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Zu den Synagogen im
Kreis "Südliche Weinstraße" und Stadtkreis Landau
Herxheim bei Landau (VG
Herxheim, Kreis Südliche Weinstraße)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
In Herxheim bestand eine jüdische
Gemeinde bis 1938/39. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 18. Jahrhunderts
zurück. Erstmals wird ein Herxheimer Jude 1681 genannt, 1684 ein Ehepaar.
Im 18. Jahrhundert nahm die Zahl der jüdischen Einwohner zu: 1721
und 1727 waren noch je zwei jüdische Familien am Ort; 1747 bereits zehn
Familien mit 53 Personen.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner
wie
folgt: bei der Volkszählung 1808 wurden
59 jüdische Einwohner gezählt, 1809/10 78 (in 21 Familien), 1825 waren es bereits 101 Personen (3,2 % der
Gesamtbevölkerung), 1840 (5 % von insgesamt 3735 Einwohnern), 1848 162 (in 36 Familien), 1875 74, 1900 25, 1905
29, 1910 16.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine Schule
(seit 1836 öffentliche israelitische Konfessionsschule), ein rituelles Bad und
ein Friedhof. Zur Besorgung religiöser
Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und
Schochet tätig war. Die Gemeinde gehörte
zum Bezirksrabbinat Landau.
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde Ludwig Haas (geb.
25.6.1889 in Herxheim, gef. 23.8.1918).
Ende der 1920er-Jahre (1928) wurden noch elf jüdische Einwohner in
Herxheim gezählt. Dennoch bestand weiterhin ein Gemeindevorstand (Benedikt
Engel und Hugo Haas). Zwei jüdische Kinder der Gemeinde besuchten den
Religionsunterricht in der jüdischen Religionsschule in Landau.
1933 lebten noch 19 jüdische Personen in Herxheim. In
den folgenden Jahren sind die jüdischen Gemeindeglieder auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts,
der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. 1938 wurden noch 16
jüdische Einwohner gezählt. Unter ihnen waren: die Familie Hugo und Alisa Haas
(zuvor Inhaber einer kleinen Zigarrenfabrik in der Augustastraße), die Familie
Josef Anschel (er war nichtjüdisch verheiratet und zuvor Inhaber eines Schuh-
und Lederwarengeschäftes; in der jüdischen Gemeinde war er als ehrenamtlicher
Vorbeter tätig), Familie Paul und Anna Margaretha Engel (zuvor Inhaber einer
Weberei am Ort; Sohne Wilhelm und Herbert), Gustav Rosenthal und seine Tochter
Johanna, die in der früheren Lehrerwohnung lebten. Alle jüdischen Einwohner
verließen Herxheim bis September
1939.
Von den in Herxheim geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Simon Blum (1860), Elisa
Engel (1890), Charlotte Gutenberg geb. Wolf (1873), Sara Haas geb. Herzog
(1864), Mathilde Jordan (1880), Rosa (Rosalie) Lindeck geb. Wolf (1870), Emma
Löwenstein geb. Blum (1869), Frieda Reinstein geb. Wolf (1869), Frieda Roos
(1878), Otto Isidor Wolf (1881), Justine Wolff geb. Blum (1866).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus dem jüdischen Gemeindeleben
Über die jüdischen Gemeindeverhältnisse (1859)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 7. November 1859:
"Herxheim (bei Landau), 27. Oktober (1859). Hier, in Herxheim, einer
großen Dorfgemeinde, mit nahe an 4.000 katholischen Einwohnern, leben an
30 Familien Israeliten in bester Eintracht, wovon folgende Tatsachen den
schlagendsten Beweis geben können.
Seit dem Jahre 1836 besitzt
diese kleine Kultusgemeinde eine öffentliche Schule, deren Lehrer von
Seiten der oberen Schulbehörde geprüft und von der Königlichen
Kreisregierung angestellt wurde, unter der Bedingung, dass auch für ein
anständiges Schul-Lokal gesorgt werde.
Im Jahre 1842 wurde endlich der Plan zu einer prachtvollen Synagoge nebst
zwei symmetrisch schönen Vorgebäuden als Lehrsaal und Lehrerwohnung
entworfen und ausgeführt; und zu letztern verwilligte man aus der Kasse
der politischen Gemeinde 2.000 Gulden Zuschuss, nebst dem permanenten
Bedarf der Heizungsmittel für den Schulsaal.
Nachdem aber durch das Wegziehen der bemittelsten Familien das Aufbringen
der nötigen Kultusausgaben den übrigen Gemeindegliedern schwere Opfer
auflegte, gibt unsere human gesinnte christliche Gemeinde alljährlich
einen Zuschuss von 150 Gulden zu dem Gehalte des israelitischen
Lehrers.
Schließlich ist noch zu bemerken, dass diese Tatsache nicht vereinzelt in
unserer gesegnete Pfalz dasteht, indem viele israelitische Schulen
daselbst bedeutender Dotationen, resp. aus politischen Gemeindemitteln von
christlicher Seite sich zu erfreuen haben. S.
Baer." |
Berichte zu
einzelnen Personen aus der Gemeinde
Zum Tod des 109-jährigen Salomon Herz Levi
(1844)
Artikel
aus der Zeitschrift "Der Israelit des 19. Jahrhunderts":
"Bayern. Landau. Am 12. März starb in Herxheim der Israelite
Salomon Herz Levi in einem Alter von 109 Jahren. Er hatte bis zum letzten
Augenblicke sich seines ungestörten Geistesvermögens erfreut. Seinem
Sarge folgten 81 Kinder, Enkel und Urenkel; eine 73-jährige Tochter
befand sich unter diesen Leidtragenden." |
89. Geburtstag von Lenchen Dreyfuß
(1938)
Artikel in "Jüdisches Gemeindeblatt für das Gebiet der
Rheinpfalz" vom 1. März 1938: "Herxheim. Am 26. Februar
begeht Fräulein Lenchen Dreyfuß, zur Zeit im Paulusstift zu Herxheim
bei Landau, ihren 89. Geburtstag,. Wir wünschen der Jubilarin noch
viele Jahre in Gesundheit und Frische (Alles Gute) bis 120 Jahre".
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Zur Geschichte der Synagoge
Zunächst war eine Betstube vorhanden, die am 5. Januar 1796
erstmals genannt wird. Damals hatten die jüdischen Einwohner gegenüber der
revolutionären französischen Regierung Gehorsam versprochen und durften aus
diesem Grund ihre "bis daherige Sinagog' weiterhin nutzen. Der Betraum war
im Haus des Abraham Altschul eingerichtet, das sich vermutlich an der Ostseite
der Holzgasse, 120 m von der Hauptstraße entfernt, befand.
1797 konnte die jüdische Gemeinde von Schuhmacher Funk in der heutigen
"Judengasse" ein Anwesen erwerben. In dem Gebäude wurde eine
Synagoge und eine Schule eingerichtet. Gut 40 Jahre entsprach diese Synagoge
den Bedürfnissen der Gemeinde. Auf Grund der gestiegenen Zahl der jüdischen
Gemeindeglieder wurde jedoch seit 1837 eine neue Synagoge geplant. Man
hatte zunächst ein Grundstück in der heutigen Querhohlstraße dafür bestimmt
und für den Bau bereits die Einwilligung des Gemeinderates von Herxheim
erhalten.
In der Folgezeit wurde jedoch nochmals umgeplant und auf Grund von Problemen im
Blick auf die Finanzierung im März 1840 die
politische Gemeinde um einen Zuschuss zum Synagogenbau gebeten. Ein solcher
wurde in Höhe von 2.000 Gulden zum Bau einer Synagoge mit Schule und
Lehrerwohnung gewährt (vgl. Bericht oben). Dazu erhielt die Gemeinde ein
staatliches Darlehen. Zusammen mit zahlreichen privaten Spenden und den
Ergebnissen aus einer in den anderen jüdischen Gemeinden des Königreiches Bayern durchgeführten Kollekte konnte man
den Bau beginnen.
Diese Kollekte war von der Regierung im August 1841 genehmigt und in den
darauf folgenden Wochen durchgeführt worden. Zur Kollekte in Unterfranken liegen
zwei
Artikel aus dem "Intelligenzblatt von Unterfranken..." vor:
Kollekte zum Bau der Synagoge und er Schule in Herxheim (1841)
Artikel
im "Intelligenzblatt von Unterfranken und Aschaffenburg des Königreichs
Bayern 31. August 1841: "28. August 1841. An sämtliche Polizeibehörden
des Regierungsbezirks.
(Den Bau einer Synagoge und eines Schulhauses für die israelitische Gemeinde
zu Herxheim betreffend).
Im Namen Seiner Majestät des Königs.
Seine Majestät der König haben Allerhuldreichst zu gestatten geruht,
dass zur Deckung der Kosten für den neuen Synagogenbau zu Herxheim in der
Pfalz eine Sammlung bei den sämtlichen israelitischen Glaubensgenossen des
Königreiches veranstaltet werde.
Die betreffenden königlichen Polizeibehörden haben daher diese Sammlung
durch die Kultus-Vorsteher vornehmen zu lassen, und nach Verlauf von 4
Wochen unter Beifügung der eigegangenen Gelder das Ergebnis hierher
anzuzeigen.
Würzburg, den 23. August 1841. Königliche Regierung von Unterfranken
und Aschaffenburg, Kammer des Innern. Graf Fugger. Hübner."
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Artikel
im "Intelligenzblatt von Unterfranken und Aschaffenburg des Königreichs
Bayern vom 4. Januar 1842: "(25. Dezember 1841) (Den Bau einer Synagoge
und eines Schulhauses für die israelitische Gemeinde zu Herxheim betreffend).
Im Namen Seiner Majestät des Königs.
Das Ergebnis der für den Synagogenbau in Herxheim Allergnädigst bewillligten
Sammlung wird durch nachstehende Zusammenstellung hiermit veröffentlicht.
Würzburg, 21. Dezember 1841.
Königliche Regierung von Unterfranken und Aschaffenburg, Kammer des Innern.
Graf Fugger.
Hübner."
Aus der Übersicht gehen die Erträge der Sammlung der einzelnen
Behörden/Ämter hervor. |
Hinweis: die oben gezeigten Dokumente
beziehen sich nur auf die Sammlung in Unterfranken und Aschaffenburg.
Weitere Erträge gab es aus den anderen Regierungsbezirken Bayerns und der
Pfalz. |
Unmittelbar nach nach Abschluss der Sammlung (Anfang
1842) wurde der Bau der Synagoge begonnen. Die Pläne hatte der bekannte
Synagogenarchitekt, der königliche Zivilbauinspektor August (von) Voit
(1801-1870) gezeichnet. Er hatte in den Jahren zuvor bereits die Synagogen in Kirchheimbolanden,
Rülzheim, Ingenheim,
Kallstadt und Speyer gebaut.
Voit entwarf
für Herxheim ein jüdisches Gemeindezentrum, bei dem hinter zwei etwa 5 m
breiten eingeschossigen Häuschen (Lehrerwohnung und jüdische Schule) die
Synagoge zurückgesetzt gelegen ist. Der Hauptraum der Synagoge umfasste einen
15 mal 10 m großen Hauptraum und einen 8 mal 2,5 m großen Vorbau. Vom Vorraum
aus erfolgte auch der Zugang zur Frauenempore. Das jüdische Gemeindezentrum
kostete insgesamt etwa 8.000 Gulden. Ende 1842 war die Einweihung der
Synagoge.
In den folgenden Jahrzehnten wurde die Synagoge mehrfach renoviert. Ende des
19. Jahrhunderts wurde die Ausstattung teilweise erneuert. 1923/24
wurden die beiden Vordergebäude (Schule und Lehrerwohnung miteinander
verbunden, aufgestockt und zu einem Wohnhaus umgebaut).
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge durch vier
Nationalsozialisten (der Anführer war ein in Herxheim geborenes und nun in
Landau lebendes Parteimitglied) und etliche Herxheimer Einwohner geschändet,
die Inneneinrichtung völlig zerstört und angezündet. Nachbarn verhinderten
jedoch aus Angst um ihre Häuser ein Anzünden der Synagoge durch Benzin.
Bürgermeister Knecht ordnete wenig später den Abbruch der Synagoge an; die
Abbruchkosten in Höhe von 1.716,38 RM wurden mit dem Erwerb des Grundstückes
durch die politische Gemeinde beglichen.
1951 verblieb im Zusammenhang mit dem Restitutionsverfahren das
Grundstück bei der politischen Gemeinde gegen eine Nachzahlung von 2.200 DM.
Die 1923/24 zu einem Gebäude verbundenen Häuser der früheren jüdischen
Schule und Lehrerwohnung wurden nach einem weiteren Umbau von 1941 bis 1959
als Rathaus der Gemeinde verwendet. 1993 wurde das Gebäude
abgebrochen.
Seit 1988 befindet sich zusammen mit einem auf dem Gelände der
ehemaligen Ziegelei aufgefundenen Ornamentstein (vom Almemor oder Toraschrein)
eine Gedenktafel am Standort der Synagoge (auf der Rückseite Bayerischer
Hof, Eingang Marienapotheke, an der Hauswand).
Adressen/Standorte der Synagogen:
Betstube bis 1797 in der Holzgasse;
Synagoge 1797 bis 1842 in der Judengasse;
Synagoge 1842 bis 1938 in der Oberen Hauptstraße 18
Fotos
Erinnerung an die
frühere jüdische
Geschichte im Ort: die "Judengasse"
(Fotos des Judengasse: Hahn,
Aufnahmedatum
31.8.2004; Foto ganz
rechts: Michael Ohmsen, Sommer 2012) |
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Straßenschild |
Blick in die
"Judengasse" |
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Erinnerung an die
1938 zerstörte Synagoge
(Fotos: Michael Ohmsen, Sommer 2012;
vgl. Seiten
zu Herxheim in den
Fotoseiten von M. Ohmsen) |
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Ornamentstein (aus gelbem
Sandstein) aus der Synagoge
und Gedenk-/Hinweistafeln |
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Gedenk- und
Hinweistafeln am Standort der 1938 zerstörten Synagoge |
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Herxheimer Historarium im
Museumshof
(Untere Hauptstraße 153) |
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Gedenkstele
(Stele Nr. 12) für die 1938 zerstörte Synagoge |
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Stele (Nr.
6) zur "Sozialen Frage" im 19. Jahrhundert mit Erwähnung
der 1840 errichteten jüdischen Schule |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Alfred Hans Kuby (Hrsg.): Pfälzisches Judentum
gestern und heute. Beiträge zur Regionalgeschichte des 19. und 20.
Jahrhunderts. 1992. |
| Franz Schmidt: Die Steine reden. Zeugnisse
jüdischen Lebens im Landkreis Südliche Weinstraße. Rhodt
1989. S. 56-59. |
| Egon Ehmer: Die jüdische Gemeinde in Herxheim vom
Ende des 17. bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. In: 1225 Jahre Herxheim.
Streifzüge durch die Geschichte des südpfälzischen Großdorfes. Herxheim
1989 S. 122-141. |
| Otmar Weber: Die Synagogen in der Pfalz von 1800 bis heute. Unter
besonderer Berücksichtigung der Synagogen in der Südpfalz. Hg. von der
Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Pfalz in Landau. 2005.
S. 85-86.186 (mit weiteren Literaturangaben). |
| Andreas Imhoff: Herxheims Synagoge und ihre
Zerstörung. Vortrag vom 9.11.2008 in Herxheim bei Landau. Online
zugänglich auf der Website der Gesellschaft für christlich-jüdische
Zusammenarbeit der Pfalz
|
| Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz/Staatliches Konservatoramt
des Saarlandes/ Synagogue Memorial Jerusalem (Hg.): "...und dies
ist die Pforte des Himmels". Synagogen in Rheinland-Pfalz und dem
Saarland. Mainz 2005. S. 183-184 (mit weiteren Literaturangaben). |
n.e.
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