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zu den Synagogen in
Baden-Württemberg
Rohrbach (Stadt Sinsheim, Rhein-Neckar-Kreis)
Jüdische Geschichte / Betsaal/Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
In Rohrbach bestand eine jüdische Gemeinde bis zu ihrer
Auflösung am 31. März 1906. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 18.
Jahrhunderts zurück. 1729 wird ein Rabbi Moses Krakau als Schutzjude erwähnt.
1790 lebten 11 jüdische Familien am Ort.
Im 19./20. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen
Einwohner wie folgt: 1825 91 jüdische Einwohner, 1832 106, 1836 119, 1839
121 (höchste Zahl), 1864 85, 1871 75, 1875 61, 1880 53, 1885 52, 1890 32, 1895
19, 1900 21, 1905 12, 1910 6, 1925 3, 1933 2.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine
jüdische Schule (im Synagogengebäude; seit 1841 bis spätestens 1876 eine
israelitische Elementarschule) und ein rituelles Bad. Zur Besorgung
religiöser Aufgaben der Gemeinde war zeitweise ein jüdischer Lehrer
angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war (vgl. unten
Bericht zu Lehrer Karl Kaufmann, der 1841 nach Rohrbach wechselte).
Nach 1906 wurden die noch in Rohrbach lebenden Juden der Steinsfurter,
nach 1925 der Sinsheimer Gemeinde
zugewiesen.
Nach
den Deportationen in der NS-Zeit kamen die beiden 1933 in Rohrbach noch
wohnhaften jüdischen Personen ums Leben.
Berichte aus
der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Lehrer Karl Kaufmann wechselt von Binau
nach Rohrbach (1841)
Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den
See-Kreis" von 1841 S. 1109 (Quelle: Stadtarchiv Donaueschingen):
"Dienst-Nachrichten. Die bei erfolgender Vakatur des
Vorsängerdienstes mit diesem zu vereinigende Lehrstelle an der neu
konstituierten öffentlichen israelitischen Schule in Rohrbach,
Amtsbezirks Hoffenheim (Sinsheim), wurde dem bisherigen
Religionsschullehrer, Schulkandidaten Karl Kaufmann von Neckarbinau,
übertragen". |
Nach dem Tod von Hauptlehrer Karl Kaufmann wird Moses
Weil von Steinsfurt - bisher Lehrer in Grombach - Lehrer in Rohrbach
(1849)
Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den
See-Kreis" vom 27. Oktober 1849 (Quelle: Stadtarchiv Donaueschingen):
"Die durch das Ableben des Hauptlehrers Karl Kaufmann
erledigte, nach erfolgender Erledigung des Vorsängerdienstes mit diesem
zu vereinigende Hauptlehrerstelle an der öffentlichen israelitischen
Schule in Rohrbach bei Sinsheim, wurde dem Schulkandidaten Moses
Weil von Steinsfurt, dermaligem
Religionsschullehrer und Vorsänger bei der israelitischen Gemeinde Grombach,
übertragen."
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Moses Münzesheimer von Rohrbach wird Lehrer und
Vorsänger in Leutershausen (1844)
Anmerkung: Moses Münzesheimer stammte aus Rohrbach, er war nicht
hier zuvor als Lehrer (Schulkandidat)
tätig.
Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den
See-Kreis" vom 1. Juni 1844 (Quelle: Stadtarchiv Donaueschingen):
"Dienst-Nachrichten. Die mit dem Vorsängerdienst verbundene
Lehrstelle an der neu errichteten öffentlichen Schule bei der
Pfarreigemeinde Leutershausen
im Unterrheinkreise wurde dem Schulkandidaten Moses Münzesheimer von
Rohrbach übertragen."
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Berichte aus dem jüdischen
Gemeindeleben
Auflösung der jüdischen Gemeinde Rohrbach (1906)
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 18. Mai 1906: "Karlsruhe. Das Verordnungsblatt des
großherzoglichen Oberrats der Israeliten enthält zunächst die
Mitteilung, dass sämtlichen Religionslehrern in Baden das neueste
Jahrbuch für jüdische Geschichte und Literatur 'wegen seines zum Teil
besonders wertvollen Inhalts' unentgeltlich zur Verfügung gestellt werde.
Zwei Gemeinden sind aufgelöst worden: Königshofen,
Synagogenbezirk Wertheim und Rohrbach,
Synagogenbezirk Sinsheim. Die noch in Königshofen wohnenden
jüdischen Familien werden der Gemeinde Tauberbischofsheim
zugeteilt und die von Rohrbach der
Gemeinde Steinsfurt."
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Zur Geschichte des Betsaals/der Synagoge
Ein Betsaal war spätestens
in der Mitte des 18. Jahrhunderts vorhanden. 1756 wird berichtet, dass die
Rohrbacher Juden für ihre religiösen Übungen "einen besonderen Platz"
benutzten. 1769 zahlten die Juden "von einem Hauß und Schul" Gebäudezins. Mit "Schul"
war damals bereits die alte Synagoge gemeint, ein Vorgängerbau auf dem
Grundstück der neuen Synagoge des 19. Jahrhunderts (heute Grundstück
Heilbronner Straße 43).
Als 1823 diese alte Synagoge renoviert werden sollte,
beschloss die jüdische Gemeinde zunächst den Neubau einer Synagoge mit
einem rituellen Bad. Bei einer Ortsbesichtigung im Juli 1823 stellte das
Bezirksamt Sinsheim fest, dass die Synagoge so baufällig war, dass sie entweder
mit bedeutenden Kosten renoviert oder neu erbaut werden musste. Nur bei einem
Neubau könnte freilich der Standort des Bades im Synagogengebäude beibehalten
werden. Hierauf sprach sich die Gemeinde zunächst dafür aus, die alte Synagoge
zu renovieren. Der Sinsheimer Geometer Metzler stellte im August 1823 allerdings
fest, dass eine Reparatur der alten Synagoge fast ausgeschlossen sei und
keinerlei Kostenersparnis mit sich bringen würde. In den folgenden Monaten
erstellte Metzler den Plan einer neuen Synagoge mit rituellem Bad, deren Ausführung
2.398 Gulden kosten sollte. Ende Dezember 1823 wurde die jüdische Gemeinde vom
Oberamt aufgefordert, sich zu entscheiden. Der Gemeinde war der Neubau nach den
Plänen Metzlers jedoch zu teuer. Sie wollte weiterhin eine Reparatur der alten
Synagoge und verwies auf den Plan des Rohrbacher Baumeisters Mathäus Beetz, der
500 Gulden weniger kosten würde. Beetz hätte zudem die Kosten für einen
Neubau auf 1.263 Gulden geschätzt. Bezirksrabbiner Bamberger aus
Neckarbischofsheim wurde um eine Stellungnahme gebeten, doch wusste dieser auch
nicht, was er der Gemeinde raten sollte. Bis 1830 geschah nun sehr wenig, zumal
es innerhalb der Gemeinde starke Differenzen in der Finanzierung des
Synagogenbaus gab. Seit 1826 bestand die Absicht, Baumeister Friedrich Wundt,
der 1824/25 die evangelische Kirche gebaut hatte, für den Synagogenbau
heranzuziehen. 1832 legte Wundt einen neuen Plan und Kostenvoranschlag für den
Bau der Synagoge vor. Maurermeister Johannes Mittel steigerte die Ausführung
dieses Planes im Mai 1832 für 1.893 Gulden. Die Arbeiten am rituellen Bad führte
Brunnenmeister Anton Pfau aus. Anfang September 1833 konnte der Synagogenbau
vollendet werden. Allerdings klagte bei der Bauabnahme Architekt Wundt über
manche Veränderungen in der Ausführung, wodurch der Bau an "Festigkeit und Schönheit"
verloren habe. Dennoch hatte mit dem Abschluss der Arbeiten die jüdische
Gemeinde in Rohrbach ein repräsentatives Synagogengebäude erhalten. Im Laufe
der folgenden Jahrzehnte waren immer wieder Reparaturen notwendig, insbesondere
1870, als für 1.061 Gulden das Gebäude grundlegend erneuert wurde.
Nach Auflösung der jüdischen Gemeinde in Rohrbach wurde
das Synagogengebäude am 6. März 1907 für 2.000 Mark an die politische Gemeinde
verkauft. Diese baute das Gebäude 1909 zu einem Gemeindehaus um. Das
Obergeschoss (Bereich der Frauenempore) sollte für Versammlungen und
Versteigerungen eingerichtet werden; die übrigen Räume im Erd- und
Obergeschoss zur Aufbewahrung von Geräten und Materialien der Gemeinde. Schließlich
wurde das Obergeschoss als Bürgersaal und Unterrichtsraum für die Konfirmanden
verwendet. Während der Einquartierung russischer Kriegsgefangener im 1.
Weltkrieg wurde auf Höhe der ehemaligen Frauenempore im Betsaal eine
Zwischendecke eingezogen. Der dadurch entstandene obere Raum konnte wenige Jahre
später als Schulsaal und als Bürgersaal der Gemeinde genutzt werden. Von 1936 bis nach 1945 war der
Kindergarten in diesem Saal untergebracht. 1967 kam das Gebäude in Privatbesitz
und wurde für Wohnzwecke (bis zu vier kleine Sozialwohnungen) und für Lagerzwecke
sowie als Stallung verwendet.
Im
Januar 2004 erwarb ein Restauratoren-Ehepaar das Gebäude. Das Gebäude wird
seitdem zu Wohnzwecken umgebaut mit dem Ziel, das ehemalige jüdische
Gemeindezentrum mit Betsaal, Schule und Mikwe auch nach dem Umbau "erlebbar" zu machen.
Die Renovierungsarbeiten konnten 2008/09 abgeschlossen
werden.
Fotos
Historische Fotos:
Historische Fotos sind nicht bekannt,
Hinweise bitte an den
Webmaster von "Alemannia Judaica",
E-Mail-Adresse siehe Eingangsseite |
Fotos nach 1945/Gegenwart:
Fotos um 1985:
(Fotos: Hahn) |
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Blick von der
Heilbronner Straße |
Blick auf die Ostfassade;
links des
kleineren Gebäudes das Fenster
des Betsaales |
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Der Eingangsbereich |
Die Westfassade der Synagoge |
Der Grundstein von 1832 |
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Fotos Oktober 1988
(Fotos: Hahn) |
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West- und Eingangsseite |
Südseite |
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Auf dem Dachboden -
Blick nach
Westen |
Auf dem Dachboden - Blick nach
Osten
(kleines Fenster der Ostfassade
siehe Foto oben rechts) |
Auf der Höhe der ehemaligen
Frauenempore |
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Im Treppenhaus (ehemaliger
Zugang für Frauenempore) |
Der Grundstein
von 1832 |
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Fotos 2003/04
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 30.7.2003;
Innenaufnahmen am 7.7.2004): |
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Das Gebäude ist in wenig
verändertem Zustand |
Blick auf die Westfassade
und die nördliche Seitenfassade |
Von den beiden Eingängen war
der linke
für die Frau (Zugang zum Bad und zur
Empore), der rechte für
die Männer |
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Im Erdgeschoss |
Im Treppenhaus der ehemaligen
Synagoge:
links Tür zum Bereich der Mikwe |
Blick in den Bereich des
ehemaligen
Betsaals - Männerbereich im Erdgeschoss |
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Blick in den Bereich der
ehemaligen
Mikwe (Vorderraum; im hinteren Raum
war eine Bad-Küche, u.a.
zum
Koschermachen von Geschirr) |
Im Dachgeschoss. Hier wurde
nach 1909 eine kleine
Wohnung eingebaut. |
Im ehemaligen Schulraum:
alter
eingebauter Schrank
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Im ehemaligen
Schulraum |
Auf der ehemaligen
Frauenempore:
Erinnerungen an die Zeit der Nutzung
als
"Bürgersaal" der Gemeinde |
Auf Höhe der
ehemaligen
Frauenempore |
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"Synagogen-Workshop" am
16. Juli 2004 in Sinsheim-Rohrbach
der "Arbeitsgemeinschaft
Bauwerkserhaltung" |
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Die beiden (originalen
Eingangstüren):
links für die Frauen zur Mikwe und der
Frauenempore,
rechts der Eingang
zum Betsaal der Männer |
Vor der ehemaligen Synagoge:
Dipl.-Restauratorin Silke Böttcher
beantwortet Fragen |
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Im ehemaligen Schulraum; in
der Mitte
Dipl.-Restaurator Ralph Böttcher |
Auf dem Hof
seitlich der ehemaligen Synagoge: Dr. Joachim Kleinmanns
(Karlsruhe, AG
Bauwerkserhaltung) gibt Erläuterungen |
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"Tag des offenen Denkmals"
am
10. September 2006
Ehepaar Böttcher lud ein, um den Stand der
Restaurierungsarbeiten besichtigen
zu können. |
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Blick auf die ehemalige
Synagoge:
mehrere Führungen durch das Gebäude
fanden am 9./10. September
statt. |
Zimmer im Dachgeschoss
(ehemalige Lehrerwohnung) |
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Nach Herausnahme der
Zwischendecke
ist der ehemalige Betsaal wieder erlebbar |
Im ehemaligen
Schulsaal |
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Detail einer
ursprünglichen
Bemalung |
Auf Höhe der
ehemaligen
Frauenempore |
Blick auf die ehemalige
Synagoge von Süden |
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Text aus der Rhein-Neckar-Zeitung (RNZ Regional - Kraichgau) vom 8. September 2006:
"Der alte Gebetsraum wird zum Wohnzimmer" von Sarah Kringe:
Es war wohl Liebe auf den ersten Blick. Vor über zweieinhalb Jahren hat das Restauratorenehepaar Silke und Ralph Böttcher die alte Synagoge in Rohrbach gekauft und ist seither mit viel Mühe und Hingabe damit beschäftigt, das ziemlich heruntergekommene Gebäude wieder bewohnbar zu machen. Zum Tag des offenen Denkmals am kommenden Sonntag wollen die beiden die Restaurationsfortschritte präsentieren sowie Anleitungen und Tipps für Eigenrestaurationen geben.
"Im Dezember wollen wir einziehen", verrät Silke Böttcher, und wenn man das künftige Zuhause des Ehepaars betritt, kann man sich bereits vorstellen, dass es sich hier einmal sehr schön leben lassen wird. Man bemerkt allerdings auch, dass es bis dahin noch viel zu tun gibt. Die alte Synagoge in der Hauptstraße in Rohrbach hat eine bewegte Geschichte. 1832 erbaut, diente sie bis 1906 als Synagoge und Judenschule, danach als Bürgersaal, Sozialeinrichtung oder Grundschule, sie beherbergte zwischenzeitlich auch Kriegsflüchtlinge. Das denkmalgeschützte Haus wurde zuletzt von ortsansässigen Bauern als Scheune, Viehstall und teilweise Wohnraum genutzt, bis Silke und Ralph Böttcher es im Januar 2004 erwarben.
Mit der Geschichte ihres Hauses kennen sich die beiden mindestens genauso gut aus wie mit den Baumaterialien und der Architektur der Synagoge. "Das ist eine Auflage der Denkmalpflege", erklärt Ralph Böttcher. Wer ein historisches Gebäude erwerbe, müsse sich in dessen Geschichte vertiefen und mit deren Hilfe eine so genannte Bestands- oder Fundaufnahme machen. Dabei wird geprüft, was noch vorhanden ist und wie es geschützt werden kann. Denn wer ein denkmalgeschütztes Objekt gekauft hat, darf damit nicht willkürlich verfahren, sondern muss sich Auflagen beugen und versuchen, soviel als möglich vom Ursprungszustand zu erhalten. Für die Böttchers ist das
kein Problem. 'Wir hatten sowieso vor, so viel wie möglich zu erhalten',
sagt Silke Böttcher." |
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2008: Die Renovierung der ehemaligen
Synagoge ist abgeschlossen
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Foto erhalten von Ralph Böttcher, Sinsheim-Rohrbach |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Franz Hundsnurscher/Gerhard Taddey: Die jüdischen Gemeinden in Baden.
1968. S. 262-263. |
| Meinhold Lurz: Rohrbach. 1099 – 900 Jahre – 1999. Sinsheim
1998. Hierin Abschnitt "Die Jüdische Kultusgemeinde" S. 166-176. |
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