Eingangsseite
Aktuelle Informationen
Jahrestagungen von Alemannia Judaica
Die Mitglieder der
Arbeitsgemeinschaft
Jüdische Friedhöfe
(Frühere und bestehende) Synagogen
Übersicht: Jüdische Kulturdenkmale
in der Region
Bestehende jüdische Gemeinden
in der Region
Jüdische Museen
FORSCHUNGS-
PROJEKTE
Literatur und Presseartikel
Adressliste
Digitale Postkarten
Links
| |
zurück zur Übersicht "Synagogen in der Region"
zu den Synagogen in
Baden-Württemberg
Neuweiler (Kreis
Calw)
Jüdische Geschichte
Übersicht:
Zur jüdischen Geschichte
in Neuweiler
In Neuweiler gab es zu keiner Zeit eine jüdische
Gemeinde. Nur vereinzelt lebten im 19./20. Jahrhundert jüdische Personen am Ort.
Von 1929 bis 1933/34 war Dr. Eugen
Marx in Neuweiler als Praktischer Arzt tätig. Dr. Eugen Marx ist 1896 in Siegburg geboren, studierte in Bonn und Köln
Medizin, war Teilnehmer des 1. Weltkrieges (dreieinhalb Jahre Frontsoldat,
ausgezeichnet mit dem EK I), machte sein Medizinal-Praktikum in Frankfurt/Main und trat
1929, nach der Eheschließung mit Karola (Carola) geb. Bender aus Frankfurt
(evangelische Konfessionszugehörigkeit), die Stelle als praktischer Arzt für die Gemeinde Neuweiler und
Umgebung sowie als Badearzt für Bad Teinach an.
Dr. Marx war in der Bevölkerung sehr geschätzt. Am 6. Mai 1931 ist in Nagold
die Tochter Ruth Elisabeth Marx geboren. Im September 1933, seine Frau war mit dem zweiten Kind schwanger, wurde Dr. Marx spät in der Nacht im Ärztehaus in Neuweiler von SA-Schlägern brutal überfallen und darauf in das KZ Heuberg gebracht.
Erst nach sechs Wochen konnte er nach Neuweiler zurückkehren.
Am 11. November 1933 ist in Nagold die Tochter Rosemarie Marx geboren
(Dokument zu ihrer Taufe aus dem Taufregister siehe unten; die Taufpaten waren
die Haushälterin Marie Keppler sowie die Eltern von Ernst Kohlmann, Martin und
Paula Kohlmann). Nach Verlust der Approbation zog die Familie
1934 nach Köln, wo Karola Marx im folgenden Jahr starb. In Köln übernahm Eugen Marx Vertretungen für jüdische Ärzte. Seine
beiden Kinder fanden bei seiner Schwester, Frieda Kohlman geb. Marx in Köln, eine neue Familie. Sie wuchsen zusammen mit
deren Kindern Ernst und Margrit auf und kamen später in das jüdische Waisenhaus in Köln. Die Kindertransporte nach England im Januar 1939 waren für Ernst Kohlmann und viele andere
"Wege ins Leben" (so der Film in "ZDF–History" im Herbst 2018 an dem er mitwirkte).
1938 wurde Dr. Marx von der GESTAPO in Köln/Bonn um 5.000.- RM erpresst und musste darauf innerhalb von 24 Stunden Deutschland verlassen. Er floh über Genua nach Shanghai, wo er mit
Lina geb. Wiener die Ehe schloss (Fotos unten). Mit ihr emigrierte er 1948 in die USA. Er konnte in Chicago noch einige Zeit als Arzt arbeiten, war etwa Mitte der 50-er Jahre in Deutschland zu Besuch und starb 1965 in Chicago
(Grab siehe
https://de.findagrave.com/memorial/184455817/eugene-n_-marx).
Seine beiden Töchter Ruth und Rosemarie wurden im Juli 1942 mit 1.164 Kölner Juden zur Vernichtungsstätte Maly Trostinec bei Minsk deportiert und dort umgehend ermordet. Sie waren 11 und 8 Jahre alt.
Hinweis auf den Gemeindepfarrer Schmälzle und seine Frau: in Neuweiler
war von 1927 bis 1938 evangelischer Pfarrer am Ort Reinhold Schmälzle
(geb. 1901 in Korntal). Er war verheiratet mit der Keramikerin Martha geb.
Serkin. Sie ist 1906 als siebtes von acht Kindern des jüdischen Opernsängers
und Kantors Mordko (Max) Sterkin und seiner Frau Auguste geb. Schargel in Eger
geboren. Ein Bruder von Martha war der weltbekannte Rudolf Serkin (Wikipedia-Artikel
https://de.wikipedia.org/wiki/Rudolf_Serkin). Die Familie war von Eger
nach Wien gezogen, wo Marthe die Wiener Kunstgewerbeschule besuchte und den
Meisterabschluss für Keramik machte. Sie fand Anstellung in der Majolika-Fabrik
in Schramberg und lernte dort den angehenden Pfarrer (Vikar) Reinhold Schmälzle
kennen. Da sie als Frau eines evangelischen Pfarrers damals evangelisch sein
musste, ließ sie sich am 12. Juli 1928 taufen. 1927 kam Reinhold Schmälzle als
Pfarrverweser nach Neuweiler, ab Ende 1928 wurde er ständiger Pfarrer in der
Gemeinde. Nach 1933 bekam Reinhold Schmälzle immer größere Probleme mit
Nationalsozialisten auf Grund seiner Ehe mit einer "Nicht-Arierin", u.a.
unterbrach ein SA-Sturm 1935 einen Traugottesdienst Schmälzles in Agenbach. Da
die Schwierigkeiten immer größer wurden, folgte Schmälzle im April 1938 einem
Ruf der Evangelischen Gesellschaft in St. Gallen auf eine dortige
Theologenstelle. 1954 starb Martha Schmälzle nach einer schweren Erkrankung.
1957 kehrte Reinhold Schmälzle nach Württemberg zurück, wo er bis 1964 im
Pfarrdienst blieb. Er starb am 14. März 1969.
Link zu einer
Seite in der Website der Kirchengemeinde Neuweiler
Literatur: Siegfried Hermle: Eine Pfarrfamilie im Schatten des Arierparagraphen.
Blätter für württembergischen Kirchengeschichte 106 2006.
Von den in Neuweiler geborenen und/oder längere Zeit am Ort
wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Rosemarie Marx
(1933), Ruth Elisabeth Marx (1931).
Fotos / Dokumente
Erinnerungsarbeit vor
Ort - einzelne Berichte
2016/18:
Von den Schwierigkeiten der
Erinnerungsarbeit in Neuweiler |
Im Frühjahr 2016 wurde in
Neuweiler ein "Initiativkreis Gedenkwoche für Familie Dr. Marx"
gegründet. Zu ihm gehörten u.a. Pfarrer i.R. Ulrich Müller, die beiden Realschullehrer Gabriel Stängle und Norbert Weiss,
Martin Seeger (Neuweiler) sowie der Kreisarchivar, Martin Friess, Calw. Sie alle engagierten sich in unterschiedlicher Weise bei der Aufarbeitung des Schicksals der jüdischen Bevölkerung sowie der polnischen Zwangsarbeiter in der Region
Nordschwarzwald. Aufgenommen werden konnte ein Kontakt mit dem Neffen von Dr.
Eugen Marx: Ernest Kolman.
Bereits vor der im September 2016 durchgeführten Gedenkwoche für Familie
Dr. Marx, zu der Herr Kolman eingeladen wurde, gab dieser zu verstehen, er komme gerne, bitte aber doch, dass für Familie Marx – vor allem auch für
die beiden umgekommenen Cousinen – eine kleine Gedenktafel am ehemaligen Ärztehaus angebracht wurde. Diese Bitte wurde
im Vorfeld des Besuches vom Gemeinderat Neuweiler abgelehnt. Auch eine kleine Gedenkfeier, die
Pfarrer i.R. Ulrich Müller zusammen mit seinem Kollegen in
Neuweiler am Ende der Gedenkwoche am ehemaligen Ärztehaus zusammen leitete und bei der ein Gast aus Israel das Kaddisch sprach, war unerwünscht,
wurde aber durchgeführt.
Nach einer mehrmonatigen Ruhephase in Sachen Gedenktafel, schrieb Herr Kolman einen Brief an den Bürgermeister und Gemeinderat
Neuweiler mit der Bitte um ein Gedenktafel. Die Antwort lautete, das sei nicht mehr zeitgemäß. Darauf kam von Herrn Kolman ein noch deutlicherer Brief. Die Antwort darauf lautete: Zunächst solle – durch einen Historiker – die Geschichte der Opfer in der Gemeinde Neuweiler von 1933-1945 vollumfänglich aufgearbeitet werden, danach sehe man weiter.
Darauf schrieb Ernst Kolman an Ministerpräsident Wilfried Kretschmann, der im März 2017 einen Staatsbesuch in Israel machte. Ab September 2017 begannen Kontakte
mit dem Staatsministerium Stuttgart. Regierungsdirektorin Stéphanie Barth suchte am 8. November 2017 mit zwei MitarbeiterInnen das Gespräch mit dem Gemeinderat vor Ort. Es dauerte seine Zeit. Mitte Januar 2018 lag ein Entwurf des Gemeinderates zur Vorberatung vor. Demnach sollte auf einer etwas größeren Tafel neben dem Gedenken für Familie Marx auch an Ärzte der letzten Jahre erinnert werden, die in Neuweiler praktizierten und via QR - Code auch um Ärzte für die z. Zt. leerstehende Arztpraxis in Neuweiler geworben werden.
Auf den Bericht des "Schwarzwälder Boten" über dieses Vorhaben erschienen
entsetzte Leserbriefe. Weitere Briefe erreichten Bürgermeister und Gemeinderat direkt.
Im Sommer 2017 hatte Ernest Kolman – nachdem sich in Sachen Gedenktafel in Neuweiler nichts tat - beim Bürgermeisteramt in
Bad Teinach anfragen lassen, ob nicht wenigstens in Bad Teinach für seinen Onkel, der dort auch als Badearzt praktizierte, eine Gedenktafel errichtet werden könnte? Bürgermeister
Wendel und Hotelier Scheidtweiler konnten sich dieses vorstellen und
sprachen sich für die Anbringung einer Gedenktafel für Dr. Marx am dortigen
Gartenhaus (wo sich einst das Warte- und Sprechzimmer von Dr. Marx befand
aus).
Innerhalb von 3 Wochen wurde die von Herrn Kolman geäußerte Bitte für Bad Teinach umgesetzt. Diese Information
wurde am 20. Februar 2018 dem Bürgermeister und Gemeinderat Neuweiler und weiteren Personen intern
mitgeteilt. Am 20. März tagte erneut der Gemeinderat und sprach sich nun
auch für die Anbringung einer Gedenktafel aus. Am 23. April 2018 konnte die
Gedenktafel aufgestellt werden. |
|
September 2016:
Gedenkwoche an die Familie Dr.
Eugen Marx |
Artikel
von Alfred Verstl im "Schwarzwälder Boten" vom 22. September
2016:
"Neuweiler. Ein Mahnmal auf zwei Beinen
Am 26. September beginnt eine Gedenkwoche an die jüdische Familie Eugen
Marx, die von 1929 bis 1933 in Neuweiler gelebt hat. Aus diesem Anlass kommt
der Zeitzeuge Ernest Kolman in den Nordschwarzwald.
Neuweiler/Freudenstadt. Er bezeichnet sich selbst gerne als 'Mahnmal auf
zwei Beinen'. Seit Jahrzehnten besucht der inzwischen 90-jährige Ernest
Kolman regelmäßig von London aus seine Heimatstadt Wesel und spricht dort
jedes Jahr zum Holocaust-Gedenken am 8./9. November 'Gegen das Vergessen'.
Jetzt kommt der Neffe des jüdischen Mediziners Eugen Marx, der in Neuweiler
praktizierte und Badearzt in Bad Teinach war, aus England in den
Nordschwarzwald. Für sein Alter noch rüstig und geistig rege, dürfte der
1926 in Wesel am Niederrhein als Ernst Kohlmann Geborene einer der letzten
Zeitzeugen der Judenverfolgung während der NS-Zeit sein.
Bis 1933 erlebte er eine unbeschwerte Kindheit. Kolman erlebte, wie
er berichtet, bis 1933 eine unbeschwerte Kindheit. Er erinnert sich
besonders gern an die Besuche bei Onkel Eugen im Schwarzwald. Doch schon
bald nach der Machtergreifung der Nazis 1933 wird alles anders. Marx wird
von Nationalsozialisten brutal zusammengeschlagen und kommt vorübergehend in
Schutzhaft in das KZ Heuberg bei Balingen. Danach flieht die Familie nach
Köln. Dort erkrankt Ehefrau Karoline und stirbt. Der Arzt wird 1938 erneut
verhaftet. Er wird mit der Auflage entlassen, Deutschland zu verlassen. Marx
flüchtet über Italien und die chinesische Hafenstadt Schanghai in die USA.
Er praktiziert wieder als Arzt und stirbt 1965 in Chicago. Marx hofft, seine
Kinder Rosemarie und Ruth nachkommen lassen zu können. Die Mädchen leben im
jüdischen Kinderheim in Köln. Alle Bewohner werden jedoch in ein
Vernichtungslager im weißrussischen Minsk deportiert. Dort werden seine
Töchter, neun und sechs Jahre alt, 1942 von den Nazis umgebracht.
Mit letztem Transport nach Großbritannien. Kolman selbst gelangt mit
einem der letzen Kindertransporte nach Großbritannien, wo er bis heute lebt.
Seine Eltern hat er nicht wiedergesehen. 1988 – 50 Jahre nach der
Pogromnacht – besucht er erstmals wieder Wesel. Kolman: 'Es war ein Treffen
mit großen Vorbehalten auf beiden Seiten.' Inzwischen habe sich vieles zum
Guten gewendet. Ernest Kolman ist heute Ehrenbürger seiner Heimatstadt. Den
Neffen von Eugen Marx ausfindig zu machen, war gar nicht so einfach. Als der
ehemalige Pfarrer Ulrich Müller, der heute in Baiersbronn lebt, die
Biografie des jüdischen Mediziners Carl Beer (1885-1969) erforschte, der
1918 als junger Arzt nach Freudenstadt gekommen war, entstand in Neuweiler
Interesse, das Leben von Eugen Marx zu erforschen. Es bildete sich ein
Arbeitskreis, dem neben dem früheren Freudenstädter Pfarrer der Calwer
Kreisarchivar Martin Frieß, Martin Seeger (Neuweiler), Gabriel Stängle,
Lehrer (Nagold) und Norbert Weiss, Lehrer i.R. (Calw) angehören. Müller hat
Kolman erst über eine Anfrage beim United States Holocaust Memorial Museum
in Washington ausfindig gemacht. Weitere Recherchen im Internet haben
ergeben, dass Ernest Kolman in London lebt.
Die Gedenkwoche an die Familie des jüdischen Arztes Eugen Marx, der mit
seiner Familie von 1929 bis 1933 in Neuweiler gelebt hat, beginnt am Montag,
26. September. Der 90-jährige Ernest Kolman, Neffe von Eugen Marx, reist aus
London an und wird Hauptredner bei einer Gedenkveranstaltung ab 19.30 Uhr in
der Waldschule Neuweiler sein. Zudem wird dieser Zeitzeuge am Donnerstag,
29. September, ab 19.30 Uhr in der Remigiuskirche in Nagold sprechen. Kolman
besucht darüber hinaus Schulklassen, so an der Waldschule Neuweiler, dem
Hermann Hesse-Gymnasium Calw, der Realschule Altensteig sowie an der
Christiane-Herzog-Realschule in Nagold. Am Dienstag, 27. September, wird der
Gast aus England von Bürgermeister Markus Wendel im Rathaus von Bad
Teinach-Zavelstein empfangen, wo Marx als Badearzt gewirkt hat. Am
Donnerstag, 29. September, trägt sich Kolman auf Einladung von
Oberbürgermeister Jürgen Großmann ins Goldene Buch der Stadt Nagold ein."
Link zum Artikel |
|
Juni 2017:
Vor Anbringung einer Gedenktafel
soll nach Bürgermeister und Gemeinderat erst die NS-Zeit aufgearbeitet
werden |
Artikel von Steffi Stocker im "Schwarzwälder
Boten" vom 6. Juni 2017: "Neuweiler. Zuerst gesamte NS-Zeit
aufarbeiten
Der Erinnerung an den jüdischen Arzt Eugen Marx sowie an die Familie von
Pfarrer Reinhold Schmälzle widmen sich in Neuweiler interessierte
Heimatforscher. In der Gemeinderatssitzung wurde deshalb die Anfrage zu
einem Gedenkstein gestellt.
Neuweiler. 'Wie stehen Bürgermeister und Gemeinderat zu der
Aufarbeitung, und kann parallel dazu ein runder Tisch gebildet werden, um
ein Denkmal zu errichten?', erkundigte sich Ulrich Müller, Pfarrer i. R. aus
Baiersbronn, der bereits an den Recherchen beteiligt ist.
Mit rundem Tisch soll Anliegen nicht auf lange Bank geschoben werden.
Wie berichtet, hatte ein Initiativkreis, bestehend aus ihm, Martin Seeger,
dem Calwer Kreisarchivar Martin Frieß, Norbert Weiss, Lehrer i.R. (Calw) und
dem Nagolder Lehrer Gabriel Stängle, es ermöglicht, dass der Neffe von Eugen
Marx, Ernest Kolman aus London im vergangenen Jahr zu Besuch kam. Müller
mahnte, das Anliegen, ein Denkmal nicht auf die lange Bank zu schieben und
dafür neben Bürgermeister und einigen Gemeinderäten auch Vertreter der
Kirchengemeinde sowie des Initiativkreises zusammenzubringen. 'Neuweiler
genoss sowohl bei dem Pfarrer, als auch dem Arzt große Wertschätzung. Kopien
entsprechender Briefe werden mir zugeschickt', berichtete Müller.
Marx praktizierte fünf Jahre in Neuweiler und Bad Teinach. Zur
Erinnerung: Der Arzt praktizierte zwischen 1929 und 1934 in Neuweiler und
Bad Teinach. Seine beiden Töchter wurden, neun- und elfjährig, 1942 in einem
Lager in Minsk ermordet. Marx selbst gelang die Auswanderung nach Amerika.
Die Pfarrfamilie von Reinhold Schmälzle sah sich der Verfolgung ausgesetzt,
weil die Ehefrau von Schmälzle, die geborene Martha Serkin, Jüdin war und
ihre vier Kinder der Ideologie zufolge deshalb als Halbjuden galten.
'Wichtig ist es uns, zuerst die gesamte Zeit aufzuarbeiten', bat
Bürgermeister Martin Buchwald den Pfarrer i.R., die Anfrage auch schriftlich
einzureichen. Gleichzeitig verwies er auf die in seinen Augen 'mutige
Entscheidung des Gemeinderats' und stellte eine schriftliche Stellungnahme
in Aussicht. Schnell sein lohnt sich!"
Link zum Artikel |
|
Januar 2018:
Gemeinderat möchte Gedenktafel mit
"Werbeaufruf für Allgemeinmediziner" |
Artikel
von Lukas Werthenbach im "Schwarzwälder Boten" vom 25. Januar 2018: "Eine
Würdigung der Ärzte im Ort. Kommunales. Neuweiler Gemeinderat beschließt
Auftrag für Gedenktafel / Integration von QR-Codes.
Der Gemeinderat in Neuweiler hat beschlossen, die Erarbeitung einer
Schautafel zur Würdigung von Ärzten in Auftrag zu geben. Hintergrund ist ein
Antrage der 'Initiative zum Gedenken an Dr. Marx'....
Zum Lesen des Artikels bitte Textabbildung anklicken.
|
|
März 2018:
Der Gemeinderat in Neuweiler
stimmt "zähneknirschend" einer Gedenktafel zu |
Artikel von Lukas Werthenbach im
"Schwarzwälder Boten" vom 27. März 2018: "Neuweiler Gedenktafel: Räte
stimmen zähneknirschend zu
Neuweiler - Etwas zähneknirschend hat der Neuweiler Gemeinderat der
Errichtung einer Gedenktafel für den jüdischen Arzt Eugen Marx zugestimmt.
Er hatte von 1930 bis 1933 auch in Neuweiler praktiziert – und fiel mit
seiner Familie den Nazis zum Opfer. Dass einige Gemeinderäte vor der
Abstimmung – drei Gegenstimmen und eine Enthaltung – ihren Unmut äußerten,
lag weniger an der grundsätzlichen Idee eines Gedenkens. Vielmehr zeigten
sich mehrere Ratsmitglieder verärgert über die Art und Weise, wie die
Entscheidung darüber zustande kam.
Vorgeschichte. Im Herbst 2016 hatte die heutige 'Initiative zum
Gedenken an Dr. Marx' Ernest Kolman, den damals 90-jährigen Neffen des
Arztes, zu einer Gedenkwoche in den Schwarzwald eingeladen. Er reiste aus
London an, um unter anderem in der Waldschule in Neuweiler vor Schülern über
seine Erfahrungen in der Nazizeit zu sprechen. Kolman äußerte immer wieder
den Wunsch, dass als Gegenleistung in Neuweiler – wo er auch mehrmals seinen
Onkel besucht hatte – eine Gedenktafel für Marx und dessen Familie errichtet
wird. Der Initiativkreis unterstützte dies ausdrücklich, nachdem die
Gemeinde Neuweiler anfangs wenig Interesse an einem Gedenken bekundet hatte.
In der Folge stimmte sich die Gemeinde mit dem baden-württembergischen
Staatsministerium für Erinnerungskultur ab, und der Gemeinderat
veranstaltete einen Workshop. Anfang dieses Jahres stimmte das Gremium über
einen Entwurf ab, der das Gedenken an die Familie Marx mit der Erwähnung
weiterer Neuweiler Ärzte kombinieren sollte. Die Gemeinde verstand diesen
Entwurf auch als 'Werbeaufruf für Allgemeinmediziner', was in mehreren
Leserbriefen an den Schwarzwälder Boten scharf kritisiert wurde.
Entwurf. Der Titel der Gedenktafel, deren Erstellung der Gemeinderat
nun zugestimmt hat, lautet 'Erinnerung für die Zukunft'. Die Tafel soll an
der Stelle des ehemaligen Arzthauses von Neuweiler aufgestellt werden. Der
Text erklärt, dass Marx mit seiner Familie dort wohnte und von der
Bevölkerung 'sehr geschätzt' wurde. Die Geschichte der Vertreibung der
Familie wird erzählt, und ein eigener Abschnitt samt Foto widmet sich dem
'Schicksal der Kinder' des Arztes. Entgegen dem Beschluss von Januar steht
die Familie Marx nun allein im Fokus des Gedenkens, weitere Ärzte werden
nicht erwähnt. Die Kosten für Anfertigung und Aufstellen der Tafel betragen
laut Gemeindeverwaltung 5000 Euro.
Beratungen. Die Gemeinde sei zur Errichtung dieser Tafel 'von
irgendwelchen Erben mehr oder weniger gezwungen' worden, wie Gemeinderat
Bernd Greule sagte. Den meisten sei klar, dass es 'in dieser schwarzen
Vergangenheit Unrecht gegeben hat'. Aber so, wie 'das im Grundsatz gelaufen
ist', wolle er der Errichtung nicht zustimmen. Kurz vor der Abstimmung
meldete sich Greule noch mal zu Wort: 'Dass wir so dazu gezwungen werden
können, kotzt mich richtig an.' Auch Rat Dieter Seeger signalisierte seine
Ablehnung: 'Ich bin dagegen, sich von anderen ins Bockshorn jagen zu
lassen.' Bürgermeister Martin Buchwald bestätigte später, dass die
Äußerungen der Initiatoren 'in der Formulierung nicht glücklich' gewesen
seien. Gemeinderat Werner Stockinger erinnerte an mehrere öffentliche
kritische Reaktionen auf den Beschluss vom Januar und warb dafür, das Thema
abzuschließen: 'Ich finde das gut so.' So sah es auch Rätin Doris Hammann:
Man solle die Tafel aufstellen, damit 'endlich Ruhe ist'. Es sei 'keine
schöne Sache', wie sie zustande gekommen sei. So müsse man letztlich 'den
Initiatoren gerecht werden'. Ratskollege Rainer Hanselmann will die
Angelegenheit ebenfalls 'endlich abschließen'. Er ergänzte, dass man es auch
mit der Aufarbeitung anderer Opfer probiert habe, wobei das Landratsamt Calw
nicht gerade kooperiert habe. Der nun vorliegende Entwurf sei 'okay'.
Unter anderem Gemeinderätin Regina Schmid zeigte sich verwundert darüber,
dass auf der Tafel nun doch nicht weitere Neuweiler Ärzte erwähnt werden
sollen. Darauf erklärte der Bürgermeister, dass man sich nach 'Diskussionen
mit allen möglichen Leuten' dazu entschieden habe, dass der neue Entwurf
'eine gute Sache' sei, die den Grausamkeiten des NS-Regimes gerecht werde.
Schmid beklagte eine 'Selbstdarstellung' des Initiativkreises und sprach
sich dafür aus, der Tafel einen allgemein formulierten Satz für andere Opfer
des Nationalsozialismus hinzuzufügen. Buchwald antwortete darauf, dass unter
anderem in Gesprächen mit dem Staatsministerium deutlich geworden sei, dass
eine 'allgemeingültige' Form des Gedenkens heutzutage 'nicht mehr als
positiv gesehen' werde. Darauf erklärte Rätin Karin Schmidt, dass sie
dagegen sei, erneut etwas an dem Entwurf zu ändern. Man solle lieber jetzt
zustimmen, um als Gemeinde das 'Gesicht einigermaßen zu wahren'."
Link zum Artikel |
|
April 2018:
Bericht zur Einweihung der Gedenktafel |
Bericht im "Amts- und Mitteilungsblatt"
Neuweiler am 3. Mai 2018 zur Einweihung der Gedenktafel: "Gedenktafel für
Familie Marx in Neuweiler enthüllt
Auf dem Grundstück des ehemaligen Ärztehauses in der Nagolder Straße in
Neuweiler wurde am Montag, 23. April die Gedenktafel für Familie Marx
feierlich eingeweiht. Zur Enthüllung begrüßen konnte Bürgermeister Martin
Buchwald den Neffen von Dr. Marx Ernest Kolman, der zum Termin aus England
angereist war, wie auch seinen Sohn Timothy Kolman, der die Reise aus seinem
Heimatland Amerika auf sich genommen hatte. Regierungsdirektorin Stéphanie
Barth wohnte als Vertreterin des Staatsministeriums Baden-Württemberg
ebenfalls der Veranstaltung bei. Nach der musikalischen Einleitung von
Pfarrer Tobias Lehmann begrüßte der Bürgermeister zudem stellvertretend für
den 'Initiativkreis Gedenken Dr. Marx' Pfarrer Ulrich Müller, David
Holinstat als Mitglied des Vorstands der Israelitischen
Religionsgemeinschaft Württemberg, Pfarrer Dr. Joachim Hahn der für die
Erinnerungsarbeit im christlich jüdischen Bereich in der Landeskirche
Württemberg verantwortlich zeichnet sowie Herrn Gabriel Stängle von der
Realschule Calw, der mit seiner Klasse die Aufarbeitung der Historie von
Ausgrenzung und Verfolgung der Juden im Kreis Calw zwischen 1933 und 1945
erarbeitet und das viel beachtete Buch 'Wir waren froh als es vorbei war'
veröffentlicht hat. In seiner ergreifenden Ansprache führte Ernest Kolman,
einer der wenigen verbliebenen Zeitzeugen der Naziherrschaft, die Anwesenden
in eine Zeit der Schreckensherrschaft und Verfolgung Unschuldiger zurück.
Insbesondere das Schicksal seiner beiden Cousinen Ruth und Rosemarie, die
1942 im Kindesalter von den Nazis bei einer Massenhinrichtung nahe der
weißrussischen Hauptstadt Minsk erschossen wurden, ergriff die Teilnehmer
zusehends. Für den Einsatz von Initiativkreis Gemeinderat und
Gemeindeverwaltung zur Umsetzung der Ehrentafel dankte sein Sohn Timothy
Kolman allen Beteiligten. David Holinstat betonte in seiner Ansprache, dass
es nicht um persönliche Schuldzuweisungen gehe, sondern darum, an ein
unmenschliches System zu erinnern. Dieses zu vergessen berge die Gefahr der
Wiederholung. Anzeichen hierfür sah er in der zunehmenden Anzahl
antisemitischer Straftaten in Deutschland. An die Haltung der Deutschen
Evangelischen Kirche in dieser Zeit erinnerte Joachim Hahn mit seinen Worten
und für den Landkreis sprach Kreisarchivar Martin Frieß. Dieser erinnerte an
die Auszeichnung von Eugen Marx im Ersten Weltkrieg mit dem Eisernen Kreuz
Erster Klasse. Der bewegendste Moment der Feier war die Erteilung des
christlichen Segens für Ernest Kolman durch Pfarrer Ulrich Müller. Nach
abschließenden Worten durch Pfarrer Lehmann und dem musikalischen Rahmen
fand auf Einladung der Evangelischen Kirchengemeinde Neuweiler ein
Ständerling im Johannes-Seitz-Gemeindehaus statt, bei dem die rund 100
Teilnehmer von der Möglichkeit zum Gedankenaustausch mit Ernest Kolman und
Timothy Kolman rege Gebrauch machten." |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
 | Gabriel Stängle mit Sebastian Röhrle, Jeremias
Viehweg, Fabian Gote, Pascal Grimm und Kevin Schmidt (Hrsg.
Christiane-Herzog-Realschule Nagold): "Wir waren froh, als es vorbei war":
die Ausgrenzung und Verfolgung von Juden im Kreis Calw zwischen 1933-1945.
Horb am Neckar: Geigerdruck GmbH 2017 143 S. Ill. Karten ISBN
978-3865956491. |

vorherige Synagoge zur ersten Synagoge nächste Synagoge
diese Links sind noch nicht aktiviert
|