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zu den Synagogen in
Baden-Württemberg
Neresheim (Ostalbkreis)
Jüdische Geschichte
Übersicht:
Zur jüdischen Geschichte
in Neresheim
In Neresheim waren
mit einigen Unterbrechungen - von der Mitte des 15. Jahrhunderts (erste Erwähnung
1449) bis in 17. Jahrhundert (letzte Nennung 1658) und in der 2. Hälfte
des 19. Jahrhunderts jüdische Personen ansässig. Vermutlich kam es zu
keiner Zeit zur Bildung einer selbständigen Gemeinde, sondern es wurden die
Einrichtungen anderer jüdischer Gemeinden mitbenutzt. Besondere Beziehungen
bestanden zu den jüdischen Gemeinden in (Bopfingen-)Aufhausen
und derjenigen in (Nördlingen-)Kleinerdlingen,
wohin die 1658 ausgewiesenen Neresheimer Juden abwanderten.
1489 wird in Königsberg
in Bayern ein aus Neresheim beziehungsweise Nördlingen zugezogener Jude
genannt.
Aus den Jahren 1566-1574 liegen Dokumente vor zu einer Klage des Juden
Schmul zu Aufhausen beziehungsweise Neresheim vor dem Hofgericht Rottweil
gegen Gemeinde, Vogt und Vierer zu Bühlerzell wegen einer Schuldforderung.
Aus dem Jahr 1575 liegen Dokumente vor betreffs einer Appellation des
Ulrich von Rechberg zu Heuchlingen gegen die Klage des Isaac Jud zu Neresheim
wegen einer Forderung.
1595 werden Juden genannt, die in Neresheim unter dem Schutz des Grafen
Wilhelm zu Oettingen standen, da es Streitigkeiten gab wegen Benutzung der
Rossweide sowie wegen des Verkaufs geschächteten Fleisches und des Aufkaufs von
Lebensmitteln durch die Juden an den Wochenmärkten. In einem am 30. Oktober
1595 durch Graf Wilhelm zu Oettingen erteilten Schutzbrief wurde verboten, dass
Juden mit unbeweglichen Gütern handeln, außer sie hätten jedes Mal die
Bewilligung der Regierung erhalten. Nach den Bestimmungen desselben
Schutzbriefes mussten die Juden geloben, sich "des wucherlichen Anlehens zu
enthalten".
In den Neresheimer Amtsrechnungen werden in einer Auflistung über die Einnahmen
an Judenschutzgeld zwischen 1627 und 1630 folgende Juden (jüdische
Familienvorsteher) in Neresheim genannt: Hirsch Jud, Abraham Fromb Jud, Isack
Jud, Berlin Jud, Jößlin Jud. Aus dem Jahr 1665 liegt ein Reskript der
Wallersteinischen Regierung vor, "die Nachsteuer eines in Neresheim
wohnhaft gewesenen Juden betreffend".
Im Härtsfeldmuseum liegt ein "Judenfreibrief" von 1583 auf,
den Graf Wilhelm von Oettingen ausstellen ließ.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich - nach den Ergebnissen der Volkszählungen
- die Zahl der jüdischen Einwohner wie folgt: bis 1846 keine Juden am
Ort; 1858 fünf jüdische Einwohner, 1864 13, 1867 12, 1871 acht, 1875 sechs,
1880 vier, 1885 zwei, 1890 zwei, ab 1895 werden keine jüdischen Einwohner mehr
bei den Volkszählungen registriert. Bei den jüdischen Einwohnern in den
1860er-Jahren dürfte es sich vor allem um die Familie des Oberamtstierarztes
Josef Heß gehandelt haben (siehe unten).
Als eine Erinnerung an die jüdische Geschichte gibt es am Ort den "Judengumpen",
eine Karstquelle am südlichen Stadtrand von Neresheim zwischen dem Friedhof und
der Gallusmühle. Im Volksmund wird erzählt, dass früher hier ein Jude mit
seinem Gefährt dort stecken geblieben und untergegangen sei. Möglich ist (nach
Ansicht von Historikern), dass Juden früher außerhalb der Stadtgrenzen
verwiesen wurden, um Wasser zu holen.
Berichte aus der
jüdischen Geschichte in Neresheim
"Judenfreibrief" von 1583
Das
Original des "Judenfreibriefes" von 1583 findet sich im
Härtsfeldmuseum Nereseheim. |
Bericht aus der Oberamtsbeschreibung 1872
Oberamtsbeschreibung
1872 S. 169: "8 Israeliten. . . die Israeliten sind der Synagoge in Oberdorf
zugewiesen." |
S.
181: "Seit wann Israeliten in Neresheim sind, ist nicht
näher bekannt; sie vermehrten sich allmählich und fielen den Einwohnern beschwerlich, weil sie auch die bürgerlichen Nutzungen, Weide
usw. genießen wollten. Es wurde deswegen Graf Wilhelm von Oettingen gebeten
1583, bloß fünf haussäßige Juden auf bestimmte Zeit zu dulden, dieser meinte aber, dieses Gesindel bringe den Untertanen überhaupt mehr
Schaden als Nutzen und beschloss bloß noch ein bis zwei Haushaltungen zu
dulden, welche aber bei Hochzeiten nicht mehr auf dem Rathaus tanzen dürfen, in der Karwoche kein
Ärgernis geben sollen und dergleichen.
Die heutigen Israeliten gehören zur Synagoge in Oberdorf". |
Berichte zu einzelnen Personen
Über den Tierarzt (Oberamtstierarzt) Josef Heß (zu seinem Abschied von
Neresheim (1887)
Anmerkung: Joseph Heß ist am 16. April 1922 in Aufhausen geboren als Sohn
von Bernhard Heß und seiner Frau Zortel geb. Liebmann. Er war seit dem 8.
Oktober 1850 verheiratet mit Julie geb. Rosenthal, eine am 22. Oktober 1820 in
Unterdeufstetten geborene Tochter des Salomon Rosenthal und seiner Frau Fradel.
Die beiden hatten sechs Kinder, von denen zwei früh verstorben sind: Hannchen
(1851), Sigmund (1852-1857), Fanny (1853), Frida (1855), Sophie (1858), Louis
(geb./gest.1859).
Akten im Landesarchiv Baden-Württemberg vgl. https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/JKYSA36YTPQXDKDMZE2CMLKG5NF5UR2U
Joseph Heß starb am 16. Juni 1902 in Nördlingen und wurde auf dem dortigen
jüdischen Friedhof beigesetzt. Seine Frau Julie starb am 10. Februar 1897 in
Nördlingen und wurde ebd. beigesetzt.
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. August
1887: "Neresheim, 21. Juli. Gestern Abend fand in den festlich geschmückten oberen Räumlichkeiten des Gasthofs zum Adler dahier für den nun in den Ruhestand tretenden
Oberamtstierarzt Josef Hess eine solenne Abschiedsfeier statt, die aus
nah und fern überaus zahlreich besucht war. Eröffnet wurde die Feier
durch einen vierstimmigen Männerchor des hiesigen Liederkranzes, der
überhaupt durch seine prächtigen Gesangsvorträge viel zu dem Gelingen
des schönen Festes beitrug. Denn schilderte Oberamtmann Stamer in
schwungvollen Worten die trefflichen Charaktereigenschaften des
Scheidenden, seinen Mannesmut und seine Freundestreue, seine Pflichttreue und seinen Diensteifer als Korporationsbeamter, seine Ergebenheit gegenüber seinen Vorgesetzten und seine Liebenswürdigkeit als Gesellschafter und brausend stimmten die Festteilnehmer in das Hoch auf den
Scheidenden ein, mit dem der geehrte Redner seinen Toast schloss. Gerührten Herzens dankte hierauf Oberamtstierarzt Hess für diese anerkennenden Worte; er sprach seinen Vorgesetzten seinen Dank aus für die Nachsicht und Unterstützung, die er von Ihnen genießen durfte und die ihm sein Amt erleichterten; er dankte den Bezirksangehörigen für das große Vertrauen, dass
sie ihm in den 40 Jahren, die er im Bezirk tätig war, in so reichem Maße entgegenbrachten;
er dankte den Anwesenden für die Ehre, die sie ihm heute in so schöner Weise erwiesen, mit ihm und seiner Familie noch einen Abend in gewohnter Gemütlichkeit zu verbringen; nachdem er noch diese Gelegenheit ergriff, seinen Nachfolger, Oberamtstierarzt Hetzel, dem Wohlwollen der Bezirksangehörigen zu empfehlen, lehrte es sein Glas auf das Wohl des
ganzen Amtsbezirks. Ein weiterer Redner schilderte die im Wohltun nicht müde werdende Gemahlin des
Scheidenden, die in edelster und feinster Weise die Tränen der Armen und
Unglücklichen zu trocknen und die Schmerzen der Leidenden zu lindern suchte. Ihr Andenken wird hier noch lange fortleben. Als Anerkennung seiner treu geleisteten Dienste erhielt
Oberamtstierarzt Hess von Seiner Majestät unserem König die große goldene Zivilverdienstmedaille; die
Amtskorporation verehrte ihm für seine 29 Jahre, die er in ihrem Dienste verbracht hat, eine prachtvolle
goldene Uhr mit schwerer goldener Kette und der landwirtschaftliche Verein, deren tätiges Ausschussmitglied er war, gab ihm als Andenken einen kunstvoll gearbeiteten Regulator. Oberamtstierarzt Hess, der aus Familienrücksichten seinen Dienst
quittierte, zieht nun nach Nördlingen,
wo er zwei Töchter verheiratet hat. Unsere besten Wünsche für sein
ferneres Wohlergehen begleiten ihn in seine neue Heimat; möge er seine
wohlverdiente Ruhe voll und ganz
genießen." |
|
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 1.
September 1887: "Die "Schwäbische Chronik" schreibt aus Neresheim, 21. Juli.
Unter sehr zahlreicher Beteiligung von hier und auswärts, sowie unter gütiger Mitwirkung des
hiesigen Gesamtvereins fand gestern Abend im Adlersaale dahier eine Abschiedsfeier zu Ehren des dieser Tage nach Nördlingen abgehenden
Oberamtstierarztes Heß (Jude) statt. Oberamtmann Stammer feierte den
Scheidenden, der 40 Jahre, davon 29 Jahre als Oberamtstierarzt im hiesigen Bezirke tätig war, in trefflicher
Rede und hob besonders seine rastlose Tätigkeit, seinen Diensteifer und seine Pflichttreue rühmend hervor,
worauf Oberamtstierarzt Hess in bewegten Worten unter gleichzeitiger Empfehlung seines ebenfalls anwesenden Nachfolgers
Oberamtstierarzt Hetzel dankte. Reallehrer Marschall brachte der Gattin des
Gefeierten, deren Andenken besonders auch unter den Augen und Kranken der hiesigen Bevölkerung kaum in Vergessenheit geraten
dürfte, warme Worte entgegen. Die ihm verliehene goldene Zivilverdienstmedaille, sowie die wertvollen Geschenke von Seiten der Amtskorporation und des landwirtschaftlichen Bezirksvereins werden dem
Scheidenden demnächst in feierlicher Weise überreicht werden." |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
 | L. Müller: Aus Fünf Jahrhunderten. In: Zeitschrift
des Historischen Vereins für Schwaben und Neuburg 25 1898 S. 62; 26 1899 S.
81ff. |
 | Wilfried Braunn: Quellen zur Geschichte der Juden
bis zum Jahr 1600 im Hauptstaatsarchiv Stuttgart und im Staatsarchiv
Ludwigsburg. Hauptstaatsarchiv Stuttgart. Thematische Repertorien Band 1.
Stuttgart 1982. Nr. 712.761.839. |
 | Oberamtsbeschreibung Neresheim 1872 S.-
169.181. |

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