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Altenlotheim (Stadt
Frankenau, Kreis Waldeck-Frankenberg)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Altenlotheim bestand eine jüdische
Gemeinde bis 1938. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 18. Jahrhunderts
zurück. Seit 1787 lebten am Ort drei jüdische Familien (Familien des Itzig
Seligmann, des Abraham Judas [aus Worms] und des Mannes Seligmann). 1793 kommt
Abraham Jacob dazu, 1797 Jacob Kalmann. 1804 waren es somit fünf jüdische
Familien. Wenig später kamen noch die Familien des Judas Katz Oppenheimer und
des Seligmann Frankenthal dazu.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1813 sechs jüdische Familien, 1838 32 jüdische Einwohner, 1861 36, 1871
47 (9,3 % von insgesamt 505 Einwohnern), 1885 39 (in zehn Familien; 8,0 % von
486), 1905 35 (7,0 % von 497). Die jüdischen Familien lebten insbesondere vom
Vieh- und Fellhandel, Handel mit Fleisch, Stoffen, Haushaltswaren, Lebensmittel
und Spirituosen. In der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts eröffneten mehrere von
ihnen Läden bzw. offene Handlungen am Ort.
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine jüdische
Schule (1868 bis 1908 israelitische Elementarschule mit bis zu 20 Schülern, ansonsten Religionsschule),
ein rituelles Bad (noch 1932 in Betrieb; im Haus der Familie Frankenthal) und einen
Friedhof.
Als Lehrer am Ort wird unter anderem genannt: David Hecht (um 1832). Die Gemeinde gehörte
zum Rabbinatsbezirk Oberhessen mit Sitz in Marburg.
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde Sally Frankenthal
(geb. 8.7.1891 in Altenlotheim, gef. 21.3.1918) und Julius Oppenheimer (geb.
29.3.1896 in Altenlotheim, gef. 10.7.1916). Außerdem ist gefallen: Siegfried
Frankenthal (geb. 23.11.1887 in Altenlotheim, vor 1914 in Klingenberg wohnhaft,
gef. 30.11.1916).
Die jüdischen Familien waren im allgemeinen Leben des Ortes wie auch im
Vereinsleben völlig integriert. So gehörte Bruno Frankenthal 1928 zu den
Begründern des SC Altenlotheim, der neben dem TSV gegründet wurde und sich auf
Fußball konzentriert.
Um 1924, als zur Gemeinde 27 Personen gehörten (5,2 % von insgesamt 524
Einwohnern), waren die Gemeindevorsteher Isak Frankenthal und Salomon
Oppenheimer. 1932 war Gemeindevorsteher Salomon Oppenheimer. Als
Religionslehrer der im Schuljahr 1931/32 vier jüdischen Schulkinder der
Gemeinde kam regelmäßig Lehrer Ferdinand Stern aus Frankenberg
nach Altenlotheim. Ehrenamtlicher Vorbeter der Gemeinde war (bis nach 1933) Max
Oppenheimer.
Um 1930/33 waren noch folgende jüdische Familien am Ort. Familie Bernhard
Strauß (aus Eimelrod) hatte einen Gemischtwarenhandel mit Lebensmittel,
Textilien, Kurzwaren usw.) mit Frau Ida (adoptiertes Kind von Meier Buchtal) und
den beiden Söhnen Rudi und Günther; Familie Max Oppenheimer (Viehhändler
mit Schlachtung, kleine Landwirtschaft) mit Frau Paula und den Kindern Manfred,
Helmut, Margot und Alfred; Familie Salomon Oppenheimer (mit Frau
Mathilde); Familie Moritz Oppenheimer (im Burgweg); Familie Levi
Katzenstein und (Schwiegersohn?) Julius Illfeld
(Schreibwarengeschäft); Familie Frankenthal (Haus an der Hauptstraße,
Gemischtwaren- und Textilwarengeschäft, Landwirtschaft; zum Tod von David
Frankenthal siehe Bericht unten; in den 1930er-Jahren noch die beiden Frauen
Ruth und Lilli sowie Bruno
Frankenthal).
1933 wurden 24 jüdische Einwohner in Altenlotheim gezählt (4,7 % von
insgesamt 515 Einwohnern). In
den folgenden Jahren sind die meisten von ihnen auf Grund der Folgen des
wirtschaftlichen Boykotts, der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. Bereits 1933 kam es
zu einem Überfall auf Max Oppenheimer, der von einheimischen SS-Leuten
überfallen und schwer verletzt wurde. Auch sein Sohn Helmut wurde geschlagen.
Familie Oppenheimer emigrierte im Herbst 1935 nach Argentinien. Auch Salomon
Oppenheimer und Bruno Frankenthal waren bereits 1933 von SA-Leuten geschlagen
worden; auch sie verließen alsbald den Ort. Bei Beerdigungen kam es zu
Störungen; Schikanen und Gehässigkeiten von Seiten der nichtjüdischen
Bevölkerung waren an der Tagesordnung. 1939 wurden noch vier jüdische Personen
am Ort gezählt, die bis Dezember 1941 den Ort verließen (zuletzt
Familie Bernhard Strauß).
Von den in Altenlotheim geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Paula Deutsch geb.
Frankenthal (1900), Lilli (Lilly) Frankenthal (1889), Richa Illfeld geb.
Katzenstein (1883), David Katzenstein (1876), Bertha Klein geb. Oppenheimer
(1902), Karoline (Käthe) Lichtenstein geb. Frankenthal (1892), Siegfried
Oppenheimer (1894), Berta Reinberg geb. Frankenthal (1862), Helene Spier geb.
Oppenheimer (1900), Emma Sternheim geb. Oppenheimer (1890), Bernhard Straus
(1890), Ida Straus geb. Reinberg (1892), Rudolf Strauss (1923).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Berichte zu einzelnen Personen aus der jüdischen
Gemeinde
Zum Tod von David Frankenthal aus Altenlotheim
(1921)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. Februar 1921: "Marburg,
6. Februar (1921). Der Hintritt eines nach schweren Leidenstagen
heimgegangenen Jehudi, ausgezeichnet durch Charakterstärke, Adel der
Gesinnung und tiefinnerliche Frömmigkeit, hat in unserer Gemeinde
teilnahmsvollste Wehmut ausgelöst. David Frankenthal aus dem nahen
Altenlotheim, war eine in sich abgeschlossene Persönlichkeit, wie
sie unter der Landjudenschaft Hessens ihresgleichen nicht finden dürfte.
Im Torageist von den kernhaft biederen Eltern erzogen, in frühester
Jugend in Höringhausen und Pfungstadt
zu den Quellen jüdischer Gotteserkenntnis und Mizwaus-(Gebote-)Erfüllung
hingeleitet, fand er seine Lebensaufgabe in der Verwirklichung des Talmud
Thauro im Derech Erez-Prinzips (sc. Verbindung von Torawissen und
profanem Wissen), wie er es sich stets aufs neue in andachtsvollem Studium
der Thauro (Tora) und insbesondere der Schriften Samson Raphael
Hirschs tief in die Seele prägte.
Herr Provinzialrabbiner Dr. Cohn zeichnete in seinem Hesped
(Trauerrede) unter tiefer Ergriffenheit der von weither zusammengeströmte
Freunde des Entschlafenen das Bild dieses Zadick (frommen Mannes). Durch
Verleihung des Chower-(sc. Ehrenrabbiner-)Titels an den allzu früh
- nur 42 Jahre alt - der jüdischen Gesamtheit Entrissenen, soll sein
Vorbild und Beispiel den jungen unmündigen Kindern zum Leitstern ihres
Lebensganges werden. Erschüttert und erschütternd erklang die Wehklage
des jüngeren Bruders, ob des schweren Verlustes um den Stolz der Familie
und die Abschiedsworte aus Freundesmund bezeugten, wie reich an
Freundesliebe das große Herz des schlichten 'Dorfjuden' sich erwiesen.
Seine Seele sei eingebunden in den Bund des
Lebens." |
80. Geburtstag von Settchen Oppenheim geb. Katz (1928)
Meldung
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. Juni 1928:
"Frankenberg, 12. Juni. Im nahen Altenlotheim feierte Frau Settchen
Oppenheim geb. Katz in bester Frische ihren 80. Geburtstag." |
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und
Privatpersonen
Anzeige von Selig Frankenthal II (1901)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. Dezember 1901:
"Suche für meinen Sohn eine Lehrstelle per April 1902
mit guten Schulkenntnissen in ein gemischtes Warengeschäft, wo Samstags
und Feiertage geschlossen.
Selig Frankenthal II., Altenlotheim, Kreis
Frankenberg". |
Verlobungs- und Heiratanzeige von Salomon Deutsch und
Paula geb. Frankenthal (1922 / 1923)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. September 1922:
"Statt Karten. Paula Frankenthal - Salomon Deutsch.
Verlobte. Altenlotheim / Frankfurt am Main -
Heidelberg." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. August 1923:
"Salomon Deutsch - Paula Deutsch geb. Frankenthal.
Vermählte. Heidelberg - Altenlotheim.
Trauung: 15. August 1923 / 3. Elul 5683 in Frankfurt am Main, Bäckerweg
7". |
Zur Geschichte der Synagoge
1840 wird berichtet, dass der Gottesdienst in einer
gemieteten Stube in einem christlichen Haus abgehalten wurde. Damals entstand
der Wunsch nach Einrichtung einer der Gemeinde gehörenden Synagoge. Die
Gemeinde konnte einen Bauplatz für 100 Gulden kaufen. Auch erwarb man das
bisherige Gemeindehirtenhaus für 200 Gulden, um dieses abzubrechen und mit den
verwendbaren Baumaterialien die Synagoge bauen zu können. Kreisbaumeister
Stockhausen zeichnete die Pläne für ein Synagogengebäude für vierzig Männer
im Saal und zehn Frauen auf einer Empore. Das Holz des Hirtenhauses reichte
jedoch für den Synagogenbau nicht aus; weiteres Geld war trotz eines
aufgenommenen Darlehens von 400 Gulden nicht vorhanden. Der jüdische
Gemeindevorsteher Manasses Schiff hielt es daher für zweckmäßiger, den
weiteren Bau der Synagoge einzustellen und das unvollendete Bauwerk für 460
Gulden zu verkaufen. Dies geschah mit Kaufvertrag vom 8. Januar 1845.
In den folgenden Jahren traf man sich in der Wohnstube des David Frankenthal zu
den Gottesdiensten. 1851 bezog man einen neuen Betsaal, der in einer
Gastwirtschaft eingerichtet wurde. Doch erwies sich der Raum als zu klein und
"immer rauchig, dass einem die Augen weg tun". 1854 erfolgte
ein weiterer Umzug in eine Stube im 2. Stock des Hauses des (nichtjüdischen)
Peter Hochgrebe, was nicht ganz unpraktisch war, da dieser am Schabbat zum
Beispiel die Lichter anzünden und weitere Dienste übernehmen konnte.
Ein letzter - bis nach 1933 verwendeter - Betsaal wurde in
einem 1914 neu erbauten Haus an der Straße am Ortsausgang nach Schmittlotheim
eingerichtet. Auch dieses Haus gehörte einer nichtjüdischen Familie; der
Betraum im Obergeschoss wurde an die jüdische Gemeinde vermietet. Wie lange
dieser Betraum nach 1933 noch verwendet wurde, ist nicht bekannt. Vermutlich
wurden bereits um 1935 - auf Grund der schnell zurückgehenden Zahl der
jüdischen Einwohner - keine Gottesdienste mehr am Ort
abgehalten.
Adresse/Standort der Synagoge: Korbacher
Straße 33
Fotos
(Quelle: obere Fotozeile Altaras s.Lit. 1988 S. 64; 2007² S.
177; neueres Foto: Hahn, Aufnahmedatum 7.4.2010)
Gebäude mit dem Betsaal
der
jüdischen Gemeinde
(nach 1914 bis nach 1933) |
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Der Betraum befand sich im
Obergeschoss (Foto vor 1933) |
Das nach 1945 völlig
umgebaute Haus
(Foto Mai 1987) |
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Gebäude mit dem Betsaal
der
jüdischen Gemeinde
(nach 1914 bis nach 1933) |
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Foto 2010 |
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Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Presseberichte
Januar 2011:
Zum Tod von Bruno Frankenthal (geb. in
Altenlotheim, gest. im Juli 2010 in Israel) |
Artikel aus den Pressemitteilungen von hna.de vom 30. Januar 2011 (Artikel):
"Holocaust-Überlebender Bruno Frankenthal im Alter von 93 Jahren gestorben
Frankenau/Vöhl. Bruno Frankenthal, letzter überlebender jüdischer Bürger von Altenlotheim, ist im Alter von 93 Jahren in seinem Altersruhesitz in Israel gestorben
Vergeblich hatte sich Karl-Heinz Stadtler vom Förderkreis Alte Synagoge Vöhl in den vergangenen Monaten bemüht, mit dem Freund noch einmal telefonisch Kontakt aufzunehmen.
Zuletzt war Frankenthal im Juni 2007 in Vöhl und Frankenau zu Gast gewesen, anschließend weihte er in seinem späteren Wohnort Hallenberg einen Gedenkstein am Standort der ehemaligen Synagoge mit ein.
Über Kontakte in Hallenberg erfuhr der Vöhler Förderkreis nun, dass Bruno Frankenthal bereits im Juli vorigen Jahres verstorben ist.
(zve)." |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. I S. 36-37. |
| Thea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit
1945? 1988 S. 64-65. |
| dies.: Das jüdische Rituelle Tauchbad und: Synagogen in
Hessen. Was geschah seit 1945 Teil II. 1994. S. 62 (keine weiteren
Informationen). |
| dies.: Neubearbeitung der beiden Bände. 2007². S.
177. |
| Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.):
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der
Verfolgung 1933-1945. Hessen II Regierungsbezirke Gießen und Kassel. 1995 S.
215. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. 368. |
| Walter Zarges: "Die
Judengemeinde in Altenlotheim". in: CHRONIK - 750 Jahre Altenlotheim (1254
- 2004). Autoren: Heinz Knoche, Walter Zarges u.a.. Korbach 2004. Auszüge aus
dem Artikel online zugänglich: hier
anklicken |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Altenlotheim
Hesse The Jewish community numbered 47 (over 9 % of the total) in
1871. By 1935, eight of the remaining 24 Jews had emigrated and 12 had moved to
other German towns; four were deported in 1941.
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