unreines (unkoscheres) Tier, weshalb man jeden Kontakt mit diesem Tier
vermeidet. Mit den Bildern wird Juden Sodomie, Verkehrtheit des Glaubens,
Ausschweifung und Sünde vorgeworfen. Die "Judensau" ist eines der
übelsten Machwerke des christlichen Antijudaismus.
Erst in jüngster Zeit haben sich Kirchen in einzelnen Erklärungen von
dieser Art der Darstellung ausdrücklich distanziert, u.a. die Evangelische
Kirche von Berlin-Brandenburg in einer Synodalerklärung von 24. April 1990 eine
Synodalerklärung zur Erneuerung des Verhältnisses der Kirche zum Judentum, in
der es heißt: "In kirchlichen Kunstwerken haben vielfach antijüdische
Einstellungen Ausdruck gefunden. Darauf muss bei Führungen und Verwendung von
Abbildungen geachtet werden. Es geht u.a. um die bildliche Darstellung antijüdischer
Legenden ("Hostienschändung" - z.B. auf den sieben Tafelbildern in
Heiligengrabe), um Verwendung diffamierender Symbolik ("Judensau" -
z.B. im Kreuzgang des Domes in Brandenburg/Havel und an der Stadtkirche in
Wittenberg) und um antithetische Bildwerke von Kirche und Synagoge (z.B. am Dom
in Magdeburg). Besonders bei Darstellungen der Passionsgeschichte werden die
Feinde Jesu in Gesichtszügen und Kleidung als Juden gekennzeichnet, nicht aber
Jesus und seine Jünger (z.B. auf dem Havelberger und Naumburger Lettner).
Sofern die Kunstwerke an ihrer Stelle verbleiben, sollte der Betrachter durch
Hinweise (auch in Form von Tafeln) auf Schuld und Betroffenheit der Kirche
aufmerksam gemacht und zu neuer Sicht angeleitet werden."
Andere Darstellungen der "Judensau" gibt es in Erfurt (Dom), Lemgo
(St. Marien), Xanten (Dom), Magdeburg (Dom), Köln (Chorgestühl im Dom und St.
Severin), Uppsala (Dom), Basel (Münster), Brandenburg (älteste Darstellung;
Dom), Eberswalde, Remagen (Torbogen), Metz (Kathedrale), Colmar (Münster St.
Martin), Gnesen (Kathedrale), Aerschot (Notre Dame), Zerbst (Nikolaikirche),
Wien.
In Bayern gibt es sie in Heilsbronn (Münster), Cadolzburg, Regensburg (Dom),
Bamberg (Dom) und an anderen Orten.
Zur "Judensau" in Bad Wimpfen:
Bei der "Judensau" an der Kirche handelt es sich nicht um ein
Original. Dieses wurde 1994 oder wenig später im Reichsstädtischen Museum Bad
Wimpfen aufgestellt. Die jetzt an der Kirche vorhandene "Judensau"
wurde um 1995 neu in Sandstein gehauen.
Die originale "Judensau" wurde als Wasserspeier um 1270 in etwa 7,5 m
Höhe an der Kirche angebracht.
Eine Tafel mit nachfolgendem Text sollte 2005 an der Ritterstiftskirche angebracht
werden - der Vorschlag von Wolfram P. Kastner vorgebracht,
Institut für Kunst und Forschung, Website www.christliche-sauerei.de
Hier an der Ritterstiftskirche St. Peter wurde im 13. Jahrhundert
eine Hohnskulptur, eine sog. "Judensau" angebracht.
Dargestellt wird ein Schwein, an dessen Zitzen Juden saugen.
Damit wurden Juden von Christen auf obszöne Weise herabgewürdigt und dem als unrein geltenden Tier gleich gesetzt.
Der im Christentum Jahrhunderte lang verbreitete und geschürte Hass gegen Juden führte zu Vertreibungen, zu Raub, zu Pogromen und schließlich zum Mord an den europäischen Juden durch die Nazis.
Diese Schuld ist unauslöschlich.
Wir werden stets darauf achten, dass die Würde und die Rechte
aller Menschen gleichermaßen gewahrt werden.
Wir werden uns allen Anfängen von Ausgrenzung, Entwürdigung oder Antisemitismus in diesem Land entgegenstellen.
Die katholischen Christen Bad Wimpfens, 2005. |
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Tatsächlich umgesetzt wurde eine sehr
kleine, leicht zu übersehende Tafel mit einem deutlich sachlich-harmloseren
Text: |
"Seit dem 13. Jahrhundert haben sich
bedauerlicherweise auch im kirchlichen Raum herabwürdigende Darstellungen
von Juden in stein-gewordenen Karikaturen verbreitet. Auch hier an der
Ritterstiftskirche findet sich aus der Zeit um 1270 eine solche Skulütur in
Form eines Wasserspeiers. Gegen derartige Verspottungen sowie die gesamte
Entwicklung eines antisemitischen Hasses hat das Zweite Vatikanische Konzil
im Jahre 1965 verbindlich festgestellt: 'Im Bewusstsein des Erbes, dass die
Kirche mit den Juden gemeinsam hat, beklagt die Kirche ... alle
Hassausbrüche, Verfolgungen und Manifestationen des Antisemitismus, die sich
zu irgendeiner Zeit und von irgendjemandem gegen die Juden gerichtet haben'.
Der aufrichtige Dialog mit dem jüdischen Volk, der sich dieser Geschichte
stellt, ist für die Kirche der Gegenwart und Zukunft eine herausragende und
dringliche Aufgabe." |
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Fotos
Ansichten der
Ritterstiftskirche |
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Das Eingangsportal mit
den Doppeltürmen |
Teilansicht des
gotischen
Teiles der Kirche |
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"Synagoga und
Ecclesia": Im Tympanon über dem Südportal der Ritterstiftskirche St. Peter finden sich als allegorische Frauengestalten die der Ekklesia und der Synagoge, letztere
(rechts) als hinsinkende Frau mit einer Binde um die Auge und einer herabgefallenen Krone; Gebotstafeln entgleiten ihrer linken Hand. |
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Die "Judensau" |
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Fotos vom Mai 2021
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 13.5.2021) |
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Die Inschriftentafel
(siehe oben) |
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Links und Literatur
Literatur:
| Oliver Gußmann: Das sogenannte "Judensau"-Motiv - eine
Kurzinformation. Online
zugänglich. |
| Walther Bienert: Martin Luther und die Juden. Frankfurt a. M. 1982. |
| Thomas Bruinier: Die "Judensau". Zu einem Symbol des Judenhasses
und seiner Geschichte. Forum Religion 4/1995, 4-15. |
| Isaiah Shachar: The "Judensau". A Medieval Anti-Jewish Motiv and
its History. London 1974. (grundlegende Untersuchung) |
| Wilfried Schouwink: Der wilde Eber in Gottes Weinberg. Zur
Darstellung des Schweins in Literatur und Kunst des Mittelalters.
Sigmaringen 1985. |
| Heinz Schreckenberg: Das "Judensau"-Motiv, in: ders.: Die Juden in
der Kunst Europas. Ein historischer Bildatlas. Göttingen 1996, 21 und
343-349. |
Links:
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