Eingangsseite
Aktuelle Informationen
Jahrestagungen von Alemannia Judaica
Die Mitglieder der
Arbeitsgemeinschaft
Jüdische Friedhöfe
(Frühere und bestehende) Synagogen
Übersicht: Jüdische Kulturdenkmale
in der Region
Bestehende jüdische Gemeinden
in der Region
Jüdische Museen
FORSCHUNGS-
PROJEKTE
Literatur und Presseartikel
Adressliste
Digitale Postkarten
Links
| |
zurück zur Übersicht "Synagogen in der Region"
zurück zur Übersicht "Synagogen in Oberbayern"
München (Bayern)
Jüdische Geschichte / Synagogen
Übersicht:
Zur Geschichte der
jüdischen Gemeinde (english version)
Zur Geschichte der Synagoge:
Adressen
/ Standort der Synagogen (Überblick)
Links und Literatur
Zur
Geschichte der jüdischen Gemeinde
In München bestand eine jüdische
Gemeinde zunächst im Mittelalter. Die erste Erwähnung eines Juden aus München
liegt aus dem Jahr 1229 auf einer Regensburger Urkunde vor, auf der ein Abraham
de Municha als Zeuge unterschrieben hatte. Bereits im 13. Jahrhundert gab es
eine jüdische Ansiedlung in der Stadt ("Judengasse"). Am 12.
Oktober 1285 kam es auf Grund einer Ritualmordgeschichte zu einem Judenpogrom, bei dem
nach dem Nürnberger Memorbuch 67 Juden den Tod fanden. Um 1300
lebten zwar wieder jüdische Familien in der Stadt in der Stadt, doch nahm ihre Zahl im
Laufe der folgenden Jahren nicht stärker zu, zumal die Stimmung in der Stadt durch
regelmäßig aufkommende Ritualmord- (1345) oder Hostienschändungsgeschichten
zeitweise sehr angespannt war. Die Judenverfolgung während der Pestzeit
1349 zerstörte das jüdische Gemeindeleben in München auf mehrere
Jahrzehnte. Nur wenige Juden ließen sich der zweiten Hälfte des 14.
Jahrhunderts wieder in der Stadt nieder. Am Anfang des 15. Jahrhunderts befanden
sich die meisten Häuser des früheren jüdischen Wohnviertels in christlichem
Besitz. Die frühere ‚Judengasse’ erhielt nun den Namen
‚Schreibergasse’. Das Judenbad wurde in ein bürgerliches Bad umgewandelt
und nach seinem späteren Besitzer ‚Schrammerbad’ genannt vgl. die
Schrammerstraße). 1416 konnte die jüdische Gemeinde noch einen neuen jüdischen
Friedhof ‚zwischen Moosach und dem Rennweg’ anlegen. 1440 wurden die Juden
der Stadt von Herzog Albert III. ausgewiesen.
Bis Ende des 17. Jahrhunderts lebten keine
Juden in der Stadt. Seit Ende des 17. Jahrhunderts konnten im Zusammenhang mit der Vergrößerung der
Stadt wieder einige wenige Juden zuziehen. Am 22.
März 1715 befahl Herzog Maximilian Emanuel jedoch, dass sie innerhalb von 24
Stunden die Stadt und das Land verlassen mussten. Im Laufe der folgenden Jahre konnten
sich einige wenige Juden wieder niederlassen,
doch handelte es sich erst seit den 1780er-Jahren um ganze Familien, da die
Situation für eine dauerhafte jüdische Ansiedlung in München noch zu unsicher
war. Die Zahl der jüdischen Einwohner in München stieg im 18. Jahrhundert von
17 (1728) auf 20 (1750), 52 (1781), 151 (1792), 216 (1798), 300 (1802). Eine
sogenannte 'Judenmatrikel' und eine als 'Regulativ' bezeichnete Rechtsnorm
brachten unter Kurfürst Max IV. Joseph 1805 eine leichte Verbesserung der
Rechtslage der bayerischen Juden. Auf Grund des Judenediktes von 1813 konnten
in Bayern neue
jüdische Gemeinde gegründet werden, falls wenigstens 50 Familien zur Gemeinde
gehörten. Im Februar 1815 beschloss daraufhin die Münchner Judenschaft die Gründung
einer selbständigen Gemeinde. Bis 1824
hatten sich 592 Juden in München niedergelassen (knapp 1 % der
Gesamtbevölkerung).
An
Einrichtungen der jüdischen Gemeinde
war im Laufe des 19. Jahrhunderts neben Synagoge(n), Friedhof, Mikwe u.a.m. seit dem 1. Oktober
1867 auch eine jüdische Gemeindeschule vorhanden. Die Stellen der zunächst
sieben Lehrer, die den Unterricht für alle Klassen übernehmen sollten, wurden
im Sommer 1867 ausgeschrieben (siehe links, Anzeige in der Zeitschrift "Der
Israelit" vom 26. Juni 1867). München wurde Sitz eines Rabbinates. Rabbiner
waren u.a. Hirsch Aub (Rab. in München 1827-1876), Joseph Perles (Rab. in
München 1871-1894, Sprachforscher und Archäologie, zahlreiche Publikationen),
Cosman Werner (-1917), Dr. Leo Baerwald. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nahm
die Zahl der Juden durch einen starken Zuzug aus Landgemeinden zu von
1208 (1852) auf 3600 (1875), 4144 (1880) und 8739 Personen (1900). Der
Prozess der bürgerlichen Gleichberechtigung war erst 1872 abgeschlossen.
Mit der Einweihung der neuen Hauptsynagoge 1887 (s.u.) wurde die rechtliche und
soziale Emanzipation der Juden auch im Stadtbild erkennbar.
Die jüdischen Einwohner der Stadt leisteten in den folgenden Jahrzehnten große
Beiträge zum Ruhm Münchens als Stadt der Kunst, Kultur und Wissenschaft.
Bekannte Persönlichkeiten waren der Kunsthändler Lehmann Bernheimer, der Galerist
David Heinemann, der Dirigent Hermann Levi, der Chorleiter und
Musikschriftsteller Heinrich Porges, der Dichter Karl Wolfskehl, der Chemiker
Richard Willstätter und viele mehr. Große Beiträge leisteten jüdische
Unternehmer im Bereich des Aufbaus von Industrieunternehmen und im Bereich von
Gewerbe und Handel in der Stadt zwischen den 1870er- und 1920er-Jahren.
Die
Vorboten der nationalsozialistischen Verfolgungszeit waren in München
bereits früh spürbar. 1920 wurde die NSDAP in München gegründet. Während
des "Hitlerputsches" im November 1923 nahm die SA eine große Anzahl
von Geiseln, darunter viele Juden, fest und inhaftierte sie im Keller ihres Hauptquartiers.
Von 1930 an war in München die Parteizentrale der NSDAP und die Führungsorgane
der SA und SS.
1933 wurden 9.005 jüdische
Einwohner gezählt (1,2 % der Gesamteinwohnerschaft von 735.388 Personen).
Sofort nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten trafen die Münchner
Juden strenge Maßnahmen. Im Mai 1933 wurden durch die Polizei alle Büros
jüdischer Organisationen untersucht; in 50 Fällen wurde das gesamte Eigentum
konfisziert, das erst nach scharfem Protest aus Berlin teilweise zurückgegeben
wurde. Jüdische Geschäfte und Unternehmen wurden durch SA- und SS-Leute sowie
durch Angehörige der Hitlerjugend regelmäßig überfallen, jüdische Einwohner
verprügelt. Auf Grund der Nürnberger Gesetze wurden im Oktober 1935 50 jüdische
Einwohner wegen angeblicher "Rassenschande" angeklagt. Auf Grund des
wirtschaftlichen Boykotts, der zunehmenden Entrechtung und der unzähligen entwürdigenden
Aktionen und Maßnahmen entschlossen sich bis 1938 3.574 jüdische Einwohner zur
Auswanderung. Da die jüdischen Einwohner immer mehr von allen Bereichen des
gesellschaftlichen Lebens ausgeschlossen waren, versuchte die jüdische
Gemeinde, ihren Mitglieder zumindest jüdisches Gemeinschaftsleben zu
ermöglichen: Krankenhäuser und Sozialdienste wurden eingerichtet, dazu
Grundschulen, höhere Schulen und Berufsschulen, Orchester und Theater sowie ein
Institut für Erwachsenenbildung (jüdischer Kulturbund). Nachdem bereits im
Juni 1938 die Hauptsynagoge abgebrochen werden musste (s.u.), folgten beim Novemberpogrom
1938 weitere Gräueltaten gegen die übrigen Synagogen, Bethäuser, jüdische
Einrichtungen (die umfangreiche jüdische Bibliothek wurde vernichtet), Häuser,
Wohnungen und Geschäfte. Etwa 1.000 jüdische Männer wurden in das KZ Dachau
verschleppt. Bis Herbst 1941 wurden etwa 1.500 jüdische Wohnungen konfisziert.
Die daraus vertriebenen Juden wurden in ein Judenlager in der Vorstadt
Milbertshofen zwangseingewiesen (bis 1.376 Personen lebten dort).
Ab November 1941 erfolgten die Deportationen, zunächst 980
Personen nach Riga, im April 1942 in das Ghetto von Piaski bei Lublin (343
Personen). Weitere 24 Transporte brachten zwischen Mai und August 1942 etwa
1.200 jüdische Personen nach Theresienstadt. Insgesamt wurden 2.991 jüdische
Personen aus München deportiert. Von den nach Theresienstadt Verschleppten
wurden 297 bei Kriegsende befreit.
Ab November 1941 erfolgten die Deportationen, zunächst 980 Personen nach Riga,
im April 1942 in das Ghetto von Piaski bei Lublin (343 Personen). Weitere 24
Transporte brachten zwischen Mai und August 1942 etwa 1.200 jüdische Personen
nach Theresienstadt. Insgesamt wurden 2.991 jüdische Personen aus München
deportiert. Von den nach Theresienstadt Verschleppten wurden 297 bei Kriegsende
befreit.
Nach 1945: Die wenigen in der Stadt insbesondere auf
Grund der "privilegierten Mischehe" überlebenden Juden (1945: 84),
Überlebende aus Konzentrationslagern sowie Personen auf der Flucht vor neuen
Pogromen in Osteuropa (Displaced Persons) wie auch zurückkehrende ehemalige
Münchner Juden gründeten am 19. Juli 1945 eine neue "Israelitische
Kultusgemeinde" in München. Im März 1946 zählte diese etwa 2.800
Mitglieder. Ein Großteil von ihnen wanderte nach Gründung des Staates Israel
1948 dorthin aus. Dennoch nahm die Zahl der in München lebenden jüdischen
Personen insgesamt zu, sodass die Gemeinde Ende der 1980er-Jahre etwa 4.000
Gemeindeglieder zählte. Durch Zuwanderung von Personen aus Ländern der
ehemaligen Sowjetunion stieg die Zahl in den 1990er-Jahren (1995: 5.000
Gemeindeglieder) auf derzeit rund 8.000 Personen (2006). An Einrichtungen sind
vorhanden: drei Synagogen, eine Betstube, zwei Mikwen, zwei Friedhöfe, eine
Grundschule, eine Kindertagesstätte, ein Jugend- und Kultuszentrum, ein
koscheres Restaurant, eine koschere Metzgerei und verschiedene
Sozialeinrichtungen.
Zur Geschichte der Synagogen
Die
mittelalterlichen Synagogen
Einen erster Betsaal (Synagoge) gab es
vermutlich bereits im 13.
Jahrhundert. Nach einer alten Überlieferung flüchteten beim Judenpogrom am 12. Oktober
1285 die jüdischen Bewohner in diesen Betsaal und verbrannten in ihm (was
eher unwahrscheinlich ist, da ein Brand des Gebäudes auch für die umgebende
Altstadt nicht ohne schlimme Folgen geblieben wäre; die Zahl der 67 Toten darf nach dem Nürnberger Memorbuch als gesichert gelten). Der Standort eines
solchen ersten Betsaales ist nicht bekannt. Die Mikwe des 13. Jahrhunderts
könnte auf dem Grundstück Landschaftsgasse
6 gewesen sein; sie bezog ihr Wasser aus dem nördlich vorbeifließenden Stadtbach.
Die Synagoge des 14. Jahrhunderts
stand in der ehemaligen Judengasse, der späteren Schreibergasse bzw. heutigen
Gruftgasse. Sie wurde 1380/81
eingerichtet: 1380 hatte die jüdische Gemeinde über den Juden Heinrich ein
Haus zur gemeinschaftlichen Nutzung ("den juden gemainichleich")
erworben. Es wurde 1381 zu seinem neuen Zweck umgebaut. Für die Synagoge und ein gleichzeitig
einzurichtendes Hospital zahlten die jüdischen Familien drei Jahre lang 5 %
ihres Vermögens. Nach Ausweisung der Juden aus München (1440) wurde
das Synagogengebäude nach
einer Urkunde vom 14. September 1442 von Herzog Albrecht III. und seiner Frau
Anna von Braunschweig ihrem Leibarzt Dr. Johannes Hartlieb geschenkt. Er erhielt
‚das Haus hier zu München an der Judengassen gelegen, darinnen vor Zeiten die
Judenschul gewesen ist, mit aller Zugehörung..." Dr. Hartlieb ließ die
Synagoge zu einem Wohnhaus umbauen und richtete im Keller eine Marienkapelle
ein. Diese Kapelle wurde von der Bevölkerung viel besucht, sodass sie bald zu
klein war und das Gebäude abgebrochen wurde. Der Keller – ‚Kruft’ genannt
– wurde überwölbt und auf dem Grundstück eine neue Kapelle erbaut
(‚Gruftkapelle’). Nach dem Abbruch der Kapelle in späteren Jahrhunderten
erinnerte nur noch der Name ‚Gruftstraße’ (seit 1442 ist dieser Name
belegt) an die frühere Marienkapelle an Stelle der Synagoge.
|
|
Die Lage der mittelalterlichen
Synagoge (von 1380/81;
Plan: Bayerisches Haus der Geschichte) |
|
Die
Beträume im 18. Jahrhundert
Vermutlich haben bereits die zwischen dem
Ende des 17. Jahrhunderts und der Ausweisung 1715 in München lebenden
Juden einen Raum zum Gebet
eingerichtet. Wo sich dieser befand, ist nicht bekannt. Auch die seit den 1720er-Jahren
langsam
wieder in der Stadt zuziehenden Juden werden mit der Zeit einen Betsaal in einem
der jüdischen Häuser eingerichtet haben. Ein Bericht über die ‚Zustände in
der jüdischen Gemeinde’ und den Betsaal seit Ende des 18. Jahrhunderts
erschien in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" im Herbst 1837:
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 21. Oktober 1837: "Die jetzige israelitische Gemeinde, die nun aus hundert und einigen zwanzig
Familien und aus etwas über 600 Seelen besteht, zählt ungefähr ein halbes
Jahrhundert seit ihrem Entstehen, und ist bis jetzt noch immer die einzige
Gemeinde im Isarkreise. Sie bestand in ihren ersten Elementen aus den
verschiedenartigsten Zusammenkömmlingen aus allen Kreisen: doch waren
diejenigen, die aus dem Rezatkreise kamen, die zahlreichsten, und der erste
Rabbiner der Gemeinde war der selige Hessel, der erste Kultusvorstand der
verewigte Ullfelder.
Damals hatte die Gemeinde ihre Synagoge in dem Hofe eines
Branntweinbrenners, der eben deswegen den Namen ‚Judenbranntweinbrenner’
erhielt. Es war eine lange, unverhältnismäßig schmale, viereckige Stube, die
eine kleine, hölzerne, ärmliche Lade hatte. An dieses Zimmer reihte sich eine
andere, eben so lange Stube an, die die Abteilung für die Weiber bildete. Es
war alles gedrängt und gedrückt voll, und weil der Raum die Menge nicht fasste
– denn jenes Wunder des Tempels ereignete sich hier nicht – so bestanden 2-3
Filialsynagogen daneben, die wiederum nur Zimmer waren.
Damals wohnten, wie in der Wüste die Stämme die heilige Bundeslade umlagerten,
fast alle Judenfamilien in der Fronte, im Rücken, rechts und links von jenem
Hause, das die Synagoge in sich schloss; alle anderen Stadtviertel waren fast von
Juden entblößt. Man fühlte es, dass man bloß geduldet war; man wusste es,
dass man einst diese Stadt habe verlassen müssen, und so lebte man so stille,
so bescheiden, so eingezogen, als nur immer möglich war. Man erzählt sich die
lächerlichsten und sonderbarsten Anekdoten aus jener Zeit, in welcher man scheu
und furchtsam zuerst wagte die jüdischen Zeremonialgesetze in Ausführung zu
bringen. So wurden, um nur eine einzige zu erwähnen, als man zum erstenmal die
Posaune am neuen Jahre blies, kleine Buben gemietet, mit hölzernen Trompeten beschenkt, und ihnen aufgetragen, immerwährend zu blasen, um den Lärm der
Posaunen zu übertönen – Doch jene Zeiten sind, Gottlob, hinab in das Grab
der Vergangenheit, wir wollen ihren Schatten nicht länger heraufbeschwören.
Max Joseph, der gütige Vater seiner Bayern, wie aller seiner Untertanen,
schenkte auch uns die heiligste Gabe seines liebenden Herzens: Gewissensfreiheit
und Religionsausübung. -
Doch hatte auch damals die Gemeinde bald ein besonderes, jüdisches
Krankenlazarett. Und so groß auch die Opfer waren, die es erforderte, die
kleine Gemeinde trug sie gern und willig, und bestätigte das Wort unserer
Alten: ‚Der Israelite ist wohltätig.’
Ein Verein, der schon in jener Zeit begründet wurde, besteht und wirket noch
segensreich. Es ist der sogenannte Frommenverein. Sein Zweck ist:
Beerdigung der Toten, Krankenbesuch und Anhörung heiliger Vorträge durch den
jeweiligen Rabbiner aus jüdischen Autoren am Sabbat und an Feiertagen. Auch bei
seine Gründung trug sich eine nicht üble Anekdote zu. Wie bekannt, ist es
Eigenheit der Juden, dass sie das Studium des Gesetzes mit dem Worte
‚lernen’ bezeichnen; eine Eigenheit, die übrigens so alt ist, als der
Talmud, weil damals sich die Volkslehrer und Weisen aus Bescheidenheit nicht
Weise, sondern Schüler der Weisen, also Lernende nannten. Als nun die
Deputation des genannten Vereines alte, ehrwürdige Leute zu dem königlichen
Polizeidirektor sich begaben, um bei ihm die Genehmigung des zu errichtenden
Institutes einzuholen, fragte er sie um den Zweck des Vereines. Sie antworteten
in ihrer gewohnten Weise: sie wollten unter Anderem auch lernen. Ei, erwiderte
er scherzend, was können solche alte Leute noch lernen! Indessen ward das
Unternehmen doch gebilligt und erhielt die nötige Sanktion, und so ward in
zarten Anfängen der Grund zu der Gemeinde gelegt, wie sie jetzt blühet und
bestehet."
|
Die
1826 eingeweihte Synagoge
Bau und
Einweihung der Synagoge
Mit dem Beschluss vom Februar 1815 (ermöglicht in
Folge des "Judenediktes" von 1813), eine jüdische
Gemeinde in der Stadt zu begründen, wurde auch der Bau einer neuen Synagoge
in die Wege geleitet. Auch der staatlichen Aufsichtsbehörde lag nach einem Dokument vom
Ende Februar 1815 daran, dass die jüdischen Familien "sich so schleunig
als möglich um ein Lokale bewerben, worinnen die ganze kirchliche Gemeinde
versammelt werden kann". Im Hintergrund stand das Problem, dass damals
keine Privatversammlungen (private "Filialsynagogen") außerhalb der
offiziellen kirchlichen Räume geduldet waren. Die Bauplatzfrage erwies sich freilich als sehr
schwierig. Die jüdische Gemeinde wollte einen Bauplatz in der Innenstadt bekommen;
das Innenministerium wollte die Synagoge nur in einem Außenbezirk erlauben.
Seit 1816 wurde der Bau der Synagoge nahe dem Theater am Isartor
diskutiert (damalige Theaterstraße, heute Westenriederstraße). Auch dieser war heftig umstritten, da
das Grundstück in der Nähe von
Schlachthöfen lag, wodurch die Gegend für einen Kultbau unwürdig
erschien. Am 26. Juli 1824 konnte endlich in der Westenrederstraße
der Grundstein für eine neue Synagoge gelegt werden. Die Einweihung der
Synagoge war am 21. April 1826.
Zusätzliche
Informationen aus Emanuel Kirschner: "Gedenket der Tage
der Vorzeit". Erinnerungsworte zum 100. Jahrestage der Synagogen-Einweihung in München
am 21. April 1826. In: Bayerische Israelitische Gemeindezeitung vom 2. April
1926:
"Das Bedürfnis nach einer eigenen Synagoge mit einem zeitgemäßen
Gottesdienste machte sich (sc. Anfang des 19. Jahrhunderts) immer fühlbarer
geltend. Aber erst das Edikt vom 10. Juni 1813 über die Verhältnisse der jüdischen
Glaubensgenossen im Königreich Bayern erlaubt ihnen die Bildung einer eigenen,
rein kirchlichen Gemeinde und eine eigene Synagoge. Trotzdem sollte noch mehr
als ein Jahrzehnte verstreichen, bis der Bau des langersehnten Gotteshauses in
Angriff genommen werden konnte. Die Uneinigkeit in bezug auf die Wahl einer
geeigneten Bauplatzes verschuldete nicht nur diese Verzögerung, sie drohte
vielmehr auch eine Spaltung der Gemeinde herbeizuführen.
Während das erste Mitglied der Kultus-Administration, der Großhändler Israel
Hirsch Pappenheimer, von dem Doktor der Medizin Johann Baptist Sax als
Synagogenbauplatz dessen Garten an der Theater- nachmalige Westenriederstraße
– und Frauenstraße erworben hatte, bekämpfte das zweite Mitglied der
Administration, der dänische Kommerzienrat Eduard Marx, die Ausführung dieses
Planes aufs heftigste, unter Hinweis auf die ungünstige Lage des Bauplanes und
gestützt auf die seinen ablehnenden Standpunkt teilende entschiedene Majorität
der Gemeindemitglieder.
Nahezu ein Jahr tobte der Parteienkampf mit ungeminderter Heftigkeit weiter, bis
am 4. Juni 1824 die Polizeidirektion der Administration bekannt gibt, dass die
Erbauung einer Synagoge auf dem Platze an der Theaterstraße, nach den
vorgelegten Plänen und der Aufsicht der königlichen Lokalbaukommission
definitiv genehmigt worden sei. Damit ging Pappenheimer als Sieger aus dem langjährigen
Kampfe hervor. Am 26. Juli 1824 eröffnete er in Gegenwart von hohen
Staatsbeamten, Magistratsmitgliedern und Gemeindebevollmächtigten mit einer
Ansprache die Feier der Grundsteinlegung.
Nun galt es, noch vor Fertigstellung des Baues, für die Festlegung einer
Synagogenordnung Sorge zu tagen, bei deren Beratung die Kultusadministration
beseelt war von dem Wunsche, in der neuen Synagoge einen in jeder Beziehung
zeitgemäßen Gottesdienst zu schaffen, während dessen Abhaltung die
ehrfurchtsvollste Stille zu herrschen habe und die Gebete mit Andacht und
Wohlanständigkeit zu verrichten seien.
Ein Streben, des Schweißes der Edlen wert; denn wie überall in unserem
Vaterlande, trug damals auch in München der liturgische Gesang die Ghettospuren
ästhetischer Rückständigkeit an sich. Er glich einem verwahrlosten Garten, in
dem wohl unter wuchernden Ranken, unter wild wachsendem Gestrüpp, Tonblüten
von wundersam leuchtender Pracht in unverwüstlicher Kraft Herz und Ohr erregten
und bewegten, die aber einer ordnenden, veredelnden Hand entraten mussten. Da
war es denn der Sohn des damals, 1825, bereits verstorbenen Rabbiners Heßel,
David Heßel, der von einem gütigen Geschick ausersehen war, noch vor der
segensreichen Wirksamkeit des großen Reformators des Synagogengesanges, Salomon
Sulzer, die Brücke zu schlagen zwischen der bisherigen gottesdienstlichen Form
und einer zeitgemäßen Gottesverehrung, wie sie in der neuen Synagoge
Verwirklichung finden sollte.
Für die denkwürdige, überaus eindrucksvolle Synagogeneinweihung am 21. April
1826 schuf er Melodien, die zum Teil noch heute in unserer Gemeinde sowie in
vielen anderen Gemeinden gesungen werden und die Kapellmeister Stuntz für 2-,
3- und 4stimmigen Chor mit Orchesterbegleitung bearbeitete und arrangiert für
Pianoforte mit Gesang, im Druck erscheinen ließ.
Neben Heßel bemühte sich auch eifrig der begabte Musikliebhaber Isidor Neustätter
um das Einstudieren dieser Gesänge sowohl, wie des von Stuntz komponierten 24.
Psalms mit einem für diesen Zweck gebildeten Chor, bestehend aus 24 jüdischen
Jünglingen und einem Knabenchor, verstärkt durch Sänger des Hoftheaters.
Den Höhepunkt der musikalischen Darbietungen aber bildete eine von Friedrich
Wilhelm Bruckbräu gedichtete, vom Hoftheater-Intendanten Freiherrn von Poißl für
Soli, Chor und Orchester komponierte Hymne. Trotz eifriger Nachforschungen in
Bibliotheken und bei verschiedenen Behörden, ist es noch nicht gelungen, die
Musik zu dieser Hymne ausfindig zu machen, von der ein zeitgenössischer
Berichterstatter sagt: ‚Über die vollkommene Gediegenheit dieser Musik
herrschte nur eine Stimme. Kunstvoll gebaute Chöre wechseln in ihr ab mit
Rezitationen und Arien, die von ersten Kräften der Hofbühne zum Vortrag
gelangten. Ein mächtiger, fugierter Chor preist den Synagogenneubau als einen
emporsteigenden Hoffnungsschimmer, als einen Strahl des Lichts in unserer Herzen
dunkler Nacht mit Dank gegen den himmlischen Vater, der uns erhebt.’
Der Rüsttag zum Pessachfeste 5586 = 21. April 1826, ein Freitag, brach an und
mit ihm einer der bedeutungsvollsten Tage, ein weithin leuchtender Markstein in
der Entwicklung der Münchner jüdischen Gemeinde.
An die Stelle der armseligen, die finstere mittelalterliche Zeit
versinnbildlichenden Betstube trat das Symbol des anbrechenden Freiheitsmorgens,
die vom Baurat Johann (bzw. Jean Baptiste) Metivier erbaute, prächtige Synagoge.
Eine Vorhalle führte in den majestätisch gewölbten Tempel, der ein Viereck
bildend, an der Ostfront seinen halbkreisförmigen Abschluss fand, in dem die
mit Säulen verzierte, aus Stein erbaute heilige Lade sich befand. Längs der
Seitenwände und der Westfront zog sich die Frauengalerie hin, auf 16 Marmorsäulen
ruhend, von denen die ersten vier der erste Bayernkönig Max Joseph der jüdischen
Gemeinde gespendet hatte. Auch sein Nachfolger König Ludwig I. und seine
Gemahlin Therese bekundeten ihr Wohlwollen durch persönliche Teilnahme an der
Synagogeneinweihung, die um vier Uhr nachmittags beginnend, unter begeisternden,
von Kapellmeister Stuntz geleiteten Gesängen, unter Mitwirkung des
stimmbegabten Kantors Löb-Sänger und mit einer wirkungsvollen Predigt des
Rabbiners Hirsch Aub einen glänzenden Verlauf nahm.
Ein Bericht über dieses epochemachende Ereignis schließt mit den Worten:
‚Die herzerhebende Feierlichkeit und die musterhafte Ordnung fand allgemeinen
Beifall und lässt nur den einzigen Wunsch übrig, dass die Israeliten die
Ordnung und Feierlichkeit dieses Abends als Muster für den Gottesdienst an
Sabbat und Feiertage nehmen möchten und dass ihre spätestens Enkel diesen Tag
als einen neuen Abschnitt in der Geschichte unserer Glaubensgenossen hoch feiern
mögen.’ |
|
Aus der Zeit der 1826 erbauten Synagoge
liegt folgender Bericht aus der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 31. Oktober 1837
vor: "München hat seine Synagoge. In fast zwei Jahren war es fertig und stand
da in seiner erhebenden freundlichen Pracht, das gottgeweihte Haus, in dem
Gesang und Predigt und ein schöngeordneter Gottesdienst das Herz erheben.
Majestätisch wölbst sich der Tempel, der ein Viereck bildet, und dessen östliche
Vorderseite nur einen falschen Halbkreis formt. In diesem Halbkreis prangt die
heilige Lade, aus Stein erbaut, mit keinen Säulen verzieret, dem Eintretenden
die mahnenden Worte entgegenhaltend: ‚Wisse, vor wem du stehest.’ Aus den
beiden Nebenseiten und der westlichen Front springt in nicht unbedeutender Höhe
die Galerie der Frauen vor, ruhend auf 14 prächtigen Marmorsäulen. Die vier
ersten derselben sind ein Geschenk unseres höchstseligen Königs Max. Drei große
eiserne Lüster und zwölf Glaslampen in den Säulengängen bilden die
Beleuchtung für die ganze Synagoge, während zwei Kandelaber und zwei Leuchter
in Gestalt von Marmorvasen von der heiligen Lade strahlen. Die Bimah wird
durch einen achtarmigen Leuchter, der auf einem Marmorpostament ruht,
erleuchtet. Die Lampe des ewigen Lichtes hängt düsterstrahlend vor der Lade.
Auf der brieten, westlichen Tribune der Frauengalerie, der Lade gegenüber, ist
das Chorgerüst erbaut. Es mag unsere Synagoge an Reichtum in Goldverzierungen
von anderen leicht übertroffen werden, aber durch einen freundlicheren Anblick
erfreut gewiss selten eine andere noch das Auge oder die Seele." |
Das
50-jährige Jubiläum der Synagoge (1876)
Am ersten
Tag des Passahfestes, dem 9. April 1876 konnte das 50jährige Bestehen der
Synagoge
gefeiert
werden. Zu diesem Anlass wurde in der Synagoge eine neue Orgel eingebaut. Zu
diesem Jubiläum komponierte der damalige Kantor M. E. Löwenstamm eine Kantate,
deren Uraufführung 1876 stattfand (Titelblatt siehe unter den Abbildungen). Die
Allgemeine Zeitung des Judentums berichtete über das Jubiläum in ihrer Ausgabe
vom 2. Mai 1876:
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 2. Mai 1876: "München, 10. April (1876). Wenn am 26. vorigen Monats in
Wien das fünfzigjährige Jubiläum des Tempels weihevollbegangen wurde, so
folgte ein ganz gleiches Fest der Münchener Synagoge am gestrigen Tage in
solenner Weise. Da von dieser Feier nach außen hin nichts verlautet hatte, so beschränkte
sie sich auf die Mitglieder der hiesigen Gemeinde.
Es wurde in Verbindung mit dem Morgengottesdienste des ersten Passahtages ein
Festgottesdienst in dem festlich geschmückten Jubelgotteshause abgehalten. Nach
einer einleitenden, vom Oberkantor Herrn Löwenstamm komponierten und
gedichteten Kantate, welche von der Klängen der am Abend vorher erst
eingeweihten Orgel begleitet wurde, verbreitete sich der Rabbiner Herr Dr.
Perles in glänzender, edelgehaltener Rede über die Bedeutung des Tages und entrollte
in kurzen, aber frappanten Zügen die Geschichte der israelitischen Gemeinde in
München. Über das tragische Schicksal der israelitischen Glaubensgenossen in
München im Mittelalter mit versöhnlicher Kürze hinwegeilend, verfolgte er die
Entwickelung der Gemeinde von Anbeginn des 19. Jahrhunderts an, ihr Aufblühen
unter dem Schutze humaner Fürsten und milder Gesetze unter dankbarem Hinweise
auf das bayerische Herrscherhaus. Er warf einen Blick auf die verschiedenen
Wandlungen in dem inneren Leben der Gemeinde, ließ dem Geiste der früheren
Generation gerechte Würdigung widerfahren und betonte andererseits die
Notwendigkeit, auch den Anforderungen des heutigen Geschlechtes Rechnung zu
tragen. Die Rede schloss mit einem Segensgebete für das Vaterland, das
bayerische Königshaus, die Gemeinde, ihre Vertreter und Beamten.
Mit den Schlussstrophen der bereits erwähnten Kantate schloss die herzerhebende
Feier, welche in ihrer ganzen Anlage durch den edlen Geist, der sie belebte,
auch auf jeden Nichtisraeliten einen wohltuenden Eindruck machen musste. |
Fotos/Abbildungen
der Synagoge von 1826
Die
Synagoge
von 1826 |
|
|
|
Außenansicht der Synagoge
von
1826 (links, Bildmitte;
Zeichnung von L. Huber 1889) |
Innenansicht der Synagoge
von
1826, Aquarell von
Ferdinand Petzl |
|
|
|
Zeichnung /
Grundriss |
|
|
|
Zeichnung und Grundriss der Synagoge an der
Theaterstraße |
|
|
|
|
|
|
Titelblatt des Gebetbuches
"Tägliche Gebete der Israeliten",
München 1827 mit Ansicht des
Toraschreines der Synagoge in München
und der Inschrift: "Wisse,
vor
wem du stehst" |
Titelblatt der "Cantate
zur
Feier des fünfzigjährigen Jubiläums
der Synagoge in München am
ersten Tage
des Pessachfestes 9. April 1876" |
Anzeige: Gedenkfeier für die
alte
Synagoge aus der "Bayerischen
Israelitischen Gemeindezeitung"
vom 17. März
1926.
|
|
|
Quellen: Gebetbuch
aus Theodor Harburgers Inventarisation jüdischer Kunst- und
Kulturdenkmäler Bd. 3 S. 592; die Außen- und Innenansicht der Synagoge
findet sich in zahlreichen Publikationen zur Geschichte der jüdischen
Gemeinde; die Zeichnung und Grundriss aus Schwarz: Die Architektur der
Synagoge S. 174; das Titelblatt der Cantate aus Lamm, Vergangene Tage bei
S. 112. |
Die Arbeit des "Synagogen-Chor-Komitees" unter Kantor
Maier Kohn –
Die Entstehung der Münchner Synagogalgesänge in den 1830er- und 1840er-Jahre
Weite Verbreitung fanden seit ihrer
Entstehung in den 1830er-Jahren die Münchner Synagogalgesänge. Über die
gottesdienstlichen Traditionen in der Münchner Synagoge seit Ende der
1830er-Jahre, in denen der Weg zwischen den liberalen und konservativen
Richtungen zu beschreiten versucht wurde, und die Arbeit des "Synagogen-Chor-Komitees"
berichtet die "Allgemeine Zeitung des Judentums" am 1. März 1838:
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 1. März 1838: "München, Januar
(1838). Gottesdienst. Ich gehe von der Geschichte des
Entstehens unserer Gemeinde und von der Aufzählung der hier bestehenden Vereine
zu unserem Gottesdienste über: Soll ich einen Charakter mit Einem Worte nennen,
so ist er versöhnender Art; er wäre vielleicht der sicherste Übergang von dem
alten Unfuge beim Gottesdienste zu einer neuen, erhebenden Andacht bei
demselben. -
Es ist ein großer Fehler von den Rabbinen, wenn sie bei der notwendigen
Umgestaltung des Gottesdienstes sogleich zu hohe Forderungen stellen, und mit
einem Male das Kind samt dem Bade ausschütten. Der Jude, der durch Jahrhunderte
an das ordnungslose, wilde Mitschreien im Gebete gewohnt war, wird sich nicht
sogleich an einen deutschen, der hebräischen Sprache ganz fremden Gottesdienst
gewöhnen können. Mag auch der gebildetere Teil unter uns, der, der neueren
Generation angehörend, der älteren Weise sich nicht leicht anbequemen kann,
sich an einem solchen mehr erbauen, mehr erhoben fühlen, als bei dem älteren,
weil ihn eben jene ältere Sprache unbekannt geworden, und er im deutschen
Chorale eine seiner Bildung und seinen Gefühlen mehr entsprechende Andacht
findet: der Alte, der deutschen Sprache unkundig, wird und kann hierin keine
Seelenerhebung, keine Herzensandacht finden, und ein großes Unrecht wäre es,
wenn man auch nur einem geringen Teil der Gemeinde einen Gottesdienst formen
wollte, der ihn nicht entsprechen könnte.
Aber dasselbe Unrecht begeht man gegen den jüngeren Teil, wenn man den
Gottesdienst ganz unverbessert ließe, wenn man den Vorsängern ihre ererbten
Rouladen und Tiraden herauszuschreien und herauszugurgeln erlaubte, und der
Gemeinde ein gellendes, verworrenes Accompagnement gestattete. Denn erstens ist
ein erhebender Gottesdienst das einzige sichtbare Band, durch das jener sich
lobpreisende Teil mit dem Judentume vereinigt bleibt, und ferner ist der eben
jene Anstalt, durch dessen Verbesserung und Umgestaltung am sicherlichsten und förderlichsten
auf eine allseitige Verbesserung und Umgestaltung im Judentume selbst gewirkt
werden kann. An dem Leben und regen Weben in der Wissenschaft, das in der jüdischen
Theologie sich jetzt offenbart, können die Wenigsten sowohl aus Mangel an
Kenntnissen, als der Berufsbestimmung halber, teilnehmen; die Wissenschaft zu
bebauen, zu pflegen, zu besorgen, zu hüten, bleibe Sache des Gelehrten, die
Frucht nur reicht er dem Laien dar. Der Geist, der in ethischer und dogmatischer
Hinsicht die Schule und den Religionsunterricht durchweht, kann nicht mehr auf Männer
wirken, die der Schule entwachsen sind. Er wirkt und bildet für die Zukunft, auf
die Vergangenheit zurück kann er keinen Einfluss üben. Also an diesen beiden
für
das momentane Judentum höchst wichtigen Anstalten nimmt der alte Jude keinen
Anteil, aber Anteil nehmen wird und muss er, schon seiner Religiosität halber,
an dem Gottesdienste, und darum wird die Synagoge im wahren Sinne des Wortes die
Schule, in der auch er erzogen, und für das Neuere wahrhaft Gute gewonnen
werden soll. Das kann aber nur dann geschehen, wenn der Unterricht von der Art
ist, dass er ihn anzieht, und nicht ängstlich von sich scheucht. Es ist der
Gottesdienst, und besonders bei den Juden auf dem Lande, das, woran er mit Leib
und Seele hängt, und er fürchtet es als eine Sünde, eine Andachtsstunde zu
versäumen, und andererseits offenbart sich doch fast überall ein Streben, den
Gottesdienst zu verherrlichen und zu ordnen. Daraus ergibt sich nun leicht, wie
vorteilhaft man auf den Juden durch Verbesserung desselben einwirken könne,
wenn man nicht gleich Überspanntes von ihm fordert. Der Juden lernt dadurch an
eine durch Religion geheiligte Umgestaltung seines ganzen Lebens sich gewöhnen,
und wie viel ist dadurch nicht für uns in jeder Beziehung gewonnen. Deshalb,
sagte man mir auf meiner jüngsten Ferienreise, deshalb gefällt der
Gottesdienst in München so sehr, weil er uns das Alte gelassen, und es als ein
Neues uns wiedergegeben hat. -
|
Von diesem Gesichtspunkte aus ward nun hier der Gottesdienst geordnet. An den
Wochentagen wird bei ruhigem, würdevollem Benehmen der Betenden das Gebet ganz
nach alter Weise und Sitte, ohne Abänderung und Abkürzung verrichtet. An
Sabbaten und Festtagen aber vertritt in den Responsionen, bei den Benedeiungen,
sowie bei den andern sehr zahlreichen und schönen Gesängen der Chor die
Gemeinde. Aber eben dieses Vertreten ist es, was den Zweck des Chores
verrichtet. Er wird dadurch oft zur Unterhaltung, statt dass er die Gemeinde zum
andächtigen Wettgesänge stimmen und aneifern sollte, wenn er neukanzonierte
Gesänge mit dem Vorsänger vorträgt, und muss oft langweilen, wenn er die
alten, allgemein bekannten, Jedermann geläufigen Lieder wiederholt. Die
andachtvolle Beschäftigung der Gemeinde, die Aufforderung, dass sie, statt des
früheren Wirrwarrs, in kirchlichen Melodien, in schöner herzerhebender
Harmonie ihr Gebet verrichte, das muss der Zweck des Chores sein, nicht aber bloß
eine theoretisch-kirchliche Vorstellung, bei welcher die Gemeinde sich entweder
unterhält und Beifall zollt, oder sich langweilt, und von profanen Dingen schwätzt.
Es ist dies besonders bei dem durch die Chorresponsionen gedehnten Lecha Dodi
der Fall; und es wäre wirklich nicht schöneres, als eben ein solches Lied von
der Gemeinde, durch Vorsänger und Chor unterstützt, vortragen zu hören. Ich
erwähne besonders dies Gebet, weil ich mich von der Ausführbarkeit eines
solchen Gedankens auf meiner Reise überzeugte. Es war im Markte Uhlfeld im
Rezatkreise. Die freundliche schöne Synagoge war des Freitag Abends herrlich
beleuchtet; das Minchagebet und die gewöhnlichen Psalmen waren rezitiert, der
Vorsänger bestieg den Almemor, ich sehnte mich nach der Münchener
Gesangsweise, und darum graute mir heimlich vor dem hässlichen Geschrei, das
nun losgehen würde. Aber nein, den herrlichsten Choral stimmte nun die Gemeinde
an, und es herrschte dabei eine solche stille Feier, wie ich sie noch nie
gefunden hatte.. |
|
|
Über den Stand der Arbeiten des
Synagogen-Chor-Komitees und der Publikation der Münchner Synagogengesänge
berichtete die "Allgemeine Zeitung des Judentums" vom 12. März 1839: "München,
1. März (1839). Das Komitee des hiesigen Synagogen-Chores geht nun, nachdem es
die Subskription auf das annoncierte Werk: Vollständiger Jahrgang für Terzett-
und Chorgesänge etc. eröffnet hat, mit vielem Eifer an die Realisierung dieses
sehr zeitgemäßen und wünschenswerten Werkes. Es sind und werden noch immer
alle möglichen Anstalten getroffen, um dasselbe so vollständig
und gediegen, als nur immer geschehen kann, zu liefern, und von Seiten
des Herrn Verfassers, Maier Kohn, und der Buchhandlung Alles aufgeboten, um
jeden ausgesprochenen Wunsch berücksichtigen und befriedigen zu können. Allein
trotz alles uneigennützigen Anstrengungen wird es doch unmöglich, an die Ausführung
des Werkes selbst zu gehen, da ohne eine Zahl mindestens von 150 Subskribenten
selbst die nötigsten Kosten nicht gedeckt sind, und trotz der vielseitigen
Aufmunterungen und Belobungen, deren dies Unternehmen sich erfreute, bis zur
Stunde die Meldungen der Subskribenten noch sehr spärlich einlaufen, und
dadurch den Beginn der Herausgabe verzögern. Es wäre daher sehr ersprießlich,
wenn die Herren Gemeindevorsteher und Vorsänger, die dieses Werk für ihre
Gemeinden und für sich anzukaufen gedenken, die Subskription nicht zu sehr in
die Länge schieben, und dadurch die baldige Vollendung des genannten Werkes
bewerkstelligen helfen würden.
|
|
Im Sommer 1841 berichtete die "Allgemeine
Zeitung des Judentums" in ihrer Ausgabe am 14. August 1841: "München, 19. Juli
(1841). Sie haben schon in langer Zeit nichts mehr von unsern hiesigen Verhältnissen
berichtet. In der Tat ist auch davon wenig, mindestens nichts Erfreuliches zu
berichten, denn die Hemmnisse bürgerlicher Freiheit, anstatt aus dem Wege geräumt
zu werden drängen sich auch in die engern Pfade des geistigen Lebens, und der
Engel des Lichtes mit gezücktem Schwerte vermochte es noch nicht, den
Verderbern die Augen zu öffnen...
Von der hiesigen Synagoge weiß ich Ihnen nichts mitzuteilen, als dass das ihr
zur Zierde gereichende Chorinstitut gedeihlich fortbesteht. Das dasselbe
leitende Komitee hat erst jüngst die zweite Lieferung der gottesdienstlichen
Gesänge, enthaltend die Piecen für Schalosch Regalim überhaupt sowohl,
als auch die besonderen für Pessach, Schawuoth, Sukkot, Hoschana
Raba und Simchat Tora, bearbeitet vom Herrn Lehrer Maier Kohn, veröffentlicht,
und die Inhaber der ersten Lieferung werden sich mit Vergnügen überzeugen,
welche reiche Sammlung herzerhebender, schöner, und der jedesmaligen Feier
anpassenden Gesänge ihnen damit geboten werden. Insbesondere soll der
Bearbeitet auch darin wieder bedacht gewesen sein, aus der reichen Sammlung der
hiesigen und von berühmten Tonsetzern gefertigten Chorgesängen nur einfache,
melodiöse und leicht auszuführende Stücke aufzunehmen. Man kann bei dieser
Gelegenheit nicht umhin, die Bemerkung zu machen, dass die Verbreitung der
Chorgesänge, und die Einführung des Chorgesangs in den Synagogen überhaupt
ihr größtes Hindernis nicht in dem Willen der Gemeindeglieder, noch im
Mangel an mitwirkender Teilnehmer, sondern in dem Mangel an fähigen Subjekten,
den betreffenden Unterricht zu erteilen, findet. Es gehört immer noch zu den
Seltenheiten, in kleineren Städten und auf dem Lande besonders, musikalisch
gebildete Vorsänger zu finden; dergleichen befähigte Lehrer aber sind es, von
deren Mitwirkung allein das Gedeihen dieses Institutes allenthalten abhängt
(Anmerkung: sehr auffallend musste es erscheinen, dass in dem von Zunz für das
zu Berlin neu errichtete Seminar für jüdische Schullehrer entworfenen
Unterrichtsplane der musikalischen Bildung keinerlei Erwähnung geschieht). In
welcher größeren oder kleineren Gemeinde der Lehrer es versteht, zu dieser
Verherrlichung der öffentlichen Gottesverehrung der männlichen Jugend, und
einigen Erwachsenen, die gewiss aller Orten zu einer solchen Mitwirkung sich
leicht finden lassen, die Anleitung zu geben ist ein vierstimmiger Chor bald
hergestellt, ohne dass der Gemeinde dadurch Kosten entstehen, und wir können
mit dem Psalmisten wieder ausrufen: ‚preiset in Chören den Herrn.’
In dem Grade aber, als der Chorgesang sich in den Synagogen immer mehr
verbreiten wird, in dem Grade wird das hiesige Chorwerk, das erste der Art
erschienene, seine Verbreitung finden, das, ohne auf eine Kritik der einzelnen
Piecen eingehen zu wollen, was einsichtsvollen Sachverständigen vorbehalten
bleibe, noch das besondere Verdienst hat, dass die Chorgesänge die Selbständigkeit
des Vorbeters in seinen rituellen Funktionen in keinerlei Hinsicht unterbrechen.
Zu den bereits erschienenen zwei Lieferungen kommt noch die dritte und letzte,
die Gesänge für die Hohen Feiertage enthaltend, welche wie die Festtage selbst
für den Gottesdienst die erhabensten sind, so auch das Würdevollste und
Erhabenste an Gesängen enthalten wird. Es sollen, ungeachtet dieses Werk in allen Buchhandlungen zu beziehen ist, doch
die meisten Bestellungen beim Bearbeiter selbst einlaufen, wo sie auch auf das
schleunigste besorgt werden.".
|
Publikationen
der "Münchner Synagogalgesänge" in den 1840er-Jahren
|
|
Im
Sommer 1842 verließ nach mehrjähriger Arbeit der
"Vollständige Jahrgang der Chor- und Terzett-Gesänge
der Synagoge in München etc.". Eine Übersicht über die
Lieferungen erschien in der "Allgemeinen Zeitung des
Judentums" vom 16. Juli 1842.
|
Anzeige in der
"Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 1. Januar 1846 zum Erwerb des "Vollständigen
Jahrgangs von Terzett- und Chorgesängen der
Synagoge in München" |
|
Einführung
deutscher Predigten
In
der Zeit, in der die gottesdienstlichen Liturgien in München behutsam
reformiert wurden, sind zugleich regelmäßige deutsche
Predigten in der Münchner Synagoge eingeführt worden, die auch von interessierten
Christen gehört wurden.
Die "Allgemeine Zeitung des Judentums" berichtete am
26. Juni 1838: "München, 12. Juni (1838). Wenn je unser Gottesdienst auf irgend
eine erhebende Weise verherrlicht wurde, so sind es die gediegenen Predigten,
welche in dieser Zeit, Gott sei Dank! keine Seltenheit mehr sind, und von denen
wir einst eine Ernte guter Früchte erwarten können. Ähnliches wurde uns
dahier am vergangenen Wochenfeste zuteil. Nachdem am ersten Feiertage der
hochgeehrte Rabbiner eine dem Publikum erbauende Predigt gehalten, hatten wir am
folgenden Tage das Vergnügen, den Rabbinatskandidaten Herrn M. Lilienthal von
hier, zum erstenmal auf der Kanzel zu sehen. Dieser junge, talentvolle Mann überraschte
wahrhaft durch seine kernhaften, inhaltsreichen Worte, durch seine gewählte,
einfache Sprache, wie nicht minder durch seinen lebendigen und zum Herzen
gehenden Vortrag. Es war die Synagoge sehr gefüllt, denn außer den zahlreich
sich einfindenden Juden waren es auch sehr viele Christen, welche hierher kamen,
um die Worte des jungen Predigers zu hören, und sich überzeugten, dass man
sich auch im jüdischen Gotteshaus erbauen und die Synagoge gerührt verlassen könne.
Allgemein herrscht nun der Wunsch, dass uns öfter dieser Mann mit seinem
bekehrenden Vortrage erfreuen möge, und wir sehen der Erfüllung derselben bald
entgegen.
Dr. Lehmaier. |
|
Die
israelitische Kultusgemeinde war bestrebt, angesichts ihrer anspruchsvollen
Chormusik und des reformierten Gottesdienstes auch gute Vorbeter zu
bekommen. Auf der Suche nach einem neuen Vorsänger wurde am 24. Mai 1847 in der
"Allgemeinen Zeitung des Judentums" folgende Anzeige veröffentlicht:
"Gesuche. Die israelitische Kultusgemeinde in München beabsichtigt die
Aufnahme eines Vorsängers. Zur Bewerbung um diese Stelle, mit welcher ein fixer
jährlicher Gehalt von 500 Gulden und nicht unbedeutende Emolumente - für
welche jedoch nicht garantiert wird - verbunden sind, ist der durch
entsprechende Zeugnisse zu liefernde Nachweis, über den Besitz einer kräftigen
und wohlklingenden Stimme, gründlicher Kenntnis der Musik und der hebräischen
Sprache, sowie eines guten Rufes und religiösen Lebenswandels erforderlich und
sich desfalls sowie um die näheren Bedingungen in frankierten Schreiben zu
wenden an die
Administration der israelitischen Kultusgemeinde in
München." |
Sondergottesdienste
in der Synagoge
In der Synagoge fanden neben den üblichen
Wochentags-, Sabbat- und Feiertagsgottesdiensten auch Sondergottesdienste aus
besonderen Anlässen statt. Im Dezember 1841 fand für die verstorbene Königinwitwe
Karoline von Bayern ein Trauergottesdienst statt, worüber die "Allgemeine
Zeitung des Judentums" am 8. Januar 1842 berichtete: "München, 17. Dezember
(1841). In allen Synagogen unseres Landes werden und wurden Trauergottesdienste
veranstaltet, wegen des Dahinscheidens Ihrer Majestät der Königinwitwe
Karoline von Bayern; innere und aufrichtigere Trauer aber als in der unseren,
herrschte gewiss in keiner Synagoge. In unserer Mitte war es ja, wo sie
jahrelang geweilt, ein Engel der Güte und Milde, wo jeder Leidende, jeder Bedrängte,
jeder Bedürftige ohne Unterschied der Religion Linderung seiner Leiden, Trost
in seiner Bedrängnis und Hilfe in seiner Not suchte und fand. Aber der
Trauergottesdienst in unserer Synagoge war auch der hohen Dahingeschiedenen würdig.
Am 2. dieses Monats abends 5 Uhr öffneten sich die Flügel unseres Bethauses
einer solchen Anzahl, wie die Hallen unserer Synagoge nur selten und nur bei außerordentlichen
Feierlichkeiten zu sehen gewohnt sind. Die Galerie der Synagoge war mit
schwarzen Draperien behangen, was auch äußerlich zur Erhöhung der Feier
beitrug. Den Anwesenden, unter denen sich unter anderen hohen Gästen auch der
Herr Regierungspräsident befand, wurden Programme verteilt, welche die
vorkommenden Gesangpiecen und Gebete hebräisch und deutsch enthielten. Es eröffnete
die Feier Herr Rabbiner Aub durch ‚ein einleitendes Gebet’ in hebräischer
Sprache, welchem ein Choralgesang folgte und diesem unmittelbar die Trauerrede.
Wenn schon alle Predigten der Herrn Rabbiner Aub durch Gediegenheit, Gedankenfülle
und Kraft des Ausdruckes sich auszeichnen, so sind es vorzüglich seine
Gelegenheitsreden, in denen er wahrhaft Treffliches leistet, und so war es auch
diese Rede, in welcher der Prediger mit wahrem Enthusiasmus, mit jener Wärme,
die ihm in reichem Maße zu Gebote steht, die hohen Tugenden der Verblichenen
dem Geiste der Hörer noch einmal vergegenwärtigte. Am Schlusse seiner Predigt,
als der Redner von dem Wohltätigkeitssinn der edlen Königin gesprochen,
appellierte er passend an den vielfach erprobten Wohltätigkeitssinn seiner
Gemeinde, diesen auch in der Unterstützung zu den, in Ägypten zu errichtenden
Schulen hervorleuchten zu lassen. Der Redner endigte mit dem letzten Vers des
17ten Psalmes, den der Chor wiederholte. Er sprach hierauf ein ‚Gebet für das
Seelenheil der Verklärten und für das Wohl des königlichen Hauses’, hierauf
folgte ein Choralgesang, und schließlich wurde vom Rabbinen der
‚Priestersegen’ in hebräischer und deutscher Sprache gesprochen. Auf Vieler
Verlangen wurde die Predigt dem Druck übergeben, und hat der Herr Rabbiner vom
Prinzen Karl Königlicher Hoheit ein sehr anerkennendes Schreiben erhalten’.
|
|
Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts war die
1826 eingeweihte Synagoge insbesondere an den Hohen Feiertagen zu klein für die
rasch wachsende Gemeinde. Es mussten Filialgottesdienste eingerichtet werden.
Nach einer Meldung aus der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. September 1869
konnten die Gottesdienste am Neujahrsfest und am Versöhnungstag des Herbstes
1869 im Odeonsaal abgehalten werden. |
Die 1887 eingeweihte
(Haupt-)Synagoge
Pläne zum Bau einer neuen Synagoge
Als im Jahre 1876 die jüdische
Gemeinde das 50-jährige Bestehen ihrer Synagoge feierte und damals auch
eine neue Orgel in diesem Bau eingeweiht hatte, gab es bereits mehrjährige
Überlegungen zum Bau einer großen neuen Synagoge für die Stadt. 1869
wurde von der jüdischen Gemeinde die Bitte an den Magistrat gerichtet, ein
Grundstück für eine neue Synagoge zur Verfügung zu stellen. Von der Stadt
erhielt die Gemeinde zwar kein Grundstück, doch einen finanziellen Betrag zum
Erwerb eines solchen. Bereits 1870 konnte zunächst an der Ecke Finkenstraße/Wittelsbacherplatz
neben dem Ludwig-Ferdinand-Palais ein Grundstück erworben werden. Die Gemeinde
forderte verschiedene Architekten auf, Entwürfe für den Synagogenneubau
einzureichen. Mehrere Vorschläge gingen ein, darunter Arbeiten von Edwin Oppler,
Matthias Berger und Albert Schmidt. 1876 wurde das Grundstück an der
Finkenstraße aufgegeben.
Anfang der 1880er-Jahre wurde ein Bauplatz südlich
der Maxburg, zwischen Karls- und Maximiliansplatz aus königlichem Besitz
erworben. Für dieses Grundstück legten Matthias Berger und Albert Schmidt
Pläne vor. Diejenigen Schmidts wurden schließlich umgesetzt. Sein Plan fand
begeisterte Aufnahme in der Gemeinde und bei den Kritikern, die ihn als Beginn
einer Neubewertung der Romanik sahen: der Bau war in dunkelrotem
Backsteinmauerwerk auf Granitsockel in spätromanischem Stil errichtet. Nach den Plänen Schmidts entstand mit
etwa 1.000 Plätzen im Männerraum und 800 Sitzplätzen auf den Emporen eine der
größten Synagogen in Deutschland (zum Zeitpunkt der Einweihung 1887 war
die Münchner Hauptsynagoge die drittgrößte Synagoge in Deutschland nach
Berlin Oranienburger Strasse und Breslau).
Nicht verwirklichte Entwürfe
für die
neue Synagoge
(Quelle: Schwarz, Die Architektur
der Synagoge 231ff). |
|
|
|
Entwürfe für
eine Synagoge in München von Edwin Oppler (um 1872) |
|
|
|
|
|
|
Entwürfe für eine Synagoge in
München von Matthias Berger (1880) |
Die
Einweihung der neuen Synagoge 1887
Bericht in der "Allgemeinen Zeitung des
Judentums" vom 29. September 1887: "München, 18. September (1887). Über die
Einweihung der neuen Synagoge geben wir, obschon wir eine kürzere
Privatmitteilung darüber erhalten haben, den Bericht des ‚Münchner Boten’
um so mehr, als es uns darum zu tun ist, zugleich die öffentliche Meinung
abgespiegelt zu sehen. Er lautet:
Die neue Synagoge, nach dem Urteil Sachverständiger in baulicher Hinsicht eine
Zierde der Stadt, wurde am Freitag Abends mit einer Feier eingeweiht, welche in
Münchens Geschichte als ein Akt von kultureller Bedeutung zu verzeichnen ist.
Die israelitische Gemeinde füllte den schönen Tempelbau, dessen weite Emporen
die Frauen einnahmen. Von außen wehten Flaggen in den bayerischen und Münchener
Farben, an den drei Portalen und an der Balustrade vor der heiligen Lade grünten
Zierpflanzengruppen. Auf den prächtigen ehernen Armleuchtern brannten Kerzen.
Im Mittelgang bildeten Knaben und Mädchen mit blau-weißen Schärpen Spalier.
Allmählich fanden sich die Ehrengäste ein, von welchen wir nennen: die königlichen
Staatsminister Dr. Freiherr von Lutz und Freiherr von Feilitzsch, Regierungspräsident
Freiherr von Pfeufer, Hofmarschall Freiherr von Hutten, General von Sprunner,
mehrere Landtags-Abgeordnete, darunter Maison und Frankenburger,
Hofkapellmeister Levi, der Polizei- und Regierungsdirektor Dr. von Müller und
Rat Meixner, die Bürgermeister Dr. von Erhardt und Dr. von Widenmayer mit den Räten
Sickenberger, Schrott, Hergl, Hemmeter, Schreibmayer, Oberbaurat Zenetti, die
Gemeindebevollmächtigten Ritter von Schultes, Neuner, Böhm, Buchner und
Heldenberg, Stadtarchivar Ernst von Destouches, der Baumeister der Synagoge
Albert Schmidt, Landgerichtsrat Epstein, mehrere Vertreter der Presse, welchen
der vierte Stuhl reserviert war.
|
Ein solenner Marsch mit Posaunen und Pauken
leitete die Festlichkeit ein, worauf der Einzug der zwölf in prachtvollen Geräten
aus Gold und Silber aufbewahrten Torarollen erfolgte. Kantor Kirchner, Rabbiner
Dr. Perles und zehn Angehörige der israelitischen Kultusverwaltung trugen im
linken Arm diese oben mit Klingeln versehenen Geräte um die Synagoge herum,
deren Portale hierbei geöffnet wurden, während vom Chore der 26. Vers des
Psalmes 118: ‚Gesegnet sei, der da kommt im Namen des Herrn’ erklang. Beim
Anzünden der ewigen Lampe, welche bedeutet den göttlichen Funken in der
Menschenbrust, sprach Dr. Perles den Weihetext hebräisch. Herrlicher Gesang
begleitete die Eröffnung der heiligen Lade, welche sich vorne im Mittelpunkt
unter romanischen Rundbogenverzierungen befindet. Abermals erfolgte ein Umzug
mit den Torarollen unter erhebenden Gesängen, wobei namentlich Kantor Kirchners
Soloweisen allgemein bewundert wurden. Als die Torarollen in der heiligen Lade
verschlossen und deren Türe mit einer reich in Gold gestickten Samtverkleidung
verhüllt wurde, ertönte der Psalm: ‚Wie lieblich sind deine Wohnungen,
ewiger Zebaoth!’ Anknüpfend an diesen Psalmvers hielt Rabbiner Dr. Perles
seine gehaltvolle Festpredigt; die Schönheit des Tempels und die feierliche
Gestaltung des Gottesdienstes sei in Israelit uralt und schon im grauen
Altertum, in den Zeiten des ersten und zweiten Tempels baute Israel seine
Gottesdiensträume im Bunde mit der Kunst. Es kam eine Zeit, dass Israel seinen
Gottesdienst dem Tageslichte entziehen musste, aber jetzt danke er Gott, dass in
geordneten gesicherten Zuständen die gottesdienstlichen Räume wieder mit
Pracht und Kunst ausgestattet werden können. Die Geschichte der Münchener
Synagoge ist alt und reicht bis 1285 zurück, allwo das erste israelitische
Bethaus entstand, um den finsteren Anschauungen einer nun Gottlob überwundenen
Zeit samt der gesamten Gemeinde zum Opfer zu fallen. Mit besseren Zeiten kamen
bessere Elemente und unter Bayerns Königen ward die alte Synagoge erbaut, aber
schon nach etlichen Jahrzehnten drängte das immerwährende Wachsen der Gemeinde
zu einem Neubau, zu welchem vor 4 ½ Jahren der Grundstein gelegt wurde. Sie ist
das Werk eines hochbegabten Meisters und alles kündet in diesem Haus die Ehre
des Herrn. Die Synagoge reiht sich Münchens Kunststätten würdigst an. Jede
Parteiung, jeder Fanatismus möge weichen und beim Umzug von der alten Synagoge
in die neue möge ein Jeder als die schönste Weihe des Hauses den Frieden mit
hinübernehmen!
|
An die Predigt reihte sich das Weihegebet mit Segen, wobei der Rabbiner in
erhebenden Worten für Bayerns König, für das teure Haupt des Prinz-Regenten,
für die Minister, für die Verhandlungen der Kammern, für das gesamte
Bayernland und besonders für die Stadt München, für seine Behörden und Bürger,
für die israelitische Gemeinde und deren Verwaltung um den Schutz und Segen des
Himmels bat. – Nun erklang mit Orgel, Posaunen und Pauken der Psalm 150
‚Halleluja! Lobet Gott in seinem Heiligtum’ und diese großartige
Komposition war der Schluss der für alle Teilnehmer denkwürdigen Feier der
Einweihung der neuen Synagoge in München." |
|
Die in den folgenden Jahrzehnten
‚Hauptsynagoge’ genannte Synagoge in der Herzog-Max-Straße war das religiöse
Zentrum der "Israelitischen Kultusgemeinde München" bis zu ihrer Zerstörung in
der NS-Zeit. Für die gewöhnlichen Gottesdienste der Gemeinde reichte sie aus,
allerdings musste an den hohen Feiertagen im Herbst Filialgottesdienste
eingerichtet werden. In den 1920er-Jahren fanden diese im großen Saal der Tonhalle
(Türkenstraße 5) statt (siehe links: Bekanntmachung in der ‚Bayerischen
Israelitischen Gemeindezeitung vom 1. Oktober 1929) |
|
Fotos / Abbildungen der
Synagoge von 1887
Das
50-jährige Jubiläum der Hauptsynagoge 1937
1937 konnte die jüdische Gemeinde das
50-jährige
Jubiläum der Synagoge feiern. Im "Jüdischen Gemeindeblatt für den Verband der
Kultusgemeinden in Bayern" erschien am 15. September 1937 folgender Bericht: "Die
Feier zum 50jährigen Bestehen der Münchner Hauptsynagoge. Als Rabbinat und
Vorstand der Gemeinde beschlossen, den 50jährigen Einweihungsgedenktag nicht
ohne jedes Erinnern vorübergehen zu lassen, waren sie von dem Gedanken
geleitet, dass diese 50 Jahre nicht nur zu zählen, sondern auch zu wägen
seien. Dass der verflossene Halbjahrhundert seit der Einweihung des Gotteshauses
in der Herzog-Max-Straße eine Epoche besonderer Art und ungewöhnlicher
geschichtlicher Wandlungen war, daran sollte die Weihestunde vor Beginn des
Rosch-haschono-Festes erinnern.
Gedanken dieser Art gaben den Grundton der Rückschau, die Herr Rabbiner Dr. Leo
Baerwald in seiner Festpredigt anstellte. Er gedachte eingangs der selbstlosen Männer,
deren Hingabe das Werden des eindrucksvollen Baues ermöglichten und neigte sich
besonders vor der verehrungswürdigen Gestalt Emanuel Kirschners, der schon 1887
als Schliach-zibbur die Wünsche der Gemeinde emporgetragen hat. Eine
50-Jahr-Feier habe in der Denkwelt des Juden ihre Berichtigung. Der Redner
erinnerte an das biblische Gebot des Jobel-Jahres, das auch nach 50 Jahren zum
frommen Innehalten und Gedenken mahnte. Eine Rückschau auf die letzten 50
Jahre, die nicht selten allzu hart abgelehnt werden, müsse uns zur
Gerechtigkeit führen: wäre der heilige Funken nicht in Zeiten der Ruhe gehegt
worden, er hätte in unseren Tagen nicht wieder zur starken Flamme entfacht
werden können. Die Beziehung der jüdischen Familie zum Gotteshaus sei von
Ursprung an ungewöhnlich innig: alle festlichen Augenblicke des Lebens finden
hier Weihe und Erhöhung. So werden in dieser Jubiläumsstunde Ungezählte in
aller Welt, die von diesem Bau stärkste Eindrücke mit auf ihren Lebensweg
empfingen, sich uns verbunden fühlen, wie wir uns mit ihnen eins wissen. Eine
Gemeinde, die weit über diese Stadt hinauswuchs und in aller Herren Länder
ihre Glieder hat, wird zusammengeschweißt, durch das, was in diesem Tempel
gegeben wurde. Wenn Rabbiner Perles im Jahre 5648 in seiner Weihe-Predigt dem
Herrn danken durfte für den Aufstieg der Gemeinde in den jüngsten Jahren und für
die Gnade, mit der er uns bis zu diesem Tag erhielt, dann werden wir heute in Gläubigkeit
und Demut dieses Dankesgebet wieder aufnehmen, auch wenn in unserer Zeit der
Kreis der Gemeinde kleiner und bedrückter geworden ist als vor einem
Halbjahrhundert. |
Nach dem Vortrag von Lewandowskys ‚Heil dem Menschen’... ergriff der
Vorsitzende der Gemeinde zu folgender Ansprache das Wort:
Liebe Mitglieder der Gemeinde! An diesem Tage der Erinnerung sei es gestattet,
auch einem menschlichen Erinnern Raum zu geben. 50 Jahre steht dieses
Gotteshaus. Eine kurze Zeit für einen monumentalen Bau und doch eine lange Zeit
nach dem, was sich zugetragen.
Als dieses Haus errichtet wurde, war ich Zeuge der Begeisterung und Liebe, mit
der die Gemeinde das Werk begleitete. Ansehnliche Spenden förderten die innere
Ausstattung. Ich lerne den Architekten kennen, Professor Albert Schmidt, einen
der führenden Künstler seiner Zeit, der mit unendlicher Liebe sich der ihm
gestellten Aufgabe unterzog. Motive vom Dom in Trient sollen für den Oron
Kodesch maßgebend gewesen sein. Der Vorstand der Gemeinde, Hermann Müller
stand mir persönlich sehr nahe. Der Mann aber, dessen Geist hier waltete,
Rabbiner Dr. Joseph Perles, mein hochverehrter und geliebter Lehrer, erfüllte
diesen Raum mit seiner vornehmen, menschenfreundlichen, schlichten, gütigen
Art, mit seinem umfassenden Wissen, mit seiner in die Tiefe dringenden und die
Zeiten beherrschenden Persönlichkeit. Vorbeter war unser allverehrter Meister
Kirschner und den Chor leitete Heinrich Frei, dessen Andenken lieb und vertraut
heute noch durch die Zeiten zu uns klingt.
Der Übergang von der alten in die neue Synagoge war ein Weg der ‚Kraft in die
Kraft’, wie Dr. Perles in seiner Festpredigt ihn bezeichnete. Der Weg führte
in ruhiger Entwicklung aufwärts in einer blühenden, mit den bürgerlichen
Gemeinwesen und dem Staate eng verbunden, allen edlen kulturellen Bestrebungen
zugewendeten Gemeinde.
Es war kaum mehr als die Hälfte der Zeit seit Errichtung des Gotteshauses
vergangen, als die Schrecken des Krieges die Völker erfassten und die
dramatischen Geschehen einander ablösten bis zum heutigen Tage. Unsere jungen Männer
zogen ins Feld und taten ihre Pflicht bis zum äußersten. Es war aber kein
Krieg wie frühere Kriege, die das Wesen des Volkes unberührt ließen. Er
leitete einen Umbruch der Zeiten ein und schwer lastet diese Wandlung auf
unserer Gemeinschaft. Gegenüber solchen elementaren Ereignissen, die in der
Geschichte des jüdischen Volkes nicht selten gewesen sind, ziemt es sich die
Dinge klar und ohne Erbitterung zu sehen und das Schicksal zu tragen, sich in
die Wege der Vorsehung zu fügen und sich nicht mit unserer schwachen Kraft
dagegenzustemmen. Große Lücken sind gerissen in unsere Familien, in unsere
Wirtschaft. Die Jugend verlässt das Land und es besteht die Gefahr, dass unsere
Gemeinschaft im alten Lande erlahmt und verfällt. Hier müssen wir einsetzen
und alles tun, uns wechselseitig zu stützen und unsere Einrichtungen soweit
irgend möglich zu erhalten. Das höchste aber, was wir leisten müssen, ist,
dass wir geistig und seelisch nicht verkümmern. Wenn wir dies erreichen werden
wir auch durch die Stürme der Zeit gehen. Gotteshaus, Schule und Lehrhaus
sollen viel mehr, als es in diesen 50 Jahren geschehen, die vornehmlichsten Stätten
sein, in denen unsere geistige und seelische Kraft immer wieder erneuert wird. Tätige
Hilfe wollen wir leisten zum Aufbau des Landes der Väter. Wir bitten Sie, meine
Verehrten, und die, welche hier nicht weilen, dass Sie sich der Gemeinde aufs
engste verbunden fühlen. Ihre Sorge, Ihre Freude und Ihr Leid sollen die
unseren sein. Es gilt für uns nicht eine bloße Verwaltung zu führen, wie sie
in ruhigen Zeiten geführt werden kann, es tut Not, den innigsten Zusammenhang
zu wahren. Die Gemeinde kann nur bestehen, wenn sie von dem Interesse und dem
Einsatz aller Kräfte, der geistigen und der wirtschaftlichen, ihrer Mitglieder
getragen wird. Alles was mit ihr zusammenhängt wird zu Ihrer unmittelbarsten
und nächsten Angelegenheit. Wir wollen den Zusammenhang pflegen mit denen, die
uns verlassen mussten, und mit denen, die den Bestand der Gemeinde hier weiter
verbürgen.
Sie fragen mich, wie sollen wir uns denn verhalten, dass wir seelisch bestehen können
in dieser Zeit. Es ist nicht eben leicht darauf zu antworten und doch darf ich
sagen: Versuchen Sie, unter Zurückdrängung alles persönlichen Leids, etwas
Entfernung von den äußeren Geschehnissen zu erlangen. Sie werden die Dinge
dann mehr übersehen und besser ordnen können. Sie werden aber auch die
geistige Einstellung gewinnen, die uns allein befähigt. gegenüber dem
elementaren Ablauf der Zeit standzuhalten. Sie gewinnen die Ehrfurcht vor dem
Geschehen der Welt und die Einordnung in dieses Geschehen.
Wir erfahren morgen im Mussafgebet die gewaltige Schau des göttlichen Gerichts:
Uveschoior godol jitokah, die Weltposaune ertönt,
Vesiftach es sefer hasichronos, Du schlägst das Buch der Erinnerung auf.
Umeeloi jikore, von selber liest es sich.
Vechosom jad kol odom ho, und die Handschrift eines jeden Menschen steht darin.
Möge auch die Handschrift unserer Gemeinde in dem Buche der Geschichte ihren
Bestand haben und möge dieses Gotteshaus eine Gemeinde in sich vereinigen, die
aufrecht durch die Zeiten schreitet. In höchster Erfüllung ihrer Pflicht und
getragen von der Gnade des Ewigen!
Die musikalische Umrahmung (Einleitung:
Lewandowskys ‚Wie lieblich sind...’ und Abschluss: Kirschners Vertonung des
150. Psalms) entsprach der, die vor 50 Jahren erklang. In ihrer einfachsten und
festlichen Wiedergabe, bei der Chor und Kantor ihr Bestes gaben, entsprach sie
der Würde, die der gesamten Erinnerungsstunde ihr Gepräge gab."
|
|
Anmerkung:
In obigem Artikel und an anderer Stelle dieser Seite wird mehrfach der Name des
Kantors Emmanuel Kirscher genannt. Er war der bedeutendste Kantor
Münchens und hat sowohl bei der Einweihung der Synagoge 1887 wie beim
50jährigen Jubiläum vorgesungen. Schließlich hat er am Vorabend der Zerstörung
1938 beim Abschiedsgottesdienst noch als Kantor mitgewirkt. |
Die
1892 eingeweihte orthodoxe Synagoge des Vereins "Ohel Jakob"
Auch in München gab es im Zusammenhang mit den Neuerungen im Bereich des
Gottesdienstes in der Hauptsynagoge (Orgel, gemischter Chor, neues Gebetbuch
1876 usw.) Spannungen zwischen den liberalen Reformern und der orthodox
geprägten, toratreuen Mitgliedern der Gemeinde. Letztere gründeten 1873
den Verein "Ohel Jakob" und trafen sich fortan in einem eigenen Betsaal
in der Kanalstraße 29 (der späteren Herzog-Rudolf-Straße). Es kam trotz
dieses separaten Gottesdienstes nicht zu einer Spaltung der Gemeinde. Die
Kultusgemeinde erhob keinen Einspruch bei den Behörden gegen die Aktivitäten
des Vereines. wenngleich sie den orthodoxen Separatgottesdienst im Grunde
missbilligte. 1887 bemühte sich der Verein Ohel Jakob nach Einweihung
der neuen Hauptsynagoge darum, die alte Synagoge an der Westenrieder Straße von
der Kultusgemeinde mieten zu können. Die Kultusgemeinde wollte freilich das
Synagogengrundstück an der Westenrieder Straße aus finanziellen Gründen
verkaufen. Die Übernahme der alten Synagoge durch den Verein "Okel
Jakob" kam nicht zustande, 1889 wurde das Gebäude abgebrochen.
Artikel in der Zeitschrift "Der
Israelit" vom 28. März 1892: "München, 16. März. Die religiösen
Gegensätze, welche im Laufe der letzten dreißig Jahre fast in allen jüdischen
Gemeinden Deutschlands bald in schärferer, bald in milderer Form zum Durchbruch
gelangten, haben auch in der hiesigen Kultusgemeinde schließlich dazu geführt,
dass sich neben der allmählich immer mehr einer reformistischen Richtung
zugewandten Haupt-Synagoge kleine Nebensynagogen bildeten, die den Bedürfnissen
einer der gesetzestreuen Richtung treu bleibenden Minorität Rechnung zu tragen
suchten. Schon im Jahre 1873 war unter dem Namen Ohel Jacob in der
Kanalstraße ein den damaligen Verhältnissen entsprechender Betsaal errichtet
worden. In Folge des natürlichen Zuwachses der Gemeinde war derselbe in den
letzten Jahren zu klein geworden. Nach langen Mühen und unter großen, nur von
Wenigen getragenen Opfern ist es endlich gelungen, ein neues, den Forderungen
der Neuzeit entsprechendes Bethaus zu erbauen, das am 25. dieses Monats
eingeweiht werden soll. Nach den einschlägigen bayerischen Gesetzen ist
bekanntlich die Bildung von Sondergemeinden unzulässig. Es war daher eine
außerordentlich schwierige Auggabe, ohne Verletzung dieser Gesetze und Störung
des heutzutage angesichts der leider auch bei uns nicht spurlos verlaufenden
antisemitischen Bewegung besonders wünschenswerten Friedens unter unseren
Glaubensgenossen innerhalb der Gemeinde das nunmehr glücklich erreichte Ziel zu
erstreben. Schon vor drei Jahren wurde im Einklang mit der vorgesetzten Behörde
ein Reglement für die Abhaltung privater Gottesdienste am hiesigen Platze
vereinbart. Dieses Reglement wurde von den Vorständen der beiden hier
bestehenden Privatsynagogen getreu befolgt. Erst mit dem Neubau in der
Kanalstraße tauchten neue Schwierigkeiten auf. Die loyale Behandlung der
Angelegenheit seitens aller Beteiligten hat aber auch diese glücklich
überwunden und so können die bisherigen Besucher des Betsaales Ohel Jakob in
froher Stimmung und Zuversicht den Einzug in ihr neues Haus halten. Dasselbe
wurde in geringer Entfernung von dem alten Betsaale, der nur gemietet war, auf
dem Grund und Boden des zur Förderung jüdischer Wissenschaft gegründeten,
gerichtlich anerkannten Vereines, der gleichzeitig die Leitung des Bethauses
übernahm, nach den Plänen des hier besonders beliebten, talentvollen
Architekten Herrn August Exter im romanischen Stil erbaut. Die einfache, nach
Osten gelegene Front ist durch eine über dem Chor angebrachte große, mit
farbigen Gläsern geschlossene Rosette und kleine, geschmackvolle Säulen
geziert. Die beiden Haupteingänge liegen an der Südseite des nach Westen hin
sich lang erstreckenden Gebäudes. In den unteren Männerraum gelangt man durch
eine Vorhalle, von welcher zwei Türen in die durch Steinsäulen gebildeten
Seitenschiffe führen, über welchen die geräumige Frauengalerie liegt. Der
alten Sitte entsprechend ist der Almemor in der Mitte des Gebäudes gerade unter
der reichlich Licht spendenden Kuppel angebracht; das Innere macht im Ganzen
einen freundlichen, wohltuenden Eindruck und wird trotz der bescheidenen
Dimensionen wenigstens für eine Generation ausreichen. Mögen die
Gesetzestreuen unserer Stadt in ihrem neuen Gotteshause stets eine Et Razon
(Zeit des Wohlgefallens) finden." . |
|
Aus
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 31. März 1892: "München, 27.
März (1892). Ein Ereignis, das eine neue Ära in der Geschichte der hiesigen
Kultusgemeinde inauguriert, hat letzten Freitagabend, 25. dieses Monats hier
stattgefunden. Seit fast 20 Jahren hatten die Anhänger des gesetzestreuen
Judentums dahier einen Separatgottesdienst unterhalten, nachdem sie sich mit
den, Anfangs der 1870er-Jahre in der Hauptsynagoge eingeführten Reformen nicht
befreunden konnten, zwar in einem Betsaal, der längst nicht mehr der immer
wachsenden Anzahl der Besucher genügen konnte. Die geradezu beispiellose
Opferfreudigkeit weniger Familien hat nun in nächster Nähe des alten ein
herrliches neues Gotteshaus, würdig der Kunstmetropole München, entstehen
lassen, das letzten Freitag seiner Bestimmung übergeben wurde. Die Feier begann
mit einem Abschiedsgottesdienste im alten Betsaale, woselbst nach Verrichtung
des Mincha-Gebetes der Lehrer des Vereins zur Förderung jüdischer
Wissenschaft, (welch Letzterer die Leitung der neuen Synagoge übernommen), der
als jüdischer Gelehrter rühmlichst bekannte Herr Dr. H. Ehrentreu eine die
Anwesenden aufs Tiefste ergreifende Ansprache hielt. Ausgehend von dem
Bibelverse (Psalm 118, 5): 'Aus der Enge rief ich G"tt, mich erhörte im
Geräumigen G"tt' entwickelte Redner die Gedanken, die uns beim Verlassen
des alten Gebäudes bewegten und die Vorsätze, die uns beim Betreten des neuen
leiten sollten. Tiefe Rührung ging durch den Saal, als Redner der großen Toten
gedachte, welche in diesen Räumen einstens betend waren in der Gemeinde
und es bedurfte nicht der Erwähnung der Namen eines Josef Wolfsheimer, Abraham
Merzbacher, Raphael Rabbinowitz, J.L. Feuchtwanger seligen Angedenkens,
um in den andächtig Lauschenden das Gefühl zu erwecken, dass die Schüler
respektive Söhne solcher Männer eine besondere Verpflichtung tragen, weiter in
deren Sinn zu leben, zu arbeiten und zu wirken. Nach Schluss des Abschiedsgottesdienstes
begaben sich die Mitglieder in die im hellsten Lichterstrahl ergänzende neue
Vereinssynagoge, woselbst sich inzwischen auch der Herr Rabbiner und der gesamte
Ausschuss unserer Kultusgemeinde mit zahlreich Geladenen eingefunden hatte. Als
die letzten drei Torarollen in die heilige Lade verbracht wurden,
durchbrauste das Ma Towu Eloheicha Jaakow des Chores die herrlichen
Räume, ein Moment von wunderbar weihevoller Stimmung! Hierauf nahm Herr
Rabbiner Dr. Perles den Weiheakt durch Anzünden des Ner Tamid (ewiges
Licht) vor und hielt daran anschließend eine formvollendete Ansprache. Auf den
Inhalt der verschiedenen Reden kann erst eingegangen werden, wenn dieselben im
Drucke vorliegen. Hier sei nur hervorgehoben, dass Redner besonders die Angehörigkeit
der Vereinsmitglieder zur Gesamtgemeinde betonte, ihren Bestrebungen und ihrer
Opferwilligkeit innerhalb des Vereins wie der Gesamtgemeinde rückhaltslose
Anerkennung zollte und mit dem Wunsche schloss, dass die heutige Feier zur
weiteren Festigung des Friedens innerhalb der Gemeinde beitragen möge. Sodann
bestieg Herr Dr. Ehrentreu, der mit Genehmigung des Herrn Rabbiners die
eigentliche Festrede hielt, die Kanzel. Aus seinen Worten, die begeistern wirkten |
und
auf jeden der Zuhörer ohne Unterschied der Parteistellung den
ergreifendsten nachhaltigsten Eindruck hervorbrachten - verrieten sie doch
in gleicher Weise das immense jüdische Wissen, den Reichtum der Gedanken,
die Innigkeit des Empfindens - sei vorläufig nur hervorgehoben, dass
Redner die Inschrift, welche unser Beit Hakenesset (Synagoge)
schmückt: Hier ist nichts anderes als Gottes Haus in
geistvollster Weise dahin deutete, dass dieses Haus nichts anderes als ein
Gotteshaus sei, nicht zum Menschentrutz, nicht zum Kampf und Parteihader,
sondern lediglich zur Ehre Gottes errichtet sei. Daran anknüpfend
gab Redner der Dankbarkeit des Vereins gegen den Herrn Rabbiner und die
Kultusgemeinde für ihre Teilnahme am Festakte wärmsten Ausdruck und
schloss mit dem Gebete auf König, Staat und Gemeinde.
Die glanzvolle Einweihung der neuen Synagoge und der weihevolle
Gottesdienst, der in der würdigen Umrahmung solch schöner Räume
abgehalten werden kann, ist wohl der schönste Lohn für die
IOpferfreudigkeit und das unermüdliche Streben, Kämpfen und Ringen der
Wenigen, die heute mit berechtigtem Stolz auf ihr herrlich gelungenes WErk
sehen können." |
Fotos
der orthodoxen Synagoge
|
|
|
Außen- und
Innenansicht der Synagoge "Ohel Jacob" |
|
|
|
Der
1901 eingeweihte Betsaal an der Herzog-Max-Straße
Über die Einweihung dieses Betsaales liegt ein Bericht vor:
Einweihung des neuen Betsaales an der
Herzog-Max-Straße (1901)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
5. Dezember 1901: "München, 1. Dezember (1901). Unter großer
Beteiligung von Mitgliedern der hiesigen Synagogengemeinde fand am 24.
November, nachmittags, die Einweihung des neuen Betsaales an der
Herzig-Max-Straße statt; die Mitglieder der Kultusverwaltung hatten sich
fast vollzählig eingefunden. Der neue Betsaal dient während des Winters
für die Morgen- und Abendgottesdienste, sowie für die hohen Festtage, an
denen die Synagoge sich als räumlich ungenügend erwies, weshalb schon in
diesem Jahre in einem gemieteten Saale ein Filialgottesdienst während der
hohen Festtage abgehalten werden musste. Herr Dr. Werner vollzog
der feierlichen Akt mit einer gedankenreichen, eindrucksvollen Ansprache.
Das von Herrn Oberkantor Kirschner vorgetragene Maariw-Gebet
beschloss die Feier." |
Die
ostjüdischen Bethäuser und die Planung einer neuen ostjüdischen Synagoge um
1930
Seit der Zuwanderung von ostjüdischen
Familien Ende des 19. Jahrhunderts gab es in München auch Betstuben der
insbesondere auf Grund dortiger Pogrome aus Polen, Russland usw. zugewanderten
Juden. Die Zahl dieser Ostjuden stieg bis Ende der 1920er-Jahre auf etwa 2.000
Personen in der Stadt. Sie trafen sich zu Gottesdiensten in mehreren über die
Stadt verstreuten Betstuben und kleineren Synagogen.
Ende der 1920er-Jahre beschäftigten sich
Vorstand und Gemeindevertretung der Israelitischen Kultusgemeinde mit der Frage
des Baus einer ostjüdischen Synagoge. Die wirtschaftliche sehr schwierige
Situation dieser Zeit war für ein solches Projekt freilich wenig günstig. In
der Sitzung des Vorstandes und der Gemeindevertretung am 19. September 1929 fand
der Antrag auf weitgehende Finanzierung einer neuen ostjüdischen
Synagoge
durch die Israelitische Kultusgemeinde noch keine Zustimmung. Im Protokoll der
damaligen Sitzung wurde festgehalten (Artikel in der Bayerischen Israelitischen
Gemeindezeitung vom 1. Oktober 1929): ‚Errichtung
einer ostjüdischen Synagoge. Herr Horn vertrat das Verlangen der ostjüdischen
Kreise mit großer Wärme. Eine Kegelbahn bilde seit Jahren das größte
Gotteshaus der Ostjuden in München. Kaum 300 Leute würde diese fassen. Es gäbe
aber 2.000 Ostjuden in München. Die Ostjuden hätten ein Haus im Werte von RM
150.000.- im Besitz, das mit RM 100.000.- verkauft werden könne. RM 50.000.- würden
die Ostjuden selbst aufbringen, damit habe man einen großen Teil der für den
Bau einer Synagoge erforderlichen Mittel in der Hand. Rechtsanwalt Dr. Werner
erklärte das allgemeine Einverständnis der liberalen Fraktion. Eine Synagoge
sei nötig. Aber der Vorschlag sei nicht annehmbar. Die Rechnung, die Herr Horn
aufgestellt habe, sei nicht richtig. Der Hausverkauf würde höchstens einen
Barerlös von RM 60.000.- bringen und die Gemeinde müsste RM 300.000.- zum Bau
der Synagoge zusteuern. Das sei aber unmöglich.
Herr Grünbaum schilderte die unwürdigen Zustände in den Bethäusern und hob
die Notwendigkeit der Schaffung einer ostjüdischen Synagoge hervor. Justizrat
Dr. Feuchtwanger würdigte das Vorbringen der Ostjuden im Namen seiner Fraktion.
Die Notwendigkeit Abhilfe zu schaffen, sei unbedingt anzuerkennen. Aber nach den
Vorschlägen der Ostjuden sei nicht abzuhelfen. Mann könne aber auf diesen
Vorschlägen aufbauen. Er beantragte die Sache dem Bauausschuss zur weiteren
Vorbereitung zu übergeben.
Dr. Wilmersdörfer erklärt, der erste Wille sämtlicher Gemeindemitglieder zu
helfen, sei sicher, aber ebenso sicher sei, dass der Antrag zur Zeit nicht
durchführbar sei. Herr Lichtenauer stellte dann folgende Anträge:
1. Die Kultusgemeinde erkennt die Verpflichtung an für die Errichtung einer
ostjüdischen Synagoge Sorge zu tragen.
2. Es wird zu diesem Zwecke ein Betrag von vorerst RM 50.000.- bewilligt.
Herr Rechtsanwalt Dr. Werner erklärte, dass gegen Antrag 1 des Herrn
Lichtenauer geschäftsordnungsmäßige Bedenken bestünden. Hieran schloss sich
eine längere Geschäftsordnungsdebatte, bei der Rechtsanwalt Dr. Siegel erklärte,
man dürfe nicht einer Entscheidung aus dem Wege gehen. Wenn man auch die
verlangten 300.000.- nicht bewilligen könne, so könne man doch zu Antrag 1
Stellung nehmen.
Rechtsanwalt Dr. Werner ersuchte dann nochmals Antrag 1 geschäftsordnungsmäßig
nicht zuzulassen. Infolge nicht genügender Information sei er und seiner
Freunde nicht in der Lage, die Notwendigkeit eines besonderen ostjüdischen
Ritus anzuerkennen.
Die Weiterbehandlung des Antrags 1 wurde dann geschäftsordnungsmäßig mit 11:8
Stimmen abgelehnt. Nach einer weiteren Debatte wurde dann über die übrigen
Anträge abgestimmt mit dem Ergebnis, dass der Antrag des Herrn Horn, RM
300.000.- für den Bau einer Synagoge zu bewilligen, abgelehnt wurde. Ebenso
erging es dem Antrag des Herrn Lichtenauer RM 50.000.- für einen
Synagogenbaufonds zur Verfügung zu stellen. Angenommen wurde ein Antrag der
liberalen Fraktion, der den ostjüdischen Vereinen nahe legt, zu versuchen, ein
Projekt auszuarbeiten, dass durch Mietung von Räumen vorerst ihre Raumnot
behoben werde. Die Gemeinde werde dabei mit den nötigen Mitteln helfend
eingreifen. Nach kurzer Debatte nahm der Vorstand einen Antrag des Herrn
Oberstlandesgerichtsrat Dr. Neumeyer an, der dahin geht, dass sich die
Mitglieder des Vorstandes persönlich von den Verhältnissen in den ostjüdischen
Bethäusern überzeugen sollten und Vorschläge zur Abhilfe machen möchten.
" |
|
Trotz dieser zunächst ungünstigen Beschlüsse kam
es 1930/31 zum Bau einer ostjüdischen Synagoge:
|
Die
Einweihung der neuen ostjüdischen Synagoge am 5. September 1931
Über ihren Bau und ihre Einweihung am
5. September 1931 war in der Bayerischen Israelitischen Gemeindezeit am 15.
September 1931 zu lesen: "Einweihungsfeier der neuen Synagoge in München. Am
Samstag, den 5. September wurde die neue Synagoge der ostjüdischen
Betsaalvereine Linath-Hazedek und Agudath-Achim in München an der
Reichenbachstraße in einem feierlichen Akt, an dem die gesamte jüdische
Gemeinde München ohne Unterschiede der Richtungen teilnahm, ihrer Bestimmung übergeben.
Über das Wesen und Werden der ostjüdischen Gemeinschaft in München,
namentlich über die verschiede neu religiösen kulturellen und karitativen
Vereine der Münchener Ostjuden gibt in der letzten Nummer des ‚Jüdischen
Echo’ Dr. Emanuel Horn einen Überblick. Hier werden auch die Gründe erörtert,
die zur Erhaltung der Münchener Ostjuden als einer besonderen, für das
Judentum wertvollen, kulturell eindeutig bestimmten Gesellschaftsschicht führten.
Eine echte Soziologie der Münchener Ostjuden wäre noch zu schreiben.
Die Einweihungsfeier erhielt ihr denkwürdiges Gepräge durch die einmütige
Teilnahme aus allen Kreisen der Münchener Juden und nahm in allen Teilen einen
würdigen, wohlgelungenen Berlauf. Nach der Übergabe der Synagoge durch den
Vorsitzenden des Bauausschusses, Herrn Samuel Knoblauch, nahm Herr Kornhauser
als Vorsitzender der vereinigten Betvereine das Wort und dankte der Münchener
Kultusgemeinde, den Stiftern und dem Künstler, die zum Gelingen des Werkes
beigetragen haben, in bewegten Worten. Unter dem Chor-Gesang ma-towu und waj’hi
bin’soa wurden sodann in feierlichem Zug die Tora-Rollen hereingetragen.
Die folgenden Weihereden der Herren Rabbiner hinterließen bei der Versammlung
einen nachhaltigen und tiefen Eindruck. Zuerst bestieg Seiner Ehrwürden Herr
Rabbiner Dr. Ehrentreu die Kanzel und sprach den Segen über das gelungene Werk.
Den Mittelpunkt seiner Ansprache bildete die Deutung von drei Ereignissen aus
der biblischen Geschichte: Der Altarbau der zweieinhalb Stämme am Jordan, die
Entrüstung der westjordanischen Stämme über den vermeintlichen Frevel der
abgesonderten Kultstätte gegenüber Pinchas ben-Eleasar-hakohen (Josua
22,12ff), ferner das Wort des Königs David an den Propheten Nathan (2. Samuel
7,2): ‚Ich wohne in einem Zedernpalast und die Lade Gottes weilt hinter einem
Tuchzelt’, endlich der Wiederaufbau der Gotteshäuser in der Verbannung aus
der Asche und den Trümmern des zerstörten Tempels. – Herr Rabbiner Wiesner
knüpfte seine Glück- und Segenswünsche an eine Erklärung der verschiedenen
einander ergänzenden Auffassungen unserer Weisen über die Grundelemente der jüdischen
Lehre. Herr Rabbiner Dr. Baerwald sprach in andächtigen, die Zuhörer tief
ergreifenden Worten den Dank für das wohlgelungene Werk der Eintracht und erbat
vom Himmel den Segen für das neue Gotteshaus und seine Beter.
Nach den Ansprachen der Herren Rabbiner ergriff Herr Oberstlandesgerichtsrat Dr.
Neumeyer das Wort zu folgender Rede:
’Sehr verehrte Festversammlung! Ich bringe Ihnen die Glückwünsche der
Kultusgemeinde München und des Verbandes Bayerischer Israelitischer Gemeinden,
der öffentlich rechtlichen Vertretung des Landes. Es ist ein erhebendes
Schauspiel, das sich vor unseren Augen hier auftut. In einer Zeit, in der
wirtschaftliche Not die Aufgaben kultureller Art zurückdrängt, ersteht ein
Gotteshaus meisterlicher Art, geschaffen durch die Hingabe und die
Opferwilligkeit eines kleinen Kreises von Glaubensgenossen. Es gibt ein
eindrucksvolles Wort von Maimonides in ‚Mischne tora’, worin auf
Grund talmudischer Quellen die Pflicht für alle Inwohner einer Stadt
festgesetzt wird, eine Stadtmauer aufzurichten und eine Synagoge zu erbauen und
die nötigen Torarollen und anderen heiligen Schriften anzuschaffen, dass jeder,
der lesen will, sie auch lesen kann.
Hier wird für alle Inwohner einer Stadt diese Pflicht festgestellt als
Grundlage jüdischer Gemeinschaft. In unserem Falle aber hat ein kleiner
Ausschnitt aus einer großen Gemeinde dieses Werk vollbracht aus eigener Kraft.
Ein helles Licht wirft diese gemeinnützige Tat in unsere so materiell
veranlagte Zeit. Über den Rahmen unserer Gemeine und der Gemeinden des Landes
hinaus wohnt ihr eine große bildhafte Bedeutung bei. Denn diese Tat zeigt die
Lebenskraft unserer jüdischen Gemeinschaft, sie zeigt den siegreichen jüdischen
Gedanken, der über alle Hindernisse des Tages hinweg seine Verwirklichung
findet und fähig ist, seine weltgeschichtliche Bedeutung weiter zu erfüllen.
Darum danke ich im Namen der jüdischen Gemeinschaft für diese hochherzige Tat.
Das Werk lohnt den Meister. Unser Dank gebührt dem Architekten, der das Haus
geschaffen, dem als echten Künstler der Geist der Dinge Antwort gegeben, der
den religiösen Gedanken in so ergreifender und uns so tief berührender Weise
verwirklicht hat. Es ist uns der bürgerlichen Gemeinde München auch eine
Genugtuung, dass es in dieser schweren Zeit möglich geworden ist, einer großen
Reihe von gewerblichen Betrieben und Arbeitern lohnende Beschäftigung zu geben.
Zur besonderen Freude aber gereicht es mir als Vertreter der Kultusgemeinde
meine Glückwünsche auszusprechen. Denn das Gotteshaus ist eine Zierde unserer
Gemeinde und es ist das sichtbare Zeichen, dass der ostjüdische Bevölkerungsteil
sich wohl in unserer Gemeinde fühlt. Es ist das auf Jahre zurückreichende
Bestreben unserer Gemeindeverwaltung, dem Frieden nachzugehen, in Eintracht mit
allen Teilen der Gemeinde zu leben und dahin zu wirken, dass alle Richtungen und
Erscheinungsformen in der Gemeinde, unbeschadet ihrer selbständigen geistigen
und religiösen Einstellung, zum Wohle des Ganzen zusammenstehen und seine
Interessen fördern. Und dieses unser Bestreben hat das volle Verständnis der
hier beteiligten Kreise gefunden und so darf ich in dieser bedeutungsvollen
Stunde feststellen, dass die ostjüdischen Bevölkerungskreise in voller
Harmonie mit der Gemeinde leben und zu ihrem Teil die wertvollsten Dienste der
Gemeinde leisten.
So möchte ich denn unserer Feier die Worte zum Geleit geben: Möge dieses Haus
sein eine Stätte echter Andacht und wahrer Gottesfurcht. Möge das Haus
Beispiel geben als Denkmal gemeinnütziger Gesinnung und treuester
Opferbereitschaft, Möge der Frieden des Herzens und der Welt über diesem Hause
schweben für alle Zeit!
Herr Justizrat Dr. Elias Straus ging bei seiner darauffolgenden Ansprache von
dem Midrasch zu dem laufenden Tora-Abschnitt ‚atem nizowim’ (5. Buch
Moses 29,9) aus: ‚Ihr steht heute alle vor dem Angesicht Gottes, eure Stammhäupter,
eure Richter, eure Alten, eure Amtleute.’ Er gab eine Deutung des Begriffes
der Agudah echod, der einen Gemeinde, die sich sehr wohl mit den
einzelnen geschlossenen Gruppen innerhalb der Gemeinschaft vertrage. Justizrat
Straus erinnerte an den seit frühesten Zeiten zu beobachtenden
landsmannschaftlichen Zusammenschluss der einzelnen jüdischen Gruppen, z.B. in
Amsterdam, Hamburg, Saloniki usw. Diese Gruppierung habe sich von jeher erhalten
und spiegele das Golusschickicksal der Judenheit wieder, es widerstreite nicht
dem wohlverstandenen Einheitsgedanken. Mit dem Gedanken an die jüdische
Vergangenheit habe sich in jedem Augenblick des jüdischen Bewusstseins die große
Idee an die jüdische Zukunft verbunden.
Herr Wiesel, von der Vorstandschaft der Betvereine, dankte in herzlichen Worten
allen Redner.
Mit dem Chorvortrag von Psalm 30 ‚Schir-chanukkat-habait’ wurde die
eigentliche Festordnung beendigt, woran sich das Mussaph-Gebet anschloss.
Die Einweihungsfeier bezeugte in erhebender Weise den Geist, der die Münchener
jüdische Gemeinde in ihrer Gesamtheit beseelt – dank der überlegenen,
weitschauenden und von jedem Parteigeist fernen Leitung ihrer Führer. Von
dieser Feier nahm man die absolute Gewissheit mit, dass dieser Geist der Treue,
der einträchtigen und festen Sicherheit die Münchener jüdische Gemeinde über
die ausnehmend großen Schwierigkeiten der Gegenwart hinweghelfen wird.
Über die Einzelheiten des Baues entnehmen wir dem ‚Jüdischen Echo’ noch
folgende Angaben: Der große Betraum, zu dem man durch eine kleine Vorhalle
gelangt, wirkt schon beim Betreten durch die beherrschende Lichtführung. Dem
Betrachtet bietet sich sofort ein Überblick über die Männerabteilung, zu der
drei Stufen hinabführen, um dem Psalmworte Genüge zu tun: ‚Aus den Tiefen
ruf’ ich Dich!’ Der Blick wird gefesselt von der in sattem Gelb strahlenden
Marmorverkleidung (aus veronesischem Nembro giallo) der großen Nische, die den Aron-Ha-Kodesch
in sich birgt. Der türkisblaue Ton der Wände steht hierzu in einem angenehmen
Farbkontrast, der durch die cremefarbene Decke und die gleichgetönte weit
hereinragende Brüstung der Frauenempore überbrückt wird. Durch das
cremefarbene Opalessenzglas des mächtigen Oberlichts bringt tagsüber gleichmäßige
Helle ein, die besonders dem Mittelfeld des Männerraums mit dem Almemor, der
Ostnische und den Frauenemporen zugute kommt. An den Abenden sorgen Lichtquellen
in Mattglaskugeln und mächtige, auch dekorativ gut wirkende Lichtsäulen für
ausreichende Beleuchtung. So wird, unterstützt durch Messingverzierungen am Aron-ha-Kodesch
und Almemor, eine goldene Lichtfülle im Raume lagern, die von dem warmen
Braun des eigens für diesen Raum vom Architekten entworfenen Gestühls
aufgenommen wird.
Einen besonderen Schmuck erhält der Saal durch die in wirksamen zarten Farben
gehaltenen Glasfenster, die nach den Entwürfen des Herrn Meyerstein geschaffen
und von einigen Damen der Synagoge gestiftet worden sind. In einer geschickten,
durchaus unserem Kunstempfinden entsprechenden Art sind in diesen
Kunstverglasungen an den fünf Fenstern des Untergeschosses, an vier Durchbrüchen
der Westwand der Empore und im Rondo der Ostnische jüdische Symbole zur
Darstellung gelangt. So wird in einer unaufdringlichen Weise die Weihe des Orts
unterstrichen.
Durch die auf schwarzgrundigem Marmorsockel in pompejinischem Rot leuchtende
Vorhalle gelangt man auch in die Werktagssynagoge, die in ihrem hellen auf Gelb,
Rot und Grau getonten Farbklang sehr freundlich wirkt.
Die in den Durchgang zum Hof führende Fassade ist mit ihren Blenden, in denen
die Fenster sitzen, gut gegliedert und lässt durch ihre helle Tönung die
Farbmotive des Innern anklingen. Mit dieser künstlerisch wie technisch vollauf
gelungenen Leistung hat Gustav Meyerstein, München um eine beachtliche Synagoge
bereichert und seine Eignung gerade auf dem Gebiete des jüdischen Kultbaus
erwiesen.
Die dreischiffige Synagoge ist (mit der Nische des Aron-ha-kodesch) 27
Meter lang, 14 Meter breit, die Höhe beträgt 8 Meter. Sie enthält in drei
Bankreihen etwa 330 Herrenplätze, auf der Empore in drei Reihen an den Seiten
und in sechs Reihen an der Rückwand etwa 220 Frauenplätze. Die Empore ist in
einer freiaufliegenden, weitgespannten Eisenbetonrahmenkonstruktion ausgeführt;
ihre ganze Last ruht auf nur zwei Säulen.
Der kleine Betsaal enthält etwa 30 Plätze. Der 300 Quadratmeter große Hof
bietet für die Feiertage einen genügend großen, von der Straße und der
Einsicht abgeschlossenen Raum; in die Hofrückwand, an der der Kaiblmühlbach
vorbeifließt, wurde ein Fenster eingebrochen, damit man von dort aus Taschlich
machen kann.
Der neue Betsaal ist gemeinsames Werk einer Reihe von angesehenen Münchener
Firmen. Die Gesamtbauleitung hatte Architekt Diplomingenieur Gustav Meyerstein
inne, der ja auch die Pläne ausgearbeitet hat; die statischen Berechnungen
lieferte Diplomingenieur Dr. Leopold Berger; die Ausführung des Eisenbetonbaus
war der Firma Hochbau GmbH (Inhaber Regierungsbaumeister Josef Adler) übertragen.
Es wurden ferner geliefert: die Bauschreinerarbeiten von der Firma Michael
Nummer, die Bauschlosserarbeiten von der Firma Alois Birner, der Dachstuhl von
der Firma Leonhard Moll, die Bedachung von der Firma Münchener Bedachungs- und
Blechindustrie, die Glasdächer von der Firma Bayerischer Glasdachbau, Inhaber
Fritz Kuby, die Fenstereinfassungen von der Münchener Kunststeinfabrik, der
Marmor für die Nische mit dem Aron-ha-Kadesch vom Zwieseler Steingeschäft,
die Fliesenarbeiten von der Firma Julius Nassauer, die Asphaltierungen von der
Firma Aufschlägers Nachfolger, die Stuckarbeiten von der Firma Ludwig
Leichmann, die Glasarbeiten von den Firmen Gebr. Seligmann und Oskar Böhm, die
Malerarbeiten von der Firma M. Haller, das Parkett von der Firma E. Holzapfel,
die elektrischen Einrichtungen von der Firma Ing. Rosenberg GmbH, die
Beleuchtungskörper von der Firma T. Sufrin, Wasser von der Firma Kleofass und
Knapp (Geschäftsführer Leo Sänger), die Heizung von der Firma Johannes Hag
AG., die Kunstschlosserarbeiten von der Firma Josef Wolf, die Kunstverglasungen
von der Firma Hofglasmalerei van Treeck, die Gesamtmöblierung von der Firma M.
Ballin. Die Kosten blieben mit 160.000 RM knapp unter dem Voranschlag von
163.000 RM. |
Die Synagoge der Ostjuden nannte sich offiziell "Synagoge in der
Reichenbachstraße 27 des Vereins Linath Hazedek und Agudas Achim e.V."
Neben dieser "ostjüdischen Hauptsynagoge" gab es weitere Betsäle
der Ostjuden:
| Betsaal des Vereins 'Schomre Schabbos
e.V.' in der Klenzestraße 34 |
| Betsaal des Vereins 'Machsike Hadas' in
der Ickstattstraße 11 |
| Betsaal des Vereins 'Beis Jakob' in der
Hans-Sachs-Straße 8 |
Die
Zerstörung der Hauptsynagoge im Juni 1938 und die Ereignisse beim Novemberpogrom 1938
Die Hauptsynagoge wurde bereits
einige Monate vor dem Novemberpogrom 1938 zerstört. Anfang Juni 1938
fand Adolf Hitler es - nach einem Besuch von München - nicht mehr akzeptierbar, dass die Große Synagoge
unmittelbar neben dem Künstlerhaus lag. Er befahl, die Synagoge bis zum 8. Juni
1938, dem "Tag der deutschen Kunst", abreißen zu lassen. An diesem
Tag (8. Juni) wurden die Verantwortlichen der jüdischen Gemeinde davon informiert.
Bereits am 9. Juni 1938 wurde die Synagoge gesprengt. In der Nacht vom 8. auf
den 9. Juni gelang es den Mitgliedern der Gemeinde, Tora-Rollen und Ritualien
aus dem Gebäude zu retten.
Schon zuvor war die Orgel der Synagoge
herausgenommen und zur Kirche St. Korbinian verbracht worden Alfred Neumeyer (der damalige Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde München)
schrieb in seinen unveröffentlichten Memoiren im Juni 1938: "Die kostbare Orgel, die erst mehrere Jahre vorher beschafft wurde, übernahm das erzbischöfliche Ordinariat für eine neuerbaute Kirche zu dem von der Orgelbaufirma bezeichneten Preise. Die Herren waren dankbar für die Überlassung des Werkes, weil sie eine so vollendete Orgel bei dem Mangel an gutem Material nicht mehr hätten beschaffen können."
Bei einem Bombenangriff am 12. Juli 1944 wurde die Orgel mit der
gesamten Inneneinrichtung der Kirche zerstört.
Die Orgel der Synagoge kommt in die Kirche St.
Korbinian - die NS-Presse findet dies unerträglich (1938)
Aus der Zeitschrift "Der Stürmer" Nr. 42 / 1938: "Es
ist eine Schande! Die Judenorgel in der Sankt Korbinianskirche zu
München. Aus München wird uns von zuverlässiger Seite gemeldet,
dass die Orgel der ehemaligen Judensynagoge in München durch das
Bischöfliche Ordinariat von der israelitischen Kultusgemeinde käuflich
erworben worden ist. Kurz vor Abbruch der Synagoge wurde die Orgel durch
die Speditionsfirma A. Frank & Söhne in der Westendstraße 160 zu
München nach der Korbinanskirche am Gotzingerplatz befördert. Das
Gehäuse der Orgel soll durch die Firma Steinmayer in Oettingen in Bayern
käuflich erworben worden sein und von der gleichen Firma in der
Korbinanskirche aufgestellt werden. Die Gläubigen, die sich nunmehr in
der Korbinanskirche zur Andacht einfinden, werden also das sonderbare
Vergnügen haben, Musik von einer Orgel zu hören,. die bisher jahrelang
in einer Synagoge gestanden ist. Die gleiche Orgel, die bisher die Hassgesänge
der Juden gegen die Nichtjuden begleitete, ziert nun eine christliche
Kirche. Es ist eine Schande!" |
Der Abbruch der Synagoge (1938)
Artikel in "Jüdisches Gemeindeblatt für das Gebiet der
Rheinpfalz" vom 1. Juli 1938: "Abbruch der Synagoge in
München. Im Rahmen der baulichen Neugestaltung des Münchener
Künstlerhauses wurde mit dem Abbruch der großen Synagoge begonnen, die
in unmittelbarer Nähe des Künstlerhauses liegt. Die jüdische
Kultusgemeinde hatte schon am Montag mit dem Ausräumen der Synagoge
begonnen. Der freiwerdende Platz wird als Parkplatz Verwendung finden. Den
Münchener Juden stehen noch eine kleinere Synagoge und ein Betsaal zur
Verfügung." |
Über die Festschrift zum 50-jährigen Bestehen der
Synagoge - der Abbruch wird bereits vollzogen (1938)
Artikel in "Jüdisches Gemeindeblatt für das Gebiet der
Rheinpfalz" vom 1. Juli 1938: "Festgabe anlässlich des
50-jährigen Bestehens der Hauptsynagoge in München. München 1937.
Es ist ein tragisches Geschehen, dass die Synagoge, die vor einigen
Monaten ihr 50-jähriges Bestehen feiern konnte, in diesen Tagen im Rahmen
der baulichen Neugestaltung des Münchener Künstlerhauses, in dessen
unmittelbarer Nähe sie liegt, dem Abbruch zum Opfer fällt. So ist aus
einer Festgabe binnen kurzem eine Erinnerungsgabe geworden. In einer Reihe
von Aufsätzen von berufenen Autoren wird die Geschichte der Münchener
Juden in kurzen Umrissen dargelegt, den Rabbinern dieser Synagoge werden
ehrende Aufsätze gewidmet, wertvollen Gedenken aus ihren Predigten
ergänzen das Bild ihrer Persönlichkeit und Wirksamkeit. Die beiden
letzten Kapitel behandeln die liturgische Entwicklung in diesem Gotteshaus
sowie den Bau der Synagoge selbst.
Jetzt, da die Synagoge bereits im Abbruch begriffen ist, dürfen wohl
einige Urteile über diesen Bau hier Platz finden, die in der Festgabe
abgeruckt sind: 'Ein berufener Beurteiler des Werkes spricht der Synagoge
'einen hervorragenden Rang unter den Bauten unserer Tage' zu. Er nennt es
'ein völlig selbstständiges Werk von ausgeprägter Eigenart, ein Denkmal
nicht nur des Meisters, der es geschaffen hat, sondern auch der Zeit, in
der es erstand.' (S. 75).
'Sie ist das Werk eines hochbegabten Meisters und Alles kündet in diesem
Haus die Ehre des Herrn. Die Synagoge reiht sich Münchens Kunststätten
würdigst an. Jede Parteiung, jeder Fanatismus möge weichen und beim
Umzug von der alten Synagoge in die neue möge ein Jeder als die schönste
Weihe des Hauses den Frieden mit hinübernehmen!' Zeitgenössischer
Bericht über die Einweihung der Synagoge aus dem 'Münchener Boten'
(abgedruckt in der Allgemeinen Zeitung des Judentums vom 29. September
1887) (S. 77/78)." |
Fotos zum Abbruch der Synagoge (1938) und der Gedenkstätte
|
|
|
Abbruch der Synagoge - Bericht
im nationalsozialistischen "Stürmer" |
Nach der Sprengung
der
Synagoge |
|
|
|
|
|
|
|
Fotos von 2008
von Jürgen Hanke, Kronach: Die Gedenkstätte für die zerstörte
Hauptsynagoge an der Herzog-Max-Straße |
Beim Pogrom im November
1938 wurde die orthodoxe Ohel-Jakob-Synagoge durch SA-Männer
demoliert und niedergebrannt; ihre
gesamte Innenausstattung, einschließlich der Tora-Rollen verbrannte. Die
Münchener Feuerwehr beschränkte sich darauf, die Nebengebäude vor dem
Übergreifen des Brandes zu schützen. Die Kosten für den Abbruch der
Brandruine in Höhe von 15.000 RM hatte die jüdische Gemeinde zu tragen.
Die Inneneinrichtung der ostjüdischen Synagoge in der Reichenbacher Straße
wurde demoliert und großenteils zerstört. Das Gebäude blieb jedoch erhalten
und konnte nach 1945 wieder renoviert und neu als Synagoge eingerichtet werden.
Was mit den oben genannten weiteren Betsälen der Ostjuden geschah, ist nicht
bekannt.
Die Brandruine der
Ohel-Jakob-Synagoge
im November 1938 |
|
|
|
|
|
|
Die Verwüstung der
ostjüdischen Synagoge
in
der Reichenbacher Straße |
|
|
|
Innenansicht der völlig
verwüsteten Synagoge |
Auf dem Boden liegend eine
geschändete Torarolle |
Nach 1945
Die am 19. Juli
1945 neu gegründete Israelitische Kultusgemeinde konnte am 20. Mai 1947 die
wiederhergestellte Synagoge in der Reichenbachstraße 27 einweihen.
Der
Korrespondent der ersten Ausgabe der "Jüdischen Rundschau berichtete:
"'In Anwesenheit hoher Gäste, wie des Militärgouverneurs für die
US-Besatzungszone, des Generals Lucius D. Clay, des Botschafters Robert D.
Murphy, Generals Walter J. Muller und weiterer Mitglieder der amerikanischen Militärregierung,
Vertreter der jüdischen Gemeinden und Organisationen, der deutschen
Öffentlichkeit, unter ihnen Ministerpräsident Dr. Hans Ehard und weiterer
namhafter Persönlichkeiten, wurde am 20. Mai in München die wiedererbaute
Synagoge in der Reichenbachstraße feierlich eingeweiht. Im Mittelpunkt der
Feier stand die Rede des Generals Lucius D. Clay, in der er die Hoffnung
ausdrückte, die Weihe möge die Ära einer neuen Verständigung einleiten. Der
Präsident der jüdischen Kultusgemeinde, Dr. Julius Spanier, begrüßte die
Gäste und würdigte insbesondere die Bemühungen der bayerischen
Staatsregierung, die den Wiederaufbau der im November 1938 zerstörten Synagoge
vornehmen ließ. namens der Stadt München übermittelte Oberbürgermeister Dr.
Scharnagl herzlichste Glückwünsche. Staatskommissar Dr. Philipp Auerbach überreichte
dem Oberrabbiner Dr. Aron Ohrenstein, der auch die erste Predigt hielt, den
Schlüssel der Synagoge. Nach einem ergreifenden Totengedenken enthüllte Legal
Consultant Major Abraham S. Hyman die Gedenktafel für die sechs Millionen
jüdischer Opfer, die durch den Nationalsozialismus getötet wurden. Auf einem
am Abend zu Ehren von General Lucius Dr. Clay veranstalteten Festbankett überbrachte
der Sonderdelegierte der American Jewish Conference, Hans Lamm, die Grüße
aller Freunde und Brüder aus USA und verlas eine Sonderbotschaft des früheren
geistlichen Oberhauptes der Münchner Israelitischen Gemeinde, des jetzt in New
York lebenden Rabbiners Dr. Leo Baerwald. Der Präsident des Rates der befreiten
Juden in der US-Zone, Dr. Samuel Gringauz, übermittelte dann die Grüße der
befreiten Juden in Deutschland."
|
|
|
|
20. Mai 1947: Wiedereinweihung
der Synagoge
in der Reichenbachstraße 27 |
|
Bis zur Einweihung der
Synagoge am Jakobsplatz 2006 blieb die Synagoge in der Reichenbachstraße die
Hauptsynagoge der Münchner jüdischen Gemeinde.
Neben der Hauptsynagoge bestehen inzwischen auch Synagogen in Bogenhausen
(Possartstraße 15) und in Schwabing (Georgenstraße 71).
|
|
|
Innenansichten der Synagoge in der
Reichenbachstraße (Quelle
links) |
Rabbiner aus Jerusalem, New
York, Minsk,
Thessaloniki, Mailand in der Synagoge
anlässlich einer
Rabbinerkonferenz
in München (Quelle) |
|
|
Seit März 1995 besteht in München auch
eine liberale jüdische Gemeinschaft 'Beth Shalom'. Die Gemeinde zählt etwa 200
aktive Mitglieder. Im November 2003 konnte die liberale Gemeinde auch eine Synagoge
einweihen. 'Beth Shalom ist Mitglied der 'Union progressiver Juden in
Deutschenland' und der 'World Union for progressive Judaism'. Kontakt: Beth
Shalom, Postfach 750566, D-81335 München. E-Mail.
Die
Planung /der Bau der neuen Synagoge am Jakobsplatz
| 9. November 2003 Grundsteinlegung |
| 24. Juni 2004 "erster
Spatenstich" |
| 28. Oktober 2005 Richtfest |
| 9. Oktober 2006 Einweihung |
| 22. März 2007 Eröffnung des neuen
Jüdischen Museums |
Fotos der neuen Synagoge am Jakobsplatz:
Während der
Bauzeit
(Aufnahmen vom März 2006; Fotos untere Reihe: Dagmar Bluthardt;
rechts: Plan, Quelle) |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Das
Gemeindezentrum im Oktober 2007
(Fotos: Dagmar Bluthardt, Aufnahmedatum 7.10.2007) |
|
|
|
|
Blick auf das neue
Gemeindezentrum |
Die Hinweistafel |
Das Eingangstor |
|
|
|
|
|
|
|
Die Zehn Gebiete
(beziehungsweise
Anfangsworte) auf den Türen |
|
|
|
|
|
|
|
|
Das Eingangstor |
|
|
|
|
|
|
|
Teilansichten des
Gemeindezentrums und seiner Außenarchitektur |
|
|
|
|
|
|
Noch in der Phase
der Fertigstellung: das Jüdische Museum München |
|
|
|
|
|
|
|
Die Synagoge im
Sommer 2008
(Fotos: Jürgen Hanke, Kronach) |
|
|
|
|
Blick auf die Synagoge |
Das Eingangstor |
Der "Zeltaufbau"
über dem Betsaal |
|
|
|
|
|
|
Im Betsaal - Blick zum
Toraschrein |
Blick zum Eingang |
"Gang des
Erinnern" |
|
|
|
|
|
|
Der Toraschrein
mit Parochet (Vorhang vor dem Toraschrein) und Spenderinschrift |
Die Wochentagssynagoge |
|
|
|
Die Ohel Jakob-Synagoge München im Film:
Weitere Berichte
November 2016:
Feier zum zehnjährigen Bestehen der Synagoge Ohel
Jakob in München |
Artikel von Andreas von Delhaes-Guenther im
"Bayernkurier" vom 10. November 2016: "Ohel Jakob Medaille.
Keinen Millimeter Platz
Am zehntem Jahrestag der Einweihung der neuen Münchner Hauptsynagoge Ohel Jakob und zugleich am Jahrestag der "Reichspogromnacht" der Nazis gegen jüdische Einrichtungen zeichnete die Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern Bundeskanzlerin Angela Merkel für ihren Kampf gegen den Antisemitismus aus.
Im Beisein vieler hochrangiger Gäste, darunter fast die gesamte Bayerische Staatsregierung, der Stadtrat, viele Abgeordnete und Diplomaten, Friedrich Kardinal Wetter und Landesbischof Johannes Friedrich, feierte die Israelitische Kultusgemeinde am Mittwochabend das zehnjährige Bestehen ihrer Hauptsynagoge Ohel Jakob im Herzen der Münchner Innenstadt. Die Kultusgemeinde würdigte mit ihrer höchsten Auszeichnung den entschlossenen Einsatz von Bundeskanzlerin Angela Merkel gegen jede Form von Antisemitismus und ihr entschiedenes Bekenntnis zum Staat Israel. Die Präsidentin Charlotte Knobloch erinnerte an den 9. November 1938, die
'Reichspogromnacht'..."
Link
zum Artikel |
|
November 2019:
Die Synagoge in der
Reichenbachstraße soll renoviert werden |
Artikel in t-online.de (Übernahme aus
dpa-Pressemitteilungen) vom 27. November 2019: "Ehemalige Synagoge in
München soll saniert werden
Die Stadt München will die Sanierung der ehemaligen Synagoge an der
Reichenbachstraße vorantreiben. Man wolle das Vorhaben finanziell
unterstützen, um die Synagoge als Baudenkmal zu erhalten und der
Öffentlichkeit wieder zugänglich zu machen, beschloss der Stadtrat am
Mittwoch mehrheitlich. Derzeit mache ihr baulicher Zustand dies unmöglich.
Die Stadt sieht aber auch andere Stellen in der Pflicht: Das Bildungsreferat
werde noch in dieser Woche erste Gespräche mit dem Bund und dem Freistaat
Bayern über eine Beteiligung an den Sanierungskosten führen. Wie viel die
Sanierung kosten soll, steht laut Bildungsreferat noch nicht fest. Rachel
Salamander, Vorsitzende des Vereins für die Synagoge und Initiatorin der
Sanierungspläne, sagte, in den Voruntersuchungen sei eine Summe von rund
neun Millionen Euro ermittelt worden. Es sei im Grunde bereits vereinbart,
dass diese Summe zu je einem Drittel auf Stadt, Freistaat und Bund verteilt
werde. 'Es ist ja nicht nur eine Synagoge, sondern ein architektonisches
Juwel im Stil des Bauhauses, 1931 gebaut. Es wäre nicht nur vor der
historischen Gerechtigkeit an der Zeit, das, was die Nazis zerstört haben,
wieder instandzusetzen', sagte sie. Ende der 1920er Jahre wurde die Synagoge
nach den Plänen des Architekten Gustav Meyerstein errichtet und 1931
geweiht. Nur sieben Jahre später während der Pogrome im November 1938 wurde
vieles zerstört, die Grundsubstanz des Gebäudes blieb aber erhalten. Nach
dem Zweiten Weltkrieg wurde das Gotteshaus in der Reichenbachstraße
wiedereröffnet und jahrzehntelang von der Israelitischen Kultusgemeinde
genutzt, bis 2007 die Synagoge am Jakobsplatz eröffnet wurde."
Link zum Artikel
Weiterer Artikel zum Thema von Birgit Lotze in der "Süddeutschen Zeitung"
vom 29. November 2019:
"Alte Synagoge wird saniert..." |
|
Juni 2020:
Staatliche Bezuschussung zur
Renovierung der Synagoge in der Reichenbachstraße |
Artikel in der "Jüdischen Allgemeinen" vom
4. Juni 2020: "München. Millionenzuschuss für Sanierung von Synagoge.
Die Sanierung der ehemaligen Münchner Hauptsynagoge in der Reichenbachstraße
wird von Bayern mit knapp 3 Millionen Euro bezuschusst
Der Freistaat Bayern stellt für die Sanierung der ehemaligen Münchner
Hauptsynagoge in der Reichenbachstraße rund 2,83 Millionen Euro bereit. Die
ehemalige Synagoge sei ein »historisches Zeitzeugnis der
nationalsozialistischen Schreckensherrschaft«, sagte Wissenschaftsminister
Bernd Sibler (CSU) am Donnerstag in München. Die Mittel werden aus dem
Entschädigungsfonds bereitgestellt, der vom bayerischen
Wissenschaftsministerium verwaltet und gemeinsam vom Freistaat und den
Kommunen getragen wird.
FARBEN Die Synagoge in der Reichenbachstraße wurde 1930 im Stil der
Bauhausarchitektur errichtet und 1931 eingeweiht. In der Pogromnacht 1938
und später während des Zweiten Weltkriegs wurde sie durch Bombenangriffe
schwer beschädigt. Später wurde sie instand gesetzt und 1947 wieder
eröffnet; bis 2006 und der Eröffnung der neuen Ohel-Jakob-Schul diente sie
als Münchner Hauptsynagoge. Ursprünglich waren die Wände türkisfarben und
verziert, während der Vorraum rot angestrichen war. Diese Farben sollen nun
wieder hergestellt werden. Anschließend werden auch wieder Führungen durch
das Bethaus möglich sein.
KOSTEN Die Kosten für die Sanierung belaufen sich auf rund 9
Millionen Euro. Auch die Stadt München und der Bund leisten einen Beitrag
dazu. Eigentümerin des Gebäudes ist die Israelitische Kultusgemeinde München
und Oberbayern."
Link zum Artikel |
Adressen
/ Standorte der Synagogen (Übersicht)
| Mittelalterliche Synagoge 1380/41 - 1440 an der Gruftstraße (frühere
Judengasse)
|
| Synagoge von 1826 an der Westenrieder Straße 10 bis 12 - nach Bau
der neuen Hauptsynagoge 1889 abgebrochen und mit Wohnhaus bebaut (1964
abgebrochen, danach Parkplatz, 2010/11 ist Neubebauung des Grundstückes
geplant)
|
| (Haupt-)Synagoge von 1887 - im Juni 1938 abgebrochen:
hier seit 1969 ein Gedenkstein (2006 Standortveränderung) |
| Orthodoxe Synagoge von 1892 ("Ohel-Jakob-Synagoge")
in der Herzog-Rudolf-Straße 23 (früher Kanalstraße) -
1938 niedergebrannt - in unmittelbarer Nähe ein Gedenkstein |
| Synagoge der Ostjuden von 1931 in der Reichenbachstraße
27 - 1938 verwüstet |
| 1947 bis 2006: Hauptsynagoge Reichenbachstraße 27 |
| ab November 2006 Hauptsynagoge am Jakobsplatz |
| seit 2003 Liberale Synagoge
|
| Seit 1963 besteht in München-Schwabing die Synagoge
Sha'arei Zion (März 2014 nach umfassender Renovierung
wiedereröffnet,
siehe Bericht
in der "Jüdischen Allgemeinen" vom 27. März 2014.
|
Links und Literatur
Links:
Literatur:
(kleine Auswahl verwendeter Literatur)
| Germania Judaica II,2 S. 556-559; III,2 S. 900-906; |
| Wolfram Selig:
Synagogen und Jüdische Friedhöfe in München. München 1988. |
|
Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens
in Bayern. 1988 S. 307-316. |
| P. Hanke: Zur Geschichte der Juden in München
zwischen 1933 und 1945. München 1967. |
| Hans Lamm (Hrsg.): Vergangene Tage. Jüdische Kultur
in München. München 1982. |
| Juliane Wetzel: Jüdisches Leben in München
1945-1951. Durchgangsstation oder Wiederaufbau?.
München 1987. |
| Harold Hammer-Schenk: Synagogen in Deutschland.
Geschichte einer Baugattung im 19. und 20. Jahrhundert. 1981 (in 2 Bänden). |
| Hans-Peter Schwarz (Hrsg.): Die Architektur der
Synagoge. Frankfurt/Stuttgart 1988. |
| Siehe, der Stein schreit aus der Mauer. Geschichte und
Kultur der Juden in Bayern. (Hg. vom Germanischen Nationalmuseum und
vom Baus der Bayerischen Geschichte). 1989. |
| Andreas Heusler/Tobias Weger: Kristallnacht.
Gewalt gegen die Münchner Juden im November 1938. 1998. |
| "Mehr als
Steine...." Synagogen-Gedenkband Bayern. Band I:
Oberfranken - Oberpfalz - Niederbayern - Oberbayern - Schwaben.
Erarbeitet von Barbara Eberhardt und Angela Hager. Hg.
von Wolfgang Kraus, Berndt Hamm und Meier Schwarz.
Reihe: Gedenkbuch der Synagogen in Deutschen. Begründet und
herausgegeben von Meier Schwarz. Synagogue Memorial Jerusalem. Bd. 3:
Bayern. Kunstverlag Josef Fink Lindenberg im
Allgäu.
ISBN 978-3-98870-411-3.
Abschnitt zu München S. 360-386.
|
Sonstiges:
Genealogische Seiten zu jüdischen Kunsthändlerfamilien in München und deren
Vorfahren aus der Familie Model in verschiedenen Orten (Munich art traders and
their Model family ancestors):
Anmerkung: aufgezeigt wird mit den Zusammenstellungen, wie aus der
Hoffaktorensippe Model im 19. Jahrhundert bedeutende jüdische Kunsthändler in
München hervorgegangen sind. Dargestellt werden neben der Familie Model die
Familien Drey und Helbing, Neben Vertretern dieser Familien gab es weitere
bedeutende jüdische Kunsthändler in München wie z.B. Bernheimer, Nathan und
Thannhauser.
- Model
Family Ancestry (pdf-file)
- Family
Sheet Salomon Wolf Model of Neuburg an der Donau (pdf-file)
- Family
Sheet Amson Model of Neuburg an der Donau + Hainsfarth + Augsburg
(pdf-file)
- Family
Sheet David Samson Helbing of Bechhofen + Ellingen + Neuburg + Munich
(pdf-file)
- Family
Sheet Sigmund Helbing of Munich (pdf-file)
- Family
Sheet Hugo Helbing of Munich (pdf-file)
- Family
Sheet Aron Schmay Drey of Heidingsfeld + Munich (pdf-file)
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Munich (Muenchen) Upper Bavaria. Jews
were present in the early 13th century, living in an Jewish quarter with a
synagogue, cemetery, and other communal facilities. Most of the trade between
east and west passing through the town was in the hands of Jews, who dealt in
furs, jewelry, and spices. They also served the rulers of Bavaria as
moneylenders. In 1285 the community was wiped out in a blood libel when 180 Jews,
refusing to convert, were burned alive in the synagogue. Persecutions continued
thoughout the 14th century alongside various ducal privileges. With the
expulsion of the community in 1442, followed in 1450 by the expulsion of the
rest of the Jews of Bavaria, Jewish property was impounded and the synagogue
converted into a church. In 1489, he Jewish cemetery was plocked under and the
tombstones used as building blocks.
A small community was reestablished in the late 17th century, but in 1715 it,
too, was expelled.
Later in the 18th century a number of Court Jews were allowed to settle in
Munich. These included Wolf Wertheimer and the Bavarian army supplier Aron Elias
Seligmann. Jews continued to finance Bavaria's wars into the 19th century,
providing the state treasury with 80 % of its budget in the Napoleonic era. Jews
also acted as moneychangers, discounted promissory notes, and traded in salt and
horses. The new community numbered 216 in 1798 and its first rabbi was appointed
in 1802. In 1805 Jews were permitted to live in all parts of the city, engage in
crafts, trade in certain goods, and conduct public prayer. A "Jew decree"
in 1813 allowed 30 additional well-to-do families to settle in Munich but
limited the right to start new families in the city to eldest sons. Jews
continued to play a leading role in banking and opened numerous factories,
particularly in the food and clothing industries, helping to make Munich an
important commercial center. By 1848 the Jewish population stood at 842 (total
87,000), with about 20 % engaged in farming and the crafts. In the first half of
the 19th century, a number of Jewish schools were established. The Wolfsheimer
public school, opened in 1842, had 215 pupils in 1862-63 but was forced to close
in 1872 under assimilationist pressure, leaving the community without a Jewish
day school until after Worldwar I while local children attended German schools.
In the face of the restrictions of the 1813 "Jew decree,", many
disqualified from starting families left the city, mainly for the United States.
After it was rescinded in 1861, the Jewish population began to grow rapidly,
reaching 4.144 in 1880, making the community the largest in Bavaria. After 1885
immigration from Eastern Europe, first mostly from Austro-Hungary and then from
Russia, pushed the Jewish population up to its peak of 11.083 in 1910 (total
596.467). The community was economically weel-off and strongly assimilationist,
with intermarriage amounting to 24 % in 1880 and 50 % in 1915. The department
store opened by Hermann Tietz in 1888 led to the spread of such stores
throughout Germany. The Jews monopolized the textile industry as well as
bank-related real estate brokerage. In 1907, 43 % of Munich's Jews were engaged
in trade, 14 % in crafts, and 11 % in the professions, including 118 doctors,
100 lawyers, and eight judges. The community operated a broad range of social
services, including an old age home, summer camps, and welfare and employment
agencies. With the secularization of Jewish life, the Reform movement grew
stronger under the leadership of Rabbi Dr. Josef Perles (1871-94), a noted
Orientalist, and Rabbi Dr. Cosman Werner (1895-1918), who was among those
rejecting Theodor Herzl's proposal to hold the First Zionist Congress in Munich
in 1897. A magnificent synagogue was completed in 1887, incorporating an organ
and changing the preayer service. The Orthodox countered by forming their own
Jeshurun congregation. The community also housed an important Jewish library
with the largest collection of Hebrew manuskripts in the German-speaking world.
Raphael Nathan Rabbinovicz publised the Dikdukei Soferim there in 16 vols.
(1867-1897), an anthology of variant readings of the Babylonian Talmud that
became one of the cornerstones of Jewish scholarship. Antisemitism, always rife
in Bavaria, intensified during Worldwar I and continued unabated in the Weimar
Republic when Munich became the cradle of the Nazi movement and Hitler's home,
with the major Nazi organ, the Voelkischer Beobachter, published there. A
particular hotbed of antisemitism was the university, where Jewish students (numbering
247 in 1928) were attacked and Jewish candidates for teaching positions rejected
on racial grounds. In 1923, the year of Hitler's unsuccessful 'beer hall
putsch,' Nazi thugs beat Jews in the streets and on public transportation
facilities and 180 Jewish families of East European origin were expelled from
the city. Between the World Wars a declining birthrate and increasing
intermarriage (59 % in 1931) continued to contribute to the drop in the Jewish
population that had commenced in Worldwar I. In 1924 a Jewish public school was
opened, reaching an enrollment of 132 in 1932-33. A talmud torah provided
supplementary Jewish education and WIZO operated a Hebrew kindergarten. Among
the East European Jews, numbering 2.300 in 1931, or 25 % of the community, and
having little contact with the social institutions of the German Jews, most of
the young were organized in Zionist youth movements. Munich was also the center
of many Bavarian and German Jewish organizations - 68 in 1932 - and the home of
such figures as the young Albert Einstein (1877-1955), Nobel Prize chemist
Richard Willstaetter (1872-1942), and the writers Arnold Zweig (1877-1968) and
Lion Feuchtwanger (1884-1958).
In 1933 the Jewish population was 9.005 (total 735.388). Over 50 % were engaged
in commerce, industry, and crafts; 22 % in banking and brokerage; and 20 % in
the professions. With the advent of Nazi rule a regime of severe persecution was
instituted. Jews were arrested and sent to Dachau, the first of Germany's
concentration camps. A strict economic boybott was enforced and Germans were
kept away from Jewish stores whole nearly half the city's Jewish civil servants
were fired. In May 1935 Jewish store windows were smashed throughout the city
and the stores forcibly closed with Hitler Youth painting 'Jews Not Wanted Here'
signs on sidewalks. Windows were again smashed on 14 August and the Nazi paper Der
Stuermer started publishing lists of 'Aryans' patronizing Jewish businesses.
In August-October 50 Jews were tried for violating the racial defilement (Rassenschande)
provision of the Nuremberg Laws. Despite Nazi actions, Jewish community life was
maintained. The Jewish public school system was expanded to accomodate 407
children by 1935-36 and various vocational schools were in operation. A branch
of the Jewish Cultural Association (Juedischer Kulturbund) supported the
arts and invited such figures as Martin Buber for deliver lectures. During the
1933-38 period, 3.574 Jews left the city while another 803 died. Of the
emigrants, 3.130 left Germany entirely, including 701 to Palestine and 637 to
the United States. In June 1938, the Great Synagogue was razed by the local
authorities. Community institutions were transferred to an abandoned Jewish
cigarette factory, with the production floor serving as a synagogue. On 9
November 1938, Propaganda Minister Josef Goebbels delivered a virulent
antisemitic speech in Munich that sparked the Kristallnacht riots
thoughout Germany. In Munich, store windows were smashed, the interior of the
Orthodox Ohel Yaakov synagogue was destroyed along with other communal
property, and around 1.000 Jews were arrested. In May 1939 all Jews of Polish
origin were expelled from the city while the Aryanization Office continued to
press for the liquidation of Jewish businesses, bringing the total still open by
March 1939 down to 27, most engaging in apartment rentals. Until fall 1941, Jews
were evicted from 1.440 apartments, the best of them being handed over to 'deserving'
Nazis. Jews on the community's relief rolls were subjected to forced labor, many
in the construction of the Milbertshofen ghetto about 4 miles from the city,
where 450 Jews were sent to live in 1941. The ghetto also served as a transit
camp for Jews being deported to the Riga and Theresienstadt ghettoes. Another
300 Jews, mostly sick and old, were went to the Berg-am-Leim ghetto under a
regime of hard labor. In all ten labor and concentration camps were set up in
the area, holding Jews as well as others, including 2.000 Jews at the
Feldmoching branch of Dachau. Explusions reduced the number of Jews in the city
from 4.407 in June 1939 to 3.249 in August 1941 and in the wake of further
large-scale expulsions, to 645 in December 1942. Only 146 of this latter group
was defined as 'full Jews.' Of the 2.991 Jews expelled between 20 November 1941
and 23 February 1945, 1.555 were sent to Theresienstadt, 980 to Riga, 323 to
Piaski (Lublin district of Poland), and 113 to Auschwitz. At the end of the war,
400 Jews with non-Jewish spouses remained in Munich. These were joined by Jewish
refugees and 796 former residents to bring the Jewish population up to 2.800 in
March 1946. Munich became the center for the Jewish organizations aiding
survivors of the Holocaust, including the Joint Destribution Committee and the
Jewish Agency. Between 1945 and 1951, 120.000 Jews passed through the city, many
on the way to Palestine/Israel. In 1947, 57.731 Jews were in Displaced camps and
other localities in the area. In 1995 there were 5.000 Jews in Munich, making it
the third largest Jewish community in West Germany after Berlin and Frankfurt am
Main.
vorherige Synagoge zur ersten Synagoge nächste Synagoge
diese Links sind noch nicht aktiviert
|