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Usingen mit
Eschbach (Stadt Usingen)
und Grävenwiesbach (Hochtaunuskreis)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Usingen bestand eine jüdische
Gemeinde bis 1938/40. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 18. Jahrhunderts
zurück. Bereits um 1600 lebten einzelne Juden / jüdische Familien in der Stadt:
1602 wird Isak Nehem aus Usingen genannt. Aus der Zeit zwischen 1651 und
1742 gibt es Archivakten über Judenordnungen in Usingen. 1732 wurde eine
besondere Nassau-Usingische Judenordnung erlassen.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1801 31 jüdische Einwohner (in sechs Familien, fünf
Alleinstehende), 1842 32, 1867/68 acht jüdische Familien, 1871 27 jüdische
Einwohner (1,5 % von insgesamt
1.798 Einwohnern), 1885 43 (2,3 % von 1.844), 1895 87 (4,6 % von 1.900), 1905 89
(4,7 % von 1.896). Zur jüdischen Gemeinde gehörten auch die in Eschbach,
Grävenwiesbach, später (nach 1920) auch die in
Anspach mit Rod am Berg und Schmitten lebenden jüdischen
Personen. In Eschbach wurden gezählt: 1843 14 jüdische Einwohner (vgl. unten
die Berichte von 1843 über die engagierten Herren Moses Rosenberg und Salomon
Hirschberg), 1867/68 vier
Familien, 1905 zehn jüdische Einwohner; in Grävenwiesbach: 1843 25 jüdische
Einwohner.
Als Vorsteher der Judenschaft in Usingen wird 1834 Elkan Hirsch genannt; er war
Inhaber eines Seifensiedergeschäftes.
Die Namen der jüdischen Familien in Usingen waren u.a. Baum, Gutenstein,
Hirsch, Hirschberg, Lilienstein, Oppenheimer, Rosenberg, Rosenthal, Stern. In
der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden von jüdischen Personen mehrere
Handlungen und Geschäfte am Ort eröffnet. Es gehörten jüdischen
Gewerbetreibenden in der Folgezeit: zwei Kaufhäuser (Baum, Lilienstein), ein
Manufakturwaren- und Konfektionsgeschäft (Familie Hirsch in der Obergasse, siehe Anzeige von 1884
unten), eine
Apfelweinkelterei, Likörfabrik und Weingroßhandlung (Familie Rosenberg, de
Apfelweinvorräte wurden im Keller des "Goldschmidthauses" am
Schlossplatz gelagert, siehe
Anzeige von 1890 unten), eine
Landesproduktenhandlung (Lilienstein), zwei Viehhandlungen (Rosenthal, Stern), ein Metzger (Gutenstein).
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine jüdische
Schule, ein rituelles Bad. Die Toten der Gemeinde wurden zunächst auf dem
jüdischen Friedhof in Grävenwiesbach,
nach 1884 auf dem damals neu angelegten jüdischen Friedhof in Usingen
beigesetzt. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde
war ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig
war (vgl. Ausschreibungen der Stelle unten).
Allerdings war erst ab etwa 1890 Usingen Sitz eines Lehrers, davor wohnte
der Lehrer für die Gemeinden der Umgebung in Wehrheim
(von 1842 bis 1852 Lehrer Samuel Emden; vgl. auch unten das Engagement von Lehrer M. Goldschmidt für die verarmte Familie
in Eschbach 1883/84). Als Lehrer war in
Usingen von 1892 bis 1938 tätig: Gustav Blum (1908 auf einer Lehrerkonferenz im Limburg
genannt). Die Gemeinde gehörte zum Rabbinatsbezirk Weilburg beziehungsweise
später Bad Ems - Weilburg.
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde: aus Usingen Paul
Gutenstein (geb. 30.7.1898 in Usingen, gef. 1.9.1918) und Unteroffizier Emil
Hirsch (geb. 26.7.1879 in Usingen, gef. 18.4.1917), aus Eschbach Adolf Simon
(geb. 3.12.1896 in Eschbach, vor 1914 in Landau, Pfalz wohnhaft, gef.
9.4.1917). Der spätere erste Gemeindevorsitzende Moritz Rosenberg war im Ersten
Weltkrieg als Offizier eingesetzt und wurde mit dem EK I ausgezeichnet. Die Namen der jüdischen Gefallenen
wurden nach 1933 vom Ehrenmal entfernt; nach 1945 wurden die Namen wieder in den
Stein gemeißelt.
Um 1924, als in der Stadt 77 jüdische Personen lebten (4,0 % von insgesamt
1.956), waren die Gemeindevorsteher die Herren Baum und Hirsch. Als Lehrer und
Kantor war der bereits genannte Gustav Blum tätig. An jüdischen Vereinen
gab es u.a. einen Unterstützungsverein (Chewroth, 1924 unter
Leitung von Jos. Lilienstein mit 15 Mitgliedern, 1932 unter Leitung von Otto
Lilienstein; Zweck und Arbeitsgebiet: Unterstützung Hilfsbedürftiger), eine Ortsgruppe
des "Central-Vereins" (1932 unter Leitung von Julius Hirsch) und
einen "Verein zur Abwehr des Antisemitismus" (1932 unter
Leitung von Julius Hirsch). Zur jüdischen Gemeinde gehörten neben den bereits
genannten Orten Eschbach und Grävenwiesbach inzwischen auch
die in Schmitten lebenden jüdischen
Personen. 1932 waren die Gemeindevorsteher Moritz Rosenberg (1. Vors.), Julius
Hirsch (2. Vors.), Leopold Stern (3. Vors.). Im Schuljahr 1931/32 unterrichtete
Lehrer Gustav Blum 13 Kinder in Religion.
1933 lebten 71 jüdische Personen in Usingen; insgesamt gehörten zur
jüdischen Gemeinde (mit den in Eschbach, Grävenwiesbach, Schmitten,
Anspach
und Rod am Berg lebenden Gemeindegliedern) 120 Personen. In
den folgenden Jahren ist ein Teil der
jüdischen Einwohner auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts,
der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. Bis 1938 sind 31 jüdische
Einwohner aus Usingen verzogen, 28 sind ausgewandert (20 in die USA, sieben nach
Frankreich, eine Person nach Palästina), sieben Personen sind noch am Ort
verstorben. Beim Novemberpogrom 1938 brachen SA-Leute und aufgestachelte
Jugendliche gewaltsam in die Häuser jüdischer Familien ein und verwüsteten
die Wohnungen; die noch vorhandenen jüdischen Geschäfte (u.a. von Julius
Hirsch) wurden geplündert. Die
jüdischen Einwohner wurden buchstäblich aus dem Ort geprügelt.
Von den in Usingen geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Rosa Baum geb.
Gutenstein (1875), Helma Blumenfeld geb. Lilienstein (1887), Walter
Briefwechsler (1930), Ida Adele Frühauf geb. Blum (1894), Aaron Adolf
Gutenstein (1864), Alfred Gutenstein (1888), Emil Gutenstein (1890), Gustav
Gutenstein (1891), Sofie Gutenstein (1894), Lina Herz geb. Gutenstein (1888),
Julius Lilienstein (1884), Otto Lilienstein (1891), Robert Lilienstein (1922),
Cäcilie May geb. Rosenberg (1892), Hermann Oppenheimer (1878), Karl Rosenberg
(1882), Willy Rosenberg (1884), Betti Simon geb. Fuld (1901), Hans Simon (1926),
Herbert Simon (1923), Berthold Stern (1900), Kurt Eli Stern (1933).
Seit 1992 befindet sich vor der ehemaligen reformierten Kirche (Alter
Marktplatz 23) ein Gedenkstein mit der Inschrift: "Zum Gedenken an
unsere jüdischen Mitbürger, die unter der Diktatur in Deutschland von
1933-1945 umkamen."
Aus Eschbach sind umgekommen: Johanna Simon geb. Mayer (1887), Lieselotte
Simon (1921), Moritz Simon (1877), Walter Simon (1915; im Alter von 24 Jahren im
KZ Buchenwald am 13.1.1939 ermordet).
Aus Grävenwiesbach sind umgekommen: Isidor Lilienstein (1876), Siegmund
Strauß (1886).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1871 und
1892
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20. Dezember 1871:
"Lehrer-Gesuch.
In den Gemeinden Wehrheim und Usingen (Nassau) ist die Stelle eines
israelitischen Religionslehrers vakant. Fixer Gehalt 300 Gulden nebst
circa 100 Gulden Nebenakzidenzien inklusive Vorbeterlohn.
Die Stelle kann sofort besetzt werden und wollen sich Bewerber innerhalb 4
Wochen an den Unterzeichneten wenden.
Wehrheim, den 1. Dezember 1871. Alex Hirsch, Kultusvorsteher". |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. Juni 1892:
"Die Stelle eines Religionslehrers, Kantors und Schochets der
Kultusgemeinde Usingen (Hessen-Nassau) mit drei Filialorten soll per 1.
Juli neu besetzt werden. Gehalt einschließlich Nebeneinkommen ca. 1.100
Mark. Offerten erbeten an den
Vorsteher Z. Rosenberg,
Usingen". |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. Juli 1892:
"Die Stelle eines Religionslehrers, Vorbeters und Schochets in der
israelitischen Gemeinde Usingen (Nassau) mit drei Filialorten ist
neu zu besetzen. Gehalt inklusive Nebeneinkommen 1.100
Mark.
Für jüngere Lehrer, die sich weiter ausbilden wollen, bietet das hiesige
Lehrer-Seminar beste Gelegenheit.
Reflektanten beliebten ihre Offerten mit Zeugnissen einzusenden an den
Kultusvorsteher Z. Rosenberg,
Usingen." |
Berichte aus dem jüdischen Gemeindeleben
Engagement der Eschbacher Juden Moses Rosenberg und Salomon Hirschberg aus
Eschbach im Blick auf die rechtliche Gleichstellung (1843)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. August 1843:
"Aus dem Herzogtum Nassau, 17. Juli (Frankfurter Journal). Während
vieler Orten sich Stimmen zu Gunsten Israels erheben, verdienst in diesem
Blatte nicht unerwähnt gelassen zu werden, dass auch in Nassau's Landen
unter den Israeliten der Wunsch nach bürgerlicher Gleichstellung der
Juden rege geworden ist. Folgender Vorgang hat die nähere Veranlassung zu
dieser Aufregung gegeben. Schon früher, durch das höchste Edikt vom 18.
Juni 1841, teilweise aus ihren bisherigen Steuerverhältnissen
herausgehoben und unter Aufhebung des herkömmlichen Schutzgeldes in den
Staatsabgaben den christlichen Landesuntertanen völlig gleichgestellt,
waren die Israeliten des Herzogtums durch eine neuere hohe Regiminalverfügung vom 18. Januar dieses Jahres, unter Aufhebung des zu
den Gemeindekassen zu bezahlenden sogenannten Beisassengeldes, auch zu den
Gemeindesteuerergebungen beitragspflichtig erkannt und ihnen die weitere Verbindlichkeit
der Teilnahme bei allen Gemeindefronden neu auferlegt
worden, unter der Bewilligung, dass sie nun auch alle Gemeindenutzungen
mitgenießen sollten außer Losholz, wo sie es nicht schon früher gehabt,
und Geldverteilungen aus den Gemeindekassen und unentgeltlicher Benutzung
von Gemeindeallmenden, welche zur Verteilung kommen. Da die
Gemeindefronden insbesondere beim Wegbau und zu Waldkulturen sehr
bedeutend sind, so sind die Israeliten des Herzogtums durch jene nur in
Hinsicht der Staats- und Gemeindelasten sie den christlichen Untertanen
gleichstellende Regiminalverfügung offenbar im Nachteil und wahrhaft
bedrückt, wenn sie nicht auch an allen Gemeindenutzungen und namentlich
am Losholz teilnehmen sollen. Die Israeliten Moses Rosenberg und
Salomon Hirschberg zu Eschbach, Amts Usingen, sich der Sache ihres
Volks annehmend, haben darum in einer unterm 26. März dieses Jahres
höchsten Orts eingegebenen Vorstellung Seine Herzogliche Durchlaucht
untertänigst gebeten: 'Durch einen Akt höchster Gnade und hochherziger
Gesinnung die Verhältnisse der Juden in Höchstdero Landen allergnädigst
dahin verbessern zu wollen, dass ihnen völlige bürgerliche
Gleichstellung mit den christlichen Landesuntertanen und mit ihrer
Verbindlichkeit des Beitrags zu allen Gemeindelasten auch
der |
unbeschränkte Bezug aller Gemeindenutzungen und namentlich des Losholzes
verliehen werde.' Und hierauf auf die bürgerliche Gleichstellung der
Israeliten im Allgemeinen übergehend, haben beide Supplikanten
nachstehende, auch anderwärts beherzigenswerte Worte zur höchsten
Kenntnis Seiner Durchlaucht gebracht: 'Nicht wir untertänigste
Supplikanten allein lassen unsere Wünsche um Verbesserung der Zustände
Israels vor den erhabenen Fürstenstuhl Eurer Herzoglichen Durchlaucht
gelangen; auch die Israeliten anderer Gemeinden des Herzogtums, hoffen
wir, werden gleiche Wünsche und gleiche untertänigste Bitte vor Eurer
Durchlaucht oder Höchstdero Behörden gelangen lassen. Ja, aller Orten
der Erde, wo Israel seine Hütten aufgeschlagen, ja über den ganzen Erdenrund
ist unter Israels Nachkommen das Streben zur Wiederaufrichtung Israels
rege geworden und, begünstigt von der Teilnahme edler Herzen unter allen
Nationen, die einstige und endliche Wiederaufrichtung unseres
tiefgefallenen Volks so umso zuversichtlicher zu hoffen. Wohl ihrer noch
viele vom Samen Israels bringen durch ihre Gesinnung, durch ihren Wandel
keine Ehre ein in Israel. Sie gehören zu denen ihres Volks, die, wenn
auch strenge an den Satzungen ihrer Väter haltend, durch den Wucher, dem
sie sich ergeben, oder durch andere Bevorteilung ihrer Nebenmenschen, eine
Schande ihres Geschlechts, eine Plage des Landes sind, worin sie geduldet
werden. Aber nicht ihnen, die in Verstocktheit wandeln, nicht ihnen bürde
man deshalbige Schuld auf. Denn ihre jetzige Verderbtheit ist einzig nur
die Folge aller der Ungerechtigkeiten und Verfolgungen, aller der
Schmacht, mit denen unser Volk Jahrhundert hindurch von seinen
christlichen Mitmenschen überhäuft worden war. Stelle man nur Israels
Geschlecht seinen christlichen Mitbürgern in Allem völlig gleich,
verleihe man ihm eben die Rechte und Freiheiten, wie diese sie
unverkümmert genießen: und ebenso treu wie die christlichen Untertanen
werden auch Israels Nachkommen treu in ihren Pflichten gegen den Staat und
seinen Fürsten erfunden werden. Und gewiss wird dann Israels Geschlecht
auch seine alten Vorurteile stets mehr aufgeben und in Ausübung edlen
Gemeinsinnes und jeglicher bürgerlichen Tugend, wie sie nur von
christlichen Staatsbürgern bezeiget werden, sich auszuzeichnen streben.
Denn ist |
nicht
jetzt schon in Eurer Durchlaucht Landen die Mehrzahl der Juden durch
bürgerliche Tugenden ausgezeichnet, wie sie in eben dem Maße nicht bei
den christlichen Untertanen so allgemein erfunden werden? Sind die Juden
nicht fast durchgängig tätig, erwerbsam, sparsam, nüchtern, ihre Eltern
ehrend und selbst sogar in vielem Bezug sittlicher, wie nicht so
durchgängig die Christen der verschiedenen Konfessionen? Und welches Volk
ist unser allen es betroffenen Verfolgungen dem Gesetze seines Gottes mit
größerer Treue anhänglich geblieben, als das der Juden? Da aber, wo ein
Volk noch solche Vorzüge besitz, da sollte es der Verbesserung seines
bürgerlichen Zustandes jedenfalls nicht länger für unreif oder gar für
unwürdig erachtet, und, anstatt es von seinem Falle aufzurichten, durch
hohe Verfügungen, wie die erwähnte Regiminalverfügung, in seinem
abgesonderten Verhältnis noch länger erhalten werden. Und zutrauensvoll
hoffen wir daher von Eurer Herzoglichen Durchlaucht gnädige Willfahrung
unserer untertänigsten Bitte und verharren in tiefster Ehrfurcht.' - Eine
höchste Entschließung auf diese Eingabe ist zur Zeit noch nicht erfolgt,
sie soll aber, gleichwie diese öffentliche Mitteilung, umso mehr zur
allgemeinen Kenntnis durch Veröffentlichung in diesem Blatte gebracht
werden, als von der anerkannten hochherzigen Gesinnung unseres
hochgeehrten Herzogs nur gnädige Willfahrung der Wünsche Höchstdero
israelitischen Landesuntertanen zu erwarten ist." |
Spendenaufrufe für eine in Not befindliche jüdische
Familie in Eschbach (1883/84)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 3. Januar 1884: "Aufruf! (hebräisch und deutsch:) 'Heil
dem Manne, der sich des Armen annimmt; am Tage des Unglücks rettet auch
ihn der Herr!'
In dem eine Stunde von hier gelegenen Eschbach wohnt eine jüdische
Familie, deren seitheriger Ernährer durch eine Krankheit geistesschwach,
und dessen einziger, verheirateter Sohn, der im Vereine mit dem Vater die
ganze Familie stets ehrenhaft ernährte, durch eine nötig gewordene
Operation schwer krank danieder liegt und noch lange, lange Zeit arbeitsunfähig
sein wird. Das unbedeutende Vermögen ist durch die Schicksalsschläge
nach und nach aus freien Stücken verkauft worden, da die
Schwerheimgesuchten im Vertrauen auf Gott immer besseren Zeiten
entgegensahen, und darum ohne fremde Hilfe auszukommen wünschten. Leider
hat sich diese Hoffnung nicht bestätigt und die Lage der unglücklichen
Familie wird immer trostloser und trüber. Sollte ausreichende Hilfe nicht
bald, ganz bald erscheinen, so steht die arme Schar am Rande des
unabweisbaren Verderbens. Darum liebe Glaubensgenossen, helfet den
Bedrängten, so es noch Zeit ist!
Ich bin bereit, Gaben in Empfang zu nehmen und solche an die unglückliche
Familie zu besorgen!
Wehrheim bei Bad Homburg, 30. Dezember 1883. M. Goldschmidt, Lehrer.
Obige Schilderung beruht auf der reinsten Wahrheit.
Eschbach bei Usingen, 31. Dezember 1883. Der Bürgermeister: Schmidt.
Auch wir sind bereit, Gaben in Empfang zu nehmen und weiter zu befördern.
Die Expedition des 'Israelit'." |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. Juli 1884: "Wiederholter
Hilferuf!
Im Januar laufenden Jahres erlaubte ich mir, in Anbetracht einer
unglücklichen jüdischen Familie, an das Zartgefühl Israels in diesem
weitverbreiteten Blatte einen Ruf um Abhilfe des vorhandenen Notstandes zu
erlassen, ohne dass jedoch mein Zweck noch Wunsch erreicht worden wäre,
da die Gaben in gar zu kärglichem Maße flossen. Möge solches wohl
seinen Grund darin haben, dass die Zeiten nicht sehr brillant, die
Wohltätigkeit Israels jedoch ununterbrochen in Anspruch genommen wird.
Dennoch aber kann ich nicht umhin, ohne für die Unglücklichen in
Eschbach bei Usingen, wo der dereinstige Versorger des Hauses
geistesschwach und zur Arbeit unfähig, und der einzige Sohn des Hauses an
den Folgen einer Operation gestorben, wiederholt um Beistand und Hilfe zu
rufen. Bitte, teure Glaubensgenossen, helfet auf einige Zeit ausreichend,
und der liebe Gott Hilfe auch Euch in allen Lagen des Lebens. Gedenket der
Gedrückten und sorget durch Einsendung milder Gaben, die ich ehestens an
ihren Ort gelangen lassen werde, dafür, dass den armen Glaubensgenossen
ein erträglicheres Los werde, als sie seither hatten. Den früheren
Gebern wiederholten Dank, und an die bei der Sache Zurückgebliebenen den
Wunsch um recht freudige Beteiligung.
Wehrheim bei Bad Homburg, am 29. Juni 1884. M. Goldschmidt,
Lehrer.
Obige Angabe bescheinige als auf Wahrheit beruhend
Eschbach bei Usingen, 29. Juni 1884. Der Bürgermeister Schmidt.
Wir sind bereit, weitere Gaben in Empfang zu nehmen und
weiterzubefördern. Die Expedition des 'Israelit'." |
Erste Ergebnisse der Spendensammlung für die in Not geratene
jüdische Familie (1884)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
24. März 1884: "Für die bedrängte israelitische Familie zu Eschbach
bei Usingen, sind auf Aufruf in Nr. 1 des 'Israelit' beim Unterzeichneten
wie folgt eingegangen: A. Friedmann, Malchow 1, H. Weiß, Nordenstadt 3,
W. Oppenheimer, Usenborn 4, Gebr. Adler, Rüsselsheim 2, Anonym von Hanau
2, Kantor Cahn von Müllheim 3, Israelitischer Unterstützungsverein,
Worms 4, ein alter Nassauer in Frankfurt am Main 10, Herz Kaufmann,
Ladenburg 5, ungenannt von Helchingen (Hechingen?) 0,50, David
Oppenheimer, Hattersheim 6, Künstler Burghaßloch 10 Mark. Indem ich den
freundlichen Gebern für gesandte Gaben innigst dankte, bitte ich zugleich
Alle, die an dem Schicksal der Schwerheimgesuchten teilnehmen, um
Zusendung weiterer Gaben, da das herannahende hl. Pessachfest
solches besonders wünschenswert erscheinen lässt. Wehrheim, am 2.
Februar 1884. M. Goldschmidt, Lehrer." |
Gemeindebeschreibung von Usingen (1937!)
Artikel
im "Gemeindeblatt der Israelitischen Gemeinde Frankfurt"
vom Juni 1937 S. 20. "Usingen. 2000 Einwohner, 50 jüdische
Seelen. - Usingen erhielt 1466 Stadtrechte und ist damit die jüngste
Stadt des deutschen Mittelalters. Lebendige Entwicklung ist erst merkbar,
seit Walrad von Nassau-Usingen es zur Residenz machte, 1660 das Schloss
erbaute, den Hofgarten und die Neustadt als Hugenottenkolonie anlegte.
Neuer Rückgang, als Fürst Karl die Regierung nach Wiesbaden und die
Residenz nach Biebrich verlegte. Auch das paritätische Lehrerseminar,
an dem auch eine Reihe jüdischer Lehrer seine Ausbildung empfing, ist
verlegt. - Die Juden im Gebiete Nassau-Usingen unterliegen im allgemeinen
den Gesetzen wie die anderer nassauischer Gebiete. Kleine Nuancen: 1844
wird den Rabbinern des Gebietes das Prädikat 'Ehrwürden' amtlich
zugebilligt. Seit demselben Jahr allgemeine Wehrpflicht auch für Juden.
1852 erscheint die neue 'Synagogen- und Kultusordnung', aber erst 1861
wird der mittelalterliche Judeneid vor Gericht abgeschafft! Die jüdische
Gemeinde der Stadt ist erst seit etwa 1890 Lehrersitz (vorher saß
der Lehrer des Bezirks in Wehrheim). Fast diese ganze Zeit hindurch lehrt
und wirkt hier und in der ganzen Umgebung in Treue Lehrer Gustav Blum.
Seine Gemeinde hat um 1900 ca. 70, 1909 96, 1913 88, 1937 50 Seelen,
darunter zwei schulpflichtige und zwei jüngere Kinder. Die Synagoge
in der Glaubergasse ist 1885/86 erbaut, hat etwa 60 Plätze, einige alte
Torarollen, deren Herkunft und Alter aber nicht festzustellen sind, und
eine Gedenktafel für die drei Gefallenen der Gemeinde. Der Friedhof
links der Straße nach Oberlauken, 20 Minuten von Usingen. - In der Nähe
Reste zum Teil alter Judensiedlungen, alle auf schönen Wegen zu
erreichen. Kransberg, früher Cranichsberg, wo schon 1346 Jakob von
Cranichsberg als Geldverleihen erscheint, und wo jetzt noch vier Familien
mit neun Seelen, darunter zwei Kinder wohnen. Eschbach, zwei
Familien mit sechs Seelen. Grävenwiesbach mit sieben Seelen, zwei
Stunden nordwestlich von Usingen. Noch weitere 1 1/2 Stunden südwestlich
von Grävenwiesbach der nach Wolfenhausen führende sehr alte und einsame
Judenpfad. - Wie wandern von Usingen südwestlich in zwei Stunden nach Anspach: 2030 Einwohner. Die hiesigen Juden bildeten einst..." |
Berichte zu einzelnen Personen/Familien aus der
jüdischen Gemeinde
92. Geburtstag von Wolf Lilienstein (1911)
Mitteilung
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 17. November
1911: "Usingen. Der hiesige Einwohner Wolf Lilienstein feierte
den 92. Geburtstag." |
Über den in Usingen geborenen Rechtswissenschafter
Gerald Gunther (geb. Günther Gutenstein, 1927-2002)
Günther Gutenstein - später
Gerald Gunther - ist am 26. Mai 1927 in Usingen geboren. Seine
Vater konnte mit der Familie Anfang November 1939 in die USA emigrieren,
wo Gerald Rechtswissenschaft studierte (Brooklyn College, Columbia
University sowie Harvard Law School). Nach Beendigung
des Studiums war er zwei Jahre beim höchsten amerikanischen Gerichtshof
tätig (US Supreme court). Er war von 1956 bis 1962 als Professor
(für
Verfassungsrecht) an der Columbia University New York und danach Professor an der
Stanfort University California. Gunter war langjähriger
Schriftleiter der "Harvard Law Review". Er starb am 30. Juli
2002. Nachruf auf ihn in "Proceedings of the American
Philosophical Society Vol. 148 No. 4 December 2004" (pdf-Datei,
von hier auch das Foto). |
Hinweis: Biographie
in den Stanford News Services: "Gerald Gunther, who was born in Germany, came to the United States in 1938 at age 11. He earned academic degrees from Brooklyn College (A.B. 1949), Columbia University (M.A. 1950) and Harvard Law School (LL.B. 1953), where he was note editor of the Harvard Law Review.
Gunther's 1953-54 clerkship with Judge Hand was followed by a 1954-55 clerkship at the U.S. Supreme Court with Chief Justice Earl Warren. Gunther served on the law faculty of Columbia University from 1956 to 1962, when he joined the Stanford faculty. He has been the William Nelson Cromwell Professor of Law since 1972." |
|
Nachrufe
auf Gerald Gunther u.a. auch in "Stanford
Report" vom 1. August 2002 und in der "New
York Times" vom 1. August 2002.
Im Artikel des "Stanford Report" werden auch genannt: Gunthers
Frau Barbara sowie die Söhne Daniel Gunther (San Francisco) und Andrew
Gunther (Santa Cruz) sowie der Bruder Herbert Gutenstein (Riverdale, N.Y.). |
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Anzeige des Manufaktur- und Konfektionsgeschäftes Emanuel
Hirsch (1884)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 10. März 1884: "Für mein Sabbat und Feiertage geschlossenes
Manufaktur- und Konfektionsgeschäft suche einen Lehrling mit guter
Handschrift.
Emanuel Hirsch, Usingen." |
Lehrlingsgesuche der Weinhandlung und Likörfabrik Z. Rosenberg & Söhne
(1890)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 12. Mai 1890: "Lehrlings-Gesuch.
Wir suchen zum sofortigen Eintritt für unsere Weinhandlung und
Liqueurfabrik einen mit den nötigen Schulkenntnissen versehenen Lehrling,
dem [wir] unter günstigen Bedingungen Kost und Logis im Hause gewähren.
Z. Rosenberg & Söhne, Usingen." |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. Dezember 1890:
"Wir suchen per 1. Januar für unsere Weinhandlung und Liqueur-Fabrik
einen Lehrling unter günstigen Bedingungen. Kost und Logis im
Hause.
Z. Rosenberg & Söhne, Usingen." |
Anzeige des Manufakturwaren-, Konfektions-, Möbel- und
Bettengeschäftes Raphael Baum (1903)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 2. Juli 1903:
"Suche zum sofortigen Eintritt einen Lehrling mit guten
Schulzeugnissen bei freier Station.
Raphael Baum, Usingen,
Manufakturwaren, Konfektion, Möbel und Betten." |
Zur Geschichte der Synagoge
Eine Synagoge war in Usingen bereits Anfang des 19. Jahrhunderts
vorhanden, wobei es sich vermutlich um einen Betraum in einem der jüdischen
Wohnhäuser gehandelt hat. 1852 wurde eine neue Synagogen- und Kultusordnung
erlassen. 1877 war die Synagoge in einem so baufälligen Zustand, dass sie nicht
mehr renoviert werden konnte.
1885/86 wurde ein neues Synagogengebäude erricht. Dazu hatte die
Gemeinde eine ehemalige Scheune erworben, die zu einem Synagoge umgebaut werden
konnte. Im Gebäude gab es 40 Plätze für Männer und 18 für Frauen. Die
Gemeindeglieder in Anspach und Rod am Berg hatten einen eigenen
Betraum.
Einige Jahre später gab es Pläne für einen Neubau einer Synagoge, die jedoch
nicht verwirklicht wurden:
Plan für einen Synagogenneubau (1900)
Meldung
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. Februar 1900:
"Usingen. Die hiesige israelitische Gemeinde will in der Nähe des 'Hoheberg'
eine neue Synagoge bauen lassen, da die Raumverhältnisse der alten sich
als unzulänglich erweisen." |
Etwa 50 Jahre war die Usinger Synagoge Mittelpunkt des
jüdischen Gemeindelebens am Ort.
Nachdem im September 1938 die Fenster
der Synagoge eingeschlagen und die Inneneinrichtung verwüstet worden waren,
wurde die Synagoge von den noch in der Stadt lebenden jüdischen Personen
aufgegeben. Am 5. November 1938 wurde das Gebäude durch den letzten
Gemeindevorsteher Julius Hirsch verkauft. Beim Novemberpogrom 1938 wurde das
Gebäude nicht angezündet, da man die Gefahr eines Ausweitens eines Brandes
innerhalb des engen Gässchens befürchtete. Die neuen Besitzer bauten das Synagogengebäude zu
einem Wohnhaus um.
Auch nach 1945 blieb das Gebäude erhalten, wurde aber durch verschiedene
Umbauten als ehemalige Synagoge unkenntlich gemacht. 1965 wurden zwei
Inschriften - Teile des Toraschreines - in einem Schutthaufen gefunden (Angabe
bei Arnsberg).
Am Grundstückseingang des im Hinterhof liegenden Synagogengebäudes befindet
sich seit September 1991 eine Gedenktafel mit der Inschrift: "In diesem Gebäude befand
sich vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis 1938 die Synagoge der Usinger
Juden".
Adresse/Standort der Synagoge: Klaubergasse
8
Fotos
(Quelle: Innenaufnahmen aus Arnsberg, Bilder S.
192; Fotos 1982/85 aus Altaras s.Lit.; neuere Fotos: Hahn, Aufnahmedatum
8.4.2010)
Historische
Innenaufnahmen
der Synagoge |
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Blick zum Toraschrein
über den Tora-Lesepult |
Blick zur Frauenempore;
erkennbar ist der
schöne Kronleuchter des Betsaales |
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Nach 1945 |
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Das Gebäude im März 1982:
erkennbar
am Ostgiebel das Rundfenster (früher
über dem Toraschrein
siehe Foto oben)
|
Nach einem Umbau ist auch das
Rundfenster
am Ostgiebel verschwunden - die baulichen
Erinnerungen sind
vollkommen beseitigt
(Foto vom September 1985) |
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Das
ehemalige Synagogengebäude und die Gedenktafel im Frühjahr 2010 |
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Rechts das
ehemalige Synagogengebäude |
Gedenktafel
mit Inschrift: "In diesem Gebäude befand sich von Beginn des 19.
Jahrhunderts bis 1938 die Synagoge der Usinger Juden.
In Erinnerung an
unsere jüdischen Mitbürger - der Magistrat der Stadt Usingen"
(Hinweis: beim Foto rechts ist durch Bildbearbeitung die Inschrift besser
lesbar gemacht) |
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Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
September 2012:
Auf den Spuren der jüdischen Geschichte |
Artikel im "Usinger Anzeiger" vom
17. September 2012: "Kein Jude kam nach dem Krieg wieder zurück nach Usingen
USINGEN. Stephan Kolb zeigt auf Einladung der Usinger SPD Spuren jüdischen Lebens in der Stadt
(cju). Spuren jüdischen Lebens in der ehemaligen Kreisstadt finden - das Anliegen des SPD-Ortsvereins stieß auf lebhaftes Interesse. Rund 30 Gäste waren gekommen, um sich von Stephan Kolb, ehemaliger Lehrer an der Christian-Wirth-Schule und Autor des Buches
'Die Juden von Usingen', sachkundig durch den Kern der Innenstadt führen zu lassen..."
Link zum Artikel: Kein Jude kam nach dem Krieg wieder zurück nach Usingen (Usinger Anzeiger, 17.09.2012)
Weiterer Artikel von Matthias Pieren in der "Taunus-Zeitung" vom
16. September 2012: "Auf den Spuren der Usinger
Juden"
Link
zum Artikel |
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März 2016:
Erste Verlegung von
"Stolpersteinen" in Usingen |
Anmerkung: es wurden 13 "Stolpersteine"
in der Stadt verlegt. Angestoßen worden war die Aktion von Projekt- und
Unterrichtsgruppen der Christian-Wirth-Schule und der Konrad-Lorenz-Schule,
die sich auch mit der Lebensgeschichte der jüdischen Einwohner Usingens
gefassten, die in der NS-Zeit vertrieben wurden. Dazu wurde auch eine
Broschüre erstellt. |
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März / Mai 2017:
Zur zweiten Verlegung von
"Stolpersteinen" in Usingen |
Artikel von Constanze Urbano im "Usinger
Anzeiger" vom 28. März 2017: "Ein wichtiges Zeichen gegen
Rechtspopulismus.
USINGEN. Erwartungsgemäß hat das Stadtparlament in seiner Sitzung am
Montagabend das vom Arbeitskreis Stolpersteine beantragte Verlegen weiterer
Gedenksteine für die einst in Usingen lebenden jüdischen Bürger einstimmig
befürwortet. Die Finanzierung wird über Sponsoring und Patenschaften
erfolgen..."
Link zum Artikel |
Artikel von Matthias Pieren in der
"Frankfurter Neuen Presse" vom 12. Mai 2017: "Verlegung neuer
Stolpersteine. Schicksale Usinger Juden: "Das lässt einen nicht kalt"
Anfang vergangenen Jahres wurden erstmals Stolpersteine in Usingen verlegt.
In der nächsten Woche wird mit weiteren Pflastersteinen dem Lebensweg und
Schicksal ehemaliger jüdischer Mitbürger gedacht, die während der NS-Zeit
aus Usingen vertrieben oder ermordet wurden. Eleonore und Oliver Marshall
werden in einer Woche aus ihrer Heimat in den USA in den Geburtsort ihrer
Mutter reisen. Liselotte Rosenberg lebte in den 1930er Jahren mit ihren
Eltern im heutigen Pfarrhaus der evangelischen Kirchengemeinde am Fuße der
Laurentiuskirche. 'Liselotte wurde eines Tages von anderen Jugendlichen mit
Steinen beworfen und beschimpft, weil sie Jüdin war. Sie wurde dabei schwer
verletzt', berichtet die 16-jährige Maxine. 'Danach wurde sie von ihren
Eltern in die Schweiz in eine Klinik geschickt, in der sie wegen einer
chronischen Erkrankung schon einmal behandelt wurde. Sie blieb bis nach dem
Krieg in der Schweiz.' Ein Ereignis, das den ganz normalen Alltag jüdischer
Familien in Usingen noch vor der Reichspogromnacht beschreibt. 'Wenn man
heute liest, was Usinger Jugendliche seinerzeit getan haben und was jüdische
Jugendliche in Usingen erdulden mussten, dann wird man sehr nachdenklich',
beschreibt Lena ihre Empfindungen. Die beiden Schülerinnen aus der 10N1 der
Christian-Wirth-Schule haben sich in den vergangenen Wochen und Monaten im
Rahmen der AG Stolpersteine an ihrer Schule intensiv mit dem Lebensweg und
Schicksal der in den 1930er Jahren in Usingen lebenden Juden beschäftigt.
Insgesamt sechs Schüler aus der 10N1 und eine Schülerin aus der Oberstufe
wollten unbedingt mehr über die Ereignisse während der NS-Zeit wissen als im
offiziellen Lehrplan steht. Sie haben sich seit Februar regelmäßig mit
CWS-Lehrerin Dr. Mirjam Andres getroffen und sich mit geschichtlichen
Dokumenten und Quellen aus Usingen in Zeiten des Nazi-Regimes
auseinandergesetzt. Neben der Geschichtslehrerin sind der ehemalige
KLS-Lehrer Hannes Schiller sowie Birgit Hahn und Pfarrerin Gundula Guist
beim Projekt federführend. Neben der persönlichen Auseinandersetzung der
Jugendlichen mit der deutschen Geschichte vor nunmehr 80 Jahren ermöglichten
sie die Verlegung weiterer zwölf Pflastersteine in Usingen. 'Im normalen
Geschichtsunterricht lernt man immer nur Fakten oder man hört etwas von Anne
Frank', sagt Jasmin. 'Das, was wir aus den Büchern sowie Schrift- und
Bilddokumenten aus Usingen erfahren haben, ist hingegen so unglaublich
lebendig. Das lässt einen nicht kalt. Da kann man sich nicht wie bei einem
Film zurücklehnen und abschalten.' Für Raoul ist es auch etwas Besonderes,
dass die Schüler die vom ehemaligen CWS-Geschichtslehrer Stephan Kolb in
einem Buch ('Die Juden aus Usingen') zusammengefassten Forschungsergebnisse
als Grundlage nehmen können. 'Die Eltern von Liselotte Rosenberg sind 1937
in die USA geflohen, wo sie nach dem Zweiten Weltkrieg ihre Tochter wieder
getroffen haben', berichtet Maxine. 'Das ist wirklich etwas Besonderes, dass
ihre in den USA geborenen Nachfahren nun zur Verlegung der Stolpersteine vor
dem Wohnhaus ihrer Mutter in deren Heimatstadt zurückkehren.'"
Link zum Artikel |
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Oktober 2018:
Dritte Verlegung von
"Stolpersteinen" in Usingen |
Artikel von Dorit Lohrmann in der
"Frankfurter Neuen Presse" vom 22. Oktober 2018: "Erinnerung. 16
Stolpersteile in Usingen verlegt
Wer durch die Stadt läuft, stolpert mitunter über kleine goldene Plaketten
im grauen Pflaster des Bürgersteigs. Seit Samstag gibt’s von ihnen noch
mehr. Es sind Steine, die an Menschen erinnern sollen – Stolpersteine...
Es war das dritte Mal, dass sich die Arbeitsgruppe Stolpersteine aufmachte,
um in der Stadt jene goldenen und mit Namen versehenen Pflastersteine vor
solche Häuser zu setzen, in denen früher Juden gewohnt hatten. Hoffentlich
an den richtigen Adressen, denn bei manchen Hausnummern habe es durchaus
Schwierigkeiten gegeben, die betreffenden Häuser ausfindig zu machen, räumte
Mirjam Andres ein. Die geschichtskundige Gymnasiallehrerin an der
Christian-Wirth-Schule hatte maßgeblich die Namen derer recherchiert, um die
es am Samstag ging. Über 16 Namen war Andres im Verlauf ihrer
Nachforschungen gestolpert, die nun als Stolpersteine in die Gehwege vor den
jeweiligen Häusern eingelassen wurden. 'Wir möchten mit diesem Projekt an
die jüdischen Mitbürger erinnern, die aufgrund der Menschen verachtenden
Ideologie der Nationalsozialisten und ohne eigenes Verschulden rechtlos
wurden', begründete Mirjam Andres in ihrer Ansprache die Aktion. 'Wir wollen
damit unseren Respekt ausdrücken, um ihnen wenigstens einen Teil ihrer Würde
zurückzugeben.' Das Projekt war vor vier Jahren ins Leben gerufen und von
der Stadt Usingen, den Schulen und vielen einzelnen Bürgern durch Spenden
und Teilnahme unterstützt worden. Andres sprach besonders jenen Eltern ihren
Dank aus, die ihre Kinder an dem Bildungsprojekt 'Kultur macht stark' hatten
teilnehmen lassen. Im Rahmen dieses Projekts des Bundesministeriums für
Bildung hatte die Schriftstellerin Ursula Flacke unter dem Motto 'Jeder ist
anders, und das ist gut so' den Kindern eine Schreibwerkstatt angeboten.
Darin griff sie die Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft auf und
beleuchtete mit den Kindern die Geschehnisse in Usingen aus verschiedenen
Blickwinkeln. 'Dabei sind ganz tolle Texte entstanden', sagte Flacke am
Samstag anlässlich der Stolperstein-Verlegung. Einige Auszüge, die sie schon
an Ort und Stelle verlas, deuteten bereits an, in welche Tiefen die Schüler
in der Schreibwerkstatt vorgedrungen waren. Josefines Beitrag setzte dem die
Krone auf. Das komplette Ergebnis erscheint als Buch, das am 3. November in
der Hugenottenkirche vorgestellt wird. Während der Erfinder der goldenen
Pflastersteine, der Kölner Künstler Gunter Demnig, die Stolpersteine kunst-
und fachgerecht verlegte, begleiteten Ursula Flacke und Manfred Kling die
Aktion mit einem jüdischen Lied. Jetzt erinnern die goldenen Inschriften vor
dem Haus Bahnhofstraße 20 an den in Auschwitz ermordeten Otto
Lilienstein und seine nach Frankreich geflohene Ehefrau Hilde.
Vor der Bahnhofstraße 18 wird der Familie Alfred, Dina, Ernst
Günther, Helga und Eva Lilienstein gedacht, denen die Flucht das Leben
gerettet hatte. Julius und Lilli Hirsch betrieben ein Modegeschäft in
der Obergasse 5 (heute Schlosspassage), von wo aus sie nach
Plünderungen und Überfällen mit ihren Kindern Kurt und Paul die Flucht
angetreten hatten. Hedwig Weil, eine Verwandte, wurde nach Polen
verschleppt und ermordet. Ebenfalls unfreiwillig zur Flucht gezwungen sahen
sich Karl und Alice Rosenthal und ihre Kinder Richard und Cäcilie.
Der Kaufmann hatte in der Obergasse 11 das Möbelgeschäft seines
Schwiegervaters betrieben, zu dessen Verkauf er gewaltsam gezwungen wurde.
Später zog dort das Textilhaus Schäfer ein."
Link zum Artikel |
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November 2019:
Jährliche Reinigung der
"Stolpersteine" durch Mitglieder der SPD |
Pressemitteilung vom 27. November 2019: "
Reinigung der Stolpersteine.
USINGEN - Wie jedes Jahr wird die Usinger SPD die Stolpersteine in
einer gemeinsamen Aktion mit interessierten Bürgern reinigen. Treffpunkt ist
vor dem Goldschmidt-Haus in Usingen am Freitag, 29. November, um 15 Uhr.
Weitere Mithelfer sind herzlich willkommen. Anschließend lädt die Usinger
SPD die Mitwirkenden noch zu einem Glühwein auf dem Usinger Weihnachtsmarkt
ein."
Link zur Pressemitteilung |
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Januar 2020:
Veranstaltung zum
Holocaust-Gedenktag |
Artikel von C. Jung im "Usinger Anzeiger"
vom 25. Januar 2020: "Usingen gedenkt der Holocaust-Opfer
Die Stadt Usingen hat am Freitag in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für
jüdisch-christliche Zusammenarbeit (GCJZ) und den Kirchen eine Gedenkfeier
für die Opfer des NS-Regimes abgehalten.
USINGEN - 75 Jahre ist es her, dass das Vernichtungslager Auschwitz
befreit wurde. Die Zahl der Zeitzeugen, die über die dort und anderswo
verübten Gräueltaten der Nationalsozialisten berichten können, sinkt stetig.
Die Erinnerung an den Holocaust aber muss bleiben - die Deutschen müssen
sich ihrer Vergangenheit stellen. Deshalb hatte die Stadt Usingen in
Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für jüdisch-christliche Zusammenarbeit (GCJZ)
und den Kirchen am Freitagabend zu einer Gedenkfeier eingeladen. Im
evangelischen Gemeindehaus trafen sich etliche, die der Toten gedenken
wollten. Umrahmt von Musik von Manfred Klink, der unter anderem das in einem
Konzentrationslager entstandene Lied "Wir sind die Moorsoldaten" vortrug,
war es eine würdige, eine ansprechende und eine mutmachende Veranstaltung.
Letzteres vor allem deshalb, weil eine kleine Gruppe von Schülern der
Christian-Wirth-Schule einen sehr interessant gemachten Beitrag zum Thema
'Leben' machten. Zwei der Schüler gaben an, dass sie das Ganze als ein
'schwieriges Thema' ansehen. Während Annika (17) sich dem Ganzen über ihr
Mitgefühl nähert, hat Lukas (19) vor allem Bedenken wegen der
rechtsradikalen Tendenzen, die in der Gesellschaft spürbar wären. Deshalb
gelte es, aufmerksam zu bleiben und darauf zu achten, wie die Menschen
miteinander umgehen. Stadtverordnetenvorsteher Gerhard Liese sprach davon,
dass Deutschland die Erinnerung an das, was damals geschehen sei, im
Gedenken halten müsse. Auch wenn jetzt viele argumentierten, sie seien
damals nicht dabei gewesen. Vorkommnisse wie in Chemnitz machten sprachlos.
Dabei müsse nicht nur dem Antisemitismus begegnet werden, sondern auch dem
Fremdenhass und der Verrohung der Gesellschaft. 'Deutschland muss seiner
Verantwortung gerecht werden', unterstrich Liese. Tibi Aldema von der GCJZ
sprach ebenso davon, dass Juden, Sinti, Roma und andere verfolgt und
ermordet worden seien. Die Frage, wo Gott da gewesen sei, stelle sich ihm
natürlich angesichts des unermesslichen Leids. Aber es stelle sich auch die
Frage 'Wo war der Mensch?' Denn diese hätten ja die Befehle befolgt, die
erteilt wurden. Die Erinnerung wachzuhalten sei eine wichtige Sache - jetzt
und in Zukunft. Das Geschehene dürfe nicht in Vergessenheit geraten. Er
betete dann auch noch auf hebräisch, was den Gästen ins Deutsche übersetzt
wurde. Pfarrer Dr. Hans-Jörg Wahl und Annette Bieker sprachen einige Worte
der Besinnung zur Versammlung. Wahl unterstrich dabei die Bedeutung, die die
Stolpersteine für die ehemalige Residenzstadt hätten, denn auch sie sorgten
dafür, dass die jüdischen Mitbürger von damals nicht ins Vergessen gerieten.
Vor dem Beisammensein mit Tee und Gebäck im Gemeindehaus und einer
Filmvorführung gingen alle zum Denkmal vor dem Rathaus, um dort an die Opfer
zu denken. Auch hier betete Aldema für diese. Die Stadtpolizei stoppte den
Berufsverkehr für einige Minuten und so lag eine mystische Ruhe über der
Veranstaltung, die damit ein würdiges Ende fand."
Link zum Artikel |
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März 2020:
Schüler-Projektarbeit zur nächsten
Verlegung von "Stolpersteinen" in Usingen und Eschbach |
Artikel von Constanze Urbano im "Usinger
Anzeiger" vom 6. März 2020: "Stolpersteinprojekt von Usinger
Grundschülern: "Wir sind nicht so!"
Projektarbeit mit Blick auf die kommende Verlegung von Stolpersteinen
offenbart sehr nachdenkliche Grundschüler
ESCHBACH/USINGEN. Rund 40 Schüler stellten der Presse in der
Buchfinkenschule am Freitagvormittag die Ergebnisse ihrer Projektarbeit mit
Blick auf die kommende Verlegung der Stolpersteine in der Kernstadt und im
Stadtteil Eschbach vor. Dabei wurde deutlich, dass sich die Schüler sehr
intensiv mit den Themen Krieg und Verfolgung in ihrer Heimat befasst hatten.
Neben der Christian-Wirth-Schule und der Helmut-Schmidt-Schule waren in
diesem Jahr erstmals Schüler der vierten Klassen der Buchfinkenschule am
Projekt beteiligt. Dr. Mirjam Andres von der CWS, die die Projektarbeit vor
Jahren angestoßen hatte, war nach guten Erfahrungen mit neun- und
zehnjährigen Schülern in einer Schreibwerkstatt auf die Idee gekommen, nun
auch die Grundschüler mit ins Boot zu nehmen. Im Rahmen dieser
Schreibwerkstatt hatten die Kinder sich mit dem Thema 'Anders sein'
auseinandergesetzt. Der Kontakt zur Buchfinkenschule entstand über den
Verein Eschbacher Ortsgeschichte, der auch Materialien über eine jüdische
Familie in Eschbach mit dem Namen Simon bereitgestellt hatte. Der Kaufmann
und Viehhändler Moritz Simon und seine Frau Johanna wohnten mit ihren vier
Kindern einst in der Kirchgasse 144 (heutige Anschrift: Usinger Straße 17).
Sowohl die Eltern als auch drei der Kinder wurden vom Nazi-Regime in die
Konzentrationslager Kauen-Litauen und Buchenwald deportiert und ermordet.
Für sie werden am 16. Mai Stolpersteine verlegt. Die Buchfinkenschüler haben
sich fünf Wochen lang sowohl mit dem Schicksal dieser Familie als auch mit
Ausgrenzung und Verfolgung allgemein befasst. 'Wir waren anfangs etwas
skeptisch, ob das Thema nicht zu grausam oder zu schwierig für die Kinder
ist', berichten Rahel Dere und Kerstin Vollberg, die die vierten Klassen in
Eschbach unterrichten. Umso mehr seien sie schon nach kurzer Zeit
beeindruckt gewesen, wie intensiv sich ihre Schüler damit beschäftigten.
Auch hätten sie vorher schon vieles gewusst, etwa, dass es KZs gegeben hat
und dass Menschen dort vergast wurden. Die Lehrerinnen inspirierten die
Kinder, ihren Gefühlen angesichts dieser Tatsachen auf verschiedene,
kreative Weise Ausdruck zu verleihen. Den Kindern war es wichtig, zu zeigen,
wie sich die verfolgten Menschen ihrerseits gefühlt haben müssen. Es
entstanden Knetmännchen mit verzweifelten Mienen und die Schüler schnitten
Tränen aus Pappe aus, in die sie ihre Gedanken hineinschrieben, oft mit
einem Fragezeichen versehen: 'Manchmal werden Menschen ohne Grund von
anderen umgebracht. Was hat das für einen Sinn?'. 'Hitler hat Menschen
grundlos getötet', ist an anderer Stelle zu lesen. Es ging aber auch um die
heutige Zeit, darum, was den Grundschülern heute in ihrem eigenen Umfeld
missfällt: 'Wenn man Leute auslacht, sich prügelt oder gemobbt wird',
zählten die Kinder auf. Und ganz wichtig zum Schluss war des Thema Hoffnung,
die Kinder schrieben auf, wie man Schlechtes wieder zum Besseren wenden
kann, indem man sich versöhnt, nett ist, gerecht ist, andere tröstet,
füreinander da ist, gemeinsam lacht und offen und ehrlich auf andere zugeht.
Das Thema soll in den kommenden Jahren an der Buchfinkenschule beibehalten
werden, zumal auch seitens der Eltern viel positive Resonanz kam, wie
Kerstin Vollberg berichtet. Sehr beeindruckt sei sie zudem gewesen, als die
Kinder nach den Morden von Hanau wieder auf sie zugekommen sind und ein
Zeichen setzen wollten. Deshalb hängen nun viele gemalte Tauben in der
Schule: 'Damit möchten wir zeigen, dass wir so nicht sind', unterstrichen
die Schüler.
Die Projektarbeit aller Schüler aus Eschbach und Usingen wird Eingang in
eine Broschüre finden, die demnächst erscheint."
Link zum Artikel |
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Juni 2020:
Die im März geplante Verlegung von
"Stolpersteinen" wird verspätet durchgeführt |
Artikel von Christina Jung im "Usinger
Anzeiger" vom 30. Juni 2020: "Weitere Stolpersteine erinnern in Usingen
an vertriebene jüdische Mitbürger
Nachfahren der von den Nazis vertriebenen Familie Gutenstein haben in
Usingen an der jüngsten Verlegung sogenannter Stolpersteine teilgenommen.
USINGEN. Eigentlich sollte die Verlegung der Stolpersteine bereits im
Mai stattfinden, doch die Pandemie machte der vierten Aktion einen Strich
durch die Rechnung. Gestern Vormittag haben nun die Organisatoren der Aktion
'Stolpersteine in Usingen' weitere goldfarbene Steine mit Namen von
ehemaligen jüdischen Mitbürgern verlegt und diese in die Pflastersteine
hineingesetzt. Miriam Andres und Birgit Hahn waren mit Schülern der
Christian-Wirth-Schule in der Wirthstraße, wo vor der Hausnummer 8 sechs
Stolpersteine verlegt und mit jeweils einer weißen Rose geschmückt wurden.
Manfred Klink übernahm einmal mehr den musikalischen Teil dieser
Veranstaltung, die die Organisatoren noch gerne vor den großen Ferien zu
einem guten Ende hatten bringen wollen. Erinnert wurde an die Familie
Gutenstein, die hier mit ihren drei Söhnen lebte und eine Metzgerei betrieb.
'Es waren Menschen, die sich in Usingen wohlfühlten und es zu einem kleinen
Wohlstand gebracht hatten', so Andres in ihrer Rede. Usingen sei eine
Hochburg der NSDAP gewesen und schon früh habe sich abgezeichnet, dass die
jüdische Bevölkerung es schwer haben würde nach der Machtergreifung von
Adolf Hitler im Januar 1933. Viele hätten es sich nicht leicht gemacht mit
dem Gehen. Aus der gewohnten Umgebung, wo Freunde und Verwandte sowie der
Broterwerb waren und alles so vertraut war. Zudem habe man oft nicht
gewusst, wo es hingehen solle, ob das Land, welches man anvisiert habe,
einen aufnehmen würde. 'Und vielen hat es auch schlicht und ergreifend am
Geld gefehlt, denn es mussten hohe Abgaben bezahlt werden und es musste doch
noch etwas übrig bleiben für den Neuanfang in der Fremde', skizzierte Andres
die Probleme, die den in Usingen lebenden Juden wohl durch die Köpfe gingen.
Otto und Minna Gutenstein, die mit ihren Söhnen Herbert, Rudolf und Günther
in der Wirthstraße wohnten, machten sich nach der Reichspogromnacht mit dem
Gedanken vertraut, dass es 'ihr' Usingen so nicht mehr gibt, und traten den
Weg ins Exil an. Sie gingen nach New York. Dort leben heute noch Nachkommen
von ihnen. Leonie Theuerkauf hat den Kontakt nach Amerika hergestellt,
nachdem sie nach Nachfahren der Familie Gutenstein im Internet gesucht hatte
und dabei auch fündig wurde. Es entstand ein reger Gedankenaustausch
zwischen den Nachkommen der Familie in Buffalo im Staate New York und
Usingen. Diesem ist es auch geschuldet, dass Peter Gutenstein, ebenfalls ein
Verwandter der emigrierten Familie, mit seiner Frau Sylvie nach Usingen
gekommen ist. Der 82-Jährige lebt mit seiner Familie in Liechtenstein und
ist trotz der Pandemie, die eine Reise der amerikanischen Verwandten
verhinderte, in die ehemalige Residenzstadt gekommen. Er regte an, dass auch
für Fritz Gutenstein, der ebenfalls in der Wirthstraße zuhause war, ein
Stein verlegt wurde. Nach der Verlegung von insgesamt 15 neuen
Stolpersteinen, darunter auch einige im Usinger Stadtteil Eschbach, gingen
die Teilnehmer wieder nach Hause, im stillen Gedenken an jene, die einst
hier gelebt haben und ihre Heimat nicht freiwillig verlassen haben. Die
Stolpersteine werden zumeist für jüdische Mitbürger verlegt, die dem
Nazi-Regime zum Opfer gefallen sind. Es wird aber auch an jene erinnert, die
es schafften, sich vor dem unsäglichen Terror in Sicherheit zu bringen und
sich in anderen Ländern neue Existenzen aufbauen konnten. Andres dankte
nochmals den Eigentümern des Hauses, vor dem die Stolpersteine eingesetzt
wurden, für deren Mitarbeit und Unterstützung; dies sei leider nicht
selbstverständlich. Wer diese Aktion unterstützen möchte, kann eine Spende
bei der NASPA auf das Konto DE 97 5105 0015 0304 0000 15 überweisen und den
Verwendungszweck Debitor 2000025 Spende Stolpersteine angeben. Eine
Spendenquittung gibt es ab einer Summe von 201 Euro von der Stadt. Darunter
reicht der Überweisungsbeleg oder der Kontoauszug. Wer Fragen hat, kann sich
an Birgit Hahn oder Miriam Andres wenden."
Link zum Artikel |
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Juli 2020:
Auch in Eschbach werden
"Stolpersteine" verlegt |
Artikel im "Usinger Anzeiger" vom 10. Juli
2020: "Fünf Stolpersteine für die Familie von Moritz Simon in Eschbach
verlegt
Im Usinger Stadtteil Eschbach sind fünf Stolpersteine für die Familie von
Moritz Simon verlegt worden. Der Verein "Eschbacher Ortsgeschichte" hat die
Daten der Familie recherchiert.
Usingen-Eschbach (red). Im Usinger Stadtteil Eschbach wurden fünf
Stolpersteine für die Familie von Moritz Simon in der Usinger Straße 17
(ehemals Kirchgasse 144) verlegt. Aufgrund der Corona-Pandemie wurde dies im
kleinen Kreis durchgeführt. Zu einem späteren Zeitpunkt will der Verein
"Eschbacher Ortsgeschichte" eine Feier zur mit den Eschbacher Bürgern und
den Schülern der Buchfinkenschule nachholen. Diese hatten sich an der
Recherche über die Familie beteiligt.
Arbeitsgruppe gegründet. Inspiriert wurden die Mitglieder der
"Eschbacher Ortsgeschichte" durch eine Stolpersteinverlegung in Usingen.
Daraufhin bildete sich die Arbeitsgruppe "Stolpersteine Eschbach" durch die
Mitglieder Ronald Löw, Reinhold Harnoth und Denise Vetter, die durch
zeitaufwendige Recherchen und viele Gespräche mit Behörden und Archiven
wichtige Daten und Fakten zusammentrugen. Hilfreich waren auch die
Erinnerungen von Elfriede Müller, die über die Familie Simon Auskunft geben
konnte. Mit viel Engagement beteiligten sich auch die Schüler der vierten
Klassen der Buchfinkenschule. Um für einen jüdischen Mitbürger einen
Stolperstein zu beantragen, muss ein amtlicher Beweis, unter anderem mit
Sterbedatum und Sterbeort durch das Nazi-Regime nachgewiesen werden. Seit
2020 ist diese Regelung gelockert worden und so können nun auch Personen,
die rechtzeitig vor der Verfolgung durch das Nazi-Regime fliehen konnten und
überlebten, heute einen Gedenkstein bekommen. Die jüdische Familie von
Moritz und Johanna Simon lebte bis 1938 mit ihren vier Kindern in der
Kirchgasse 144 (heutige Usinger Straße 17) in Eschbach. 1877 wurde Moritz
Simon in Griedelbach bei Wetzlar, und seine spätere Ehefrau, Johanna,
geborene Mayer, 1887 in Geiß-Nidda geboren.
Moritz Eltern zogen mit ihm in den folgenden Jahren nach Eschbach im Taunus.
Moritz war von Beruf Viehhändler. Das erfuhr der Verein, weil der
Landrat am 6. März 1919 eine Liste mit den offiziellen, durch Ausweise
legitimierte Viehhändler im Kreis Usingen veröffentlichte. Seine Frau
Johanna war Näherin, das Paar bekam vier Kinder. Der erste Sohn hieß Wilhelm
Walter und wurde am 21. Januar 1915 geboren. Es folgte der zweite Sohn Kurt,
der am 26. Oktober 1918 geboren wurde. Das dritte Kind wurde eine Tochter
namens Liselotte. Sie erblickte das Licht der Welt am 21. November 1921. Als
letztes der vier Kinder kam am 29. September 1923 Herbert zur Welt. Alle
wurden in Eschbach geboren. 1920 überschrieben die Eltern das Grundstück mit
Haus in der Kirchgasse 144 ihrem Sohn Moritz. 1938, als die Nazis auch hier
in Eschbach begannen, jüdische Mitbürger zu verfolgen und zu deportieren,
musste Moritz das Haus verkauften. Er und seine Frau Johanna wurden mit
ihren beiden Kindern Liselotte und Herbert zuerst nach Frankfurt und dann am
22. November 1941 ins Konzentrationslager nach Kauen-Litauen deportiert. Sie
starben alle am 25. November 1941.
Nach New York emigriert. Ihr Sohn Wilhelm Walter wurde am 22.
November 1938 direkt von Eschbach ins KZ Buchenwald deportiert und wurde am
13. November 1939 dort ermordet.
Nur der zweitälteste Sohn Kurt flüchtete rechtzeitig nach England. Hier
lernte er seine spätere Ehefrau Ellen (geflüchtet aus Köln), kennen. Beide
emigrierten am 28. Juni 1938 nach New York (USA) und führten dort eine
Rinderfarm. Kurt und Ellen Simon hatten zwei Kinder, Sohn Robert und Tochter
Susan. Robert Simon heiratete Lisa und bekamen zwei Kinder, Sohn Michael und
Tochter Sarah. Die Familie Robert Simon lebt heute in Bloomingburg, New
York. Die Stolpersteine wurden vom Verein "Eschbacher Ortsgeschichte sowie
von den Mitgliedern Ronald Löw und Reinhold Harnoth und von der Frankfurter
Volksbank gespendet."
Link zum Artikel |
Links und Literatur
Links:
Quellen:
Hinweis
auf online einsehbare Familienregister der jüdischen Gemeinde Usingen |
In der Website des Hessischen Hauptstaatsarchivs
(innerhalb Arcinsys Hessen) sind die erhaltenen Familienregister aus
hessischen jüdischen Gemeinden einsehbar:
Link zur Übersicht (nach Ortsalphabet) https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/llist?nodeid=g186590&page=1&reload=true&sorting=41
Zu Usingen sind vorhanden (auf der jeweiligen Unterseite zur
Einsichtnahme weiter über "Digitalisate anzeigen"):
HHStAW 365,856 Gräberverzeichnis des jüdischen Friedhofs in
Usingen 1885 - 1937, enthält Bericht zur Anlegung und Einweihung
des Friedhofs der Kultusgemeinde Usingen - Eschbach im Jahr 1885 mit
einem Verzeichnis der Verstorbenen mit Sterbedaten und Angaben zur Grablage;
enthält auch Angaben zu Eschbach https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v131330
|
Literatur:
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. II S. 317-319. |
| ders.: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Bilder -
Dokumente. S. 192. |
| Thea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit
1945? 1988 S. |
| dies.: Das jüdische Rituelle Tauchbad und: Synagogen in
Hessen. Was geschah seit 1945 Teil II. 1994. S. 133. |
| dies.: Neubearbeitung der beiden Bücher 2007² S.
323-324. |
| Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.):
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der
Verfolgung 1933-1945. Hessen I Regierungsbezirk Darmstadt. 1995 S.
192-193. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. 359-360. |
| Stephan Kolb, Judith Schwarzenberg:
"...aus der Stadt gewiesen" - Die Juden von Usingen. Brühlsche
Universitätsdurckerei Gießen 1996. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Usingen
Hesse-Nassau. Although Jews lived there from the 17th century, numbering 31 in
1801 and opening their third synagogue in 1886, they only won recognition as an
independent community in 1868. Affiliated with the rabbinate of Bad
Ems, the community- which also had members in five neighboring villages -
grew to 126 in 1933. Its synagogue lay in ruins and the community had virtually
disbanded pritor to Kristallnacht (9-10 November 1938), when SA troops
and Hitler-Youth organized a pogrom. No Jews remained in Usingen by 1940, 28
having emigrated (mostly to the United States).
vorherige Synagoge zur ersten Synagoge nächste Synagoge
|