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Biebesheim am Rhein
mit
Stockstadt am Rhein (Kreis Groß-Gerau)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Biebesheim bestand eine jüdische Gemeinde bis 1938/42. Ihre
Entstehung geht in die Zeit des 16./18. Jahrhunderts zurück. Erstmals wird am
29. März 1557 ein Jude in Biebesheim genannt: Landgraf Philipp gewährte
dem Juden Gumprecht das Wohnrecht in dem Dorf. Auch 1630 werden im
Zusammenhang mit der Zahlung von "Judengeleit" Juden am Ort genannt. 1728 wird "Schutzjude Mäntle zu
Biebesheim" erwähnt. 1736 sind vier jüdische Familien mit zusammen
27 Personen am Ort. Auch 1770 wurden vier jüdische Familien gezählt.
Die Familien standen unter hessischem Schutz: noch 1805 wurde ein Schutzbrief
des Landgrafen Ludwig (damals für Herz Löb zu Biebesheim) ausgestellt, dem die
Bestimmungen der hessischen Judenordnung von 1765 vorangestellt waren.
In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts lebten die jüdischen
Familien meist in sehr armseligen Verhältnissen von ihren Einnahmen als
Hausierer oder Trödler, in der 1. Hälfte des 19. Jahrhundert wurden die Verhältnisse
jedoch insgesamt besser. Es gab in Biebesheim unter den jüdischen Einwohnern
Textil-, Landesprodukten- und Pferdehändler, Viehhändler sowie Metzger. In der
zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert wurden einige Läden und Handlungen am
Ort eröffnet, die für das wirtschaftliche Leben in Biebesheim von Bedeutung
waren.
Die Zahl der jüdischen Einwohner entwickelte sich im 19. Jahrhundert wie
folgt: 1837 41 jüdische Einwohner, 1858 46, 1861 49 (3,1 % von insgesamt 1.560
Einwohnern), 1871 67, 1880 37 (2,1 % von 1.786), 1885 30, 1900 38 (1,9 % von 2.032), 1910
27 (1,2 % von 2.320). Zur jüdischen Gemeinde Biebesheim gehörten auch die im
benachbarten Stockstadt lebenden jüdischen Personen (fünf, später drei
jüdische Familien: 1830 17, 1905 18, 1924 10 jüdische Einwohner). Sie
besuchten in Biebesheim die Synagoge und waren meist auch im Vorstand der
Gemeinde vertreten. Die Familiennamen der Stockstädter Familien waren u.a.
Gutjahr, Wolf, Auerbach und Westerfeld.
Die jüdische Gemeinde Biebesheim gehörte zum orthodoxen Bezirksrabbinat
Darmstadt II.
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine
Religionsschule, eine Lehrerwohnung sowie ein rituelles Bad. Die Toten der jüdischen
Gemeinde wurden in Alsbach
und Groß-Gerau
beigesetzt. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer
angestellt, der zugleich als Vorsänger und als Schochet (Schächter) tätig
war. Die Stelle war bei Neubesetzungen immer wieder auszuschreiben (siehe unten
Ausschreibungstexte von 1877 und 1889). Aus den Ausschreibungstexten gehen auch
zwei Namen von Vorstehern der Gemeinde in der zweiten Hälfte des 19.
Jahrhunderts hervor: Tomas Mayer (um 1876) sowie Moses Mayerfeld
(beziehungsweise Meyerfeld, um 1889/90). Ergänzt werden kann der Name des
Vorstehers Salomon Wachenheimer, der 1867 im Zusammenhang mit der Einweihung der
Synagoge genannt wird.
Im Ersten Weltkrieg fiel aus Stockstadt: Vizefeldwebel Ludwig Gutjahr
(geb. 13.5.1884 in Stockstadt, gef. 9.1.1915).
Um 1924, als noch 25 jüdische Gemeindeglieder gezählt wurden (1 %
von insgesamt etwa 2.500 Einwohnern), waren die Vorsteher der Gemeinde
Mayer Wachenheimer, Hermann Goldstein und Salomon Westerfeld (Stockstadt). 1932
waren die Gemeindevorsteher (in anderer Reihenfolge wie 1924) Hermann Goldstein
(1. Vors.), Mayer Wachenheimer (2. Vors.) und Siegmund Westerfeld (Stockstadt,
3. Vors.). Im Schuljahr 1931/32 gab es sechs schulpflichtige jüdische Kinder am
Ort, die in der Religionsschule der Gemeinde ihren Religionsunterricht
erhielten.
An jüdischen Gewerbebetrieben bestanden u.a.: das "Kaufhaus"
der Familie Goldschmidt, später "Gemischtwarenhandlung" Ermann
(Heinrichstr. 5), die Metzgerei Wachenheimer, die Landesproduktenhandlung Herzlöb
bzw. Josef Wachenheimer, Die jüdischen Einwohner waren im Leben des Dorfes vor
1933 völlig integriert. Auch in den örtlichen Vereinen waren sie aktiv wie
Liebmann Goldschmidt und sein Sohn Hermann Goldschmidt, die sich im Geflügelzuchtverein
engagierten.
1933 lebten noch 24 jüdische Personen in Biebesheim, etwa 10 in
Stockstadt. In den folgenden Jahren sind alle jüdischen Gemeindeglieder auf
Grund der zunehmenden Entrechtung und der Repressalien weggezogen
beziehungsweise ausgewandert. Unter anderem verzog aus Biebesheim Familie
Ermann im September 1935 nach Frankfurt, von dort in die USA. Familie Leo
Wachenheimer (dieser war von der SA vorübergehend aus nichtigen Gründen in das
KZ Osthofen eingesperrt worden) emigrierte im Dezember 1935 nach Südafrika,
Familie Goldschmidt im August 1936 in die USA, Familie Mayer Wachenheimer im
Februar 1938 nach Südafrika. Aus Stockstadt emigrierte Familie Moses
Kahn 1937 in die USA; die Eheleute Siegmund und Frieda Westerfeld verzogen nach
Darmstadt, von wo die beiden 1942 deportiert wurden; die Tochter Edith konnte
1936 noch mit einem Kindertransport in die USA gelangen (vgl. unten Literatur
- Buch von Fern Schumer Chapman).
Beim Novemberpogrom 1938 wurde in Biebesheim die Wohnung der Familie
Josef Wachenheimer in der Rheinstr. 58 überfallen und demoliert, das Haus der
Familie Goldstein in der Rheinstr. 23 schwer beschädigt, die Inneneinrichtung völlig
zerstört. Dieses Haus wurde Anfang der 1980er-Jahre abgebrochen (Hinweis; eine Seitenwand
des Fachwerkhauses Rheinstr. 23 wurde in der Remise des
Heimatmuseums Biebesheim
- in der Rheinstraße 44 - wieder aufgebaut und ist dort zu sehen). Nach den Ereignissen in der Pogromnacht verließen auch die Familien Wachenheimer und Goldstein Biebesheim. Damit war der Ort in der NS-Sprache "judenfrei".
Nach den
Ereignissen in der Pogromnacht verließen auch die Familien Wachenheimer und
Goldstein Biebesheim. Damit war der Ort in der NS-Sprache "judenfrei".
Von den in Biebesheim geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften
jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den
Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den
Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945": Stefan (Franz Steffen)
Bruchfeld (1929), Rina Bruchfeld geb. Wachenheimer (1899), Liebmann Goldschmidt
(1871), Bertha Hofmann geb. Frankfurter (1873), Johanna Mainzer geb. Mayer
(1863), Ida Reinheimer geb. Frankfurter (1876, siehe Kennkarte unten), Isaak Wachenheimer (1869).
Auf dem Grundstück Rheinstraße 20 (Standort eine 1995 abgebrochenen jüdischen
Hauses) befindet sich eine Grünanlage mit einem am 29. November 2000
enthüllten Gedenkstein für die aus Biebesheim vertriebenen Juden mit
der Inschrift: "1933 - Erinnerung ist das Geheimnis der Versöhnung - Die
Gemeinde Biebesheim gedenkt ihrer heimatvertriebenen jüdischen Mitbürger -
1945".
Von den in Stockstadt geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften
jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den
Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den
Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945": Rosel Gutjahr (1914,
lebte später in Darmstadt), Franziska Guttman geb. Siesel (1873), Frieda
Westerfeld geb. Kahn (1898) und ihr Mann Siegmund Westerfeld (1891; war Viehhändler
in Stockstadt, geb. als Sohn von Meyer Westerfeld), Isidor Westerfeld
(1898) Settchen Wolf geb. Gutjahr (1890, geb. in Stockstadt, lebte in Frankfurt).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Stelle des Lehrers / Vorsängers / Schochet 1877 /
1884 / 1889 / 1901 / 1903
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. Januar 1877: "Die
Stelle eines Lehrers, Vorsängers und Schächters in der Gemeinde
Biebesheim am Rhein ist vakant. Bewerber kann jederzeit eintreten. Gehalt
inklusive Nebenverdienste circa 700 Mark. Reflektierende wollen sich
baldigst an den unterzeichnete Vorstand wenden.
Biebesheim, den 30. Dezember 1876. Der Vorstand Tomas Mayer." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. April 1884:
"Die hiesige Stelle als Vorbeter, Schächter und Religionslehrer kann
sofort oder bis zum 1. Juli besetzt werden. Fester Gehalt jährlich 500
Mark nebst freier Wohnung und ca. 150 Mark Nebeneinkommen. Nur
unverheiratete Bewerber wollen unter Einsendung ihrer Zeugnisse sich bei
uns melden.
Biebesheim, 21. April 1884. Der Vorstand der
Synagogengemeinde." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. Februar 1889: "Die
hiesige Gemeinde beabsichtigt, einen Religionslehrer anzunehmen, wobei wir
auf einen unverheirateten jüngern Mann reflektieren, der Vorsänger und
guter Kinderlehrer ist und wo möglich Schochet. Gehalt wurde hier seither
500 bis 550 Mark von der Gemeinde bewilligt. Bewerber wollen sich
schriftlich an den Vorstand wenden.
Biebesheim, 30. Januar 1889. Moses
Mayerfeld." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. Juli 1901:
"Gesucht zum alsbaldigen Einritt wird ein seminaristisch
gebildeter Religionslehrer, Chasan und Schochet,
unverheiratet, mit einem Gehalt von 550 Mark, freier Wohnung und Heizung;
Nebeneinkommen Mark 300. Bewerber wollen sich schriftlich an den vorstand
wenden.
Biebesheim, Juli 1901. M. Mayerfeld." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. April 1903:
"Bei der israelitischen Gemeinde zu Biebesheim ist die Stelle eines
Religionslehrers, Chasan und Schochet alsbald zu besetzen. Bewerber wollen
sich schriftlich melden. Gehalt ist bei freier Wohnung Mark 550.
Der Vorstand: Moses Mayerfeld." |
Suche nach einem Hilfsvorbeter für die Feiertage im Herbst 1890
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. August 1890: "Die
hiesige israelitische Gemeinde sucht für die Feiertage einen Jom
Jeroim Chasan. Nach gewünschter Tätigkeit werden Mark 50 nebst
freier Station bewilligt. Bewerber wollen sich an den Unterzeichneten
schriftlich wenden.
Biebesheim. Moses Meyerfeld." |
Kennkarte
aus der NS-Zeit |
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Am 23. Juli 1938 wurde
durch den Reichsminister des Innern für bestimmte Gruppen von
Staatsangehörigen des Deutschen Reiches die Kennkartenpflicht
eingeführt. Die Kennkarten jüdischer Personen waren mit einem großen
Buchstaben "J" gekennzeichnet. Wer als "jüdisch"
galt, hatte das Reichsgesetzblatt vom 14. November 1935 ("Erste
Verordnung zum Reichsbürgergesetz") bestimmt.
Hinweis: für die nachfolgenden Kennkarten ist die Quelle: Zentralarchiv
zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland: Bestände:
Personenstandsregister: Archivaliensammlung Frankfurt: Abteilung IV:
Kennkarten, Mainz 1939" http://www.uni-heidelberg.de/institute/sonst/aj/STANDREG/FFM1/117-152.htm.
Anfragen bitte gegebenenfalls an zentralarchiv@uni-hd.de |
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Kennkarte
für die in Biebesheim
geborene Ida Reinheimer geb. Frankfurter |
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Kennkarte (ausgestellt in
Dieburg 1939) für Ida Reinheimer geb. Frankfurter (geb. 24. Juli
1876
in Biebesheim), wohnhaft in Habitzheim und Dieburg, am 27. September
1942 deportiert
ab Darmstadt in das Ghetto Theresienstadt, wo sie am 8. Januar 1943
umgekommen ist.
Ida Reinheimer geb. Frankfurter war seit 21. August 1910 verheiratet mit
Abraham Reinheimer (geb. 12.11.1874 in Habitzheim)
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Zur Geschichte der Synagoge
In der Kirchenchronik der Evangelischen Kirchengemeinde
Biebesheim wird berichtet, dass die jüdischen Familien zwischen 1720 und 1730
eine "Schul", d.h. eine Synagoge beziehungsweise einen Betraum
eingerichtet haben. Nach einer hessischen Judenordnung von 1765 war den Juden
ein Bau neuer Synagogen nicht erlaubt. Daher wird die zwischen 1720 und 1730
eingerichtete erste Synagoge der jüdischen Gemeinde bis 1818, dem Jahr
der Einrichtung einer neuen Synagoge genutzt worden sein. Die Biebesheimer
Synagoge auch von den im benachbarten Stockstadt lebenden jüdischen Einwohnern
benutzt.
1818 kaufte das jüdische Gemeindeglied Wolf Mainzer ein Haus, das,
"solange hier und in Stockstadt Judenschaft bestehe", als Synagoge
verwendet werden sollte. Die Regelungen zur weiteren Unterhaltung der Synagoge
wurden von drei Stockstadter Juden (Abraham Auerbach, Aaron und Salomon
Westerfeld) und vier Biebesheimer Juden (Wolf Löb Mainzer, Herz Wachenheimer,
Moses Meierfeld und Jacob Wachenheimer) unterzeichnet. Der Stifter Wolf Mainzer
lies eine neue Tora für die Synagoge schreiben und stiftete mehrere
Einrichtungsgegenstände (zwei kleine Wandleuchter, der Bronze-Kandelaber mit
der Inschrift: "Dieser Leuchter gehört zu Ehren von Wolf, Sohn des Löb
Mainzer, und soll hier in der Synagoge in Biebesheim sein und bis in Ewigkeit
mit Lichtern besteckt werden").
Auf Grund der Zunahme der jüdischen Einwohner wurde um 1860 der Neubau einer
Synagoge notwendig geworden. Die jüdische Gemeinde ließ sich dazu Zeichnungen
anfertigen "zur Umänderung der Scheune neben der Synagoge zu einer
Lehrerwohnung, Schule und Bad" und gleichfalls einen
"Situationsplan über die Synagoge und deren Umgebung in Biebesheim"
erstellen. Zwar wurden diese ersten Pläne nicht verwirklicht, doch geht aus
ihnen hervor, dass sich auch die 1818 erbaute Synagoge und ein Israelitisches
Schulhaus bereits im Bereich der
späteren Bahnhofstraße (frühere Odenwaldgasse) befanden.
Die neue, am 22. November 1867 eingeweihte Synagoge wurde an Stelle des
abgebrochenen Israelitischen Schulhauses/der älteren Synagoge erbaut.
Die bürgerliche Gemeinde stellte ein Darlehen von 1.000 Gulden zur Verfügung.
Zur Einweihung der Synagoge berichtet die Chronik der evangelischen Kirchengemeinde:
"Am
22. November 1867 wurde die in der Odenwaldgasse erbaute Synagoge durch den
Rabbiner Dr. Landsberger unter Anwohnung einer großen Einwohnerzahl von hier
und vieler auswärtiger Israeliten im Beisein der Großherzoglichen Kirchrats Dr. Böckmann Groß-Gerau und des hiesigen Kirchenvorstandes eingeweiht. Die
Israeliten zogen in einem geschlossenen Zuge, voran der erwähnte
Großherzogliche Kirchrat, der Ortsvorstand, der Rabbiner etc. etc. vom Hause
des israelitischen Vorstehers Salomon Wachenheimer nach der Synagoge, worauf die
Einweihung stattfand. Darauf fand ein Festessen bei Metzger Wirthwein statt, an
dem sich viele Ortseinwohner beteiligten, am folgenden Tag ein sogenannter Ball
von Seiten der Israeliten".
Die Synagoge in Biebesheim war Mittelpunkt des jüdischen Gemeindelebens bis nach
1933. Nachdem die meisten jüdischen Familien bereits vor 1938
Biebesheim verlassen hatten, wurde das Synagogengebäude im Mai 1938 für
4.200 RM an eine nichtjüdische Familie verkauft, die es zu einem Wohnhaus
umbaute (Einbau einer Zwischendecke, Verkleinerung und Begradigung der Fenster).
Durch den Verkauf blieb das Synagogengebäude zwar von der Zerstörung beim Novemberpogrom 1938
zwar verschont, trotzdem wurden die Fensterscheiben eingeworfen.
1963 und nochmals vor einigen Jahren wurde das Gebäude weiterverkauft. Es wird bis heute als
Wohnhaus mit einem Ladengeschäft verwendet.
Kult- und Einrichtungsgegenstände aus der ehemaligen Synagoge wurden
über 50 Jahre lang in London von Max Wachenheimer aufbewahrt. Sie wurden von
diesem zur Ausstellung in der ehemaligen Synagoge in Erfelden gestiftet
(Wandleuchter, Deckenleuchter, Bücher). Auch zwei Toraschrein-Vorhänge
sind erhalten. Sie sind in der ehemaligen Synagoge in Erfelden beziehungsweise
im Heimatmuseum Biebesheim (siehe Fotos unten).
Adresse/Standort der Synagoge: Bahnhofstraße
12
Fotos
(Quelle der Darstellungen in der oberen Reihe: http://www.biebesheim.de/Jud_Bhm_neu/Synagogen.htm
- Wiedergabe der unter Literatur angegebenen Publikation des Fördervereins
jüdische Geschichte usw.; das Foto von 1985 aus: Altaras s.Lit. 1988 S. 136).
Bauzeichnungen
und Grundriss von 1867 und Leuchter von 1818 |
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Bauzeichnungen
der Synagoge von 1867: links
Straßenfront mit drei hohen Rundbogenfenstern
und einem rundbogigen Doppelfenster im Giebel
(Symbol der Gebotstafeln); rechts mit Eintragung
von Eingang sowie der Frauenempore innen. |
Bauzeichnung der Synagoge
von
1867: Grundriss des Erdgeschosses,
rechts der nach Osten ausgerichtete
Betsaal mit Anordnung der Bänke
im Betsaal der Männer ) |
Der von Wolf Mainzer für die
zweite Synagoge (1818) gestiftete
Leuchter, heute in der ehemaligen
Synagoge Erfelden. |
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Die erhaltenen Toravorhänge
aus
Biebesheim
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Toravorhang mit
Stifterinschrift
von 1867 (gestiftet durch "Michael,
Sohn des Meir
seligen Andenkens" (wird
gezeigt in der restaurierten ehemaligen
Synagoge in Erfelden)
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Toravorhang mit
Stifterinschrift von 1877:
"Unsere Krone ist die Tora / Dies wurde
gestiftet / durch Jona Sohn des Michael /
und
seiner Frau Ester Tochter des Chaim /
von Biebesheim / im Jahr 5637 / und
wurde
restauriert durch ihre Kinder / als ihr Vater starb / im Jahr 5668";
wird gezeigt im Heimatmuseum Biebesheim ) |
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Das Gebäude der
ehemaligen Synagoge nach 1945 |
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Das ehemalige
Synagogengebäude nach 1945, rechts im August 1985 |
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Das Gebäude der
ehemaligen Synagoge 2007
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 6.7.2007) |
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Blick auf die
ehemalige Synagoge von der Bahnhofstraße |
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Historische
Fenster als Erinnerung an die Zeit als Synagoge |
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Gedenkstein
auf dem Grundstück Rheinstraße 20 |
Hinweis auf die jüdische Abteilung im
Biebesheimer Heimatmuseum
(Abschnitt wurde erstellt unter Mitarbeit und Fotos von Norbert Hefermehl,
Heimat- und Geschichtsverein Biebesheim e.V.)
Im Biebesheimer Heimatmuseum
gibt es eine kleine Abteilung zur jüdischen Geschichte.
Neben dem oben abgebildeten Toravorhang von 1876/77 (jüdische Zählung
5637) werden in der Abteilung u.a. zwei religiöse Bücher gezeigt,
die der Heimat- und Geschichtsverein Biebesheim mit Unterstützung des
Hessischen Museumsverbandes und des Hessischen Ministeriums für
Wissenschaft und Kunst Wiesbaden restaurieren ließ. Die Bücher werden in
einer Vitrine unter einem früheren Sandstein-Fenstergewand vom Gebäude
der ehemaligen Synagoge in der Bahnhofstraße präsentiert (vgl. links;
unter der Büchervitrine eine Hinweistafel zur Geschichte der Synagogen in
Biebesheim. |
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Ein
Machsor (Gebetbuch für das ganze Jahr): es handelt sich um den 2. Teil eines Gebetbuches, das dem Festzyklus des Jahres folgt. In dem Buch sind Tierkreiszeichen abgebildet. Es beginnt mit dem Laubhüttenfest. Es fehlen das Neujahrsfest und der Versöhnungstag.
Drucker: Ahron Hirsch Bad Homburg v.d.H. Handschriftlicher Eintrag: Biebesheim. |
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Eine
kommentierte Teilausgabe der hebräischen Bibel. Sie enthält die
Bücher der drei großen Propheten Jesaja, Jeremia und Hesekiel sowie das Buch
der Chronik mit Erklärungen und Übersetzungen in "Jüdisch-Deutsch". Da
die hebräische Bibel (= Altes Testament) insgesamt aus den Fünf Büchern Moses,
den weiteren Prophetenbüchern und den Büchern der Schriften (u.a. dem Buch
der Psalmen) besteht, dürfte es sich um ein Buch aus einer Bibelausgabe
von zusammen vier bis fünf Büchern handeln.
Druck: 5498 in Sulzbach (= 1738
nach christlicher Zeitrechnung)
Die handschriftlichen Einträge belegen die Nutzung des Buches in Biebesheim:
"Dieses Buch gehört (Name unleserlich) Biebesheim
Dieses Buch 24 (=Bibel) gehört Hesekiel Bibsum Jakov Barschlomo seeligen Angedenkens aus Biebesheim
Lehrer/Unterrichter bei dem hochwürdigen Hesekiel und auch bei Josef im Jahre 5527 am 27. Tamus (=23. Juli 1767 unserer Zeitrechnung)
Dajan (= Rabbiner, Mitglied des Rabbinatsgerichtes) Nathan". |
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Informationstafeln zur
jüdischen Geschichte
im Heimatmuseum Biebesheim |
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Erinnerung an ein
ehemaliges jüdisches Wohnhaus
(Fotos: Heimatmuseum Biebesheim) |
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Seitenwand des Hauses der Familie Josef
Goldstein (früher Rheinstraße 23).
Dieses Haus wurde beim Novemberpogrom 1938 überfallen und
demoliert.
Nach Abbruch des Hauses blieb diese Wand erhalten und wurde im Museum
aufgebaut. |
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Ausstellung 2014/15 im
Heimatmuseum |
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Ausstellung Heimatmuseum Biebesheim: Das Volk des alten Bundes -
Unsere älteren Brüder und Schwestern.
Aus dem Begleittext zur Ausstellung: "Vielfach gehen die ersten Assoziationen bei 'Judentum' an Holocaust und Drittes Reich. Dass die Juden als
'das Volk, zu dem Gott, zuerst gesprochen hat' (Karfreitagsliturgie), die ersten und ältesten Bundespartner Gottes und
'unsere älteren Brüder und Schwestern' (hl. Johannes Paulus II.) im Glauben sind, wird vielfach übersehen. Mit der Ausstellung sollen Betrachtungsmomente zur jüdischen Religion geliefert werden, sowie die Anregung, Wurzeln und Parallelen zum christlichen Glauben zu entdecken.
Das Heimatmuseum Biebesheim präsentiert in seiner Dauerausstellung einige Objekte der ehemaligen Biebesheimer Synagoge in der Bahnhofstraße, wie einen
Toraschreinvorhang, zwei Bücher die nachweislich dort verwendet wurden sowie das Fragment eines Fensterbogensteines. Zusätzlich sind Informationstafeln angebracht, auf denen die ehemaligen Wohnplätze der jüdischen Mitbürger gekennzeichnet sind, Informationen zu den beiden Friedhöfen, auf denen die Biebesheimer Juden bestattet wurden und zur Synagoge.
Diese Objekte wurden in dieser Sonderausstellung durch weitere Exponate ergänzt
.
Im Bildarchiv des Museums gibt es eine relativ große Anzahl an Bildern auf denen ehemalige jüdische Mitbürger abgebildet sind. Diese werden ebenfalls in der Ausstellung zu sehen
sein".
Die Ausstellung wurde am 12. September 2014 um 20.00 Uhr eröffnet und war
bis zum 1. März 2015 zu sehen. |
Anschrift und Kontakt: Heimatmuseum, Rheinstr. 44, 64584 Biebesheim am Rhein,
Tel.: 06258 / 81 599, Fax: 06258 / 97 10 48,
E-Mail = museumbiebesheim[et]aol.com.
Öffnungszeiten: Sonntag von 10.00 bis 12.00 Uhr - Der Eintritt ist kostenlos
Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
Mai 2017:
Kommunalpolitische
Auseinandersetzungen um die Verlegung von "Stolpersteinen" in
Biebesheim
Anmerkung: Erstmals wollte die Fraktionen der "Grünen" im
Gemeinderat im Jahr 2014 einen Antrag auf Verlegung von
"Stolpersteinen" am Ort stellen, doch zeichnete sich damals ab,
dass sich dafür keine Mehrheit finden würde. Ein erneuter Antrag sollte
im Mai 2017 gestellt werden, doch sprach sich - anders als in fast allen
anderen Kommunen (!) - die SPD-Fraktion klar gegen
Stolpersteinverlegungen in Biebesheim aus. Stattdessen sollten andere
Formen des Gedenkens gefunden werden (z.B. eine
"Eisen-Menora"). |
Artikel in der "Bürstädter Zeitung" vom 18.
April 2017: "Zweiter Anlauf für Stolpersteine
BIEBESHEIM - (ute). Die Grünen in Biebesheim starten eine erneute
Initiative in der Gemeindevertretung. Ihr Ziel: Auch in Biebesheim sollen
endlich Stolpersteine zur Erinnerung an die überwiegend jüdischen Opfer des
Nationalsozialismus verlegt werden können. Darüber informieren die
Mitglieder in einer Pressemitteilung. 2015 hätten sie aufgrund eines sich
abzeichnenden Neins der Mehrheit im damaligen Ortsparlament einen Antrag mit
der gleichen Zielsetzung dazu zurückgezogen, heißt es weiter in dem Papier.
Dieser hatte vorgesehen, dass die Verlegung von Stolpersteinen auf
öffentlichen Wegen und Plätzen vor den ehemaligen Wohnsitzen der
vertriebenen und ermordeten Biebesheimer Juden mit Unterstützung der
Gemeinde hätte stattfinden sollen. Der aktuelle Antrag sieht dagegen vor,
dass die Gemeinde lediglich die Erlaubnis erteilt, dass Stolpersteine
verlegt werden dürfen. Biebesheimer Bürgern oder den Nachfahren ehemaliger
jüdischer Biebesheimer soll damit die Möglichkeit gegeben werden, in eigener
Regie im öffentlichen Raum Stolpersteine zum Gedenken an die Opfer zu
verlegen. Biebesheim habe bereits einige Schritte getan, um das Gedenken an
die Opfer des Nationalsozialismus wach zu halten, loben die Grünen in dem
von ihrem Fraktionsvorsitzenden Albert Lautenschläger unterzeichneten
Antrag. Es sei aber an der Zeit und nur folgerichtig, diese Schritte um die
Erlaubnis zur Verlegung von Stolpersteinen auf öffentlichen Flächen
fortzusetzen.
Nachfahre ist Verlegung verwehrt worden. Anlass für die erneute
Initiative, künftig auch in Biebesheim Stolpersteine wider das Vergessen
verlegen zu können – eine Praxis, die bereits in anderen Orten des Kreises
Groß-Gerau üblich ist –, ist nach Darstellung der Grünen, dass vor Kurzem
ein Nachfahre verfolgter jüdischer Biebesheimer in der Gemeindeverwaltung um
die Erlaubnis einer Stolpersteinverlegung auf eigene Kosten vor dem
damaligen Wohnsitz der Familie ersucht habe. Die Erlaubnis dafür sei dem
Mann aber verweigert worden. 'Wie muss ein Nachfahre von Opfern des
Nationalsozialismus sich fühlen, wenn ihm das Gedenken vor dem Stammhaus
seiner Familie verwehrt wird?', fragen die Grünen in der Antragsbegründung.
Die Verlegung von Stolpersteinen sei eine Form des Gedenkens, bei dem die
Erinnerung an die Vertreibung und Vernichtung der Juden, der Sinti und Roma,
der politisch Verfolgten, der Homosexuellen, der Zeugen Jehovas und der
Euthanasieopfer im Nationalsozialismus mitten in den Alltag geholt werde.
Ihr Wert und ihre Besonderheit lägen gerade darin, dass die Stolpersteine
Aufmerksamkeit erzeugten, ohne dass etwa ein Museumsbesuch, der Gang zu
einem besonderen Ort oder aufwendiges Beschaffen von Informationen aus der
Literatur nötig seien. Die Stolpersteine erzeugten außerdem Interesse und
gäben Denkanstöße. 'Gerade in einer Zeit', betonen die Biebesheimer Grünen
in ihrer Begründung, 'in der rechtsradikale Tendenzen und
rechtspopulistische Parteien und Vereinigungen leider auch in Deutschland
verstärkt tätig sind, ist es umso wichtiger, mit vielfältigen und öffentlich
sichtbaren Aktionen auf die Folgen einer menschenverachtenden rechten
Ideologie hinzuweisen.'"
Link zum Artikel |
Artikel von Dirk Winter in der
"Lampertheimer Zeitung" vom 6. Mai 2017: "Biebesheim.
Hauptausschuss: Streit über 'Stolpersteine' flammt wieder auf..."
Link zum Artikel: Hauptausschuss: Streit über
'Stolpersteine' flammt wieder auf (Lampertheimer Zeitung, 06.05.2017) |
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Artikel von Dirk Winter in der "Bürstädter
Zeitung" vom 11. Mai 2017: "Keine Stolpersteine in Biebesheim
BIEBESHEIM - Nach immer wieder aufflammender Diskussion gab es lediglich
ein Meinungsbild. Doch am Dienstagabend hat die Gemeindevertretung einen
klaren Beschluss gefasst: In Biebesheim werden keine 'Stolpersteine'
verlegt. Diesen SPD-Antrag, in Konkurrenz zu einer gegensätzlichen, früher
eingereichten Initiative der Grünen gestellt, hat das Parlament mit 18 zu
sechs Stimmen beschlossen. Mit der SPD stimmten die Freien Wähler, die CDU
votierte dagegen, die Grünen enthielten sich...
SPD-Antrag wird zuerst behandelt. Mit dem Parlamentsbeschluss war der
Grünen-Antrag hinfällig geworden. Bei der Entscheidung, über welche
Initiative zuerst abzustimmen sei, hatte sich Gemeindevertretervorsteher
Klaus Barth (SPD) auf die Geschäftsordnung berufen: Demnach komme – da nicht
feststellbar sei, welcher Antrag der weitergehende sei – zuerst der
konkurrierende Hauptantrag an die Reihe. Ursula Hammann (Grüne) kritisierte
Barths Einschätzung als 'sachlich falsch', die Initiative ihrer Fraktion sei
sehr wohl inhaltlich umfassender. Die Grünen hatten ihren Antrag kurzfristig
erweitert: Außer der Forderung, Privatpersonen die Verlegung von
Stolpersteinen im öffentlichen Raum zu gestatten, wurden auch individuelle
Formen des Gedenkens aufgenommen. Auch die 2015 in einem von den Grünen
initiierten Bürgerdialog angedachte 'Eisen-Menora' mit Glasplatten findet
sich in diesem neuen Antrag: Auf dieser Plastik würden die Familiennamen der
Biebesheimer Juden stehen, die Opfer des Holocaust wurden. QR-Codes sollen
zu umfassenden Informationen führen. Alle diese Gedenkformen halten die
Grünen für sinnvoll, wie Fraktionsvorsitzender Albert Lautenschläger
betonte: 'Man kann das eine tun, ohne das andere zu lassen.' Joachim Freitag
(SPD) stellte fest, dass die Grünen Teile des SPD-Papiers übernommen hätten.
Im Unterschied zur Ökofraktion wolle die SPD aber keine
Stolpersteinverlegung in Biebesheim. Lautenschläger sieht indes 'keine
rationellen Gründe', Stolpersteine nicht wenigstens zu gestatten. Hans-Georg
Krings (SPD) entgegnete auf die Forderung von Ursula Hammann, die SPD solle
sich einen Ruck geben und über ihren eigenen Schatten springen: 'Der
Schatten ist zu lang.' Gerhard Geipert (CDU) begründete die Haltung seiner
Fraktion mit den vielen schon realisierten Biebesheimer Gedenkprojekten, die
im SPD-Antrag aufgelistet sind – darunter Buchveröffentlichungen,
Ausstellungen und Gedenksteine. Außerdem unterstellte Geipert dem Künstler
Demnig ein kommerzielles Interesse an den Stolpersteinen. Ursula Hammann
entgegnete: Demnig habe keinerlei Profit von dem Projekt, für das er
vielfach ausgezeichnet worden sei. Für Bürgermeister Thomas Schell (SPD) ist
die Frage, ob man sich für eine ortsübergreifende Gedenkform wie die
Stolpersteine oder eine ortsbezogene entscheide: 'Hier würde ich immer der
ortsbezogenen den Vorzug geben.' Auch Jürgen Ditz (Freie Wähler) hob auf die
Gedenkkultur der Riedgemeinde ab: 'Biebesheim braucht sich da nicht zu
schämen.' Für ihn ist das Thema Stolpersteine ein für alle Mal abgehakt."
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2023:
Neue Art des Gedenkens und der
Geschichtsvermittlung |
Mitteilung von Norbert Hefermehl,
Heimatmuseum Biebesheim / Heimat- und Geschichtsverein Biebesheim am Rhein
www.heimatmuseum-biebesheim.de vom 9. März 2024: "In Biebesheim am
Rhein wurde eine neue/andere Art des Gedenkens an ehemalige jüdische
Mitbürger im vergangenen Jahr (2023) eingeweiht.
In Biebesheim gab es schon vor den Diskussionen zur Frage nach einer
möglichen 'Stolpersteinverlegung' (s.o.) diverse Gedenken an ehemals hier
lebende Juden. Der Arbeitskreis 'Jüdische Geschichte' erforschte bereits in
den 70er Jahren die Geschichten der Biebesheimer Juden. Dieser Arbeitskreis
hat die Wege der ehemaligen jüdischen Mitbürger im Einzelnen erforscht und
u. a. hat das Ehepaar Marwitz Objekte der ehemaligen Synagoge Biebesheims
wieder von England nach hier gebracht, die dort über 50 Jahre verwahrt
wurden. Man vertrat dort die Meinung, dass die Stücke wieder an ihren
ursprünglichen Ort zurückkommen sollten. In Biebesheim zeigten wir im Museum
davon einen Toraschreinvorhang und zwei Bücher, die nachweislich in der
Synagoge verwendet wurden. Sowohl den Toravorhang als auch die beiden Bücher
hat der HGV unter großem finanziellem Aufwand restaurieren lassen. Was von
nahezu allen jüdischen Besuchern, ehemals in Biebesheim lebender Juden und
heute überwiegend deren Nachfahren, sehr begrüßt wird. Angesprochen auf das
Thema Stolpersteine waren nahezu alle jüdischen Besucher der Meinung diese
Art des Gedenkens sei unangemessen, da man i.d.R. nicht darüber 'stolpert',
sondern viel mehr das Gedenken mit Füßen trete. Unsere Art des Gedenkens
erscheine ihnen als eine sehr gute Art an das ehemalige jüdische Leben in
Biebesheim am Rhein zu erinnern. Wir richteten im Heimatmuseum eine kleine
Abteilung ein in der die Objekte gezeigt wurden und Informationen zu
Biebesheims ehemaligen jüdischen Mitbürgern. Der Stellvertretende
Vorsitzende Thomas Schell verfasste in 'Familienbuch der Biebesheimer Juden'
und zuletzt gaben wir das Buch 'Jüdisches Leben in Biebesheim' unseres
Mitglieds Timo Kolb heraus. Die Gemeinde Biebesheim hat auf dem Grundstück
Ecke Rheinstraße/Anglerweg, das einmal in jüdischem Besitz war, einen
Gedenkstein mit einer Bronzeplakette errichtet, womit der ehemaligen
Biebesheimer Juden gedacht wird, wo auch die Gedenkmenora errichtet werden
wird. Gemeindevorstand und Gemeindevertretung haben dieser neuen, weiteren
Art der Erinnerung an die ehemaligen jüdischen Mitbürger Biebesheims
zugestimmt.
Auf der Suche nach einer weiteren Möglichkeit, die Erinnerung an diese
Menschen zu erhalten, entwickelte 2017 der Vorsitzende des Heimat- und
Geschichtsvereins Biebesheim e.V. und Museumsleiter Norbert Hefermehl die
Idee mit der Menora. Diese Idee wurde mit der Werkstätte für Gestaltung Hans
Engstner geplant und mit der Schlosserei Tragesser umgesetzt. Man entschied
sich für eine unregelmäßig, schräg geschnittene Platte aus Cortenstahl und
darauf eine bedruckte Plexiglasplatte, auf der über jedem Menora-Arm der
Name einer Familie steht, die von 1933 bis 1935 Biebesheim verlassen
mussten. Dazu wird jeweils auch ein QR-Code gedruckt, sowie auch für die
ehemalige Synagoge und die gesamte Geschichte der Biebesheimer Juden. Diese
sieben Informationen sind auf der Homepage des Heimatmuseums hinterlegt und
können damit abgerufen werden. Damit wird, in Kooperation mit dem Kulturamt
der Gemeinde Biebesheim am Rhein, eine Möglichkeit der Information
geschaffen, die weit über die wenigen Angaben die auf Stolpersteinen zu
lesen wären, hinausgeht. Diese Menora, die zwischenzeitlich fertiggestellt
wurde, wurde Anfang April 2023 aufgestellt. Neben dem Davidstern ist die
Menora eines der wichtigsten Symbole des Judentum. Von daher erschien es
Norbert Hefermehl als das einzig Richtige dieses für diese neue Art des
Gedenkens zu wählen. Nach der biblischen Überlieferung erhielt Moses auf dem
Berg Sinai den Auftrag, einen sechsarmigen Leuchter aus einem Zentner reinem
Gold zu fertigen. Ebenso wurde ihm das Aussehen, drei Arme pro Seite mit
Mandelblütenartigen Verzierungen sowie eine mittlere Leuchte, ausführlich
erklärt. Als Teil des Mischkan, eine Art portables Heiligtum, sollte dieser
Leuchter nach dem Auszug aus Ägypten dem Volk Israel auf seinen Wanderungen
den Weg leuchten. Das Mischkan, oder auch Stiftszelt genannt, sollte als
Heiligtum dienen, bis ein permanentes Zentralheiligtum errichtet worden ist.
Laut Bibel trugen die Israeliten die Mischkan samt Menora stets bei sich,
bis sie nach der vierzigjährigen Wanderung im Tempel in Jerusalem ihren
Platz fanden und integriert wurden. Der Leuchter symbolisiert das Licht,
welches von Gott geschaffen wurde. Es soll Leben spenden und Erleuchtung
bringen und so soll Israel selbst zu einem Licht unter Völkern werden. Jeder
Arm steht für einen Tag der Schöpfungsgeschichte inklusive dem Schabbat, dem
Ruhetag. Meist auf dem Altar inmitten der Synagoge hat die Menora heute
einen zentralen Platz, auch wenn sie selbst nur noch selten in Gebrauch ist.
Heutzutage erinnert das 24 Stunden brennende, sogenannte ewige Licht, in
einer Synagoge an die ursprüngliche Funktion der Menora. 1948 wurde die
Menora zum offiziellen Wappen Israels ernannt. Umgeben von Olivenzweigen und
auf einem zweistufigem Podest stehend bildet die Menora den Mittelpunkt des
blauweißen Emblems." |
Fotos zur Einweihung
der Gedenkmenora (Fotos: Heimatmuseum Biebesheim) |
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Gemeindevertretervorsteher
Hans-Georg Krings, Bürgermeister Thomas Schell sowie Museumsleiter und
Vorsitzender des Heimat- und Geschichtsvereins Norbert Hefermehl
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Gedenkstein und
Gedenkmenora
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Gedenkmenora
mit QR-Codes
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Links und Literatur
Links:
Quellen:
Literatur:
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. I S. 70. Bd. II S. 299-300
(Stockstadt) |
| Thea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit
1945? 1988 S. 136-137. |
| dies.: Das jüdische Rituelle Tauchbad und: Synagogen in
Hessen. Was geschah seit 1945 Teil II. 1994. S. 116. |
| Angelika Schleindl: Verschwundene Nachbarn.
Jüdische Gemeinden und Synagogen im Kreis Groß-Gerau. Hg. Kreisausschuss
des Kreises Groß-Gerau und Kreisvolkshochschule. Groß-Gerau 1990. |
| Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.):
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der
Verfolgung 1933-1945. Hessen I Regierungsbezirk Darmstadt. 1995 S. 154.177. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. 97. |
| Förderverein jüdische Geschichte und Kultus im Kreis
Groß-Gerau in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis jüdische Geschichte in
Biebesheim (Hg.): Die Geschichte der Juden in
Biebesheim. Erfelder Heft 1.
Online
zugänglich (pdf-Datei).
Der Band enthält Beiträge von Ilse Fehr, Volker Hain, Anke Joisten-Pruschke,
Elfriede Marwitz, Ernst Standhartinger.
|
| Aus
der Reihe "Biebesheimer Geschichtsblätter", hrsg. vom Heimat- und
Geschichtsverein Biebesheim e.V., Heft Nr. 5:
Thomas Schell: Familienbuch der
Biebesheimer Juden. Biebesheim 2003. 34 S. ISBN
3-9807543-8-3
Das Familienbuch enthält größtenteils Informationen zu jüdischen
Einwohnern, die ab Mitte des 18. Jahrhunderts in Biebesheim lebten bzw.
verzeichnet waren. Es werden 344 Personen in 121 Familien genannt. Es
konnten Verbindungen zu insgesamt 84 unterschiedlichen Orten hergestellt
werden. |
| Fern
Schumer Chapman: Is it Night or Day?
Hinweis: ein Jugendbuch, in dem die Reise der zwölfjährigen Edith geb.
Westerfeld aus Stockstadt und ihre ersten Jahre bei Verwandten in Chicago
verarbeitet werden.
Website der Verfasserin mit
Informationen
zu diesem und dem nachstehenden Buch. |
| dies.:
Motherland - Beyond the Holocaust. A Daughter's Journey to Reclaim
the Past.
Als Taschenbuch im Reprint 2001 erschienen. Penguin (Non-Classics). 190
S. Amazon
auch in deutscher Übersetzung von Dörte Eliass erschienen unter dem
Titel:
Fern Schumer : Mutterland ... nach dem
Holocaust. Eine Tochter fordert die Erinnerung zurück.
Christel Göttert Verlag Rüsselsheim 2002 ISBN 3-922499-58-9
22,50 € Informationen
auf Verlagsseite Amazon |
| Timo
Kolb: Jüdisches Leben in Biebesheim. Hardcover 203 S. 2017.
ISBN 978-3-00-055206-9.
Die Publikation wurde bei einer Veranstaltung des Heimat- und Geschichtsvereins
Biebesheim e.V. am 21. Januar 2017 vorgestellt. Sie wurde von Timo Kolb erstellt,
von Norbert Hefermehl bearbeitet und in druckfähige Form gebracht. Die Künstlerin Jana Haft hat das Cover gestaltet.
Mit diesem Buch wurde erneut ein umfassendes Werk zur Geschichte der Biebesheimer Juden veröffentlicht.
Es wird darin versucht, Besonderheiten des jüdischen Landlebens aufzuzeigen und detailliert darzustellen. Die jüdischen Familien waren einst ein fester Bestandteil der Biebesheimer Bürgerschaft und über Jahrhunderte fest in das Gemeindeleben integriert.
Diese Veröffentlichung ist mittlerweile die dritte Arbeit über die ehemaligen jüdischen Mitbürger Biebesheims. Neben dem Buch, das bereits vor Jahren beim Arbeitskreis für jüdische Geschichte erschien, hat der Heimat- und Geschichtsverein die genealogische Schrift "Familienbuch der Biebesheimer Juden" herausgegeben. Damit hat liegen über die ehemaligen jüdischen Mitbürger Biebesheims mit die umfangreichsten Informationsquellen im Kreis Groß-Gerau vor.
Das Buch wird zum Preis von € 11,80 verkauft und kann beim Heimat- und Geschichtsverein Biebesheim e.V. und in allen Buchhandlungen erworben werden.
Kontakt: Heimat- und Geschichtsverein Biebesheim e.V. - Heimatmuseum Biebesheim
museumbiebesheim@aol.com
Tel. 06258-6509.
Dazu Presseartikel in der "Lampertheimer Zeitung" vom 24.
Januar 2017: "Eine
Form des Gedenkens". |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Biebesheim Hesse. Numbering 49
(3.1 % of the total) in 1861, the community dwindled to 22 in 1933. By the end
of 1938 all the Jews had emigrated.
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