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in Freiburg
Freiburg im
Breisgau (Kreisstadt)
Texte/Berichte zur jüdischen Geschichte der Stadt
im 19./20. Jahrhundert (bis nach 1933)
Hier: Berichte aus dem jüdischen Gemeinde-
und Vereinsleben 1864 - 1938
Die nachstehend wiedergegebenen Texte mit
Beiträgen zur jüdischen Geschichte in Freiburg wurden in jüdischen Periodika
gefunden.
Bei Gelegenheit werden weitere Texte eingestellt. Neueste Einstellung am
9.12.2014.
Übersicht:
Berichte aus
dem jüdischen Gemeindeleben 1864 - 1938
Die jüdische Gemeinde in Freiburg wurde gegründet (1864)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 6. September 1864: "Aus dem Badenschen, im August (1864). In Freiburg wohnen jetzt gegen 35 jüdische Familien; dieselben haben sich jetzt eine Synagoge eingerichtet, in welcher an Sabbat- und Feiertagen Gottesdienst mit Orgelbegleitung abgehalten wird. Es steht zu erwarten, dass dieses Beispiel in den durch die Freizügigkeit sich bildenden neuen Gemeinden Nachahmung finden wird."
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Fragen der Beitragspflicht der nach Freiburg zugezogenen
jüdischen Personen (1866)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 6. Februar 1866: "Aus dem Badischen, 16. Januar (1866). Eine durch die Israeliten im Breisgau angeregte Rechtsfrage, welche von allgemeinem Interesse ist, kommt in Bälde zur Entscheidung. Vor einiger Zeit bildeten nämlich die 30 Israeliten, welche sich in Freiburg ansässig gemacht, eine Kultusgemeinde, der unter Genehmigung der ihr zu Grunde gelegten Statuten, von der Regierung das Korporationsrecht verliehen wurde. Die in Freiburg nicht bürgerlichen Mitglieder dieser Gemeinde gingen von der Ansicht aus, dass ihre vollständige Aufnahme in die neugebildete Kultusgemeinde sie, ohne allen weiteren Genuss von ihrer Muttergemeinde, von derselben trenne und aus eben diesem Grunde der Beitragspflicht dorthin enthebe. Es wurde jedoch von den verschiedenen Gemeinden Klage in Zeitungen gegen sie erhoben, sich auf einen Erlass vom Jahre 1849 stützend, der jeden Israeliten, der sich in einer anderen Gemeinde niederlässt ohne dort der politischen Gemeinde anzugehören, zur vollen Beitragspflicht an die erstere verurteilt. Es entsteht nun zunächst die Rechtsfrage, ob der Erlass von 1849 noch anwendbar sei, da zu dieser Zeit von Freizügigkeit keine Rede,
ebenso wenig die Bildung neuer israelitischer Kultusgemeinden in Aussicht
war" |
Nach dem grausamen Ende der mittelalterlichen jüdischen
Gemeinde ist eine neue Gemeinde in der Stadt entstanden
(1869)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 12. Oktober 1869: "Freiburg (Breisgau). Der hiesige Synagogenrat hat ein Zirkulär erlassen, aus welchem wir folgende interessante Stelle hervorheben.
'Die Mitte des 14. Jahrhunderts bildete bekanntlich eine der traurigsten Perioden in dem Martyrologium der deutschen Judenheit, das Jahr 1349 führte im Gefolge von Pest und großer Sterblichkeit jene grässlichen Verfolgungen herbei, welche mit den Scheiterhaufen endeten, auf welchen die ihrem Glauben treu gebliebenen Juden, mit dem Ausrufe 'Höre Israel, der Ewige
unser Gott, der Ewige ist einzig' ihre Seele aushauchten.
Als unsere Nachbarstädte Straßburg und Basel solche Hekatomben errichteten, konnte Freiburg natürlich nicht zurückbleiben und vernichtete in einem Tage ihre blühende Gemeinde und ließ sich später von Kaiser Sigmund ausdrücklich das Recht erteilen, keinen Juden gegen der Stadt Willen aufnehmen zu müssen, welches Privilegium sie bis auf die neueste Zeit getreulich wahrte.
Erst nach Umfluss von fünf Jahrhunderten wurden durch die Gesetzgebung des Jahres 1862 die Schranken, welche den Juden den bleibenden Aufenthalt in hiesiger Stadt wehrten, niedergerissen und bald siedelten sich Israeliten aus nah und fern hier an, welche, um ihren religiösen Bedürfnissen zu genügen, sich zuvörderst als israelitische Religionsgenossenschaft konstituierten, bis dieselbe als Gemeinde durch die Gnade Seiner Königlichen Hoheit unseres hochherzigen Großherzogs Friedrich unterm 21. Oktober 1864 Korporationsrechte verliehen erhielt, wodurch wir in den Stand gesetzt wurden, uns den übrigen israelitischen Gemeinden des Landes würdig anzureihen. |
Ein zeitgemäßer Gottesdienst, der sowohl dem streng-religiösen als dem dem Fortschritt huldigenden Gemüte entspricht, wurde in einem gemieteten Betlokale eingeführt, dessen Räumlichkeiten sich jedoch von Tag zu Tag als unzureichender herausstellten.
Mangel an anderweitigen passenden Lokalitäten brachte in uns den Gedanken zur Reife, einen eigenen Tempel zu bauen, der Zeugnis ablegen soll für die Opferbereitwilligkeit des für seinen Glauben begeisterten Israels, noch mehr der ein Monument darstellen soll des endlichen Sieges der Humanität über die Unduldsamkeit.
Von Seiten unserer Gemeinde, die noch nicht aus 50 Familien besteht, kam man unserm Vorhaben mit einer seltenen und wahrhaft erhebenden Einstimmigkeit entgegen und so konnten wir rüstig ans Werk schreiten.
Der Aufwand des Baues ist auf fl. 25.000 festgesetzt, hierzu wurde uns von Seiten der städtischen Beurbarungskommission bereitwilligst ein Darlehen von fl. 20.000 bewilligt, welche nach dem genehmigten Tilgungsplan in 20 Jahren wieder abbezahlt sein müssen;
hierfür wollen wir nun freilich aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe aufkommen, aber noch bleibt Vieles zur Vollendung und würdigen Ausschmückung zu tun übrig, da in diesem Kostenvoranschlag weder Torarollen, heilige Geräte, Vorhänge von der heiligen Lade, Beleuchtungsgegenstände noch sonst nötige Utensilien vorgesehen sind.'
Zu dieser inneren Ausschmückung der neuen Synagoge bittet der Synagogenrat Freunde der guten Sache um
Spenden". |
Probleme bei der Beisetzung von in Freiburg
gestorbenen jüdischen Personen (1870)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 14. Juni 1870: "Freiburg (Breisgau), 1. Juni (1870). Man möge sich nur nicht vorstellen, dass der
Rischuss (= Antisemitismus) hierzulande, obschon er aus der Gesetzgebung und den Stadtbehörden gewichen, völlig verschwunden sei. Der Gemeinderat von Freiburg erließ am 11. Januar 1867 folgende Bekanntmachung: 'Unsererseits steht bei einem vorkommenden Todesfalle der Beerdigung eines Israeliten kein Hindernis im Wege.' Bei dem Vorkommen des Todesfalls eines fremden Israeliten aber erließ Großherzogliches Bezirksamt in diesem Tagen: 'Da auf dem hiesigen Kirchhofe nur Angehörige christlicher Konfession beerdigt werden dürfen, so erübrigt nur, den fraglichen Juden (!) nach Emmendingen zu verbringen, denn dorthin wird der Transport am wenigsten kosten (sic!). Die Transportkosten wären dann eben zu den übrigen Beerdigungskosten zu rechnen. Fetzer.' Der Einsender Dieses verbürgt die wortgetreue Abschrift des bezirksamtlichen Erlasses ! Die Leiche wurde aber auch in Emmendingen abgewiesen und nach einem dritten Orte endlich zur Ruhe
gebracht". |
"Denkzettel" für einen antisemitischen
Redakteur in Todtnau (1891)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 1. Januar 1891: "Freiburg im Breisgau, im Dezember (1890). Der Redakteur des in
Todtnau erscheinenden antisemitischen Blättchens hat dieser Tage einen fühlbaren Denkzettel erhalten. Ein hiesiger Rechtsanwalt, der der israelitischen Gemeinde angehört, hatte einen Bürgermeister verteidigt, der seinem Pfarrer während der Predigt Ruhe geboten und die Kirche in Aufsehen erregender Weise verlassen hatte. Der Angeklagte, der in dieser Predigt gröblichst angegriffen worden war, ist, nachdem zuerst eine milde Verurteilung erfolgt war, von der Strafkammer Waldkirch (und zuletzt auch vom Reichsgericht) freigesprochen worden. Während die Sache beim Reichsgericht schwebte, wurde in badischen Blättern eine sehr heftige Zeitungspolemik darüber geführt. Das antisemitische Blättchen ergriff freudig die Gelegenheit, dem 'jüdischen Rechtsanwalte' vorzuwerfen, dass der Jude nicht allein an der sittlichen Verwilderung seine Freude habe, sondern dass er aus der Verrottung der öffentlichen Zustände seine Nahrung ziehe. Darauf von dem Rechtsanwalte, dem sich alle Berufsgenossen am Orte freiwillig zur Verfügung gestellt hatten, verklagt, ist der Redakteur von dem Schöffengericht Schönau zu 8 Tagen Gefängnis, 60 Mark Geldstrafe, in die Kosten und Veröffentlichung des Urteils in seinem Blatte verurteilt worden. Nach antisemitischer Gepflogenheit hat der Angeklagte vor dem Termin geäußert, wenn er verurteilt werde, trinke er eine Flasche Champagner. Ein hiesiges ultramontanes Blatt bemerkt hierzu: Trinken könne er sie nun; es sei aber fraglich, ob sie ihm schmecken
werde". |
Über die Gründung eines Talmud-Tora- und
Wohltätigkeitsvereins (1892)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
21. April 1892: "Freiburg im Breisgau, 15. April (1892). Es wird wohl Ihnen und Ihren geschätzten Lesern angenehm sein, auch einmal einiges aus einer Gemeinde zu erfahren, die sonst der orthodoxen Richtung
fern steht. Im vergangenen Jahre wurde hier auf Anregung des Herrn Leopold Dukas ein Verein ins Leben gerufen, welcher sich die Ausübung von Talmudtora und
Gmiluschesed (Wohltätigkeit), zur Aufgabe machte; vor kurzem feierte dieser Verein das Fest der ersten Wiederkehr seines Gründungstages. Zuerst fand die
Generalversammlung statt, worin der Vorstand Bericht über das abgelaufene Jahr abstattete und die Mitglieder aufforderte, sich auch fernerhin um die Fahne des orthodoxen
Judentums zu scharen und immer einzutreten, wo es gilt Gutes zu tun.
An die Generalversammlung schloss sich ein gemeinschaftliches Essen, welches durch einen Vortrag des Herrn A. H. Dreyfus, Sekretär des Vereins, eingeleitet wurde. Mit größter Aufmerksamkeit folgten die Mitglieder den spannenden, von dem Geiste unserer Tora durchdrungenen Worten des Redners, und allgemeiner Beifall war der Lohn für die vorzügliche Leistung des Redespenders.
Während der Mahlzeit sprachen noch einige Mitglieder über die vom Verein gepflegten Ideen, den Höhepunkt erreichte jedoch das Fest mit der Versteigerung des Tischgebets, wobei ein, über alles Erwarten, großer Beitrag erlöst wurde.
In gehobener Stimmung, in dem Bewusstsein, Gutes vollbracht zu haben, schloss das Fest, und man trennte sich mit dem Gefühlte, neue Anregung für die schönen Ziele des Vereins gewonnen zu haben. H.A.K": |
Kritisches zur neuen Synagogenordnung
(1894)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15.
November 1894: "Aus Baden schreibt man uns: Die Freiburger Synagogenordnungs-Geschichte hat bei mir nicht wenig
Kopfschütteln erregt. Dass solche Bestimmungen und Maßnahmen stattfinden, konnte kaum begreifen, da wir ja einen Oberrat haben, der Synagogenräte maßregeln, beziehungsweise ihres Dienstes entheben lassen kann, wenn sie seinen Anordnungen entgegen handeln. Der Synagogenrat darf 1. keine Synagogenordnung festsetzen, die nicht von der Bezirkssynagoge genehmigt ist, denn nur diese hat das Recht zur Beratung über die Handhabung derselben: 2. darf auch diese nur das gutheißen, was der Oberrat in Betreff des israelitischen Gottesdienstes im Jahre 1824 angeordnet. Danach wären viele §§ nimmermehr zu billigen. Ich will für heute nur 1 Punkt erwähnen. Die Freiburger Synagogenordnung verlangt schwarze Kleidung, schwarzen Hut, beziehungsweise bei verheirateten Mitgliedern Zylinder; in vorbezeichneter Verordnung steht aber ausdrücklich: 'Übrigens sollen weder Männer noch Frauen wegen ihres Anzuges, vorausgesetzt, dass
er anständig und das Haupt bedeckt ist, zu irgendeiner Zeit zur Rede gestellt werden.' Diese Bestimmung soll der Freiburger Synagogenrat und die Bezirkssynagoge wissen; denn sie steht im Verordnungsblatt des Oberrats, das jede Gemeinde halten muss. Ebenso schreibt der Oberrat in einem Erlass
vom Jahre 1885 vor, dass Ausschließungen vom Gottesdienst nur ausnahmsweise und in Fällen
der schwersten Art von Übertretungen der Synagogenordnung zur Anwendung kommen dürfen. Ein solch schwerer Fall liegt aber doch hier keineswegs vor. Da sollte in ganz entschiedener Weise Änderung geschaffen werden; denn ein solches Schalten und Walten, solche Vorkommnisse, wie sie betreffendes Mitglied Kahn schilderte, müssen jeden Menschen in Staunen bringen. Da sollte unsere Behörde sorgen, dass derartige Dinge nicht mehr vorkämen."
|
Über die neue Freiburger Synagogenordnung - Kritische
Beurteilung aus orthodoxer Sicht (1894)
Anmerkung: der damalige Synagogenrat - das Leitungsgremium der Gemeinde -
ging offenbar in rigoroser Weise mit konservativ geprägten Gemeindegliedern um,
die sich nicht an die neue - liberal geprägte - Synagogenordnung halten
wollten. In der konservativ-orthodoxen Zeitschrift "Der Israelit"
wurde der Fall der Auseinandersetzung des Gemeindegliedes Herm. A. Kahn mit dem
Synagogenrat ausführlich dargestellt. Danach wird die Freiburger
Synagogenordnung in einzelnen Punkten massiv angegriffen; die Widersprüche der
Ordnung mit den traditionellen Überlieferungen und Gebräuchen werden in teils
polemischer Weise vorgeführt.
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. Oktober
1894:
"Die neue Freiburger Synagogenordnung. Mainz, 28. Oktober
(1894).
Die jüdische Literatur ist dieser Tage durch eine Publikation bereichert
worden, die es wohl lediglich der geheimnisvollen Art ihres Erscheinens
zuzuschreiben hat, dass sie bis jetzt nicht die Würdigung fand, die sie
in so hohem Maße verdient. Ohne Namen des Verfassers, Druckers und
Druckorts wäre man leicht geneigt, das geheimnisvolle Schriftchen für
eine revolutionäre Brandschrift gefährlicher Anarchisten zu halten, wenn
es nicht die harmlose Aufschrift träge - Synagogenordnung. Nicht
einmal, dass es sich um die Synagogenordnung der Israelitischen Gemeinde
zu Freiburg handelt, wüssten wir aus ihr, wenn nicht eine indiskrete,
gütige Fee es uns verraten hätte.
Ob es eitel Bescheidenheit ist, was die Gevattern und Taufpaten dieser
Synagogenordnung ihr Licht so tief unter den Scheffel stellen
ließ.
Die Freiburger Synagogenordnung beginnt, womit man sonst aufhört, mit Mussaf.
Wenn's nicht schwarz auf weiß dastünde, würde man es nicht glauben,
dass der § 1 dieser Synagogen-Ordnung mit den Worten beginnt:
§ 1. 'Am Sabbat und Festtagen beginnt der Mussaf-Gottesdienst um 9
Uhr. Schachris von Pessach bis
Simchas-Tora 7 1/2 Uhr usw.'
Wenn es auch der Freiburger Synagogenrat nicht wissen sollte, seinem
theologischen Beirat, dem Herrn Rabbiner von Freiburg, der durch seine
geistvolle Gebetmantel-Theorie so schnell und so gründlich berühmt
wurde, ihm kann es kaum unbekannt sein, dass Mussaf-Gottesdienst,
Zusatz-Gottesdienst bedeutet. Wo etwas hinzugefügt werden soll,
muss etwas vorher da sein, sonst ist ein Zusatz ein Dach, zu dem man ein
Haus baut, ein von hinten aufgezäumtes Ross, kurz ein Unsinn.
§ 2 lautet: 'Der Besuch der Synagoge während des Gottesdienstes ist
jedem Israeliten, der sich am Gebet beteiligen will, gestattet, insofern
er sich der Synagogenordnung unterzieht.'
Wie wenig respektierlich der Freiburger Synagogenrat mit seinen eigenen
Verordnungen umspringt, sobald nicht die Gemeinde, sondern er selbst sich
danach richten soll, darüber verbreitet folgende uns aus Freiburg
zugehende Mitteilung, ein recht drastisches Licht.
Dieselbe lautet: 'Nachdem Sie in Ihrem geschätzten Blatte wiederholt
meine Ausschließung aus der hiesigen Synagoge berichteten, bitte ich Sie
um gefällige Veröffentlichung nachstehenden Tatbestandes.
Es ist vom hiesigen Synagogenrate gestattet, an den Werktagen sowie am
Neujahrs- und Versöhnungsfeste den Gebetmantel zu tragen, für
Leidtragende während des ganzen Jahres. Von diesem Rechte habe ich
seither mit einigen Gemeinde-Mitgliedern, die man im Gegensatze zu der
Mehrheit der Gemeinde 'religiös' nennt Gebrauch gemacht, ohne dass uns je
von irgendeiner Seite eine Beschränkung, über die Art des Tragens des
Gebetmantels gemacht wurde.
Nachdem ich vor drei Monaten leider durch den Verlust meiner Mutter in
Trauer kam, habe ich dem hiesigen Gebrauche gemäß meinen Gebetmantel
getragen und zwar, wie es der Ritus vorschreibt und wie ich und andere
vorher unbeanstandet vorgenommen, um den Körper gehüllt.
Sechs Wochen lang in Anwesenheit vieler Gemeindemitglieder und einiger
Synagogenräte durfte ich das religiöse Gebot befolgen bis an einem
Samstage der Vorsteher die Synagoge besuchte und mir nach Beendigung des
Gottesdienstes sagen ließ, ich solle den Gebetmantel um den Has umlegen;
ich habe dem Diener geantwortet, ich hätte es mir bemerkt und wen ich
persönlich Material genug hätte, wüsste ich ja wo der Freiburger Bote
(eine hiesige Zeitung) sei; am Nachmittags-Gottesdienst habe ich schon den
Gebetmantel nach dem neuesten Erlass des Vorstehers getragen.
Am folgenden Tage erhielt ich ein Schreiben des hiesigen Synagogenrates,
wonach ich auf die Dauer von vier Wochen, wegen obiger Antwort, sowie
wegen unbefugten |
Benützens
eines Synagogen-Platzes aus der Synagoge ausgewiesen sei. Ich bemerke,
dass ich auf die Dauer eines Jahres von der Gemeinde einen Synagogenplatz
gemietet und bezahlt hatte und bei Eintritt der Trauer diesen Platz mit
ausdrücklicher Erlaubnis des Gemeinde-Mitgliedes, dessen Platz ich nun
einnahm, gewechselt habe; es genügt zu bemerken, dass der Synagogenrat
bei Erhebung seines Vorwurfes das betreffende Gemeinde-Mitglied nicht
gefragt hat, ob es mir die Benutzung seines Platzes gestattet
habe.
Gegen dieses Vorgehen habe ich durch einen hiesigen christlichen Anwalt
Beschwerde beim Bezirksamte, der zuständigen Behörde
eingereicht.
Statt jeder Antwort erhielt ich am 15. September vom hiesigen Synagogenrat
eine weitere Zuschrift, er habe davon Kenntnis genommen, dass ich durch
den Anwalt Fehrenbach Beschwerde eingereicht habe und darin ausgeführt
habe, dass ich das Vorgehen des Vorstandes als persönlich ansehe ('was
ich übrigens heute noch glaube') wie überhaupt über sein
herrschsüchtiges Wesen innerhalb der Gemeinde vielfach Klagen erhoben
werden. In Folge dieser Verleumdung habe der Synagogenrat beschlossen, wir
auf die Dauer von weiteren drei Monaten die Synagoge zu
verbieten.
Anstatt auf die erhobene Anschuldigung zu antworten, wählte der
Synagogenrat einen bis jetzt neuen Rechtsweg, er bestraft die sich auf
gerichtlichem Wege Beschwerenden, und habe ich gegen dieses ungesetzlich
Vorgehen durch meinen Anwalt beim hiesigen Bezirksamte Berufung
eingelegt.
Am 29. September erhielt mein Anwalt endlich eine Zuschrift vom badischen
Oberrate, wonach die vom hiesigen Synagogenrat verfügte dreimonatliche
Ausschließung nicht in Wirkung treten dürfe.
Das Schriftstück enthielt ferner die für mich so interessante
Mitteilung, dass der Oberrat bereits am 30. August meine erste Beschwerde
dem Synagogenrate zur Rückäußerung übersandt habe und gleichzeitig
anordnete, dass die gegen mich verfügte Ausweisung sistiert
werde.
Von diesem Beschlusse des Oberrates ist aber sowohl mir als meinem
Anwalte vom Synagogenrate nichts mitgeteilt worden und, gegen die
Intention des Oberrates, eine neue Strafe auferlegt worden; ich überlasse
es dem Urteile der Leser über diese Amtshandlung des hiesigen
Synagogenrates zu richten. Nur möchte ich neben der Rechtsfrage noch das
eine hervorheben.
Wir verlangen von der Behörde, der Schule und dem Militär, dass uns am
Neujahr- und Versöhnungsfeste Urlaub zum Besuche des Gottesdienstes
gegeben wird; der Christ gewährt uns dieses und ein Synagogenrat
verschließt dem Glaubensgenossen die Synagoge! Das ist auch ein Zeichen
der Zeit und für unsere Reformbewegung charakteristisch!
Nach diesem Vorgange hat also ein Israelit gar kein Recht, sich gegen die
Ungesetzlichkeit des Synagogenrates zu belagen! Doch scheint mir die
Empfindlichkeit des hiesigen Vorstehers gar nicht so am Platze, da er doch
keinen Anstand nahm bei einer Vorstands-Sitzung des Ausschusses der
hiesigen Gemeinde zu erklären, man solle dem hiesigen Rabbiner die
Wohnung im Gemeindehause nicht vermieten, da der Rabbiner streitsüchtig
sei und bei Niemandem wohnen könne.
Gegen diese Äußerung dieses Vorstehers ist nichts geschehen; wer aber
gegen die Willkürlichkeiten der Vorsteher Beschwerde erhebt, wird
ausgewiesen! Herm. A. Kahn.
Während der Synagogenrat sich so selber in eigenen Widerspruch mit seiner
Synagogenordnung setzt, darf es nicht Wunder nehmen, wenn der erste Beamte
der Gemeinde, der Rabbiner, diesem Beispiel seiner Oberen folgen sollte.
Nach § 5 hat 'Jedermann stets das Angesicht nach Osten zu halten'.
Wenn nun der Rabbiner z.B. bei seinen Predigten nicht der Gemeinde den
Rücken zuwenden sollte, so kann ihm der Synagogenrat den Synagogenbesuch
verbieten. Er richtet sein Angesicht nach Westen und der Tora zeigt er den
Rücken!
Noch schärfer tritt der Gegensatz zwischen dem Freiburger Rabbiner und
der Synagogen-Ordnung seiner Gemeinde bei den §§ hervor, welche der
Toilette der Synagogenbesucher gewidmet sind.
Der § 7 ist noch harmlos; er dekretiert: 'Es wird von den
Synagogenbesuchern erwartet, dass sie in passender, möglichst dunkler Kleidung
erscheinen. Verheiratete Gemeindemitglieder müssen am Samstagen und
Festtagen mit schwarzen Zylinderhüten bekleidet sein. Bei Erwachsenen ist
dunkler Hut geboten.'
Ob die dunkle Kleidung wirklich die passende ist, dürfte mindestens
streitig sein. Rabbi
Jonathen Eibeschütz im II. Teil seines Jaaroth Dewasch behauptet zum
Beispiel das Gegenteil.
Dass ein Synagogenrat, dem es nicht gelingen will, alle unter einen Hut zu
bringen, den fehlenden Gemeindefrieden wenigstens symbolisch durch
gemeinsamen Zylinderhut veranschaulichen möchte, ist anerkennenswert.
Aber bei dem nun folgenden § 8 wird der zwiespaltige Gegensatz in
Permanenz erklärt.
Er lautet: 'Das Tragen von Gebetmänteln ist verboten. Ausgenommen sind
der Kantor und der Rabbiner, sowie Trauernde für das Trauerjahr und
Jahrzeitfeiernde. An dem Neujahrsfest und Versöhnungstage ist das Anlegen
ebenfalls gestattet.
'Niemals darf der Gebetmantel anders getragen werden als zusammengefaltet
um den Halt gelegt. 'Mitbringen von Luloff
und Esrog ist an beiden
Tagen des Laubhüttenfestes gestattet, jedes Herumreichen in der
Synagoge untersagt.
Weiter ist untersagt:
1. Das Mitbringen von Kindern zur Wimpeleinweihung.
2. Das öffentliche Vortragen von Tora-Abschnitten bei
Konfirmanden.
3. Das Mitbringen von Stühlen, Kissen, Bänken oder
dergleichen.
4. Das Ausziehen oder Wechseln der Schuhe im Gotteshause |
5.
Das Abschlagen von Weidensträußen.
6. Das Öffnen oder Schließen der Türen oder Fenster, Anzünden oder
Löschen der Lichter.
7. Das Tragen der sogenannten Totenkleider (Sarkinos).
8. Das Einfallen in das Gebet oder in den Gesang des Vorbeters, oder das
laute Beten.
9. Das Vorbeten an Wochentagen, Samstagen oder Festtagen ohne spezielle
Erlaubnis; ausgenommen ist der 'Mohel' bei einer Beschneidung. An Sabbat
und Festtagen betet er nur bis 'Borchu'.
Ferner ist verboten:
10. Das Beten von 'Kadischim', welche weder vom Rabbiner noch vom Vorbeter
vorgesprochen werden.
11. Das Begrüßen des Neumondes mit Gebeten vor der Synagoge.
12. Trauernden in der Vorhalle sich aufzustellen.
13. Das Anschlagen von Bekanntmachungen ohne Genehmigung des
Synagogenrats.' Diese 13 Glaubenartikel erfordern eine Monographie ganz
für sich, weshalb wir denselben noch einen besonderen Schlussartikel
widmen wollten. (Schluss folgt)." |
|
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. November
1894: "Die neue Freiburger Synagogenordnung. (Schluss).
Mainz, 13. November. 'Das Tragen von Gebetmänteln ist verboten'.
Welche Ungeheuerlichkeit liegt doch in den sechs Worten! Was Gott
gebietet, verbietet der Freiburger Synagogenrat. Wo nimmt diese Behörde
die Keckheit her, mit Gottes Gesetzen umzuspringen, als ob es Mitglieder
der Synagogengemeinde Freiburg wären, die man einfach ausweist, wenn sie
einem läst sind?! Was haben die Gebetmäntel mit ihren Zizis verbrochen,
dass sie so in erster Reihe der Razzia zum Opfer fallen, die da eine
jüdische Behörde auf die klaren bündigen Satzungen des allmächtigen
Gottes veranstaltet? Es ist doch die Mizwa, welche wie keine andere zu all
den Pflichten anzuregen bestimmt ist, die zahlreich wie die Tage des
Jahres und wie die Glieder des menschlichen Körpers mit unserem ganzen
Dasein verwoben sind; es ist doch die Mizwa, mit deren Symbolen wir unsere
Kinder weihen, wenn sie kaum zu lassen beginnen, die uns auf Schritt und
Tritt selbst über diese Zeitlichkeit hinaus ins Grab begleitet; warum ist
das Tragen von Gebetmänteln in Freiburg verboten? Verletzen sie die
ästhetische Feinfühligkeit des Synagogenrats, weil sie älteren Schnitts
als das neueste Modejournal sind? Gelten sie den synagogenrätlichen
Kirchenlichtern für unanständig? Dann könnten sie doch bei dem Kantor,
Rabbiner und den anderen Talmismännern keine Anstandswidrigkeit
gestatten? Sollte, was am Neujahrs- und Versöhnungstag recht ist, nicht
sonst im Jahre billig sein?
Warum muss der Gebetmantel zusammengelegt um den Hals, warum darf er nicht
anders getragen werden? Macht dieser wunderliche synagogenrätliche Geschmack
nicht noch die Manteltheorie des Freiburger Rabbinats ehrlich? Den Mantel
dem Winde, dem Rocke zu akkomodieren, darin liegt wenigstens System, aber
dem Hals? Dass man das Zizisgebot gar nicht erfüllt hat, wenn man den
Tallis zusammengelegt um den Hals legt, wird dem Verfasser dieser
Synagogenordnung wenig Skrupel machen. Umso,ehr sollte dies aber bei
denjenigen Gemeindemitgliedern der Fall sein, welche sich ihr göttliches,
von den Vätern überkommenes Gesetz nicht durch die Launen einer Handvoll
Gemeindepaschas wegeskamotieren wollen lassen.
Dass das Mitbringen von Lulaf und Erog mit gnädiger Herablassung
gestattet ist, erscheint vielleicht als eine noch größere Verletzung der
Majestät unsere Religionsgesetzes als die freche Rebellion gegen dasselbe.
Der Freiburger Synagogenrat gestattet, was Gott geboten hat! Wenn jemand
irgendein Gesetze Gottes nicht erfüllt und selbst anderen die Erfüllung
hindert, so mag die vermeintliche Weisheit oder Verblendung der
Gesetzlosen sich schon Gründe, vorgeschobene und tatsächliche für ihre
Allüren zurechtlegen. Wenn zum Beispiel bei dem Zizis-Gebot uns
ausdrücklich gesagt ist, wir sollen den an unsere Gewänder zu
knüpfenden Faden anschauen und dadurch an alle Gebote Gottes erinnert und
zu ihrer Erfüllung angespornt werden, so begreift es sich, dass jemand,
der den Gesetzen Gottes den Rücken kehrt und sie am liebsten mit Stumpf
und Stiel ausgerottet sähe, dass einem solchen in erster Reihe das
Zizisgesetz ein Dorn im Auge ist; das wäre begreiflich. Aber wenn die
Freiburger Gemeinde-Potentaten erst erlauben, was Gott seit undenklichen
Zeiten vorgeschrieben hat, so ist damit gesagt: In der Freiburger Synagoge
wird Mizwas Lulof nicht erfüllt, weil Gott er verlangt, sondern weil der
Synagogenrat es erlaubt. Nicht der Wille Gottes, die synagogenrätliche Erlaubnis
ist maßgebend, ohne diese Erlaubnis stünde Mizwas Lulof wie Mizwas Zizis
auf dem Index.
Und: 'Mitbringen von Lulof und Esrog ist an beiden Tagen des
Laubhüttenfestes gestattet.' Bis jetzt hat man allgemein geglaubt, unser
Laubhüttenfest hätte sieben Tage. Haben sich die anderen Tage des
Sukkosfestes der Freiburger Synagogenordnung nicht gefügt, dass sie so
mit einem Federstrich ausgewiesen werden? Sollten die Herren wirklich so
verblendet sein zu glauben, Gottes Festtage hörten auf, wenn ihre
Synagogenordnung sie ignoriert?
'Weiter ist untersagt: 1) Das Mitbringen von Kindern zur
Wimpelweihung'.
Was eine 'Wimpelweihung' eigentlich ist, war uns bis dahin unbekannt.
Oberflächliche Leser dieser Synagogenordnung mag es empören, dass ihren
Verfassern nicht nur das Judentum, sondern auch die richtige Handhabung
der deutschen Sprache ein böhmisches Dorf ist. Aber wer tiefer in
dieses |
Paragraphen
Labyrinth eindringt, findet es begreiflich, dass ein neuer Synagogenrat,
der seinen eigenen Schulchan Aruch hat, sich auch seine neue, eigene
Sprache schaffen muss. Den ausgiebigen Gebrauch, den der Freiburger
Synagogenrat von diesem Privilegium macht, wollen wir durch Vorführung
einiger Stilblüten veranschaulichen.
Kiddusch-Lewono ist ihm ein 'Begrüßen des Neumonds' (§ 8), 'Aufrufe
können gegen ein Gebühr von 10. M. gezogen werden' (§ 35), im §
48 begegnen wir 'Ehrungen' und 'Religionsschulkindern' und § 51 zieren
'Aussegnungen'. Aus § 53 erfahren wir, dass diese Synagogenordnung in der
Nebensynagoge sinngemäße Anwendung findet! usw.
usw.
Doch das nur nebenbei. Wir vermuten, dass der Freiburger Synagogenrat mit
der von ihm erfundenen 'Wimpelweihung' den sinnigen jüdischen Brauch
beseitigen will, der 'lallende Kinder vor der ganzen Gemeinde das Band
reichen lässt, mit welchem die Torarollen zusammengehalten werden. Dass
da keine Wimpel geweiht und somit auch keine Wimpelweihung vollzogen wird,
das weiß jeder, der nicht zu Freiburger Synagogenrat zählt. Nicht die
Wimpel, ihre Träger werden geweiht und welch tief eingefressener Hass
gegen alles positiv Jüdische muss doch vorhanden sein, wenn man dieser
sinnigen, alten Vätersitte in unserer Zeit gerade den Krieg erklärt!
Wenn die Alten die Tora auseinanderreißen, so sind es lediglich unsere Kleinen,
deren zarte Händchen das Band reichen, welches unsere Tora noch
zusammenhält. Was haben die Kleinen verbrochen, dass sie dieses Band
nicht mehr reichen dürften?
Dass die Partisane dieses instinktiven Hasses gegen einen so herrlichen,
sinnigen jüdischen Brauch sich nicht fürchten, ihn durch ein solches
Verbot öffentlich zu bekunden, ist ein Beweis dessen, was diese Behörde
ihren 'Untertanen' bieten zu können wagt. Wenn sie sich das eine Verbot
der 'Wimpelweihung' ruhig gefallen lassen, dann werden sie das Freiburger
Synagogenrat-Deutsch durch eine Simpel- und Gimpel-Weihung bereichern,
auch wenn sich kein Lexikograph finden sollte, der diese Bezeichnungen
kodifiziert.
Dass Knaben, welche nicht mehr das Band, durch welches unsere Tora
zusammengehalten wird, in das Gotteshaus tragen dürfen, auch nicht mehr
Bar Mizwah, sondern lieber Konfirmanden werden, das gehört zum Stück.
Aber 'das öffentliche Vortragen von Toraabschnitten bei (soll heißen:
durch) Konfirmanden' zu verbieten, das ist mindestens überflüssig, so
lange dafür gesorgt ist, dass der große Teil der Knaben im 13. Jahre
nicht einmal korrekt hebräisch lesen kann!
'Das Ausziehen oder Wechseln der Schule im Gotteshause' ist mit
Recht als die Würde des Gotteshauses verletzend untersagt. Nun ist aber
an bestimmten Tagen wie Jom Kippur und Tischahbeaf lederne Fußbekleidung
religionsgesetzlich verboten. Wollte nun jemand vor der Synagoge seine
gewöhnliche Fußbekleidung ablegen, so ist das, wie man uns mitteilt, de
facto auch in Freiburg verboten. Das ist aber eine Anmaßung und zum
mindesten eine der vielen Unbegreiflichkeiten dieser Synagogen-Unordnung.
Hält der Freiburger Synagogenrat das Entschuhen der Füße etwa für eine
Unanständigkeit? Moses, Josua, die Priester im Tempelheiligtum und alle,
welche der Heiligkeit des Ortes und der Zeit gerade durch Entschuhen der
Füße in den gehobensten Momenten des Lebens feierlichen Ausdruck gaben, sie
alle hätten gegen die gute Sitte verstoßen, sie alle hätten erst ein
Kollegium über synagogalen Anstand beim Freiburger Synagogenrat hören
sollen? Wenn das Ablegen der Fußbekleidung auch außerhalb der Synagoge
ein Verstoß gegen die Wohlanständigkeit ist, so legen sich die
synagogenrätlichen Zeremonienmeister in Freiburg ohne Zweifel
allabendlich mit Stiefel und Sporen zur Ruhe nieder, ja man sollte nach
dem ganzen Tenor dieser Synagogenordnung glauben, ihre Verfasser hätten
wirklich die Kinderschule noch nicht ausgezogen.
Dasselbe gilt von dem Verbot des Abschlagens von Weidensträußen.
Hätten die Herren das störende, lärmende und anstandswidrige Abschlagen
von Weidensträußen verboten, so hätte dem jeder Freund einer wirklichen
Ordnung in der Synagoge oder Synagogen-Ordnung zugestimmt. So aber
wird das Kind mit dem Bade ausgeschüttet und das ist nicht nur eine
maßlose Überhebung, sondern eine ebenso große Inkonsequenz und Torheit.
Sonst unterscheiden nämlich die Ritter vom Schlage dieser
Geschmacksrichtung fein säuberlich zwischen mosaischem, prophetischem und
rabbinischem Judentum. Bei dieser von ihnen erträumten Scheidung liegt
ihnen die Wahrheit in der Mitte. Fürs prophetische Judentum schwärmen
sie begeistert, aber die Gesetze des mosaischen und rabbinischen Judentums
verachten sie so tief, wie sie jenes hoch in den Himmel heben. - Nun ist
das Abschlagen von Weidensträußen zufällig ein Minhag Nebiim,
ein von den Propheten eingeführter Brauch. Jetzt fallen auch die
Propheten in Ungrade. Müssen sie nicht ein neues Freiburger Judentum
destillieren, wenn sie das alte stückweise für außer Kur gesetzt
erklären?
'Das Tragen der sogenannten Totenkleider (Sarkinos)' ist ebenfalls
untersagt. Warum? Ist es unanständig? Werden die |
Toten
der jüdischen Gemeinde Freiburg in Frack und Glacéhandschuhen begraben?
Dass Hoch und Nieder, Reich und Arm an der Pforte eines neuen Jahres, in
den gehobensten Momenten des Lebens alle wie Glieder einer großen Familie
sich auch äußerlich gleich vor ihrem himmlischen Vater in den weißen
Gewändern zusammenfinden, mit welchen sie einst aus der Zeitlichkeit in
die Ewigkeit eingehen, kann das so etwas Verwerfliches, Anstandwidriges
sein, dass es hier zum Gegenstand eines Verbotes gemacht wird? Kann das
Motiv für diese und ähnliche Bestimmungen außer der Laune und Willkür
seiner Diktatoren noch sonst eine halbwegs vernünftige Begründung
haben?
Wenn die Israelitische Gemeinde in Freiburg sich eine solche Synagogenordnung
gefallen lässt, dann verdient sie eine solche und ebenso einen
Synagogenrat, wie sie ihn nun einmal hat. Gegen ein solches Sammelsurium
von Paragraphen, von denen jeder, wie eine Fußangel aussieht, sich zu
schützen, wäre eine Ehrenpflicht aller redlich denkenden
Gemeindemitglieder, denen die Würde und Ordnung in der Synagoge wahrhaft
am Herzen liegt. Man braucht auch nicht zu den Religiösen der Gemeinde zu
gehören, wenn man sich gegen den Geist auflegt, der aus den Paragraphen
dieser sog. Synagogenordnung spukt. Ob man zur Reform oder zur Orthodoxie
neigt, der gesunde Menschenverstand bäumt sich dagegen, dass man für
Aufrechterhaltung der Ordnung in der Synagoge denselben Maßstab anlegt,
wie für ein Wachsfigurenkabinett, wo alle Puppen und Figuren je nach den Schnürchen
oder Paragraphen, an dem man zieht, stehen oder sitzen, wie für einen
Fröbel'schen Kindergarten, in welchem auch wie in der vorliegenden
Synagogenordnung das Umwenden, Armauflegen (§ 5), das mehrmalige
Hinausgehen und Hineinkommen (§ 12) und noch manches andere untersagt
ist.
Der Paragraph 13 dieser Synagogenordnung verbietet alle Handlungen, 'denen
der Charakter eines Protestierens gegen den synagogalen Gebrauch innewohnt'.
Ob die Gemeinde sich wirklich eine solche Bevormundung gefallen lässt,
die selbst in Russland unerhört erscheint?
Wir verzichten darauf, die zahlreichen anderen Absonderlichkeiten dieser
Synagogen-Ordnung zur Sprache zu bringen. Wem bei den bisherigen Proben
die Geduld noch nicht gerissen ist, dem reißt sie auch durch fernere
Proben nicht. - Einstweilen ist die Prügelstrafe für Protestierende und
Unzufriedene noch nicht vorgesehen. Aber wenn die Freiburger sich
fürderhin von ihren Vormündern so weiter gängeln lassen, so werden die
Gegängelten und ihre Aufseher gegenseitig gewiss noch viele Freunde
aneinander haben.
Das ist eine moderne Synagogen-Ordnung. - Sie hat jedenfalls das Gute,
dass sie nicht den Neid derjenigen rege macht, welche so glücklich sind, nichts
derartiges zu besitzen." |
Aufruf zur Errichtung eines israelitischen Landes-Asyls
(1895)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 12. Juli 1895: "Karlsruhe in Baden, im Juli (1895). Die Bezirkssynagoge Freiburg im Breisgau hat in Verbindung mit vielen angesehenen Männern des Landes den folgenden Aufruf versandt: 'Während der Tagung der Synode wurde in privaten Besprechungen auf die Notwendigkeit eines Landes-Asyls für greise und sieche alleinstehende Personen hingewiesen. Diese Anregung hat allseitig Beifall gefunden und es wurde allgemein anerkannt, dass eine solche Anstalt längst schmerzlich vermisst werde. Man halte Umschau in Stadt und Land; man sehe, wie zahlreich diejenigen sind, denen es an Hilfe und Pflege gebricht; denn selbst Nichtmittellose, aber Alleinstehende entbehren oft Abwartung und Pflege, und sie empfinden die
Vereinsamung recht oft als Qual. Die vorhandene städtischen und staatlichen Anstalten vermögen eine israelitische Landes-Anstalt nicht zu ersetzen, weil unsere Glaubensgenossen in den überwiegend meisten Fällen ritual bereitete Speisen und die religiösen Formen des Lebens nicht entbehren wollen. Die Unterzeichneten erlauben sich deshalb, diesen Aufruf zur Errichtung eines israelitischen Landes-Asyls den Synagogenräten des Landes empfehlend zu
unterbreiten. Rückäußerungen über die Aufnahme des Aufrufs und darüber, ob der dortige Synagogenrat geneigt ist, Delegierte zu einer im Spätsommer dieses Jahres nach Karlsruhe oder Baden zu berufenden Landesversammlung zu entsenden, wolle man baldtunlichst an die Bezirkssynode Freiburg richten, welche das Weitere veranlassen
wird." : |
10-jähriges Stiftungsfest des Unterstützungsvereins
für junge jüdische Handwerker (1896)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
31. Dezember 1896: "Freiburg im Breisgau, 29. Dezember (1896). Im Jahre 1886 wurde hier ein Verein gegründet, der es sich zur Aufgabe machte, unbemittelte israelitische Knaben als Handwerker ausbilden zu lassen, denselben unentgeltlich koschere Kost zu beschaffen und dafür zu sorgen, dass diese Lehrlinge an Schabbat und Feiertag von der Arbeit befreit sind. Letzten Sonntagabend feierte dieser Verein sein 10-jähriges Stiftungsfest im israelitischen Hotel Lamm, wozu sich ca. 40 Vereinsmitglieder eingefunden hatten. Der Vorsitzende des Vereinsvorstandes, Herr
Rechtsanwalt Dr. C. Maier sprach in humoristischer Weise über die seitherige Tätigkeit des Vereins, sowie über die bis jetzt gewonnenen Resultate, mit welchen man Ursache habe, zufrieden zu sein und schloss mit einem Hoch auf den Verein. Dieser äußerst gelungene Vortrag brachte eine sehr animierte Stimmung in die Versammlung, die auch bis zum Schlusse anhielt. Nach einiger Zeit erhob sich Herr Dr. Maier zum zweiten Mal, um in ernsten Worten den Herrn
Professor Dr. Rosin, Prorektor der hiesigen Universität, den eigentlichen Gründer und Vorsitzenden dieses Vereins zu feiern, seiner tüchtigen unermüdlichen Geschäftsführung gedenkend und ihm den Dank des Vereins aussprechend und teilte demselben mit, dass nach einstimmigem Beschluss des Vorstandes derselbe zum Ehrenmitglieder des Vereins ernannt sei und überreichte ihm das sehr künstlerisch ausgeführte Diplom.
Herr Professor Dr. Rosin dankte für die ihm erwiesene große Ehre mit der Versicherung, dass er auch für alle Folge als Vorstandsmitglied bemüht sein werde, das Interesse des Vereins zu fördern. Es wurden mehrere Musikstücke vorgetragen und zwei schöne, für die heutige Feier vom Herrn Vorsitzenden verfasste Lieder nach bekannten Melodien von sämtlichen Anwesenden mit Klavierbegleitung gesungen, noch mehrere Toaste ausgebracht, einige Gesangsstücke vorgetragen und nur zu schnell schlug die
Mitternachtsstunde. Nun wurde das 'Benschen' versteigert und dabei der Betrag von Mark 140.- erzielt zu Gunsten der Vereinskasse. Der Vorsitzende,
Herr Dr. C. Maier, hat seit seiner neunjährigen Amtsführung den Beweis geliefert, dass solche in geschickten Händen ruht und es ihm bei seinem guten Willen gelingen wird, den Verein immer mehr zur Blüte zu
bringen" : |
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Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 8. Januar 1897: "Freiburg im Breisgau, 3.
Januar (1897). Ein schönes Fest vereinigte am Abend des 27. vorigen
Monats eine größere Anzahl Glaubensgenossen im Gasthofe 'zum Lamm'
dahier, um das 10-jährige Bestehen des Handwerkervereins in
geeigneter Weise zu begehen. Der Verein, der seine Tätigkeit von
Offenburg bis nach Konstanz erstreckt, hat schon eine beträchtliche Zahl
junger Leute als Handwerker und Techniker ausbilden lassen und geht, dank
der Opferfreudigkeit edelgesinnter Glaubensgenossen, einer gesicherten
Zukunft entgegen. Der derzeitige I. Vorsitzender, Herr Rechtsanwalt Dr.
D. Mayer, warf in launiger Rede einen Rückblick auf das Entstehen des
Vereins und auf seine segensreiche Tätigkeit, die er bis heute entfaltet
hat. Hierauf überreichte er namens des Vorstandes dem Mitbegründer und
langjährigen Vorsitzenden des Vereins, Herrn Universitätsprofessor
Dr. H. Rosin, der sich große Verdienste um denselben erworben hat,
das Diplom der Ehrenmitgliedschaft. Der neugewählte Prorektor der
hiesigen Universität dankte in längerer Rede für die ihm zuteil
gewordene Ehrung und versicherte u.a., dass er auch weiterhin wie bisher
bereit sein werde, seine Kraft in den Dienst des Judentums zu stellen.
Außerdem hob er die Verdienste des Herrn Vorstehers Dukas um den
Verein hervor. Dieser sprach über die Zukunft des Vereins und das
projektierte Lehrlingsheim. Hauptlehrer Heidingsfeld, der II.
vorsitzende des Vereins, dankte namens der Anwesenden dem derzeitigen
Rechner, Herrn Universitätsprofessor Dr. S. Reckendorf, für seine
mühevolle Tätigkeit. Einige junge Herren der Gesellschaft, hatten den
gesanglichen und musikalischen Teil der Unterhaltung übernommen, und es
wechselten Lieder, die ihrem Verfasser, Herrn Dr. D. Mayer, alle
Ehre machten, mit Klavier- und Quartettvorträgen. In gehobener Stimmung
trennte man sich erst gegen
Mitternacht." |
Jahresbericht
des Israelitischen Frauenvereins und Bericht über die Generalversammlung des
Vereins (1899/1900)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 23. Februar 1900: "Freiburg im Breisgau, 16. Februar
(1900). Der Israelitische Frauenverein hat seinen Jahresbericht
veröffentlicht. Der Rechenschaftsbericht für 1899 weist an
Einnahmen 1602,66 Mark, an Ausgaben 1484,24 Mark auf. Kassarest 118,24
Mark. Der Vermögensnachweis führt 5716,08 Mark auf. Die Mitgliederzahl
beträgt 156. An Spenden sind eingegangen 554,60 Mark. Die
Hauptlehrer Bodenheimer-Stiftung hat ein Kapital von 832,39 Mark. - Bei
der Generalversammlung des Vereins am 4. dieses Monats hielt
Hauptlehrer Heidingsfeld eine begeisternde Rede, in der er den Vorschlag
machte, man möchte in die hiesige allgemeine Volksbibliothek, die auch
häufig von Juden benutzt wird, eine Auswahl Bücher jüdischer Autoren
spenden und zu diesem Zwecke eine Sammlung veranstalten. Seine Worte
fielen auf fruchtbaren Boden; denn fast alle anwesenden Damen waren mit
dem Vorschlage einverstanden und versprachen, in diesem Sinne im Kreise
ihrer Bekannten zu wirken." |
Abend der Zionistischen Ortsgruppe
(1906)
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 13. Juli 1906: "Freiburg im Breisgau, 8. Juli (1906). Einen sehr gelungenen Abend, dessen Ergebnis für den Palästina-Verein bestimmt ist, veranstaltete die Zionistische Ortsgruppe für ihre hiesigen Freunde. Die Feier trug in Anbetracht der trüben Zustände in Russland einen ernsten Charakter. Der große Saal war überfüllt. In der Festrede besprach
Herr Dr. Isak Straus - Heidelberg, ausgehend von den traurigen Verhältnissen in Russland, den Weg einer dauernden Abhilfe. Das zionistische Programm biete von all den im Lauf der jüdischen Geschichte aufgetauchten Lösungsversuchen die Gewähr für einen endgültigen Erfolg. An der praktischen Vorarbeit für die Erreichung jenes großes Zieles muss ein jeder mitarbeiten. Dann werden schmerzliche Zeiten wie die heutigen uns nicht mehr unvorbereitet antreffen.
Der Präsident der Ortsgruppe, Herr Dr. Kaufmann, gedachte in einigen eindrucksvollen Worten Theodor Herzls, dessen Todestag dieser Tage wiederkehren wird.
Besondere Anerkennung verdienten die Darbietungen junger Damen und Studenten der hiesigen Universität, die dem Abend ein würdiges Gepräge gaben.
Die Feier hat ihren Eindruck auf die Anwesenden nicht verfehlt, und auch der finanzielle Erfolg war recht
befriedigend" : |
Eine Ortsgruppe des "Verbandes der
Sabbatfreunde" wurde gegründet (1907)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
18. April 1907: "Freiburg im Breisgau, 17. April (1907). In Freiburg im Breisgau wurde Ende vorigen Monats von Herrn Louis Kahn aus Frankfurt am Main eine Ortsgruppe des Verbandes der Sabbatfreunde gegründet, der ca. 25 Mitglieder beitraten. Herr Simon Eppstein in Freiburg hat sich bereit erklärt, die Propaganda weiter zu führen und wenn möglich auch in den größeren Landgemeinden in der näheren und weiteren Umgegend Freiburgs Ortsgruppen zu gründen. Es wäre sehr zu wünschen, dass auch die gesetzestreuen Studenten sich dem Verbande zur Verfügung stellten, wie es zum Beispiel ein Münchener Akademiker getan hat, der in den letzten 2 Wochen 6 Ortsgruppen gründete. - Am besten sind die Sonntage geeignet, da an diesem Tage die meisten Juden in den Landgemeinden zuhause
sind." |
Zum
Tod von Dr. Daniel Mayer, Vorsitzender der Ortsgruppe des Vereins zur Förderung
des Handwerks usw. unter den Israeliten (1907)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 10. Mai 1907: "Freiburg in Baden. Der Verein zur
Förderung des Handwerks und der technischen Berufsarten unter den
Israeliten des Großherzogtums Baden, Abteilung Freiburg, hatte in diesem
Jahre den Verlust seines ersten Vorsitzenden Dr. Daniel Mayer zu
verzeichnen, an dessen Stelle Hauptlehrer A. Heidingsfeld trat. Die fünf
Lehrlinge, die in dem Lehrlingsheim zu Karlsruhe untergebracht sind,
berechtigen zu den besten Erwartungen. Zwei von den russischen Pogromwaisen
übernahm der Verein auf seine Kosten in Obhut und Pflege. Eine Enquete
über das Schicksal der früheren Lehrlinge hatte ein gutes Resultat. 44
arbeiteten mit gutem, teilweise ausgezeichneten Erfolge als Meister oder
Gesellen in ihrem erlernten Handwerk; nur zehn mussten den Beruf
verlassen, teilweise wegen Krankheit, teilweise wegen
Familienverhältnisse; und nur sechs wegen Unfähigkeit? Nahezu 709
Prozent der ehemaligen Pfleglinge sind also dem Handwerk mitgutem Erfolg
treu geblieben. Die Einnahmen des Vereins betrugen 5.813,90 Mark, die
Ausgaben 5,782,75 Mark, das Vermögen 16.620,40 Mark. Der Verein hat
innerhalb seines Wirkungskreises in 24 Gemeinden 254
Mitglieder." |
Eine
dritte zionistische Kartellverbindung namens Ivria wird begründet (1907)
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 17. Mai 1907: "Freiburg im Breisgau. Mit Beginn des
Sommersemesters hat das Kartell zionistischer Verbindungen (K.Z.V.)
an hiesiger Universität seine dritte Kartellverbindung begründet. Die
junge Verbindung, die den Namen 'Ivria' führt, verfügt bereits
über eine stattliche Anzahl von Aktiven, und es besteht die Hoffnung,
dass sie wesentlich zur Verbreitung des jüdischnationalen und
zionistischen Gedankens unter der jüdischen Akademikerschaft beitragen
wird.
Die Chargenwahl ergab: cand. jur. Hans Levy, Eckerstr. 8, cand. jur. Fritz
Müllerheim, stud. med. Eugen Kisch. Die Verwaltung der Nationalfondsgelder
übernahm stud. jur. Hugo Wohlfahrt." |
Zwei Synagogenbesucher werden zu Unrecht des
Diebstahls bezichtigt (1909)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
14. Oktober 1909: "Freiburg im Breisgau, 12. Oktober (1909). Ein schwerer polizeilicher Missgriff macht hier viel von sich reden. In der hiesigen Synagoge war ein Schrank erbrochen und eine darin befindliche eiserne Kassette mit 6 Mark Inhalt gestohlen worden. Der Vorfall sollte für zwei Herren aus Afrika (Vater und Sohn), deren einer sich in Freiburg in ärztlicher Behandlung befindet, eine sehr unangenehme Lage herbeiführen. Als sich die beiden Herren in der Synagoge befanden, wurden sie herausgerufen und im Vorraum von zwei Kriminalpolizisten festgenommen. Dabei wurden ihnen Handschellen angelegt und dann wurden sie zur Kriminalpolizei gebracht, ohne dass ihnen auch nur der Grund ihrer Verhaftung mitgeteilt wurde, und obwohl sich die Herren zu ihrer Legitimation auf die Hochschulklinik und den behandelnden Arzt beriefen. Auf der Kriminalpolizei stellte sich, wie auch der Polizeibericht bekannt gibt, 'deren volle Unschuld' sofort heraus. Beiden
Herren wurde nach dem Polizeibericht das Bedauern der Behörde über das Missverständnis ausgesprochen. Wie es heißt, hat der Staatsanwalt selbst im Hotel der beiden zu Unrecht
Verhafteten vorgesprochen". |
Bericht des "Vereins zur Förderung des Handwerks und der
technischen Berufsarten unter den Israeliten des Großherzogtums Baden"
für 1909 und 1910 (1911)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 15. September 1911: "Freiburg im Breisgau, 10. September (1911). Der Verein zur Förderung des Handwerks und der technischen Berufsarten unter den Israeliten des Großherzogtums Baden (Abteilung Freiburg) versendet den Bericht für die Jahre 1909 und 1910. Wie aus dem Bericht hervorgeht, ist der Verein, zu dessen Begründung der Stadtrabbiner Dr. A. Lewin seligen Andenkens und der Gemeindevorsteher B. Dukas die Anregung gegeben hatten, mit dem Beginn des Jahres 1911 in das 25. Jahr seiner Tätigkeit eingetreten. Herr Geheimer Hofrat Professor Dr. Rosin leitete den Verein bis August 1895. In Anerkennung der großen Verdienste, die er sich um den Verein erworben, ernannte ihn der Vorstand im Jahre 1896 einstimmig zum Ehrenmitglied des Vereins. Mit Wehmut gedenkt der Bericht des verewigten Rechtsanwalts Dr. Daniel Mayer, der von der Gründung des Vereins an als stellvertretender Vorsitzender, von 1895 bis zu seinem am 21.
August 1906 erfolgten Ableben als erster Vorsitzender in opferwilligster Weise seine Zeit und Kraft in den Dienst des Vereins gestellt hat. Im Spätjahr 1886 begann der Verein seine Tätigkeit. In den ersten Jahren wurden die Lehrlinge größtenteils bei hiesigen meistern untergebracht und für ihre Verpflegung und Beaufsichtigung in jüdischen Familien gesorgt. ein anderer Teil der Pflegebefohlenen, der bei auswärtigen Lehrherren untergebracht wurde oder Gelegenheit hatte, in den Heimatorten die Lehre zu bestehen, wurde vom verein in angemessener Weise unterstützt. Im Jahre 1889 wurden die Schwesternvereine in Karlsruhe und Mannheim
gegründet, und das Feld der Tätigkeit erstreckte sich von da ab auf die Bezirkssynagogen
Gailingen, Sulzburg, Freiburg, Schmieheim und Bühl. Der Verein bezeichnete sich dann als 'Abteilung Freiburg'. Im Jahre 1902 wurde das israelitische Lehrlingsheim in Karlsruhe eröffnet. Seitdem bringt der Verein die meisten seiner Pflegebefohlenen im Lehrlingsheim unter, wo sie bei guter Aufsicht und Pflege bei sorgfältig ausgewählten, tüchtigen Meistern ihre Lehrzeit verbringen. Im Jahre 1905/06 veranstaltete der Vorstand bei den Synagogenräten des Landes eine Umfrage über den Entwicklungsgang der vom Verein ausgebildeten Handwerker. Nach der Feststellung des damaligen Vorsitzenden, Hauptlehrers A. Heidingsfeld, arbeiten 70 Prozent mit gutem, zum Teil mit ausgezeichnetem Erfolge teils als Meister, teils als Gesellen in dem von ihnen erlernten Handwerk, 24 Prozent hatten sich einem anderen Beruf zugewendet, sechs Prozent waren gestorben oder es war ihr Aufenthalt nicht zu ermitteln. Seit seinem Bestehen hat der Verein insgesamt etwa 130 Lehrlinge im Handwerk ausbilden lassen. Einzelnen besonders befähigten und strebsamen Handwerkern hat er nach Beendigung ihrer Lehrzeit die Mittel zu ihrer weiteren technischen Ausbildung an
höheren Lehranstalten gewährt. Daneben hat der Verein einer größeren Anzahl junger Mädchen zu ihrer Ausbildung als Putz- und Kleidermacherinnen, Weißnäherinnen, Kindergärtnerinnen, Industrielehrerinnen, in Haushaltungsschulen usw. Mittel gewährt. In Ausnahmefällen hat er auch an Studierende Stipendien bewilligt. So kann der Verein, wenn auch nicht alle Samen, die er ausgestreut auf fruchtbaren
Boden gefallen und zur Frucht gediehen sind, doch mit Befriedigung auf die Arbeit und die Erfolge seines ersten Vierteiljahrhunderts zurückblicken. Unter den Einnamen werden verzeichnet an Mitgliederbeiträgen 2507 Mark, an Spenden 3326
Mark, an..." |
Ein rituelles Speisehaus wurde in Freiburg eröffnet
(1922)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
27. Juli 1922: "Freiburg im Breisgau, 23. Juli (1922). Einem
von Reisenden und Erholungsbedürftigen seit Jahren schmerzlich
empfundenen Mangel ist durch die Bemühungen des kleinen Kreises
gesetzestreuer Gesinnungsgenossen in unserer Stadt nunmehr Abhilfe
geschaffen worden. Es ist gelungen, im Zentrum der Stadt, wenige Minuten
vom Hauptbahnhof entfernt, ein rituelles Speisehaus zu gründen,
dessen Inhaberin, Frl. Henny Schmuckler aus Jerusalem, in
wirtschaftlicher, wie in religiöser Hinsicht besonderes Vertrauen
genießt, sodass auf sachgemäße, erfolgreiche Führung des neuen
Betriebes gerechnet werden kann. An Zuspruch wird es angesichts des
starken Fremdenverkehrs in Freiburg gewiss nicht fehlen, sobald das neue
Unternehmen in den Kreisen der rituell lebenden Glaubensgenossen genügend
bekannt geworden sein wird." |
Kritisches aus orthodoxer Sicht zu den
Gemeindeverhältnissen in Freiburg aus Anlass der Einrichtung einer Mikwe
(1924)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
14. August 1924:
Bei Interesse: zum Lesen des Artikels bitte Textabbildung
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Gemeindemitteilungen: aus dem Vereinsleben - Umbau der
Synagoge - ein dritter Kantor und Schächter wird angestellt (1925)
Artikel in der "Jüdisch-liberalen Zeitung"
vom 22. Mai 1925: "Freiburg im Breisgau. Mit dem Erwachen der
Natur im Frühling, das hierzulande besonders imposant ist, erwachte auch
der Freiburger 'Jüdische Jugendbund' zu neuem Leben und
hoffentlich ersprießlicher Arbeit. - Ein verheißungsvoller
Eröffnungsabend, an dem neben Mitgliedern des Vereins Herr
Bezirksrabbiner Dr. Ziemels, unser neuer Oberkantor Herr Ziegler und
der Israelitische Chorverein mitwirkten, lässt uns mit großen Erwartungen
dem neuen Vereins- und Arbeitsjahr entgegensehen.
Ein weiteres Ereignis, das seit Jahr und Tag Gegenstand der
sorgfältigsten Beratungen und zahlreicher Sitzungen der
Gemeindevertretung war, ist der nun endgültig gefasste Beschluss des Synagogen-Umbaus.
Die Arbeiten, die in diesen Tagen mit einem Kostenanschlag von 60.000 Mark
beginnen sollen, erfolgen nach Bauplänen und unter der Leitung des
bewährten Architekten Levi. Allem Anschein nach wird damit unser
Gotteshaus, das auf einem selten schön gelegenen Platz Freiburgs steht,
sich würdig in den prachtvollen rahmen einfügen, der einerseits von dem
Prunkbau des Stadttheaters und andererseits von dem imposanten
Universitätsgebäude gebildet wird.
In gleicher Sitzung wurde ferner beschlossen, einen 3. Kantor und
Schächter anzustellen, der auch den hochgeschraubten Anforderungen
unserer orthodoxen Gemeindemitglieder genügt, Unsere in überwiegender
Mehrheit befindlich liberale Gemeindevertretung hat dieses Opfer gebracht,
um den Frieden und die Einheit in der Gemeinde zu erhalten. Es ist nun vor
allem an unserem orthodoxen Gemeindemitgliedern, dieses weitgehende
Entgegenkommen auch voll und ganz zu würdigen." |
Ein
Numerus clausus für jüdische Studierende wird vom Allgemeinen
Stundenten-Ausschuss abgelehnt (1930)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 3. Juli 1930: "Freiburg. Hier verhandelte gestern der Allgemeine
Studenten-Ausschuss unter stärkster Beteiligung über den von
nationalsozialistischer Seite gestellten Antrag auf Einführung des Numerus
clausus für jüdische Studierende. Der Antrage wurde mit 22 gegen 3
Stimmen abgelehnt." |
Aus dem Reisebericht eines jüdischen Referenten durch
Südbaden - Einige Eindrücke aus Freiburg (1938)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
3. Februar 1938: "Im Wandel der Zeiten.
In Freiburg finde ich die Gailinger Herzlichkeit und Gastlichkeit
wieder, etwas ins Städtische übertragen. Die Orthodoxie in Freiburg,
klein an Zahl, hat ihre feste Burg im Betsaal der Kultusgemeinde.
An Wochentagen, da die Hauptsynagoge geschlossen ist, sind die einzelnen,
liberalen Beter ebenfalls auf diesen Raum angewiesen, und am Sabbat und an
Feiertagen haben hier die Gesetzestreuen unter Leitung eines toragelehrten
und zielbewussten Lehrers und Kantors ihren Sondergottesdienst und ihr
eigenes fast autonomes Gemeindeleben. Für absolute Absonderung und
reinliche Scheidung sind eben Zahl und Kraft zu gering.
Hier war der Vortrag vom Jüdischen Lehrhause übernommen worden
und so aus dem kleinen orthodoxen Kreise hinausgehoben. Und so kamen
sicherlich Viele, nur um 'mal was anderes' zu hören. Und gerade dieses
'andere' war etwas Ureigenes...
Gab es nicht einmal hier so etwas wie eine 'jüdische Ereneuerung',
Entwürfe für eine konsistoriale Gesamtorganisation? Im Lande und in der
Stadt, wo noch vor wenigen Jahrzehnten der Kampf um ein neues Gebetbuch
- die jüngere Generation weiß kaum noch was davon - tobte, kommen
sie zu Hunderten, um sich über die neue Bedeutung der alten Gebete
referieren zu lassen. Welch wundersamer Wandel der Zeiten!
Noch nie hat die Zeit allüberall für unsere Thorabelange so intensiv
gearbeitet wie heute. Haben wir, was an uns liegt, alles getan, um
die Chancen auszunutzen?
Wir preisen im Abendgebete Gott, der 'meschane ittim' die Zeiten ändert
und Zeitabschnitte auswachselte, sprachen aber dann anschließend vom 'Ahavath
olam', der ewigen Liebe, die Gott seinem Volkes, dem Hause Israel,
erweist.
Wir sind am Abendgebete. Ein kurzer Tag, der etwas Sonne uns
vorspiegelte, ist von Nachschatten abgelost, von denen wir nicht wissen,
zu welchem neuen Morgen sie hinüberleiten. Höre Israel!
...
Dass sich die Zeiten geändert - wer, der Augen hat zu sehen, hätte es
noch nicht begriffen! Dass dieser Erkenntnis die 'große Liebe' folge, ist
unsere Hoffnung; die Liebe, wie sie Brüder Brüdern schulden und erste
Voraussetzung ist für jene 'große Liebe' Gottes zu Israel, die im
'Wandel der Zeiten' ewig unveränderlich wirkt...
Mit diesen Gedanken, gleichsam als Fazit, kehre ich am Dienstagvormittag
von meiner Vortragstournee durch Baden zu meiner Arbeit zurück.
-tz." |
Sonstiges
Die
"Israelitische Zeitung" ist nur drei Monate erschienen (1890)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. April
1890: |
Der
Freiburger Buchhandel verkauft nicht mehr Predigten von Kardinal Faulhaber
(1934)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. März 1934:
"Freiburg, 13. März (1934). Die Fachschaft des Freiburger
Buchhandels hat sich, wie die 'Frankfurter Zeitung' meldet, auf
Vorstellungen der Freiburger Hitlerjugend in einer Erklärung
ehrenwörtlich verpflichtet, die Predigten des Kardinals Faulhaber
über 'Judentum, Christentum und Germanentum' nicht mehr zu verkaufen und
die vorhandenen Vorräte sofort an den Verlag zurückzuschicken. Die
Freiburger Hitlerjugend begründet ihr Vorgehen mit der Einstellung der
Predigten des Kardinals zum Germanentum". |
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