Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Neuweiler (Kreis Calw)
 Jüdische Geschichte 
  

Übersicht:  

bulletZur jüdischen Geschichte in Neuweiler 
bulletFotos / Dokumente  
bullet Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte    
bulletLinks und Literatur   

   

Zur jüdischen Geschichte in Neuweiler          
     
In Neuweiler gab es zu keiner Zeit eine jüdische Gemeinde. Nur vereinzelt lebten im 19./20. Jahrhundert jüdische Personen am Ort.
   
Von 1929 bis 1933/34 war Dr. Eugen Marx in Neuweiler als Praktischer Arzt tätig. Dr. Eugen Marx ist 1896 in Siegburg geboren, studierte in Bonn und Köln Medizin, war Teilnehmer des 1. Weltkrieges (dreieinhalb Jahre Frontsoldat, ausgezeichnet mit dem EK I), machte sein Medizinal-Praktikum in Frankfurt/Main und trat 1929, nach der Eheschließung mit Karola (Carola) geb. Bender aus Frankfurt (evangelische Konfessionszugehörigkeit), die Stelle als praktischer Arzt für die Gemeinde Neuweiler und Umgebung sowie als Badearzt für Bad Teinach an. Dr. Marx war in der Bevölkerung sehr geschätzt. Am 6. Mai 1931 ist in Nagold die Tochter Ruth Elisabeth Marx geboren. Im September 1933, seine Frau war mit dem zweiten Kind schwanger, wurde Dr. Marx spät in der Nacht im Ärztehaus in Neuweiler von SA-Schlägern brutal überfallen und darauf in das KZ Heuberg gebracht. Erst nach sechs Wochen konnte er nach Neuweiler zurückkehren. Am 11. November 1933 ist in Nagold die Tochter Rosemarie Marx geboren (Dokument zu ihrer Taufe aus dem Taufregister siehe unten; die Taufpaten waren die Haushälterin Marie Keppler sowie die Eltern von Ernst Kohlmann, Martin und Paula Kohlmann). Nach Verlust der Approbation zog die Familie 1934 nach Köln, wo Karola Marx im folgenden Jahr starb. In Köln übernahm Eugen Marx Vertretungen für jüdische Ärzte. Seine beiden Kinder fanden bei seiner Schwester, Frieda Kohlman geb. Marx in Köln, eine neue Familie. Sie wuchsen zusammen mit deren Kindern Ernst und Margrit auf und kamen später in das jüdische Waisenhaus in Köln. Die Kindertransporte nach England im Januar 1939 waren für Ernst Kohlmann und viele andere "Wege ins Leben" (so der Film in "ZDF–History" im Herbst 2018 an dem er mitwirkte).
  
1938 wurde Dr. Marx von der GESTAPO in Köln/Bonn um 5.000.- RM erpresst und musste darauf innerhalb von 24 Stunden Deutschland verlassen. Er floh über Genua nach Shanghai, wo er mit Lina geb. Wiener die Ehe schloss (Fotos unten). Mit ihr emigrierte er 1948 in die USA. Er konnte in Chicago noch einige Zeit als Arzt arbeiten, war etwa Mitte der 50-er Jahre in Deutschland zu Besuch und starb 1965 in Chicago (Grab siehe https://de.findagrave.com/memorial/184455817/eugene-n_-marx). Seine beiden Töchter Ruth und Rosemarie wurden im Juli 1942 mit 1.164 Kölner Juden zur Vernichtungsstätte Maly Trostinec bei Minsk deportiert und dort umgehend ermordet. Sie waren 11 und 8 Jahre alt. 
  
Hinweis auf den Gemeindepfarrer Schmälzle und seine Frau: in Neuweiler war von 1927 bis 1938 evangelischer Pfarrer am Ort Reinhold Schmälzle (geb. 1901 in Korntal). Er war verheiratet mit der Keramikerin Martha geb. Serkin. Sie ist 1906 als siebtes von acht Kindern des jüdischen Opernsängers und Kantors Mordko (Max) Sterkin und seiner Frau Auguste geb. Schargel in Eger geboren. Ein Bruder von Martha war der weltbekannte Rudolf Serkin (Wikipedia-Artikel https://de.wikipedia.org/wiki/Rudolf_Serkin). Die Familie war von Eger nach Wien gezogen, wo Marthe die Wiener Kunstgewerbeschule besuchte und den Meisterabschluss für Keramik machte. Sie fand Anstellung in der Majolika-Fabrik in Schramberg und lernte dort den angehenden Pfarrer (Vikar) Reinhold Schmälzle kennen. Da sie als Frau eines evangelischen Pfarrers damals evangelisch sein musste, ließ sie sich am 12. Juli 1928 taufen. 1927 kam Reinhold Schmälzle als Pfarrverweser nach Neuweiler, ab Ende 1928 wurde er ständiger Pfarrer in der Gemeinde. Nach 1933 bekam Reinhold Schmälzle immer größere Probleme mit Nationalsozialisten auf Grund seiner Ehe mit einer "Nicht-Arierin", u.a. unterbrach ein SA-Sturm 1935 einen Traugottesdienst Schmälzles in Agenbach. Da die Schwierigkeiten immer größer wurden, folgte Schmälzle im April 1938 einem Ruf der Evangelischen Gesellschaft in St. Gallen auf eine dortige Theologenstelle. 1954 starb Martha Schmälzle nach einer schweren Erkrankung. 1957 kehrte Reinhold Schmälzle nach Württemberg zurück, wo er bis 1964 im Pfarrdienst blieb. Er starb am 14. März 1969.
Link zu einer Seite in der Website der Kirchengemeinde Neuweiler 
Literatur: Siegfried Hermle: Eine Pfarrfamilie im Schatten des Arierparagraphen. Blätter für württembergischen Kirchengeschichte 106  2006.
  
  
Von den in Neuweiler geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"):  Rosemarie Marx (1933), Ruth Elisabeth Marx (1931).  
    
    
  
 
Fotos / Dokumente              

 Dr. Eugen Marx und Familie
(Fotos aus der Sammlung von Ulrich Müller)
   
     
 Dr. Eugen Marx
(1896 Siegburg - 1965 Chicago)
  
 Links: Carola Marx mit Tochter Ruth;
Rechts: Ruth und Rosemarie Marx
(geb. 1931 bzw. 1933; 1942 ermordet)  
Das alte Arzthaus (1974). Dr. Marx lebte hier mit seiner Familie; Haus wurde 1987 abgerissen, um Platz für den Verkehr und für eine Grünfläche zu schaffen 
     
Gedenkblätter der
Gedenkstätte Yad Vashem Jerusalem
 (https://yvng.yadvashem.org/)
   
   Gedenkblatt für Rosemarie Marx (1933
evangelisch getauft, rechts Auszug aus Taufregister)
 Gedenkblatt für Ruth Marx
  (evangelisch getauft)
     
  Weitere Dokumente
(aus der Sammlung von Ulrich Müller)
    
 Eidesstattliche Erklärung zu den
Ereignissen im Dezember 1933 von
Stephan Bergfeld  (Stuttgart 1946)
   
   Quelle: Hauptstaatsarchiv Stuttgart
EL 902-20 Bü. 86329_0055
 
     

In den Central Archives for the History of the Jewish People Jerusalem (CAHJP) findet sich in der Sammlung Dr. Gustav Feldmann P 32 (bzw. Link)  unter Nr. 45 unter anderem eine Liste von jüdischen Ärzten mit Kurzbiographien und Daten, geführt von Dr. Feldmann, Leiter der "Beratungsstelle für jüdische Ärzte" (Leitung: Dr. Feldmann). Darin geht es um die mögliche Aufnahme jüdischer Kinder zu Ferienaufenthalten bei den Arztfamilien. Datum und Uhrzeit beziehen sich wohl auf die Zeit eines geführten Telefongespräches zwischen Dr. Feldmann und Dr. Marx: 
29. IV. 33 Dr. Eugen Marx  6.00 -7.00 Uhr
Seit 3 Jahren Arzt in Neuweiler-Teinach, 3 ½ Jahre Frontsoldat, EK I, christliche Frau mit jüdischer Gesinnung, 1 Kind -
Nimmt den j[etzigen] Sommer 1-2 Kinder auf - (umsonst) -
).  
Zu Dr. Feldmann und der "Beratungsstelle für jüdische Ärzte" siehe Literatur:
Susanne Rueß: Stuttgarter jüdische Ärzte während des Nationalsozialismus. 504 S. Verlag Königshausen und Neumann 2009.  Hierin zu Dr. Feldmann: S. 92-100. 

     
     
   
 Pass von Eugen Marx für die Einreise in Shanghai
(mit Übersetzung - eingearbeitet in weiß;
Jahreszahl nach chinesischem Kalender )
Shanghai Jewish Refugees Museum (上海犹太人难民纪念馆)
Wikipedia-Artikel https://en.wikipedia.org/wiki/Shanghai_Jewish_Refugees_Museum (Quelle für Foto links
Gedenkstätte mit den Namen von 13.372 nach Shanghai geflüchteten Deutschen (aus Sammlung Ulrich Müller)
     
     
   
Die zweite Frau von Dr. Eugen Marx:
Linda geb. Wiener 
   Dr. Eugen Marx und 
Linda geb. Wiener in den USA 
 Sterbeurkunde Dr. Eugen Marx
24. März 1965 (Chicago, Ill.)
     
      
 Die Veranstaltung am 23. April 2018
zur Anbringung der Gedenktafel für
Dr. Eugen Marx und seine Familie 
(Fotos: Hahn) 
   
      Das Interesse an der Veranstaltung war groß  
      
     
   Die am Platz des früheren Arzthauses von Dr. Eugen Marx aufgestellte Gedenktafel    
     
 Empfang für Dr. Ernest Kolmann in der
Villa Reitzenstein in Stuttgart am 23. April 2014
vor der Veranstaltung in Neuweiler 
   
     

   
  
Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte       

2016/18: Von den Schwierigkeiten der Erinnerungsarbeit in Neuweiler 
Im Frühjahr 2016 wurde in Neuweiler ein "Initiativkreis Gedenkwoche für Familie Dr. Marx" gegründet. Zu ihm gehörten u.a. Pfarrer i.R. Ulrich Müller, die beiden Realschullehrer Gabriel Stängle und Norbert Weiss, Martin Seeger (Neuweiler) sowie der Kreisarchivar, Martin Friess, Calw. Sie alle engagierten sich in unterschiedlicher Weise bei der Aufarbeitung des Schicksals der jüdischen Bevölkerung sowie der polnischen Zwangsarbeiter in der Region Nordschwarzwald. Aufgenommen werden konnte ein Kontakt mit dem Neffen von Dr. Eugen Marx: Ernest Kolman. Bereits vor der im September 2016 durchgeführten Gedenkwoche für Familie Dr. Marx, zu der Herr Kolman eingeladen wurde, gab dieser zu verstehen, er komme gerne, bitte aber doch, dass für Familie Marx – vor allem auch für die beiden umgekommenen Cousinen – eine kleine Gedenktafel am ehemaligen Ärztehaus angebracht wurde. Diese Bitte wurde im Vorfeld des Besuches vom Gemeinderat Neuweiler abgelehnt. Auch eine kleine Gedenkfeier, die Pfarrer i.R. Ulrich Müller zusammen mit seinem Kollegen in Neuweiler am Ende der Gedenkwoche am ehemaligen Ärztehaus zusammen leitete und bei der ein Gast aus Israel das Kaddisch sprach, war unerwünscht, wurde aber durchgeführt. 
Nach einer mehrmonatigen Ruhephase in Sachen Gedenktafel, schrieb Herr Kolman einen Brief an den Bürgermeister und Gemeinderat Neuweiler mit der Bitte um ein Gedenktafel. Die Antwort lautete, das sei nicht mehr zeitgemäß. Darauf kam von Herrn Kolman ein noch deutlicherer Brief. Die Antwort darauf lautete: Zunächst solle – durch einen Historiker – die Geschichte der Opfer in der Gemeinde Neuweiler von 1933-1945 vollumfänglich aufgearbeitet werden, danach sehe man weiter. Darauf schrieb Ernst Kolman an Ministerpräsident Wilfried Kretschmann, der im März 2017 einen Staatsbesuch in Israel machte. Ab September 2017 begannen Kontakte mit dem Staatsministerium Stuttgart. Regierungsdirektorin Stéphanie Barth suchte am 8. November 2017 mit zwei MitarbeiterInnen das Gespräch mit dem Gemeinderat vor Ort. Es dauerte seine Zeit. Mitte Januar 2018 lag ein Entwurf des Gemeinderates zur Vorberatung vor. Demnach sollte auf einer etwas größeren Tafel neben dem Gedenken für Familie Marx auch an Ärzte der letzten Jahre erinnert werden, die in Neuweiler praktizierten und via QR - Code auch um Ärzte für die z. Zt. leerstehende Arztpraxis in Neuweiler geworben werden. Auf den Bericht des "Schwarzwälder Boten" über dieses Vorhaben erschienen entsetzte Leserbriefe. Weitere Briefe erreichten Bürgermeister und Gemeinderat direkt.
Im Sommer 2017 hatte Ernest Kolman  – nachdem sich in Sachen Gedenktafel in Neuweiler nichts tat - beim Bürgermeisteramt in Bad Teinach anfragen lassen, ob nicht wenigstens in Bad Teinach für seinen Onkel, der dort auch als Badearzt praktizierte, eine Gedenktafel errichtet werden könnte? Bürgermeister Wendel und Hotelier Scheidtweiler konnten sich dieses vorstellen und sprachen sich für die Anbringung einer Gedenktafel für Dr. Marx am dortigen Gartenhaus (wo sich einst das Warte- und Sprechzimmer von Dr. Marx befand aus). Innerhalb von 3 Wochen wurde die von Herrn Kolman geäußerte Bitte für Bad Teinach umgesetzt. Diese Information wurde am 20. Februar 2018 dem Bürgermeister und Gemeinderat Neuweiler und weiteren Personen intern mitgeteilt. Am 20. März tagte erneut der Gemeinderat und sprach sich nun auch für die Anbringung einer Gedenktafel aus. Am 23. April 2018 konnte die Gedenktafel aufgestellt werden.
   
 
September 2016: Gedenkwoche an die Familie Dr. Eugen Marx   
Artikel von Alfred Verstl im "Schwarzwälder Boten" vom 22. September 2016: "Neuweiler. Ein Mahnmal auf zwei Beinen
Am 26. September beginnt eine Gedenkwoche an die jüdische Familie Eugen Marx, die von 1929 bis 1933 in Neuweiler gelebt hat. Aus diesem Anlass kommt der Zeitzeuge Ernest Kolman in den Nordschwarzwald.
Neuweiler/Freudenstadt.
Er bezeichnet sich selbst gerne als 'Mahnmal auf zwei Beinen'. Seit Jahrzehnten besucht der inzwischen 90-jährige Ernest Kolman regelmäßig von London aus seine Heimatstadt Wesel und spricht dort jedes Jahr zum Holocaust-Gedenken am 8./9. November 'Gegen das Vergessen'. Jetzt kommt der Neffe des jüdischen Mediziners Eugen Marx, der in Neuweiler praktizierte und Badearzt in Bad Teinach war, aus England in den Nordschwarzwald. Für sein Alter noch rüstig und geistig rege, dürfte der 1926 in Wesel am Niederrhein als Ernst Kohlmann Geborene einer der letzten Zeitzeugen der Judenverfolgung während der NS-Zeit sein.
Bis 1933 erlebte er eine unbeschwerte Kindheit. Kolman erlebte, wie er berichtet, bis 1933 eine unbeschwerte Kindheit. Er erinnert sich besonders gern an die Besuche bei Onkel Eugen im Schwarzwald. Doch schon bald nach der Machtergreifung der Nazis 1933 wird alles anders. Marx wird von Nationalsozialisten brutal zusammengeschlagen und kommt vorübergehend in Schutzhaft in das KZ Heuberg bei Balingen. Danach flieht die Familie nach Köln. Dort erkrankt Ehefrau Karoline und stirbt. Der Arzt wird 1938 erneut verhaftet. Er wird mit der Auflage entlassen, Deutschland zu verlassen. Marx flüchtet über Italien und die chinesische Hafenstadt Schanghai in die USA. Er praktiziert wieder als Arzt und stirbt 1965 in Chicago. Marx hofft, seine Kinder Rosemarie und Ruth nachkommen lassen zu können. Die Mädchen leben im jüdischen Kinderheim in Köln. Alle Bewohner werden jedoch in ein Vernichtungslager im weißrussischen Minsk deportiert. Dort werden seine Töchter, neun und sechs Jahre alt, 1942 von den Nazis umgebracht.
Mit letztem Transport nach Großbritannien. Kolman selbst gelangt mit einem der letzen Kindertransporte nach Großbritannien, wo er bis heute lebt. Seine Eltern hat er nicht wiedergesehen. 1988 – 50 Jahre nach der Pogromnacht – besucht er erstmals wieder Wesel. Kolman: 'Es war ein Treffen mit großen Vorbehalten auf beiden Seiten.' Inzwischen habe sich vieles zum Guten gewendet. Ernest Kolman ist heute Ehrenbürger seiner Heimatstadt. Den Neffen von Eugen Marx ausfindig zu machen, war gar nicht so einfach. Als der ehemalige Pfarrer Ulrich Müller, der heute in Baiersbronn lebt, die Biografie des jüdischen Mediziners Carl Beer (1885-1969) erforschte, der 1918 als junger Arzt nach Freudenstadt gekommen war, entstand in Neuweiler Interesse, das Leben von Eugen Marx zu erforschen. Es bildete sich ein Arbeitskreis, dem neben dem früheren Freudenstädter Pfarrer der Calwer Kreisarchivar Martin Frieß, Martin Seeger (Neuweiler), Gabriel Stängle, Lehrer (Nagold) und Norbert Weiss, Lehrer i.R. (Calw) angehören. Müller hat Kolman erst über eine Anfrage beim United States Holocaust Memorial Museum in Washington ausfindig gemacht. Weitere Recherchen im Internet haben ergeben, dass Ernest Kolman in London lebt.
Die Gedenkwoche an die Familie des jüdischen Arztes Eugen Marx, der mit seiner Familie von 1929 bis 1933 in Neuweiler gelebt hat, beginnt am Montag, 26. September. Der 90-jährige Ernest Kolman, Neffe von Eugen Marx, reist aus London an und wird Hauptredner bei einer Gedenkveranstaltung ab 19.30 Uhr in der Waldschule Neuweiler sein. Zudem wird dieser Zeitzeuge am Donnerstag, 29. September, ab 19.30 Uhr in der Remigiuskirche in Nagold sprechen. Kolman besucht darüber hinaus Schulklassen, so an der Waldschule Neuweiler, dem Hermann Hesse-Gymnasium Calw, der Realschule Altensteig sowie an der Christiane-Herzog-Realschule in Nagold. Am Dienstag, 27. September, wird der Gast aus England von Bürgermeister Markus Wendel im Rathaus von Bad Teinach-Zavelstein empfangen, wo Marx als Badearzt gewirkt hat. Am Donnerstag, 29. September, trägt sich Kolman auf Einladung von Oberbürgermeister Jürgen Großmann ins Goldene Buch der Stadt Nagold ein."  
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Juni 2017: Vor Anbringung einer Gedenktafel soll nach Bürgermeister und Gemeinderat erst die NS-Zeit aufgearbeitet werden   
Artikel von Steffi Stocker im "Schwarzwälder Boten" vom 6. Juni 2017: "Neuweiler.  Zuerst gesamte NS-Zeit aufarbeiten
Der Erinnerung an den jüdischen Arzt Eugen Marx sowie an die Familie von Pfarrer Reinhold Schmälzle widmen sich in Neuweiler interessierte Heimatforscher. In der Gemeinderatssitzung wurde deshalb die Anfrage zu einem Gedenkstein gestellt.
Neuweiler
. 'Wie stehen Bürgermeister und Gemeinderat zu der Aufarbeitung, und kann parallel dazu ein runder Tisch gebildet werden, um ein Denkmal zu errichten?', erkundigte sich Ulrich Müller, Pfarrer i. R. aus Baiersbronn, der bereits an den Recherchen beteiligt ist.
Mit rundem Tisch soll Anliegen nicht auf lange Bank geschoben werden. Wie berichtet, hatte ein Initiativkreis, bestehend aus ihm, Martin Seeger, dem Calwer Kreisarchivar Martin Frieß, Norbert Weiss, Lehrer i.R. (Calw) und dem Nagolder Lehrer Gabriel Stängle, es ermöglicht, dass der Neffe von Eugen Marx, Ernest Kolman aus London im vergangenen Jahr zu Besuch kam. Müller mahnte, das Anliegen, ein Denkmal nicht auf die lange Bank zu schieben und dafür neben Bürgermeister und einigen Gemeinderäten auch Vertreter der Kirchengemeinde sowie des Initiativkreises zusammenzubringen. 'Neuweiler genoss sowohl bei dem Pfarrer, als auch dem Arzt große Wertschätzung. Kopien entsprechender Briefe werden mir zugeschickt', berichtete Müller.
Marx praktizierte fünf Jahre in Neuweiler und Bad Teinach. Zur Erinnerung: Der Arzt praktizierte zwischen 1929 und 1934 in Neuweiler und Bad Teinach. Seine beiden Töchter wurden, neun- und elfjährig, 1942 in einem Lager in Minsk ermordet. Marx selbst gelang die Auswanderung nach Amerika. Die Pfarrfamilie von Reinhold Schmälzle sah sich der Verfolgung ausgesetzt, weil die Ehefrau von Schmälzle, die geborene Martha Serkin, Jüdin war und ihre vier Kinder der Ideologie zufolge deshalb als Halbjuden galten. 'Wichtig ist es uns, zuerst die gesamte Zeit aufzuarbeiten', bat Bürgermeister Martin Buchwald den Pfarrer i.R., die Anfrage auch schriftlich einzureichen. Gleichzeitig verwies er auf die in seinen Augen 'mutige Entscheidung des Gemeinderats' und stellte eine schriftliche Stellungnahme in Aussicht. Schnell sein lohnt sich!"
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Januar 2018: Gemeinderat möchte Gedenktafel mit "Werbeaufruf für Allgemeinmediziner" 
Artikel von Lukas Werthenbach im "Schwarzwälder Boten" vom 25. Januar 2018: "Eine Würdigung der Ärzte im Ort. Kommunales. Neuweiler Gemeinderat beschließt Auftrag für Gedenktafel / Integration von QR-Codes.
Der Gemeinderat in Neuweiler hat beschlossen, die Erarbeitung einer Schautafel zur Würdigung von Ärzten in Auftrag zu geben. Hintergrund ist ein Antrage der 'Initiative zum Gedenken an Dr. Marx'....
Zum Lesen des Artikels bitte Textabbildung anklicken.  
 
März 2018: Der Gemeinderat in Neuweiler stimmt "zähneknirschend" einer Gedenktafel zu  
Artikel von Lukas Werthenbach im "Schwarzwälder Boten" vom 27. März 2018: "Neuweiler Gedenktafel: Räte stimmen zähneknirschend zu
Neuweiler -
Etwas zähneknirschend hat der Neuweiler Gemeinderat der Errichtung einer Gedenktafel für den jüdischen Arzt Eugen Marx zugestimmt. Er hatte von 1930 bis 1933 auch in Neuweiler praktiziert – und fiel mit seiner Familie den Nazis zum Opfer. Dass einige Gemeinderäte vor der Abstimmung – drei Gegenstimmen und eine Enthaltung – ihren Unmut äußerten, lag weniger an der grundsätzlichen Idee eines Gedenkens. Vielmehr zeigten sich mehrere Ratsmitglieder verärgert über die Art und Weise, wie die Entscheidung darüber zustande kam.
Vorgeschichte. Im Herbst 2016 hatte die heutige 'Initiative zum Gedenken an Dr. Marx' Ernest Kolman, den damals 90-jährigen Neffen des Arztes, zu einer Gedenkwoche in den Schwarzwald eingeladen. Er reiste aus London an, um unter anderem in der Waldschule in Neuweiler vor Schülern über seine Erfahrungen in der Nazizeit zu sprechen. Kolman äußerte immer wieder den Wunsch, dass als Gegenleistung in Neuweiler – wo er auch mehrmals seinen Onkel besucht hatte – eine Gedenktafel für Marx und dessen Familie errichtet wird. Der Initiativkreis unterstützte dies ausdrücklich, nachdem die Gemeinde Neuweiler anfangs wenig Interesse an einem Gedenken bekundet hatte. In der Folge stimmte sich die Gemeinde mit dem baden-württembergischen Staatsministerium für Erinnerungskultur ab, und der Gemeinderat veranstaltete einen Workshop. Anfang dieses Jahres stimmte das Gremium über einen Entwurf ab, der das Gedenken an die Familie Marx mit der Erwähnung weiterer Neuweiler Ärzte kombinieren sollte. Die Gemeinde verstand diesen Entwurf auch als 'Werbeaufruf für Allgemeinmediziner', was in mehreren Leserbriefen an den Schwarzwälder Boten scharf kritisiert wurde.
Entwurf. Der Titel der Gedenktafel, deren Erstellung der Gemeinderat nun zugestimmt hat, lautet 'Erinnerung für die Zukunft'. Die Tafel soll an der Stelle des ehemaligen Arzthauses von Neuweiler aufgestellt werden. Der Text erklärt, dass Marx mit seiner Familie dort wohnte und von der Bevölkerung 'sehr geschätzt'­ wurde. Die Geschichte der Vertreibung der Familie wird erzählt, und ein eigener Abschnitt samt Foto widmet sich dem 'Schicksal der Kinder' des Arztes. Entgegen dem Beschluss von Januar steht die Familie Marx nun allein im Fokus des Gedenkens, weitere Ärzte werden nicht erwähnt. Die Kosten für Anfertigung und Aufstellen der Tafel betragen laut Gemeindeverwaltung 5000 Euro.
Beratungen. Die Gemeinde sei zur Errichtung dieser Tafel 'von irgendwelchen Erben mehr oder weniger gezwungen' worden, wie Gemeinderat Bernd Greule sagte. Den meisten sei klar, dass es 'in dieser schwarzen Vergangenheit Unrecht gegeben hat'. Aber so, wie 'das im Grundsatz gelaufen ist', wolle er der Errichtung nicht zustimmen. Kurz vor der Abstimmung meldete sich Greule noch mal zu Wort: 'Dass wir so dazu gezwungen werden können, kotzt mich richtig an.' Auch Rat Dieter Seeger signalisierte seine Ablehnung: 'Ich bin dagegen, sich von anderen ins Bockshorn jagen zu lassen.' Bürgermeister Martin Buchwald bestätigte später, dass die Äußerungen der Initiatoren 'in der Formulierung nicht glücklich' gewesen seien. Gemeinderat Werner Stockinger erinnerte an mehrere öffentliche kritische Reaktionen auf den Beschluss vom Januar und warb dafür, das Thema abzuschließen: 'Ich finde das gut so.' So sah es auch Rätin Doris Hammann: Man solle die Tafel aufstellen, damit 'endlich Ruhe ist'. Es sei 'keine schöne Sache', wie sie zustande gekommen sei. So müsse man letztlich 'den Initiatoren gerecht werden'. Ratskollege Rainer Hanselmann will die Angelegenheit ebenfalls 'endlich abschließen'. Er ergänzte, dass man es auch mit der Aufarbeitung anderer Opfer probiert habe, wobei das Landratsamt Calw nicht gerade kooperiert habe. Der nun vorliegende Entwurf sei 'okay'.
Unter anderem Gemeinderätin Regina Schmid zeigte sich verwundert darüber, dass auf der Tafel nun doch nicht weitere Neuweiler Ärzte erwähnt werden sollen. Darauf erklärte der Bürgermeister, dass man sich nach 'Diskussionen mit allen möglichen Leuten' dazu entschieden habe, dass der neue Entwurf 'eine gute Sache' sei, die den Grausamkeiten des NS-Regimes gerecht werde. Schmid beklagte eine 'Selbstdarstellung' des Initiativkreises und sprach sich dafür aus, der Tafel einen allgemein formulierten Satz für andere Opfer des Nationalsozialismus hinzuzufügen. Buchwald antwortete darauf, dass unter anderem in Gesprächen mit dem Staatsministerium deutlich geworden sei, dass eine 'allgemeingültige' Form des Gedenkens heutzutage 'nicht mehr als positiv gesehen' werde. Darauf erklärte Rätin Karin Schmidt, dass sie dagegen sei, erneut etwas an dem Entwurf zu ändern. Man solle lieber jetzt zustimmen, um als Gemeinde das 'Gesicht einigermaßen zu wahren'."
Link zum Artikel  
 
April 2018: Bericht zur Einweihung der Gedenktafel  
Bericht im "Amts- und Mitteilungsblatt" Neuweiler am 3. Mai 2018 zur Einweihung der Gedenktafel: "Gedenktafel für Familie Marx in Neuweiler enthüllt
Auf dem Grundstück des ehemaligen Ärztehauses in der Nagolder Straße in Neuweiler wurde am Montag, 23. April die Gedenktafel für Familie Marx feierlich eingeweiht. Zur Enthüllung begrüßen konnte Bürgermeister Martin Buchwald den Neffen von Dr. Marx Ernest Kolman, der zum Termin aus England angereist war, wie auch seinen Sohn Timothy Kolman, der die Reise aus seinem Heimatland Amerika auf sich genommen hatte. Regierungsdirektorin Stéphanie Barth wohnte als Vertreterin des Staatsministeriums Baden-Württemberg ebenfalls der Veranstaltung bei. Nach der musikalischen Einleitung von Pfarrer Tobias Lehmann begrüßte der Bürgermeister zudem stellvertretend für den 'Initiativkreis Gedenken Dr. Marx' Pfarrer Ulrich Müller, David Holinstat als Mitglied des Vorstands der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg, Pfarrer Dr. Joachim Hahn der für die Erinnerungsarbeit im christlich jüdischen Bereich in der Landeskirche Württemberg verantwortlich zeichnet sowie Herrn Gabriel Stängle von der Realschule Calw, der mit seiner Klasse die Aufarbeitung der Historie von Ausgrenzung und Verfolgung der Juden im Kreis Calw zwischen 1933 und 1945 erarbeitet und das viel beachtete Buch 'Wir waren froh als es vorbei war' veröffentlicht hat. In seiner ergreifenden Ansprache führte Ernest Kolman, einer der wenigen verbliebenen Zeitzeugen der Naziherrschaft, die Anwesenden in eine Zeit der Schreckensherrschaft und Verfolgung Unschuldiger zurück. Insbesondere das Schicksal seiner beiden Cousinen Ruth und Rosemarie, die 1942 im Kindesalter von den Nazis bei einer Massenhinrichtung nahe der weißrussischen Hauptstadt Minsk erschossen wurden, ergriff die Teilnehmer zusehends. Für den Einsatz von Initiativkreis Gemeinderat und Gemeindeverwaltung zur Umsetzung der Ehrentafel dankte sein Sohn Timothy Kolman allen Beteiligten. David Holinstat betonte in seiner Ansprache, dass es nicht um persönliche Schuldzuweisungen gehe, sondern darum, an ein unmenschliches System zu erinnern. Dieses zu vergessen berge die Gefahr der Wiederholung. Anzeichen hierfür sah er in der zunehmenden Anzahl antisemitischer Straftaten in Deutschland. An die Haltung der Deutschen Evangelischen Kirche in dieser Zeit erinnerte Joachim Hahn mit seinen Worten und für den Landkreis sprach Kreisarchivar Martin Frieß. Dieser erinnerte an die Auszeichnung von Eugen Marx im Ersten Weltkrieg mit dem Eisernen Kreuz Erster Klasse. Der bewegendste Moment der Feier war die Erteilung des christlichen Segens für Ernest Kolman durch Pfarrer Ulrich Müller. Nach abschließenden Worten durch Pfarrer Lehmann und dem musikalischen Rahmen fand auf Einladung der Evangelischen Kirchengemeinde Neuweiler ein Ständerling im Johannes-Seitz-Gemeindehaus statt, bei dem die rund 100 Teilnehmer von der Möglichkeit zum Gedankenaustausch mit Ernest Kolman und Timothy Kolman rege Gebrauch machten."  

    
      

     
Links und Literatur   

Links:  

bulletWebsite der Gemeinde Neuweiler 
bulletZeitzeugenberichte Ernest Kolman u.a.: https://www.papierblatt.de/ueberlebende/ernest-kolman.html  und http://www.kindertransporte-nrw.eu/kolman/kolman_bio_1.html  
bulletWikipedia-Artikel Ernest Kolman: https://de.wikipedia.org/wiki/Ernest_Kolman   
bulletPresseartikel von Alfred Verstl im "Schwarzwälder Boten" vom 20. Januar 2021 zum Tod von Ernest Kolman: "Das Wachrütteln bleibt sein Vermächtnis. Nachruf. Holocaust-Überlebender Ernest Kolman verstorben..." Link zum Artikel (pdf-Datei).      
bulletBericht über Schulbesuch von Ernest Kolman im Hermann-Hesse-Gymnasium  http://www.hhg-calw.de/index.php/hhg-aktuell/neuigkeiten/30-neuigkeiten/43-preis-der-freiheit-ist-stetige-wachsamkeit
bulletEnglischer Bericht zur Einweihung der Gedenktafel: "Addendum to the commemorative plaque unveiling on April 23, 2018 in Neuweiler":   https://www.footstepsonline.com/media/articles/246473_addendum-to-the-commemorative-plaque-unveiling-on-april-23-2018-in-neuweiler  
bullet Interview von Norbert Weiß mit der Zeitzeugin Marie Hanselmann 1983 über Dr. Marx (pdf-Datei, Quelle: Gemeindearchiv Neuweiler).
bullet Chronik Dr. Eugen Marx (1896-1965) - erarbeitet von Ulrich Müller, Stand: 24.4.2016 (als pdf-Datei eingestellt). 

Literatur:  

bulletGabriel Stängle mit Sebastian Röhrle, Jeremias Viehweg, Fabian Gote, Pascal Grimm und Kevin Schmidt (Hrsg. Christiane-Herzog-Realschule Nagold): "Wir waren froh, als es vorbei war": die Ausgrenzung und Verfolgung von Juden im Kreis Calw zwischen 1933-1945. Horb am Neckar: Geigerdruck GmbH 2017 143 S. Ill. Karten  ISBN 978-3865956491. 

     
      

                   
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Stand: 30. Juni 2020