Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Urberach mit Ober-Roden (Stadt Rödermark, Kreis Offenbach)
Jüdische Geschichte / Synagoge

Übersicht:

bulletZur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
bulletBerichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
Berichte aus dem jüdischen Gemeindeleben  
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde   
Familienanzeigen   
Kennkarten aus der NS-Zeit    
bulletZur Geschichte der Synagoge   
bulletFotos / Darstellungen        
bulletErinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte             
bulletLinks und Literatur   

      

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english version)  
    
In dem bis 1816 zur Ysenburgischen Herrschaft gehörenden Urberach bestand eine kleine jüdische Gemeinde bis um 1935/38. Ihre Entstehung geht in die Zeit Ende des 18. Jahrhunderts zurück, als 1797 erstmals ein "Schutzjude" Jonas Abraham genannt wird. 
   
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie folgt: 1828 40 jüdische Einwohner, 1861 43 (2,8 % von insgesamt 1.518 Einwohnern), 1880 44 (2,8 % von 1.564), 1887 61 (nach dem "Statistischen Jahrbuch des Deutsch-Israelitischen Gemeindebundes"), um 1893 57 (in 10 Familien), 1894 (9 Familien), 1895/1897 40 (in 9 Familien), 1899 (mit Ober-Roden) 55 (in 13 Haushaltungen). Bis 1905 ging die Zahl auf 28 zurück, 1910 auf 24 (1,1 % von 2.112).     
   
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), vermutlich auch ein Unterrichtsraum für die jüdischen Kinder. Ob ein rituelles Bad vorhanden war, ist nicht bekannt. Gleichfalls ist nicht bekannt, ob zeitweise ein eigener jüdischer Religionslehrer (zugleich Vorsänger und Schächter) angestellt war. Um 1892 unterrichtete die damals 10 schulpflichtigen jüdischen Kinder der Gemeinde Lehrer Mosessohn aus Messel. 1899 wird Lehrer Heilmann genannt.
   
Die Toten der jüdischen Gemeinde wurden in Dieburg beigesetzt. Die Gemeinde gehörte zunächst zum orthodoxen Bezirksrabbinat Darmstadt II, 1928 erfolgte der Übertritt zum liberalen Bezirksrabbinat Darmstadt I. 
 
Von den Gemeindevorstehern werden genannt: um 1876/1879 Löser Strauß, um 1887/1892 die Herren L. Adler, J. Straus und H. Straus, um 1894/1897 H. Adler, um 1899 Leser Adler (bis zu seinem Tod 1908), A. Strauß, H. Strauß.  
 
Um 1924, als noch vier jüdische Familien mit zusammen 18 Personen am Ort waren (0,7 % von 2.449), gehörten zur jüdischen Gemeinde auch die im benachbarten Ober-Roden lebenden 18 jüdischen Einwohner (hier war mindestens schon seit den 1880er-Jahren eine Familie Hirschmann anwesend; 1899 lautet die Gemeindebezeichnung: Urberach - Ober-Roden). Den Religionsunterricht der Kinder der Gemeinde erteilte Lehrer Kaufmann aus Sprendlingen. Gemeindevorsteher bis um 1933 war Max Strauß.  
    
Nach 1933
sind die meisten bis dahin am Ort wohnhaften jüdischen Gemeindeglieder (1933: 11 Personen) auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts, der zunehmenden Entrechtung und der Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. Die Gemeinde löste sich bereits vor oder spätestens um 1938 vor. Beim Novemberpogrom 1938 wurden die Kaufleute Julius Adler (1883), Artur Katz (1901) und der Metzger Max Strauß (1878) verhaftet und in das KZ Buchenwald verschleppt. In Ober-Roden wurde in der Frankfurter Straße 17 das Schuhgeschäft der Händlerin Frieda Kahn (gest. 1940 in Ober-Roden) und ihrer Tochter Berta Hecht von 60 Nationalsozialisten  überfallen und völlig demoliert. 
   
Von den in Urberach geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Emilie Adler (1914), Hermann Adler (1870), Julius Adler (1883), Johanna Bacharach geb. Adler (1889), Arthur Katz (1901), Klara Katz geb. Strauß (1903), Herrmann Kulp (1870), Mina Marx geb. Adler (1874), Aron Strauss (1863), Herz Max Strauss (1870), Moritz Strauss (1863). 
    
Von den in Ober-Roden geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Berta Hecht geb. Kahn (1899), Rosa Hecht (1925), Salomon Hecht (Schicksal unbekannt), Ella Emma Tobias geb. Hirschmann (1884).    
Am 21. November 2013 wurden zur Erinnerung an Familie Kahn-Hecht in der Frankfurter Straße 17 in Ober-Roden sechs "Stolpersteine" verlegt.   
      
      
      
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde 
    
Berichte aus dem jüdischen Gemeindeleben 
    
Ergebnis einer Kollekte in der Gemeinde (1901)   
Anmerkung: In den jüdischen Gemeinden wurden regelmäßig für die unterschiedlichsten Zwecke Kollekten durchgeführt; die Ergebnisse wurden in jüdischen Periodika veröffentlicht  

Mitteilung in "Der Israelit" vom 28. Februar 1901: "Urberach bei Offenbach (Main). Durch Vorstand Leser Adler: Von sich 5, Moses Adler I. 3, Moses Adler II. 1, Aron Straus 1, Hermann Straus 1, Abraham Straus in Ober-Roden 1, zusammen abzüglich Porto 11.80 M."     

     
Unterstützung der Gemeinde für den Religionsunterricht (1905)    

Mitteilung in "Mitteilungen an die Vereinsmitglieder /herausgegeben von dem Vorstande der Vereinigung | Freie Vereinigung für die Interessen des Orthodoxen Judens" von 1905 Heft 18: "... 14. Der Gemeinde Urberach zu den Kosten des Religionsunterrichts  40.-"       

   
   
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde   
Versuchter Mord an Handelsmann J. Hirschmann in Ober-Roden aus antisemitischen Gründen (1890)
   

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 5. September 1890: "Man meldet aus Ober-Roden (Hessen): Ein Arbeiter, namens Grimm, beschimpfte den Handelsmann J. Hirschmann seiner Religion wegen, und als dieser sich die Rohheiten in ruhigem Tone verbat, zog Grimm ein Messer und stach auf Hirschmann los. Ein Stich drang in die Brust und verursachte eine schwere Verletzung; der Blutverlust war bedeutend; glücklicherweise war rasch ärztliche Hilfe zur Hand. Der Attentäter hätte vielleicht sein Opfer getötet, wenn nicht ein kräftiger Mann schleunigst zur Hilfe geeilt wäre. Nach heftiger Gegenwehr wurde der Wüterich durch die Gendarmen in das Ortsgefängnis gebracht. Obgleich die Verwundung des Herrn Hirschmann sehr gefährlich ist, hofft man denselben doch am Leben zu erhalten."      

     
Zum Tod des Vorstehers der Gemeinde Leser Adler (1908)  

Urberach FrfIsrFambl 10011908.jpg (32680 Byte)Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 10. Januar 1908: "Urberach bei Darmstadt. Herr Leser Adler, seit Jahrzehnten verdienstvoller Vorsteher unserer Gemeinde und seit 40 Jahren ehrenamtlich unser Vertreter, ist uns entrissen worden. Seine Ehrwürden Herr Rabbiner Dr. Marx - Darmstadt gab am Grab ein anschauliches Bild des Verstorbenen und betonte den unersetzlichen Verlust, den unsere Gemeinde mit seinem Hinscheiden erlitten hat."

   
  
Familienanzeigen      
Neujahrsgrüße von Leser Adler & Familie (1904)      

Anzeige in "Der Israelit" vom 8. September 1904:
"Allen Freunden und Bekannten innigsten Glückwunsch zum neuen Jahre.
Leser Adler & Familie, Urberach
."    

        
Hochzeitsanzeige von Hermann Adler und Johanna geb. Schuster (1922)  

Urberach Israelit 02111922.jpg (33954 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. November 1922: 
"Hermann Adler - Johanna Adler geb. Schuster. Vermählte.  
Chicago (Urberach) - Chicago (Frankfurt a.M.) Waldschmidtstr. 123". 

     

Kennkarten aus der NS-Zeit            
               
Am 23. Juli 1938 wurde durch den Reichsminister des Innern für bestimmte Gruppen von Staatsangehörigen des Deutschen Reiches die Kennkartenpflicht eingeführt. Die Kennkarten jüdischer Personen waren mit einem großen Buchstaben "J" gekennzeichnet. Wer als "jüdisch" galt, hatte das Reichsgesetzblatt vom 14. November 1935 ("Erste Verordnung zum Reichsbürgergesetz") bestimmt. 
Hinweis: für die nachfolgenden Kennkarten ist die Quelle: Zentralarchiv zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland: Bestände: Personenstandsregister: Archivaliensammlung Frankfurt: Abteilung IV: Kennkarten, Mainz 1939" http://www.uni-heidelberg.de/institute/sonst/aj/STANDREG/FFM1/117-152.htm. Anfragen bitte gegebenenfalls an zentralarchiv@uni-hd.de       
 
 Kennkarten zu Personen, 
die in Urberach geboren sind
 
 Urberach KK MZ Adler Eva.jpg (88877 Byte)  Urberach KK MZ Adler Hermann.jpg (89547 Byte)  Urberach KK MZ Adler Julius.jpg (91579 Byte)
    KK (Frankfurt 1939) für Emilie Adler (geb. 
9. August 1914 in Urberach), wohnhaft in 
Frankfurt, am 22. November 1941 deportiert 
ab Frankfurt nach Kowno (Kauen), Fort IX,
 umgekommen  
 KK (Frankfurt 1939) für Hermann Adler (geb. 
11. Oktober 1870 in Urberach), Vertreter, wohnhaft
 in Frankfurt, am 1. September 1942 deportiert 
ab Frankfurt in das Ghetto Theresienstadt, wo er
 am 17. November 1943 umgekommen ist   
 KK (Frankfurt 1939) für Julius Adler (geb. 
3. Februar 1883 in Urberach), Kaufmann, wohnhaft 
in Urberach, Dieburg und Frankfurt, am 
22. November 1941 deportiert ab Frankfurt 
nach Kowno (Kauen), Fort IX, umgekommen  
       
Urberach KK MZ Adler Ludwig.jpg (87261 Byte) Urberach KK MZ Bacharach Johanna.jpg (90163 Byte) Urberach KK MZ Bendheimer Jonas.jpg (89626 Byte) Urberach KK MZ Frohmann Ferdinand.jpg (92029 Byte)
 KK (Frankfurt 1939) für Ludwig Adler 
(geb. 9. September 1913 in Urberach),
 kfm. Angestellter 
  
   
 KK (Offenbach 1940) für Johanna Bacharach 
geb. Adler (geb. 28. Januar 1889 in Urberach), wohnhaft in Seligenstadt und Wiesbaden, am 27. September 1943 deportiert in das Ghetto Theresienstadt, am 29. Januar 1943 in das Vernichtungslager Auschwitz, ermordet  
 KK (Frankfurt 1939) für 
Jonas Bendheimer
 (geb.  21. Dezember 1870 in Urbach) 
  
     
 KK (Heidelberg 1939) für 
Ferdinand Frohmann
 
(geb.  10. Mai 1867 in Urberach), 
Kaufmann 
  
       
Urberach KK MZ Katz Clara.jpg (101244 Byte) Urberach KK MZ Marx Mina.jpg (89297 Byte) Urberach KK MZ Rulp Hermann.jpg (96289 Byte) Urberach KK MZ Strauss Aron.jpg (91648 Byte)
 KK (Darmstadt-Stadt 1939) für Clara Katz geb. 
Strauß
(geb. 12. September 1903 in Urberach),
 wohnhaft in Urberach und Darmstadt, am 26. 
März 1942 deportiert ab Mainz - Darmstadt 
in das Ghetto Piaski, umgekommen  
    
 KK (Wiesbaden 1939) für Mina Marx geb. Adler (geb. 
1. Mai 1874 in Urberach), wohnhaft in Wiesbaden, 
am 1. September 1942 deportiert ab Frankfurt in 
das Ghetto Theresienstadt, am 15. Mai 1944 in 
das Vernichtungslager Auschwitz, ermordet  
  
KK (Frankfurt 1939) für Hermann Kulp (geb. 
27. März 1870 in Urberach), Kaufmann, wohnhaft 
in Frankfurt, am 15. September 1942 deportiert 
ab Frankfurt in das Ghetto Theresienstadt, wo 
er am 18. November 1942 umgekommen ist  
   
 KK (Darmstadt-Stadt 1939) für Aron Strauß 
(geb. 7. Dezember 1873 in Urberach), Kaufmann,
 wohnhaft in Urberach und Darmstadt, am 
27. September 1942 deportiert ab Darmstadt in 
das Ghetto Theresienstadt, wo er am 
21. Oktober 1942 umgekommen ist  
       
Urberach KK MZ Strauss Herz.jpg (95628 Byte) Urberach KK MZ Strauss Ludwig.jpg (99839 Byte) Urberach KK MZ Strauss Max.jpg (94470 Byte) Urberach KK MZ Strauss Moritz.jpg (92435 Byte)
 KK (Mannheim 1939) für Herz Max Strauß (geb. 25. 
Mai 1870 in Urberach), Kaufmann, wohnhaft in
 Mannheim, am 22. Oktober 1940 deportiert in
 das Internierungslager Gurs, später Noé, wo er 
am 28. November 1942 umgekommen ist   
    
KK (Berlin 1939) für Ludwig Strauß (geb. 
23. Oktober 1905 in Urberach) 
  
  
  
    
 KK (Frankfurt 1940) für Max Strauß
 (geb. 2. September 1878 in Urberach), 
Metzger  
  
  
   
KK (Bad Nauheim 1939) für Moritz Strauß (geb.
 22. März 1888 in Urberach, Kaufmann), wohnhaft
 in Bad Nauheim, am 27. September 1942 
deportiert ab Darmstadt in das Ghetto 
Theresienstadt, am 28. Januar 1943 in das
 Vernichtungslager Auschwitz, ermordet    

     

 Kennkarten zu Personen, 
die in Ober-Roden geboren sind
 
 Ober-Roden KK MZ Hirsch Maria.jpg (92776 Byte) Ober-Roden KK MZ Tobias Emma.jpg (94342 Byte)   
   Kennkarte (Frankfurt 1939) für 
Maria Hirsch geb. Weber
 (geb. 29. Juli 1892 in Ober-Roden)  
    
Kennkarte (Altenkirchen 1939) für Emma Tobias geb. Hirschmann 
(geb. 6. Juli 1884 in Ober-Roden), Hausangestellt, wohnhaft in Altenkirchen 
und Frankfurt, am 15. September 1942 deportiert ab Frankfurt in das Ghetto
 Theresienstadt, am 23. Januar 1943 in das Vernichtungslager Auschwitz, ermordet  
 

    
     
     
Zur Geschichte der Synagoge                
    
Zunächst war eine ältere Synagoge vorhanden, in der bis zur Einweihung einer neuen Synagoge am 18. August 1882 Gottesdienste gefeierte wurden. Bei dieser Einweihung der neuen Synagoge durch Bezirksrabbiner Dr. Marx aus Darmstadt wurden die Torarollen aus der alten Synagoge in einer festlichen Prozession durch den Ort zur neuen Synagoge gebracht. Über die Feierlichkeiten liegt der folgende Bericht vor:
 
Einweihung der Synagoge (1882)       

Urberach Israelit 07091882.jpg (172981 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. September 1882: "Urberach. Am 18. und 19. August, Erew Schabbat Kodesch, Paraschat Schofetim (Schabbat mit der Toralesung Schofetim, d.h. 5. Mose 16,18-21,9) feierte die hiesige israelitische Gemeinde die Einweihung ihrer neuen Synagoge. Die ungeheure Menschenmenge, die von allen Seiten aus der Umgegend herbeigeströmt war, das herrliche Wetter, das diese religiöse Weihe begünstigte und die Kräfte, welche bei der Feier mitwirkten, das Alles trug dazu bei, dem Ganzen einen glänzenden Verlauf zu geben.
Nachdem Freitag Nachmittag in der seitherigen Synagoge der Schlussgottesdienst durch das Minchagebet abgehalten worden war, sprach Herr Rabbiner Dr. Marx aus Darmstadt einige Abschiedsworte in so rührender Weise, dass sich die Anwesenden der Tränen nicht enthalten konnten. Mit der Aufmunterung, mit demselben frommen Geiste wie seither auch fernerhin das neue Gotteshaus zu betreten und in ebenso innige Weise das Gebet zu Gott zu senden, schloss der Herr Rabbiner seine Rede, worauf bei Herausnahme der heiligen Gesetzesrollen aus dem Aron HaKodesch (Toraschrein) der Chorverein der israelitischen Religionsgesellschaft aus Darmstadt das "Wajehi..." anstimmte. Gerührt verließ man das Gotteshaus und nun begann der wohlgeordnete Zug von der alten Synagoge durch die beflaggten Straßen unseres Dorfes nach dem neuen Gotteshause unter Begleitung der Musik. Der Zug bot einen prächtigen und zugleich ergreifenden Anblick, der dadurch, dass auch die christliche Gemeinde an demselben sich beteiligte, ein allgemeiner Festzug wurde. Nach den üblichen Umzügen in der neuen Synagoge hielt Herr Dr. Marx die Festpredigt. Er suchte in einstündiger Rede unter Zugrundelegung des Verses "Öffnet mir die Tore der Gerechtigkeit..." den Zweck des jüdischen Gotteshauses dazulegen. Er wusste die Gefühle aller Anwesenden zu erregen, die in lautloser Stille mit Begeisterung dem Vortrage lauschten. Am Schabbat-Morgen ward uns nochmals das Vergnügen zuteil, eine tiefernste Predigt über "Schofetim uSoterim..." (Beginn des Toraabschnittes "Richter und Beamte...") von Herrn Dr. Marx zu vernehmen, in welcher er die Aufgabe der jüdischen Gemeinde auseinander setzte. Belehrt und ermahnt wurde die zahlreiche Zuhörerschaft, festzustehen und in der Zeit religiösen Zerfalls mit besonderer Innigkeit dem Gottesgesetz anzuhängen und zu wachen, dass nicht das Wort der falschen Propheten Eingang finde. 
Möge unser Gotteshaus stets solch eine andächtige Schar begeisterter Gottesverehrer in sich fassen, wie es an diesen Tagen der Fall war. - Eine gemütliche, gesellige Vereinigung hielt die Festgenossen am Schabbatausgang bis zur früheren Stunde in heiterster, ungetrübtester Stimmung beisammen."  

Bei der 1882 eingeweihten Synagoge handelte es sich um einen Massivbau mit Satteldach. Der Zugang war unmittelbar von der Straße am westlichen Giebel. Die Fenster waren als Rundbogenfenster (West- und Nordseite) beziehungsweise als Rundbogenfenster (zwei am Ostgiebel) gestaltet. 
   
1927 erhielt die Gemeinde einen Zuschuss zur Renovierung der Synagoge. Welche Renovierungsarbeiten durchgeführt wurden, ist nicht bekannt.   
    
Unterstützung zur Renovierung der Synagoge (1927)           

Mitteilung in "Mitteilungen des Landesverbandes der israelitischen Religionsgemeinden Hessens" 1927 Heft 5: "Es werden bewilligt: ... b) zur Renovierung der Synagoge in Urberach RM. 100, ..."     

Der letzte Gottesdienst in der Synagoge fand vermutlich 1935 statt. Bei der Auflösung der jüdischen Gemeinde - vor den Ereignissen in der Pogromnacht - wurde die Synagoge verkauft und später zu einem Wohnhaus umgebaut. Beim Umbau wurden die Fensterbogen begradigt, die Öffnungen verkleinert, eine Zwischendecke eingezogen und im Osten eine Terrasse im Obergeschoss ausgebaut. 
Eine Gedenktafel zur Erinnerung an die Synagoge wurde im Oktober 2017 installiert und eingeweiht.
  
  
Adresse/Standort der SynagogeBahnhofstraße 39   
  
  
Fotos            
(Quelle: Thea Altaras: Synagogen in Hessen S. 175; neuere Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 3.8.2008) 

Urberach Synagoge 200.jpg (89402 Byte) Urberach Synagoge 170.jpg (71031 Byte) Urberach Synagoge 172.jpg (67850 Byte)
Die ehemalige Synagoge - als 
Wohnhaus (1982) 
Die ehemalige Synagoge im Sommer 2008  
   
   

    
    
Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte   

Oktober/November 2013: In Ober-Roden werden "Stolpersteine" verlegt   
Artikel in der "Offenbach-Post" vom 25. Oktober 2013 (Link zum Artikel): "Mahnmale in der Frankfurter Straße. Sechs Stolpersteine für Ober-Röder Juden. 
Ober-Roden
- Ober-Roden wird am 21. November Teil des größten dezentralen Mahnmals der Welt. Der Kölner Künstler Gunter Demnig verlegt in der Frankfurter Straße sechs Stolpersteine, die an die jüdische Familie Kahn/Hecht erinnern.
Am 9. November jährt sich die Reichspogromnacht zum 75. Mal. In ganz Deutschland brannten damals auf Anordnung des NSDAP-Regimes Synagogen und Geschäfte jüdischer Bürger. In Ober-Roden schlug der Mob in der Nacht vom 10. auf den 11. November 1938 zu. Sein Opfer war das alteingesessene Schuhgeschäft der jüdischen Händlerin Frieda Kahn und ihrer Tochter Berta Hecht.
Christiane Murmann hatte die Stolperstein-Aktion in Sommer ins Rollen gebracht. Unterstützt vom Urberacher Theatermacher Oliver Nedelmann sammelte sie Geld für sechs Stolpersteine. Ihre Eltern waren mit Jaky Hecht, dem letzten Überlebenden der kleinen jüdischen Gemeinde Ober-Rodens, befreundet. Er konnte rechtzeitig vor dem Nazi-Terror nach Palästina flüchten und kehrte schon bald nach dem Krieg nach Ober-Roden zurück. Obwohl seine Familie unendliches Leid ertragen musste, kam er bis in die neunziger Jahre regelmäßig in den Ort, den er immer noch als seine Heimat bezeichnete.
Ihm ist einer der sechs Stolpersteine gewidmet. Die anderen erinnern an Frieda Kahn, die am 7. November 1940 in Ober-Roden starb, an Berta und Rosa Hecht, die 1941 nach Minsk deportiert und wahrscheinlich dort ermordet wurden, an Bertas Mann Salomon Hecht, dessen Schicksal unbekannt ist. Ludwig Kahn flüchtete 1935 nach Palästina und überlebte.
Christiane Murmann und Oliver Nedelmann haben bei ihren Stolperstein-Recherchen viele Fotos und Dokumente zusammengetragen, die bisher im Verborgenen schlummerten. Als wahres Schatzkästlein erwies sich ein Umschlag, den Elisabeth Wilhelm über die Jahrzehnte hinweg gehütet hatte. Ihre Vorfahren gehörten zu den Ober-Röder Familien, die den verfolgten Juden nach der Zerstörung des Geschäfts Essen und Kleidung zusteckten.
Elisabeth Wilhelm zahlt übrigens heute noch knappe zehn Euro Grundsteuer für eine 1.000 Quadratmeter große Wiese der Familie Kahn/Hecht, ergänzte Bürgermeister Roland Kern. Die hatte die NSDAP-Bürokratie bei der Enteignung der Ober-Röder Juden übersehen."      
 
-  Bericht über die Verlegung der "Stolpersteine" in der Website der Stadt Rödermark vom 29. November 2013: "Sechs Stolpersteine fügen die Familie Hecht / Kahn symbolisch wieder zueinander..."  und in der Website familien-blickpunkt.de    
-  Artikel von Christoph Manus in der "Frankfurter Rundschau" vom 22. November 2013: "Rödermark - Stolpersteine - Gegen die Barbarei..."  
-  Artikel von chz in der "Offenbacher Post" vom 22. November 2013: "Rödermark - Nachdenkliche Aktion - Steine gegen das Vergessen..."  
 

Fotos von der Verlegung der "Stolpersteine" vor dem Haus Frankfurter Straße 17 in Ober-Roden  
(zur Veröffentlichung erhalten von der Pressestelle der Stadt Rödermark)    

Ober-Roden Nov2013 002.jpg (133995 Byte) Ober-Roden Nov2013 003.jpg (125076 Byte) Ober-Roden Nov2013 005.jpg (90923 Byte) Ober-Roden Nov2013 006.jpg (115113 Byte)
 Vorbereitung der Verlegung   Die Stolpersteine zur Erinnerung
an die Familie Kahn/Hecht  
 Musikalische Umrahmung; links
 Bürgermeister Roland Kern  
 
       
Ober-Roden Nov2013 009.jpg (119590 Byte) Ober-Roden Nov2013 010.jpg (78280 Byte)   Ober-Roden Nov2013 011.jpg (81179 Byte) Ober-Roden Nov2013 012.jpg (141970 Byte) Ober-Roden Nov2013 017.jpg (79566 Byte)
 Musikalische Umrahmung 
durch Britta Sauer  
Verlegung der Steine durch Gunter Demnig und 
Verlesung der Biographien durch Oliver Nedelmann   
Gedenken 
mit weißen Kerzen 
        
 Ober-Roden Nov2013 020.jpg (179063 Byte) Ober-Roden Nov2013 026.jpg (188064 Byte) Ober-Roden Nov2013 028.jpg (190944 Byte)   
Nach der Verlegung der Stolpersteine wurde auf dem Grüngelände in der Rilkestraße ein Mandelbaum gepflanzt     
 
Oktober 2017: Gedenktafel für die ehemalige Synagoge installiert 
Artikel von Christine Ziesecke in op-online.de vom 4. Oktober 2017: "Gedenktafel im Bürgersteig an der Bahnhofstraße. Erinnerung an ehemalige Synagoge wird nun greifbar
Urberach - Shalom – Salem Aleikum – Friede sei mit euch: Diesen Gruß entboten jüdische, islamische und christliche Geistliche am Dienstag an der Gedenkstätte für die jüdischen Mitbürger in der Bahnhofstraße. Der Friedensgruß, der auch zum Gebet ruft, stand wohl über der gesamten Gedenkveranstaltung in Erinnerung an die beiden früheren Synagogen in Urberach. Gemeinsam mit Bürgermeister Roland Kern und den Organisatoren der neuen Gedenkplatte gingen Rabbiner Andrew Steiman, Imam Kocz, Pfarrerin Sonja Mattes, Pfarrer Klaus Gaebler sowie weitere religiöse Vertreter vom Dalles zum ersten Standort der Urberacher Synagoge und dann zum zweiten. An der Ecke Bahnhofstraße/Bachgasse erinnerte Horst-Peter Knapp an die Geschichte der ersten als Betraum genutzten Urberacher Synagoge in der Metzgerei Strauss an eben dieser Stelle, die wohl ab etwa 1770 genutzt wurde. Vor 135 Jahren, im August 1882, wurde im Haus Bahnhofstraße 39 eine neue Synagoge eingeweiht. Die kleine jüdische Gemeinde feierte ihr erstes eigenes Gebäude mit einem Festzug und einem Gottesdienst. Der letzte Gottesdienst in der 'neuen Synagoge Urberach' fand wahrscheinlich 1935 statt. Der Verkauf des Bethauses durch die verarmte jüdische Gemeinde über Max Strauß an einen Privatmann erfolgte noch vor der sogenannten Reichskristallnacht 1938, weshalb das Haus auch nahezu unversehrt blieb. Zurzeit wird es von einem Privatmann umgebaut, der sich der Tradition dieses Hauses bewusst ist und es auch für Interessierte öffnen will. Die Gedenktafel zeigt den von Horst-Peter Knapp gestalteten Umriss der einstigen Synagoge und die Inschrift 'Synagoge Urberach 1882 – 1935'. Die Gestaltung orientiert sich an den bereits verlegten Stolpersteinen. Den 3. Oktober als Termin für das Erinnern und die Enthüllung der Gedenktafel hatte Rabbiner Andrew Steiman vorgeschlagen. Der Tag hat nicht nur für die deutsche Bevölkerung einen hohen Stellenwert, sondern auch für die jüdischen Mitbürger, liegt er doch genau zwischen Versöhnungstag und Laubhüttenfest. Mit dem Widderhorn, einem Symbol fürs Herbeirufen der Gläubigen wie auch einem Gebetsruf, erinnerte der Rabbi an die Ursprünge jüdischen Glaubens und erläuterte einige Begriffe, die Christen eher fremd sind. Umrahmt von Klezmermusik, gespielt von Britta Sauer, und vorbereitet unter anderem von der 'Initiative Stolpersteine in Urberach und Ober-Roden', allen voran Oliver Nedelmann, machte der Zug einen Weg durch rund 250 Jahre jüdischer Geschichte in Urberach. Mehr über die Geschichte der Synagoge findet sich in einem Heft, das der Aktionskreis der Stadt und der Initiative Stolpersteine herausgegeben hat. Es ist unter anderem in den Rathäusern und bei Theater & Nedelmann erhältlich."
Link zum Artikel  
 

   

  
 
Links und Literatur  

Links:  

bullet

Website der Stadt Rödermark  

Literatur:  

bulletPaul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. II, S. 316-317.  
bulletThea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit 1945? 1988 S. 175. 
bulletStudienkreis Deutscher Widerstand (Hg.): Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933-1945. Hessen I Regierungsbezirk Darmstadt. 1995 S. 284.  
bulletPinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume III: Hesse -  Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992 (hebräisch) S. 60-61. 

  
    


 

Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the Holocaust". 
First published in 2001 by NEW YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad Vashem Jerusalem, Israel.

Urberach Hesse. Numbering 44 (3 % of the total) in 1880, the small community disbanded before Kristallnacht (9-10 November 1938). No Jews remained in 1939. 
   
     

                   
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Stand: 30. Juni 2020