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Baden-Württemberg
Binau (Neckar-Odenwald-Kreis)
Jüdische Geschichte / Betsaal/Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Binau bestand eine jüdische Gemeinde bis 1938/40. Ihre
Entstehung geht in die Zeit des 17. oder Anfang des 18. Jahrhundert zurück.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner
wie folgt: 1825 113 jüdische Einwohner (34,8 % von insgesamt 325 Einwohnern), 1839 mit 146,
1875 87 (21,1 % von 412), 1900 57 (13,2 % von 431), 1910 40 (10,2 % von 392). Die Familien lebten bis Mitte des 19.
Jahrhunderts überwiegend vom Viehhandel.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine
Religionsschule mit Lehrerwohnung, ein rituelles Bad (auf Anwesen Alte
Dorfstraße 35) und einen Friedhof. Zur
Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war zeitweise (im 19. Jahrhundert)
ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war
(vgl.
Ausschreibungstexte unten und Bericht über den Lehrer Karl Kaufmann, der bis
1841 Religionslehrer in Binau war; bis 1855 Lehrer S. Lippschütz, um 1881 J.
Rosenthal). Später wurde der Religionsunterricht durch
auswärtige Lehrer erteilt. 1827 wurde die
Gemeinde dem Bezirksrabbinat Mosbach zugeteilt.
Von den Gemeindevorstehern werden genannt: um 1881/1901 A. Würzburger.
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde Zacharias
Würzburger (geb. 13.8.1883 in Binau, vor 1914 in Hirschhorn am Neckar wohnhaft,
gef. 16.8.1915).
An ehemaligen, bis nach 1933 bestehenden Handelsbetrieben im Besitz
jüdischer Personen gab es unter anderen: Stoffladen Samuel Eisemann (Reichenbucher
Straße 12), Viehhandlung Karl Kaufmann (Alte Dorfstraße 16), Viehhandlung Willi Kaufmann (Alte
Dorfstraße 20), Viehhandlung Fam. Edheimer (Reichenbucher Straße 3), Kleinviehhandlung Jakob Würzburger (Reichenbucher
Straße 5).
Um 1924, als der Gemeinde noch 28 Personen angehörten (6,9 % von 389
Einwohnern), waren die
Vorsteher der Gemeinde Heinrich Würzburger, H. Edheimer (gest. 1929 siehe
Bericht unten) und Karl Kaufmann. Den Religionsunterricht der damals drei
schulpflichtigen jüdischen Kinder in Binau erteilte Lehrer Elieser Zeilberger
aus Heinsheim. 1932 waren die
Gemeindevorsteher Heinrich Würzburger (1. Vors.) und Karl Kaufmann (2. Vors.).
1933 wurden noch 20 jüdische Einwohner gezählt. Auf Grund der
zunehmenden Repressalien und der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts sind in
den folgenden Jahren mehrere Familien emigriert beziehungsweise in andere Orte
verzogen. Die Familien Moritz Jesselsohn und Wilhelm Kaufmann sowie Joseph
Eisemann konnten in die USA emigrieren. Sechs jüdische Einwohner zogen in
andere Orte in Deutschland. Der langjährige Gemeindevorsteher Heinrich Würzburger
starb 1938. Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge beschädigt,
fünf jüdische Männer danach in das KZ Dachau verschleppt. Die letzten sieben
jüdischen Einwohner wurden am 22. Oktober 1940 nach Gurs in
Südfrankreich deportiert. Von ihnen ist 1942 Albert Kaufmann im Lager
Récébédou umgekommen, Lina Edheimer im Hospital in Pau, Karl Kaufmann in Gurs.
Seine Frau Rosa überlebte den Krieg in französischen Lagern und ist nach 1945
in die USA ausgewandert. Adolf Edheimer, Fanny und Samuel Eisemann wurden im
August 1942 in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert.
Von den in Binau geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Jette Bär geb.
Strauss (1881), Adolf Edheimer (1895), Lina Edheimer geb. Stammhalter (1867),
Fanny Eisemann geb. Stengel (1886), Samuel Eisemann (1880), Berta Fridenberg
geb. Jesselsohn (1882), Karoline Heyum geb. Würzburger (1874), Babette
Hirschler geb. Eisemann (1858), Sophie Joachimsthal geb. Kaufmann (1872),
Heinrich Hugo Kaufmann (1878), Karl Kaufmann (1866, Foto des Grabsteines in
Gurs siehe unten), Johanna (Hannchen) Marx
geb. Würzburger (1862), Lina Ottenheimer geb. Würzburger (1872), Babette
Reinmann geb. Kaufmann (1874), Sophie Rosenthal geb. Würzburger (1855), Babette
Würzburger geb. Wassermann (1869), Berta Würzburger (1896), Hermann
Würzburger (1857), Hermann Würzburger (1867), Hilda Würzburger geb. Dreifuss
(1903), Meier Würzburger (1861), Max Würzburger (1873).
Spuren der Verfolgungszeit 1933 bis 1945. Im Binauer Schloß war von
Dezember 1944 bis April 1945 die Verwaltung des ehemaligen Konzentrationslagers
Natzweiler/Elsass untergebracht.
Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1855 / 1884 /
1885 / 1887 / 1889 / 1890
Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den
See-Kreis" vom 28. März 1855 (Quelle: Stadtarchiv Donaueschingen).
"Durch Ableben des israelitischen Hauptlehrers S. Lippschütz in
Neckarbinau, ist die zur 1. gesetzlichen Klasse gehörige Schulstelle
bei der genannten israelitischen Gemeinde, mit welcher ein fester Gehalt
von 175 gl., ein Schulgeld von 48 kr. für jedes Kind, freie Wohnung oder
der gesetzliche Wertanschlag für solche, sowie der Vorsängerdienst mit
den davon abhängigen Gefallen verbunden ist, in Erledigung
gekommen.
Die berechtigten Bewerber um diese Stelle werden daher aufgefordert, nach
Maßgabe der Verordnung vom 7. Juli 1836, unter Anfügung ihrer
Aufnahmescheine und der Zeugnisse über ihren sittlichen und religiösen
Lebenswandel durch ihre Schulvisitaturen bei der Großherzoglichen
evangelischen Bezirksschulvisitatur Mosbach, binnen 6 Wochen sich zu
melden." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. August 1884:
"Auskündigung
einer Religionsschul-Stelle.
Die mit einem
festen jährlichen Gehalte von 650 Mark, freier Wohnung, dem Vorsänger-
und Schächterdienst mit den daran abfließenden Gefällen von ca. 150
Mark bei der israelitischen Gemeinde Binau am Neckar, diesseitigen
Rabbinatsbezirks verbundene Religionsschul-Stelle ist vom 5. kommenden
Monats an, wieder neu zu besetzen. Berechtigte Bewerber - Polen und Russen
werden nicht berücksichtig - wollen ihre diesbezüglichen Zeugnisse
binnen 3 Wochen portofrei anher einsenden.
Mosbach a.N. (Baden), 11. August 1884.
Das Großherzogliche
Bezirksrabbinat: S. Weil." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. August 1885:
"Bei der israelitischen Gemeinde Binau am Neckar diesseitigen
Rabbinatsbezirks ist die Religionsschul- Vorsänger- und Schächterstelle mit
einem festen Jahresgehalte von 500 Mark freier Wohnung und ca. 200 Mark
Nebengefällen sofort wieder zu besetzen.
Berechtigte Bewerber wollen unter Beifügung amtlich beglaubigter
Zeugnisse über ihre bisherige Lehrtätigkeit sowie der Zeugnisse über
ihren sittlichen und religiösen Lebenswandel ihre desfallsigen
Bewerbungseingaben alsbald bei unterfertigter Stelle einreichen.
Mosbach, 19. August 1885. Das Großherzogliche Bezirksrabbinat: S.
Weil." |
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Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. November 1887:
"Vakanz.
Die Religionsschullehrer-, Vorsänger- und Schächterstelle
in Neckarbinau, mit einem festen Gehalte von Mark 600, freier Wohnung und Nebeneinkommen
von ca. Mark 200, soll sofort besetzt werden. Geeignete Bewerber, unter
denen diejenigen ledigen Standes bevorzugt werden, wollen ihre mit
Zeugnisabschriften belegten Gesuche alsbald an den Unterzeichneten
einsenden.
Mosbach, 31. Oktober 1887. Große Bezirks-Synagoge Dr. Löwenstein. |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14 Januar 1889:
"Vakanz.
Die mit einem festen Gehalte von 600 Mark, freier
Wohnung und einem Nebeneinkommen von etwa 200 Mark verbundene
Religionslehrer-, Vorsänger- und Schächterstelle in Neckarbinau
soll sofort besetzt werden. Geeignete Bewerber wollen ihre mit Zeugnisabschriften
belegten Gesuche alsbald an uns gelangen lassen.
Mosbach (Baden), 9. Januar 1889. Große Bezirks-Synagoge: Dr.
Löwenstein." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. Juni 1890:
"Vakanz.
Die Religionslehrer-, Vorsänger- und
Schächterstelle in Neckarbinau mit einem festen Gehalte von Mark
600, freier Wohnung und einem Nebeneinkommen von etwa Mark 200 ist sofort
zu besetzen. Geeignete Bewerber wollen ihre Meldungen unter Abschluss von
Zeugnisabschriften baldigst an uns einsenden.
Mosbach (Baden), 29. Mai 1890. Die Bezirkssynagoge: Dr. Löwenstein." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. September 1890:
"Die hiesige Religionslehrer-, Vorsänger- und Schochetstelle ist per
sofort zu besetzen. Fixes Gehalt 700 Mark bei freier Wohnung.
Nebeneinkünfte ca. 200 Mark. Ledige Bewerber, jedoch nur deutscher
Abstammung, wollen ihre Zeugnisse an den unterzeichneten Synagogenrat oder
auch an das Bezirksrabbinat Mosbach einsehen.
Binau in Baden, 21.
September 1890. Der Synagogenrat: Würzburger, Vorstand, Eisemann." |
Lehrer Karl Kaufmann wechselt von Binau nach Rohrbach
(1841)
Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den
See-Kreis" von 1841 S. 1109 (Quelle: Stadtarchiv Donaueschingen):
"Dienst-Nachrichten. Die bei erfolgender Vakatur des
Vorsängerdienstes mit diesem zu vereinigende Lehrstelle an der neu
konstituierten öffentlichen israelitischen Schule in Rohrbach,
Amtsbezirks Hoffenheim (Sinsheim), wurde dem bisherigen
Religionsschullehrer, Schulkandidaten Karl Kaufmann von Neckarbinau,
übertragen". |
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde
Zur diamantenen Hochzeit von Feist Eisemann und Babette
geb. Eisemann (1904)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 7. Oktober
1904: "Binau (Baden), 5. Oktober (1904). Gestern feierten Herr
Feist Eisemann und dessen Ehefrau Babette geb. Eisemann, das seltene Fest
der diamantenen Hochzeit, der Jubilar zählt 88, die Jubilarin 80 Jahre
und erfreuen sich beide noch der besten Gesundheit. Das Fest, welchem ein
großer Familienkreis beiwohnte, vollzog sich im Gasthaus 'Zum Hirsch',
woselbst vor 60 Jahren die Vermählung stattfand." |
Zum Tod von Isaak Edheimer (1907)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. April (1907): "Binau,
12. April. Heute nacht starb hier der 91jährige Isaak Edheimer. Er
fühlte sich bis auf die letzte Zeit vollständig wohl. Mit ihm wird wohl
der älteste Mann in hiesiger Gegend zu Grabe betragen." |
Zum Tod von Minna Eisemann geb. Böttigheimer (1928)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. Oktober 1928: "Binau
bei Mosbach (Baden), 20. Oktober (1928). In der Nacht zum Fest Hoschana
Rabba (Nacht zum 5. Oktober 1928) wurde im Alter von 82 Jahren Frau
Minna Eisemann geb. Böttigheimer, in die Ewigkeit abberufen. Aufgewachsen
in einer frommen Umgebung in Kleineicholzheim,
war sie ihr Leben lang erfüllt von jüdischem Fühlen und Denken.
Besonders bedacht war sie auf die religiöse Einstellung der Kinder und
Enkelkinder. Trotz Abratens ließ sie es sich nicht nehmen, am letzten Jom
Kippur (24. September 1928) noch zu fasten. Ihr Heimgang bedeutet für
die ohnehin kleine Gemeinde einen besonderen Verlust, gehörte die
Verstorbene doch noch zu jenem alten Schlage der wirklich edlen,
rechtschaffenen, echt jüdischen Frauen. Die Beisetzung fand an 'Simchas
Tora' (7. Oktober 1928) statt und musste daher jede Klage und jeder
Nachruf unterbleiben. Alle, die sie kannten, werden aufrichtig sagen
können, das Andenken einer Gerechten ist zum Segen. Ihre Seele sei
eingebunden in den Bund des Lebens." |
Zum Tod von H. Edheimer, langjähriger Gemeindevorsteher (1929)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. Februar 1929: "Binau
bei Mosbach, 9. Februar (1929). Einen echten jüdischen Mann, dessen
Heimgang allerwärts tief betrauert und beklagt wird, haben wir zu Grabe
getragen, Edheimer, der ein Menschenalter hindurch die Geschicke der
Gemeinde Binau geleitet hat. Dank seiner ungewöhnlichen jüdischen
Kenntnisse war er der Gemeinde 25 Jahre lang Führer und ehrenamtlich Chasan
(Vorbeter) und Baalkaure. Für unsere so sehr geschwächte Gemeinde
ist dieser neue Verlust unerträglich. Sein tiefgründiges Allgemeinwissen
setzten ihn in den Stand, der Gemeindeverwaltung zu dienen, kein Wunder,
dass man hier wohl seit Menschengedenken keine so große Lewajoh
(Beerdigung) mehr gesehen hat. Die Witwe und drei Kinder betrauern nun den
edlen Mann, den vorbildlichen Gatten und Vater. Seine Seele sei
eingebunden in den Bund des Lebens." |
Erinnerung an die Deportation in das
südfranzösische Internierungslager Gurs im Oktober
1940: Foto des Grabsteines in Gurs für Karl Kaufmann
Grabstein
im Friedhof des ehemaligen Internierungslagers Gurs für
Karl Kaufmann,
geb. am 10. Juli 1866 in Binau, wohnhaft in Binau,
am 22. Oktober 1940 nach Gurs deportiert, wo er am 3. Januar 1942
umgekommen ist. |
Persönlichkeiten
Über den Kantor Selig Scheuermann
Selig Scheuermann (1873 Binau - 1935 Frankfurt a.M.), 1910 erster Kantor an der neuen Synagoge Frankfurt (Westendsynagoge), 1926 Oberkantor ebd., veröffentlichte auf dem Gebiet synagogalen Gesangs.
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Anzeige von Siegfried Jesselsohn (1901)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. August 1901: "Bäckergeselle
sucht dauernde Stellung.
Siegfried Jesselsohn, Binau, Baden." |
Zur Geschichte des Betsaals / der Synagoge
Bereits um 1770 war eine jüdische
Gemeinde mit einer Synagoge beziehungsweise einem Betsaal vorhanden. Am
18. Mai 1778 wandten sich die Gemeindevorsteher an das Hochgräfliche Amt mit
der Bitte um Genehmigung eines mit dem Rabbiner Samuel Moises in Heinsheim
abgeschlossenen Vertrages. Dieser verpflichtete sich, für 2 Gulden 24 Kreuzer jährlich
zweimal nach Binau zu kommen und eine Predigt zu halten. Bei religiösen
Zeremonien wie einer Hochzeit kamen die Binauer zum Rabbiner nach Heinsheim.
Damals (1782) lebten sieben jüdische Familien in Binau. Mit den über älteren
Söhnen und in manchen Familien zusätzlich vorhandenen Knechten war die für
Gottesdienste notwendige Zehnzahl der Männer vorhanden.
Die Synagoge beziehungsweise das Haus mit dem Betsaal war
1792 in einem baufälligen Zustand und musste abgebrochen werden. Im März
dieses Jahres richtete die jüdische Gemeinde, nachdem bereits mit dem Bau einer
neuen Synagoge begonnen worden war, an den Grafen Riaucour die Bitte um einen
Zuschuss zum Bau der neuen Schule (Synagoge).
Am 28. März 1792 richtete die jüdische Gemeinde Binau an den Grafen
Riaucour die Bitte um eine Beisteuer zum Bau ihrer neuen Schule (Synagoge):
"Es wird Euer Hochgräflichen Excellenz noch gnädigst bekannt seyn, wie
baufällig unsere Schule gewesen und wie sehr wir uns alle vor deren täglichem
Einsturz zu fürchten hatten. Diesem Ruin, der bey Christen und Juden das
größte Unglück hätte verursachen können, mußten wir zuvorkommen und die
Hütte von Grund aus wegreißen lassen.
Um eine neue Juden-Schule aufbauen zu können, wendeten wir alle unsere
Kräfte an und gingen mit einem authentisirten Collectenbuch auswärts
collectiren. Wir brachten auch bey unseren jüdischen Mitbrüdern eine artige
Beysteuer zusammen, die aber noch lange nicht zulänglich, unser Vorhaben
auszuführen. Wir entlehnten daher noch einige Hundert Gulden aus der
Nachbarschaft und sezten unser Bauwesen durch hülfreiche Hand unseres Herrn
Amtsmanns mit allem Eifer fort. Der bemelte Bau ist auch vom Zimmermann schon
ziemlich hergestellt und wird sehr artig. Es fehlt uns aber noch an manchen
Stücken, die zu unserem Gottesdienst und zur Vollendung unserer Schule
äußerst nöthig, die wir aber aus unseren eigene Mitteln zu bestreiten
unvermögend sind.
Wir nehmen uns daher die Freyheit, Euer Hochgräfl. Excellenz in tiefer
Submission anzuflehen, uns zu unserem angefangenen Schulbau, in welchem der Allmächtige
verehrt und angebetet werden soll, eine milde Beysteuer gnädigst zufließen zu
lassen. Diese uns erzeigende Hohe Milde werden wir mit unterthänigstem Dank
erkennen und in diesem neuen Gotteshaus ein Gebet zu Gott schicken, daß er
seine Segens-Ströme auf das ganze Hochgräfliche Haus noch vi
Wir nehmen uns daher die Freyheit, Euer Hochgräfl. Excellenz in tiefer
Submission anzuflehen, uns zu unserem angefangenen Schulbau, in welchem der Allmächtige
verehrt und angebetet werden soll, eine milde Beysteuer gnädigst zufließen zu
lassen. Diese uns erzeigende Hohe Milde werden wir mit unterthänigstem Dank
erkennen und in diesem neuen Gotteshaus ein Gebet zu Gott schicken, daß er
seine Segens-Ströme auf das ganze Hochgräfliche Haus noch viele Jahre
fließen lassen wollte! Wir werden auch diese uns gnädigst zugehende Wohlthat
durch ein aufgestelltes Denkmahl in unserer neuen Schule verewigen.
Benedict Wolf, Hertz Wolf, Moses Joseph, Liebman Issack, Mosis Joseph
Wolf, Joseph Cafel ledig, Vigter Issacc.
Aus den Akten des Schlossarchivs Binau zitiert im Heimatbuch Binau (s.
Lit.) S. 186-187.
|
Bei der neuen Synagoge handelte es sich um das Haus
in der Reichenbucher Strasse 7. In diesem Gebäude wurden auch eine Wohnung für
den Lehrer und Vorsänger der Gemeinde sowie ein Zimmer für den Unterricht der
Kinder eingerichtet. Während der napoleonischen Kriege um 1810 wurde die
Synagoge auch für Einquartierungen von Soldaten benützt, was zu längeren
Diskussionen führte, da die Kirche am Ort nicht für Einquartierungen verwendet
wurde. Die jüdische Gemeinde argumentierte, dass dies gegen die Freiheit der
Religionsausübung verstoße, die vom Landesherrn zugesichert sei. Die
staatlichen Behörden meinten, dass die Synagoge deswegen für Einquartierungen
in Anspruch genommen wurde, weil sie zugleich Wohnung des jüdischen Lehrers
sei. Eine kleine finanzielle Entlastung brachte das Jahr 1810 für die Gemeinde
insofern, als das bisherige "Judenschulgeld", das in Höhe von 6
Gulden jährlich an die gräfliche Verwaltung zu zahlen war, aufgehoben wurde.
In einem Bericht des Vorstandes des Bezirksamtes Mosbach
1860 werden die Räumlichkeiten im Synagogengebäude als "so schadhaft und
ungenügend" beschrieben, dass ein Neubau notwendig sei. Man war der
Ansicht, dass die politische Gemeinde zu den Kosten des Neubaues genauso
beizutragen habe wie zur Unterhaltung des evangelischen Schulhauses. Die jüdische
Gemeinde hatte bereits wieder eine Spendensammlung in Nachbargemeinden begonnen,
die allerdings erst 160 Gulden erbrachte. Da ein Neubau auf 4.000 bis 5.000
Gulden geschätzt wurde und die politische Gemeinde nicht mehr als 700 bis 800
Gulden Zuschuss geben würde, verschob man das Vorhaben. Da in den folgenden
Jahren auch aus Binau eine starke Aus- und Abwanderung der jüdischen Einwohner
einsetzte, hat sich die Frage eines Neubaus mit der Zeit nicht mehr gestellt.
Man half sich vermutlich mit gelegentlichen Reparaturen und Instandsetzungen.
Beim
Novemberpogrom 1938 wurde das Gebäude von auswärtigen SA-Leuten beschädigt.
Nach 1945 waren hier das Postamt und eine Wohnung untergebracht, inzwischen
dient das ganze Haus Wohnzwecken (Reichenbucher Strasse 7).
Fotos
Historisches Foto (1946):
(Quelle: H. Rullmann s. Lit. S. 9)
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Links: Die ehemalige
Synagoge/Judenschule in Binau 1946. Im ersten
Stock befand sich der
Betsaal (an den Fenster erkennbar); das Gebäude
steht vermutlich
unmittelbar vor dem Umbau. |
Fotos nach 1945/Gegenwart:
Fotos um 1985:
(Fotos: Hahn) |
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Von der ehemaligen Synagoge Binau sind äußerlich keinerlei
Spuren mehr erkennbar.
Im Vergleich mit dem Foto oben ist immerhin der
Eingangsbereich mit der
hohen Treppe (9 Stufen) geblieben. |
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Fotos 2003
(Fotos: Hahn,
Aufnahmedatum 22.10.2003) |
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Foto 2010
(Foto: Michael Ohmsen, Aufnahme vom
September 2010; Foto in höherer
Auflösung über die
Website
von M. Ohmsen) |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Franz Hundsnurscher/Gerhard Taddey: Die jüdischen Gemeinden in Baden.
1968. S. 45-46. |
| Die Binauer Juden. In: Ernst Brauch (Hg.) Binau, Kleinod am Neckar.
Binau 1969. S. 181-188. |
| Harald Rullmann: Binau und seine Menschen in alten Aufnahmen. Horb
am Neckar 2002. |
| Joseph Walk (Hrsg.): Württemberg - Hohenzollern -
Baden. Reihe: Pinkas Hakehillot. Encyclopedia of Jewish Communities from
their foundation till after the Holocaust (hebräisch). Yad Vashem Jerusalem
1986. S. 271-272. |
| Joachim
Hahn / Jürgen Krüger: "Hier ist nichts anderes als
Gottes Haus...". Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte
und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen. Hg. von Rüdiger Schmidt,
Badische Landesbibliothek, Karlsruhe und Meier Schwarz, Synagogue Memorial,
Jerusalem. Stuttgart 2007. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Binau Baden. Jews were present by the late 18th
century. A synagogue was built in 1790 and a Jewish elementary school was opened
in 1835, with the Jewish population reaching a peak of 146 in 1842 and then
dropping steadily to 20 in 1933 (total 390). In 1936 and on Kristallnacht
(9-10 November 1938) the synagogue was vandalized and five Jews were detained in
Dachau. Ten left for the United States in 1936-39 and the last seven were
deported to the Gurs concentration camp on 22 October 1940.
vorherige Synagoge zur ersten Synagoge nächste Synagoge
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