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Altdorf b.
Nürnberg (Kreis Roth )
Zur jüdischer Geschichte
Zur jüdischen Geschichte in Altdorf
In Altdorf - einer zwischen Nürnberg und Neumarkt zentral
gelegenen Stadt - bestand zu keiner Zeit eine jüdische Gemeinde. Nur einzelne
jüdische Personen werden in Altdorf als zeitweise wohnhaft genannt. Unklar ist,
ob es im Mittelalter zu einer jüdischen Ansiedlung gekommen ist (vgl.
Überlegungen in Germania Judaica III,1 zu einer möglichen Judenverfolgung 1298).
Eine Erinnerung an die jüdische Geschichte unklarer Herkunft ist der Flurname "Am Judenbühl". Dazu Schwierz s.Lit. S.
143: "Der Name (Judenbühl) wurde von einem Historiker des 18. Jahrhunderts
namens Georg Andreas Will, so erklärt, dass einer jüdischen Familie namens Symelin im 14. Jahrhundert ein Wohnrecht in verschiedenen Orten, darunter auch
in Altdorf, verbrieft wurde, die Familie zog aber nicht nach Altdorf. Trotzdem
behielt der dafür vorgesehene Platz den Namen."
17. Jahrhundert
Der Altdorfer Orientalist Johann
Christoph Wagenseil und sein großes Interesse am Judentum
Von besonderer Bedeutung ist der Aufenthalt von Beer Perlhefter (Beer
Schmuel Issachar ben Jehuda Leib ben Moses Eybeschuetz Perlhefter aus der
bekannten Prager Eibenschütz-Familie; um 1650 -
nach 1713) in Altdorf, der als jüdischer Lehrer (Gelehrter und Rabbiner) aus
Prag bei dem Altdorfer Rechtsgelehrten und Orientalisten Johann Christoph
Wagenseil (1633-1705: Abbildung links: Wikimedia commons) über ein Jahr lang beschäftigt war. Wagenseil wurde von
Perlhefter 1674/75 im Hebräischen und in der jüdischen Literatur unterrichtet.
Auch Perlhefters Frau Bella war hoch gebildet und hatte bereits einen
Namen als Schriftstellerin und
Musiklehrerin. Sie unterrichtete Wagenseils Tochter Helene Sybilla im Tanzen.
Doch wohnte sie nicht bei ihrem Mann in Altdorf, sondern in jüdischer Umgebung
in Schnaittach oder auch
Schwabach. 1675 zog Beer Perlhefter nach
Schwabach, um dann nach Prag zurückzukehren. 1676 folgte er einem Ruf als
Rabbiner nach Modena. 1681 kehrte er nochmals vorübergehend nach Schwabach
zurück, danach war er wieder in Prag. Weiteres zu seinem Leben siehe
Literatur und biographische Artikel.
Wagenseil hatte bereits nach dem Studium eine lange Bildungsreise quer durch
Europa angetreten und in Wien, Bratislava, Venedig, Padua, Rom, Metz, Amsterdam,
Fürth und Prag jüdische Gemeinden und Vertreter des Judentums kennengelernt.
Dies begründete sein lebenslanges persönliches Interesse am Judentum. In Altdorf
wurde er vor allem auf Grund seiner von Perlhefter erworbenen Kenntnisse zu
einem bekannten Hebraisten an der Universität. In der Folgezeit
verfasste er mehrere Schriften zur Verteidigung von Juden und widerlegte
beispielsweise den alten Vorwurf des
Ritualmordes). Für die Abfassung seiner hebräischen und jüdischen Arbeiten hatte
Wagenseil auch mit anderen jüdischen Gelehrten und dazuhin mit getauften Juden Kontakt, u.a. mit dem Schreiber Johann Christian Jakob aus Krakau. Später
sorgte er jedoch - sicher ungewollt - für eine weitere Verbreitung antijüdischer
Vorurteile, indem er beispielsweise mit den "Tela
Ignea Satanae" (Die Feuerpfeile des Satans, Altdorf 1681)
antichristliche hebräische Schriften ins Lateinische übersetzte. Auf Grund
dieser Publikation und anderer wie die Schrift "Ankündigung an alle Obrigkeiten
wegen der Lästerung, womit die Juden Christum schmähen", Altdorf 1703)
wurde Wagensail in der Folgezeit höchst unterschiedlich beurteilt: die Spanne
reicht von "Judenfreund" bis "Judenfeind". In einer neueren Darstellung wird er
positiv als "Pionier des christlich-jüdischen Zusammenlebens" bezeichnet (Peter
Blastenbrei s.u.).
Texte
Wagenseil in kritischer Darstellung
in jüdischen Periodica im 19. Jahrhundert (Beispiel von 1894)
Anmerkung: auch jüdischerseits wird Wagenseil im 19./20. Jahrhunderts positiv
wie negativ oder auch ausgewogen beurteilt.
Aus
einem Beitrag in "Jeschurun" vom 6. Juli 1894: "...So war der berühmte
Professor in Altdorf, J. C. Wagenseil. ein bekannter Freund und Förderer der
jüdischen Wissenschaft, hat seinen jüdischen Freunden in wien
Schabbesgoidienste erwiesen, hat sich einen Schalet und Kugel bei Juden gut
schmecken lassen, hat jüdische Exilanten unterstützt und verkehrte so lange
mit Judenfeinden, bis er zuletzt Pamphlete gegen Juden veröffentlichte..." |
Literatur: u.a. Bernard Weinryb: Historisches und
Kulturhistorisches aus Wagenseils hebräischem Briefwechsel. In: Monatsschrift
für Geschichte und Wissenschaft des Judentums 83 1939 S. 325-341.
Online eingestellt (pdf-Datei).
Friedrich Dickmann: Das Judenmissionsprogramm Johann Christoph
Wagenseils. 1974.
https://www.deepdyve.com/lp/de-gruyter/das-judenmissionsprogramm-johann-christoph-wagenseils-UXyCZO37E0
(kostenpflichtig).
Peter Blastenbrei: Ein Pionier des christlich-jüdischen Zusammenlebens.
Johann Christoph Wagenseil zum 300. Todestag. In: in PaRDeS. Informationsblatt
der Vereinigung für Jüdische Studien e.V. Heft Nr. 10; Juni-Juli 2005. S.
3-10. Online zugänglich.
https://publishup.uni-potsdam.de/opus4-ubp/frontdoor/deliver/index/docId/2100/file/pardes_10_a4_Art01.pdf
Deutsche Biographie: zu Johann Christoph Wagenseil:
https://www.deutsche-biographie.de/sfz84199.html
Wikipedia-Artikel: zu Johann Christoph Wagenseil:
https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Christoph_Wagenseil
Artikel in JewishEncyclopedia.com zu Isaachar Perlhefter
Issachar Perlhefter in JewishEncyclopedia.com
(hier wird Wagenseil kritisch als "well-known anti-Jewish author bezeichnet"
Digitale Ausgabe von "Tela ignea Satanae"
https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb10690618?page=5
Zu Beer Perlhefter:
https://de.wikipedia.org/wiki/Beer_Perlhefter und zu seiner Frau Bella
Perlhefter
https://de.wikipedia.org/wiki/Bella_Perlhefter
19./20. Jahrhundert
Im 19./20. Jahrhundert haben sich nur wenige jüdische Familien/Personen
zeitweise in der Stadt niedergelassen. Von Interesse ist die zeitweise
Möglichkeit der Ausbildung jüdischer Lehramtskandidaten am Königlich-Bayerischen
Lehrerseminar in Altdorf.
Die Ausbildung jüdischer Lehramtskandidaten am Königlich-Bayerischen
Lehrerseminar (bis 1842)
Die Ausbildung der Lehrer wurde im Königreich Bayern seit 1809 staatlich
organisiert. Für Mittelfranken wurde zunächst in Nürnberg ein staatliches
Lehrerseminar eingerichtet. 1824 wurde dieses aus Nürnberg nach Altdorf verlegt.
Hier war die frühere Universität 1809 geschlossen worden. Mit der Einrichtung
des Lehrerseminars in dem leerstehenden Kollegienhaus der Universität fand
dieses eine neue Nutzung. Seitdem wurden in Altdorf die protestantischen Lehrer
für ganz Bayern ausgebildet. 1924 wurde das Altdorfer Seminar aufgelöst und die
Ausbildung in die 1843 von Altdorf aus gegründete Lehrerbildungsanstalt
Schwabach verlegt.
Bis 1842 wurden in Altdorf auch jüdische Schulamtskandidaten aus dem
mittelfränkischen Bereich aufgenommen. Es scheinen allerdings nur wenige gewesen
zu sein. Da in Altdorf keine jüdische Gemeinde bestand, konnten die Seminaristen
an keinem jüdischen Gemeindeleben vor Ort (Gottesdienstbesuch, jüdischer
Religionsunterricht usw.) teilnehmen. Nach einem Beitrag in "Der Israelit des
19. Jahrhunderts" vom 16. August 1846 S. 246 kümmerte sich allerdings die
jüdische Gemeinde Ottensoos um die
jüdischen Seminaristen aus Altdorf. Ebd. wird berichtet, dass die jüdischen
Seminaristen in Altdorf im Seminargebäude logieren durften. Auf Grund des
fehlenden Bezugs zu einer jüdischen Gemeinde vor Ort wurde 1842 jedoch von der
Regierung beschlossen, die Ausbildung der jüdischen Lehramtskandidaten aus
Mittelfranken nach Bamberg zu verlegen, wo
seit 1840 die Ausbildung für jüdische Lehramtskandidaten möglich war. Auch in
Schwabach wurden weiterhin jüdische Lehramtskandidaten aufgenommen, doch durften
sie hier nicht im Seminargebäude logieren (nach "Der Israelit des 19. Jahrhunderts"
vom 16. August 1846 S. 246).
Nach der Gründung der "Israelitischen
Lehrerbildungsanstalt" in Würzburg 1864 verlagerte sich der Schwerpunkt der
Ausbildung jüdischer Lehrer in Bayern (und darüber hinaus) jedoch immer mehr
nach Würzburg.
Texte
Jüdische Lehramtskandidaten können
das Seminar in Altdorf nicht mehr besuchen (1842)
Artikel in "Allgemeine Zeitung des Judentums" vom 24. Dezember 1842: "Aus
Mittelfranken, 23. November (Privatmitteilung). Das in den bayerischen
Staatsangelegenheiten herrschende religiöse, vielmehr konfessionelle
Prinzip, hat auch unsererseits einige Erscheinungen hervorgerufen, die ich
Ihnen mit einigem Andern nachstehend berichten will. Die jüdischen
Seminaristen unteres Kreises haben jetzt nicht mehr das Seminar zu Altdorf,
woselbst keine Juden wohnen und sie auch keinen Religionsunterricht
erhielten, sondern das Seminar zu Bamberg zu besuchen, erhalten jedoch
Stipendien aus dem diesseitigen Kreisfond. Möchte ihnen aber auch dort ein
gehobener Religions- und hebräischer Sprachunterricht zuteil werden und der
Staat seine Wohltat dadurch vervollständigen, dass er auch den betreffenden
Religionslehrer besolde, damit dies nicht die armen Seminaristen wie
gegenwärtig auf eine horrende Weise zu tun gebrauchen."
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Im Altdorfer Lehrerseminar werden
einige Jahre auch (wenige) jüdische Seminaristen aufgenommen (Artikel von 1907)
Anmerkung: an die vorübergehende Ausbildung jüdischer Lehramtskandidaten in
Altdorf wird auch im Artikel von Simon Dingfelder über "Das jüdische Schulwesen
Bayerns im 19. Jahrhundert" erinnert.
Artikel in "Israelitisches Familienblatt" vom 7. Februar 1907:
Hier wird berichtet: "Erst im Jahre 1840 öffneten die Seminare zu Würzburg,
Bamberg und Kaiserslautern den jüdischen Jünglingen, welche dem Lehrerberuf
sich widmeten, ihre Pforten, 1845 folgte das Lehrerseminar zu Schwabach.
Auch in Altdorf scheinen einige wenige jüdische Jünglinge Aufnahme gefunden
zu haben, trotzdem dort keine Juden wohnten..." "" |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Germania Judaica II,1 S. 9 (mit Überlegungen zu
1298), III,1 S. 9. |
| Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in
Bayern. Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische
Bildungsarbeit. A 85. 1988 S. 143. |
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