Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Böblingen (Kreisstadt)
Jüdische Geschichte 

Übersicht:

bulletZur jüdischen Geschichte in Böblingen  
bulletBerichte aus der jüdischen Geschichte in Böblingen   
Berichte zu einzelnen jüdischen Personen und Gewerbebetrieben 
   - Zur Mechanischen Trikotweberei Stuttgart - Ludwig Maier & Co. AG (Lyon Sussmann, Erwin Freudenthal)
   - Über die Familien Levi und Kahn   
   - Hinweis auf Hermann Thalmessinger (1869-1946)  
   - Hinweis auf Ida Ehre-Heyde (1900-1989) und ihre Zeit in Böblingen   
bulletLinks und Literatur   

   

Zur jüdischen Geschichte in Böblingen       
  
In Böblingen lebten einige Juden im Mittelalter und seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. 
  
Im Mittelalter kam es möglicherweise zur Gründung einer jüdischen Gemeinde, doch ist von Einrichtungen einer solchen Gemeinde nichts bekannt. Vor 1643 gab es in der Stadt eine "Judengasse" die an die mittelalterliche Ansiedlung erinnerte (Lage unbekannt). In Lagerbüchern von 1523 und 1587 wird ein "Judenacker" in der "Zelg Northalden" genannt (genaue Lage nicht mehr bekannt)
  
Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sind wenige jüdische Personen / Familien in Böblingen zugezogen, ohne dass es zur Bildung einer jüdischen Gemeinde gekommen ist. Nach den Ergebnissen der Volkszählungen wurden in Böblingen erfasst: bis 1844 keine jüdischen Einwohner, 1846 und 1858 je sieben, 1864 vier, 1867 drei, 1875 drei, 1880 ein jüdischer Einwohner, 1890 und 1895 je vier, 1900 zwei, 1905 vier, 1910 und 1925 je drei, 1933 zwei. 
 
Die jüdischen Einwohner Böblingens gehörten zur Synagogengemeinde in Stuttgart. In Böblingen verstorbene jüdische Personen wurden gleichfalls in Stuttgart beigesetzt. Im israelitischen Teil des Pragfriedhofes wurden beigesetzt: Gustav Bodenheimer (Kaufmann, Inhaber der Zigarrenfabrik Böblingen, wohnhaft in Stuttgart, gest. 1910), Jakob Krailsheimer (Kaufmann, Teilhaber der Stuttgarter Firma Moritz Krailsheimer und Sohn, Baumwollwarenfabrikation und En-Gros-Geschäft, gest. 1893 in Böblingen), Erwin Freudenthal (s.u. gest. 1917), Ludwig Maier (s.u., gest. 1919), Rolf Kahn (s.u., gest. 1932), Lyon Sussmann (s.u., gest. 1935).        
   
Zwei Textilfirmen waren im 19./20. Jahrhundert in jüdischem Besitz, vor allem die Mechanische Trikotweberei Ludwig Maier & Sohn (Firma des Büstenhalters "Hautana" im Industrieareal zwischen Bahnhof und Altstadt, bis 1939). Sie wurde 1867 in Stuttgart-Wangen gegründet von Ludwig Maier, dem Sohn des Stuttgarter Rabbiners Dr. Josef von Maier, und 1884 - nach dem Bau der Gäubahn - nach Böblingen verlegt. Ludwig Maier lebte mit seiner Familie in Stuttgart (verheiratet mit Rosalie geb. Israel); er starb im Juni 1919. Die Trikotwarenfabrik in Böblingen erlangte unter Leitung von Lyon Sussmann (geb. 1843 in Tauberbischofsheim, seit 1878 Teilhaber in der Firma von Ludwig Mayer, gest. 1935) Weltruhm. 1913, als die Firma mehr als 300 Beschäftigte hatte, wurde Sussmann Ehrenbürger Böblingens. Sussmann war verheiratet mit Jeanette geb. Israel (1850-1928). Er schuf in Böblingen vorbildliche Sozialeinrichtungen (erster Böblinger Kindergarten in der Langen Straße) und wohltätige Stiftungen. Er starb am 8. Februar 1935. Zu seinem 50. Todestag im Februar 1985 wurde von der Stadt Böblingen ein Kranz an seinem Grab im Pragfriedhof niedergelegt. In Böblingen erinnern an ihn die "Lyon-Sussmann-Straße" und an seine Firma die "Hautana-Passage", "Hautana-Parkhaus", "Hautana-Wohnanlage".   
    
1933 lebten nach dem Ergebnis der Volkszählung zwei jüdische Personen in Böblingen (vermutlich das Ehepaar Hans Kahn und Bertha Kahn). 
  
   
Von den in Böblingen geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Adolf Kahn (1892), Berta Kahn geb. Bauernfreund (1889), Hedy Kahn geb. Löwenstein (1896).     
   
   
   
Berichte aus der jüdischen Geschichte in Böblingen      
     
Berichte zu einzelnen jüdischen Personen und Gewerbebetrieben     
    
Zur Mechanischen Trikotweberei Stuttgart - Ludwig Maier & Co., AG.. Böblingen      
 
Allgemeiner Bericht zur Mechanischen Trikotweberei Stuttgart - Ludwig Maier & Co., AG. Böblingen (1931)      

Artikel in der "Gemeindezeitung für die Israelitischen Gemeinden Württembergs" vom 1. Dezember 1931: "Mechanische Trikotweberei Stuttgart Ludwig Maier & Co. AG, Böblingen.
Zu den altangesehenen Firmen der württembergischen Trikotagenindustrie zählt auch die obige Firma: sie wurde 1863 von Ludwig Maier unter seinem Namen in kleinerem Umfang in Stuttgart gegründet. Unter verschiedenen Wechselfällen entwickelte sich die Firma weiter, und bereits 1878 trat Lyon Sußmann als Teilhaber ein. Von da ab firmierte das Unternehmen: Mechanische Trikotweberei Stuttgart Ludwig Maier & Co.
Der Aufschwung der Württembergischen Trikotagenindustrie erforderte auch bei dieser Firma weitgehende Maßnahmen, um mit der allgemeinen Entwicklung Schritt zu halten. Sie wurde 1886 mit dem Fabrikbau in Böblingen begonnen, und darauf die gesamte Fabrikation dorthin verlegt. Einen ganz besonderen Aufschwung nahm die Firma unter der persönlichen Leitung von Lyon Sußmann, diesen geschäftlicher Weitblick die Arbeits- und Absatzgebiete des Unternehmens immer mehr erweiterte. 1906 trat Lyon Sußmanns Sohn, Hans H. Sußmann*, als Teilhaber ein, dessen Tod im Jahre 1925 den Vater seines besten Mitarbeiters, mit dem zusammen er seinem Unternehmen immer mehr den Auslandsmarkt erschloss, beraubte. Lyon Sußmann ist trotz seines hohen Alters heute noch als Vorsitzender des Aufsichtsrats (1922 wurde die Firma in eine AG umgewandelt) in dem zu großem Ansehen gelangten Unternehmen tätig. Das technisch hervorragend eingerichtete Werk - ein Spezialerzeugnis ist der 'Hautana-Büstenhalter' - stellt Trikotunterkleidung aller Art in besserer Ausführung her. Die Beschaffenheit dieser Fabrikate haben in allen Kreisen uneingeschränktes Lob gefunden. Seit längerer Zeit wurde auch die Herstellung von kunstseidenen Artikeln  aufgenommen. "  
*Anmerkung: Hans Heinrich Sußmann starb am 7. August 1925 und wurde im israelitischen Teil des Pragfriedhofes in Stuttgart beigesetzt (Urnenbestattung); am 15. Dezember 1938 wurde die Urne nach England verbracht, wohin seine Frau Erna geb. Simon mit den Kindern emigriert war.   
 
Boeblingen Fa Hautana 010.jpg (87193 Byte)Die Werksanlagen der Böblinger Firma Hautana auf einem Firmenprospekt (1924)
(Quelle: Stadtarchiv Böblingen; Website https://www.zeitreise-bb.de/hautana/
 
Boeblingen PFr 151.jpg (105840 Byte)Grabmal für Familie Ludwig Maier im Israelitischen Teil des Pragfriedhofes Stuttgart 
(Foto 1990er-Jahre: Hahn)   

    
Erwin Freudenthal, Prokurist der mechanischen Trikotweberei Ludwig Maier & Co. wird beim Kriegseinsatz dekoriert (1915) und ist zwei Jahre später gefallen (1917)   
Anmerkung: Erwin Freudenthal ist geboren am 6. Mai 1883 als Sohn des Kaufmanns Isidor Freudenthal (Teilhaber von Freudenthal und Heß, Baumwollwaren en gros in Stuttgart) und seiner Frau Lina geb. Sussmann. Lina war die jüngste Schwester von Lyon Sussmann und ist am 4. Januar 1861 in Tauberbischofsheim geboren. Lina Freudenthal wurde nach der Deportation im Juni 1942 im KZ Sobibor ermordet. Isidor Freudenthal ist bereits 1916 gestorben (Grab im israelitischen Teil des Pragfriedhofes Stuttgart).
Familienregister TBB: http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=1-446800-45 und geni.com https://www.geni.com/people/Lina-Freudenthal/6000000049688155058   

Mitteilung in "Dr. Bloch's österreichische Wochenschrift" vom 16. Juli 1915: "Auszeichnungen jüdischer Krieger mit dem Eisernen Kreuz. (Bisher wurden 3225 mitgeteilt, in der vorliegenden Nummer 87, zusammen 3312.)
Eisernes Kreuz 1. Klasse
.
Frankfurt am Main. Wilhelm Frankl, Offizierstellvertreter, Flugzeugführer (Ritter des Eisernen Kreuzes 2. Klasse).
Eisernes Kreuz 2. Klasse.
Böblingen
. Erwin Freudenthal, Prokurist der mechanischen Trikotweberei Stuttgart Ludwig Maier und Co. und Beförderung zum Offizier-Stellvertreter. "    
  
Mitteilung in der "Neuen jüdischen Presse" vom 9. November 1917: "Gestorben. Mathilde Ehrmann geb. Arnstein, 67 Jahre, Fürth. - Hugo Kaufmann, Bamberg, im Feld. -  Albert Cosmann, 65 Jahre, Essen. - Erwin Freudenthal, Böblingen, im Feld. - Karoline Weißmann, geb. Schafheimer, 71 Jahre,..."   
 
Grabstein für Erwin Freudenthal innerhalb des Hains für Gefallene des Ersten Weltkrieges im Israelitischen Teil des Pragfriedhofes in Stuttgart
(Foto 1990er-Jahre: Richard Klotz).  

   
Zum 85. und zum 90. Geburtstag von Lyon Sussmann, Seniorchef der Mechanischen Trikotweberei (1933)      
 
Anmerkung: Lyon Sussmann ist laut Familienregister Tauberbischofsheim http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=1-446800-45  am 31. Oktober 1843 in Tauberbischofsheim geboren als Sohn des Moses Sußmann (1815-1888, Grab israelitischer Teil des Pragfriedhofes Stuttgart) und seiner Frau Sophie geb. Feldheim (1816-1875, Grab in Külsheim). Er zog 1868 nach Stuttgart und wurde 1878 Teilhaber der Fa. Mechanische Trikotweberei Ludwig Maier & Co.; weitere Geschichte siehe die nachfolgenden Artikel bzw. oben.  
Genealogische Informationen zu Moses Sussmann und Familie:  https://www.geni.com/people/Moses-Sussmann/6000000049688740837  

Artikel in der "Gemeindezeitung für die Israelitischen Gemeinden Württembergs" vom 16. November 1928: "Stuttgart. Am 1. November dieses Jahres konnte Lyon Sußmann, Seniorchef der Mechanischen Trikotweberei Stuttgart, Ludwig Maier und Co. AG in körperlicher und geistiger Frische seinen 85. Geburtstag feiern. Der Jubilar, der Ehrenbürger der Stadt Böblingen ist, hat sich trotz schwerster Schicksalsschläge in seiner Familie bis ins hohe Greisenalter eine seltene Tatkraft bewahrt, der auch der große Aufschwung seines Hauses zu verdanken ist. Der Festtag gab weiten Kreisen Gelegenheit, ihm ihre Wertschätzung zu bezeugen. "   
 
Boeblingen Fa Hautana 011.jpg (93471 Byte)Lyon Sussmann an seinem 85. Geburtstag (1928) im Kreis der Belegschaft seiner Firma.
(Quelle: Stadtarchiv Böblingen; Website www.zeitreise-bb.de).  
  
Artikel in der "Gemeindezeitung für die Israelitischen Gemeinden Württembergs" vom 1. November 1933: "Stuttgart. Lyon von Sußmann, dem Nestor der hiesigen israelitischen Gemeinde, ist es vergönnt, am 1. November in voller, geistiger Frische seinen 90. Geburtstag begehen zu dürfen. Er ist im Jahre 1868 von seinem Geburtsort Tauberbischofsheim hierher übersiedelt. Durch seine Tatkraft und seinen kaufmännischen Weitblick hat die Mechanische Trikotweberei Ludwig Maier & Co. einen bedeutenden Aufschwung genommen und sich zu einem der angesehendsten industriellen Unternehmen unseres Landes entwickelt. Die Stadt Böblingen hat Lyon von Süßmann vor längerer Zeit in Anerkennung seiner Verdienste zum Ehrenbürger ernannt.
Möge dem Jubilar, der in den letzten Jahren durch den Tod seiner Frau und zweier verheirateter Kinder schwer heimgesucht wurde, ein angenehmer Lebensabend beschieden sein."    

  
Zum Tod von Lyon Sussmann (1935)      

Artikel in der "Gemeindezeitung für die Israelitischen Gemeinden Württembergs" vom 16. Februar 1935: "Stuttgart. Im hohen Alter von 91 Jahren verschied am 8. Februar Lyon Sußmann, dessen Name weit über Stuttgarts Grenzen hinaus bekannt war. Im Jahr 1878 trat Lyon Sußmann als Teilhaber in die von Ludwig Maier 1863 in Stuttgart begründete gleichnamige Firma ein, aus der sich die Mechanische Trikotweberei Stuttgart Ludwig Maier & Co. AG, Böblingen, entwickelte. Unter der persönlichen Leitung Lyon Sußmanns, dessen geschäftlicher Weitblick die Arbeits- und Absatzgebiete des Unternehmens immer mehr erweiterte, nahm die Firma einen ganz besonderen Aufschwung; sie gehört auch heute zu den führenden Firmen der Branche. Das Andenken des sich in weitesten Kreisen höchster Wertschätzung erfreuenden Mannes wird in unserer Gemeinde und in der Geschäftswelt stets in hohen Ehren gehalten werden."      
 
Boeblingen PFr 150.jpg (139221 Byte) Grabmal für Lyon Sussmann (1843-1935) und Jeanette Sussmann geb. Israel (1850-1928) im Israelitischen Teil des Pragfriedhofes in Stuttgart
(Foto 1990er-Jahre: Hahn)        

       
Anzeigen der Mechanischen Trikotweberei Ludwig Maier & Co. (1924, 1932)    

Boeblingen CV-Ztg 17041924.jpg (103002 Byte)Anzeige in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift der "Central-Vereins" vom 17. April 1924:
"Sanitas-Elastica. Die elegante, hygienische Unterkleidung für Herren Damen und Kinder. 
Mechanische Trikotweberei Stuttgart Ludwig Maier & Co. A.-G. in Böblingen".    
 
Boeblingen Fa Hautana 012.jpg (39721 Byte) links: Die Hersteller des "Hautana"-Büstenhalters werben 1932 gemeinsam für das Produkt: sowohl die (gleichfalls jüdische) Firma S. Lindauer & Co. (Korsettfabrik, Stuttgart-Cannstatt) wie auch die Mechanische Trikotweberei Ludwig Maier & Co. A.G. in Böblingen
(Quelle: Stadtarchiv Böblingen; Website www.zeitreise-bb.de)  .    

    
    
Über die Familien Levi und Kahn   
  

Familie Levi:
Löw Levi (geb. 2. September 1803 in Nordstetten als Sohn von Emanuel Levi von Nordstetten und der Schenle geb. Ottenheimer) und seine Frau Bela geb. Rothschild (geb. 29. November 1807 in Nordstetten als Tochter von Herz Moses Rothschild von Nordstetten und einer Frau Hindel geb. Jakob von Mühringen) lebten - vgl. oben die Volkszählungsergebnisse - seit etwa 1845 in Böblingen. Die beiden hatten mehrere Kinder: Fanni (geb. 22. Dezember 1834, später verzogen nach Jöhlingen), Moses (geb. 30. Dezember 1836, ausgewandert), Helena (geb. 6. April 1839), Joseph (geb. 14. Juli 1841), Emanuel (geb. 20. November 1843, gest. 16. Januar 1844), Jeanette (geb. 8. Juni 1845, gest. 19. September 1856) und Bertha (geb. 9. August 1848 in Böblingen).
Löw (Leopold) Levi war als Handelsmann in Böblingen tätig (nach Anzeigen im "Böblinger Boten" von 1861 handelte er mit Einrichtungsgegenständen wie Betten, Matratzen, Bettfedern, Möbeln u.a.m.). Später kamen Lederwaren und Textilien und anderes mehr dazu. Mindestens bis 1868 lebte die Familie in Böblingen und ist dann von hier verzogen. Die weitere Geschichte ist nicht bekannt.
Quelle: u.a. Recherchen von Hans-Jürgen Sostmann, Böblingen.
 
Familien Kahn
Zu Sigmund Kahn: Sigmund Kahn ist am 14. Juni 1879 in Baisingen als Sohn von Hirsch Kahn und seiner Frau Sophie geb. Levi geboren. Er war seit 21. November 1909 verheiratet mit Berta geb. Bauernfreund (geb. 1. Juni 1889 in Schluchtern als Tochter von Isaak Bauernfreund und seiner Frau Auguste geb. Erlebacher), mit der er drei Kinder hatte: Senta (geb. 1910), Heinz (geb. 1912) und Hans Max (geb. 1916).
     
Zu Adolf Kahn: Adolf Kahn ist am 25. Juni 1892 in Baisingen als Sohn von Hirsch Kahn und seiner Frau Sophie geb. Levi geboren. Er war verheiratet mit Hedwig (Hedy) geb. Löwenstein (geb. am 23. März 1896 in Frankfurt am Main).
   
Sigmund Kahn war bereits um 1900 von Baisingen aus als Viehhändler in Böblingen und Umgebung tätig. Er übernachtete dazu regelmäßig im Gasthof "Zum Bären" am Oberen See. Später hatte er eigene Stallungen angemietet. Um 1910 kaufte er in Böblingen eine Haushälfte an der Neuen Stuttgarter Straße 10. Um 1920 zog auch sein Bruder Adolf nach Böblingen.
Sigmund Kahn starb am 12. April 1928 (siehe Bericht unten). Seine Frau Berta verzog wenig später mit ihren Kindern nach Stuttgart zu ihrem Bruder Ludwig, der in Stuttgart eine Lampenfabrik betrieb. In der NS-Zeit konnten die Kinder Senta (inzwischen verheiratete Schwarz) nach Amerika emigrieren, Hans Max emigrierte 1937 nach Südafrika und Heinz 1938 nach Bolivien. Nach dem Novemberpogrom 1938 musste Berta Kahn in ein "Judenhaus" in der Urbanstraße 116 umziehen. Ende 1941 wurde sie nach Riga deportiert und dort ermordet.
   
Adolf und Hedy Kahn wohnten nach dem Wegzug von Böblingen bis 1935 in Stuttgart, ab 1935 in Köln (Eburonenstraße 10)
Beide wurden deportiert ab Köln am 22. Oktober 1941 in das Ghetto Litzmannstadt, Adolf Kahn ist umgekommen am 7. Dezember 1943 in Litzmannstadt vgl. Gedenkseite aus Yad Vashem und  https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1659730; im Gedenkbuch Köln: https://museenkoeln.de/ns-dokumentationszentrum/default.aspx?sfrom=1214&s=2460&id=6006&buchstabe=K 
Hedy Kahn kam vom Ghetto Litzmannstadt in das Vernichtungslager Ghetto Kulmhof am 23. Juni 1944, wo sie ermordet wurde, vgl. https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1477342; im Gedenkbuch Köln:
vgl. Gedenkseite und Foto aus dem Archiv Yad Vashem.
Geschichte des Sohnes Heinz Kahn (geb. 1923 in Böblingen, gest. 2018 Silver Spring): Lebenserinnerungen siehe https://www.ushmm.org/remember/holocaust-survivors/volunteers/henry-kahn .
Der Sohn Rolf Kahn (geb. 1925, gest. 1932, Grab im Pragfriedhof Israelitischer Teil in Stuttgart, siehe Foto unten
Quelle: u.a. Recherchen von Hans-Jürgen Sostmann, Böblingen.
  
  
Dokumente, Artikel und Anzeigen zu den Familien Kahn                
Geburtsanzeige für den Sohn Heinz von Adolf Kahn und Hedy geb. Löwenstein (1923)      

Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom  25. Januar 1923: 
"Die - Gott sei gepriesen - glückliche Geburt eines gesunden Knaben zeigen hocherfreut an  
Adolf Kahn und Frau Hedy geb. Löwenstein
Böblingen bei Stuttgart, 18. Januar."          
 
Grabstein für Rolf Kahn (1925-1932) im Israelitischen Teil des Pragfriedhofes in Stuttgart.
(Foto 1990er-Jahre: Hahn)   

      
Zum Tod von Moses Löwenstein, Vater von Hedy Kahn geb. Löwenstein (Frankfurt 1926)   

Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. April 1926: "Verwandten und Freunden die traurige Nachricht, dass unser innigst geliebter, guter Vater, Großvater, Bruder und Schwager
Herr Moses Löwenstein
heute Nacht nach kurzem Krankenlager, wenige Monate nach dem Ableben seiner treugeliebten Gattin, sanft entschlafen ist.
Frankfurt am Main,    Hamburg, Böblingen
Uhlandstraße 48    18. April 1926.
Die in tiefer Trauer Hinterbliebenen I.d.N.
Jakob Seligmann und Frau Adda geb. Löwenstein
Adolf Kahn und Frau Hedi geb. Löwenstein
Erna Löwenstein."   

      
Zum Tod von Viehhändler Siegmund Kahn (1928)     

Artikel in der "Gemeindezeitung für die Israelitischen Gemeinden Württembergs" vom 1. Mai 1928: " Baisingen. Hier wurde am Tage nach Pessach der in weiten Kreisen des Landes bekannte Viehhändler Siegmund Kahn zu Grabe getragen. Nach langjähriger Leidenszeit erlag er den Verwundungen, die er sich als Stoßtruppführer im Kriege zugezogen hatte. Die Beliebtheit, deren sich der nunmehr Entschlafene allerwärts erfreute, bekundete sich in der herzlichen Teilnahme der Ortsbewohner wie der auswärtigen Freunde. Ein Trauergefolge von hier nur selten zu verzeichnender Stattlichkeit zeugte von der Wertschätzung des Dahingegangenen. Der hiesige Kriegerverein erwies ihm die üblichen militärischen Ehren, obgleich der Kamerad seit einiger Zeit in Böblingen wohnte und, wie immer an den religiösen Festtagen, mit seiner Familie die Pessachtage hier verbrachte. Rabbiner Dr. Schweizer, Horb, Hauptlehrer Unikower, Baisingen, Oberlehrer Kahn, Laupheim, als Bruder, sowie ein Vertreter eines Böblinger Freundeskreises widmeten dem Verstorbenen herzliche Gedenkworte."      

    
Gedenkblätter und Erinnerungen  
 

         
 Gedenkblatt für Adolf Kahn
in der Gedenkstätte Yad Vashem
 Gedenkblätter mit Foto von Hedy Kahn geb. Löwenstein in der Gedenkstätte Yad Vashem Jerusalem
     
 Heinz Kahn (Quelle: United States
Holocaust Memorial Museum)

    
    
Weitere jüdische Einwohner in Böblingen    
Hinweis auf Hermann Thalmessinger (1869-1946)       

links: Liste der Rückkehrer aus dem Ghetto Theresienstadt im Sommer 1945, veröffentlicht in der amerikanisch-jüdischen Zeitschrift "Der Aufbau" vom 7. September 1945; der Name von Hermann Thalmessinger findet sich ganz unten. 
Zur Biographie siehe  https://www.stolpersteine-stuttgart.de/index.php?docid=386   

Hermann Thalmessinger (geb. 13. Juli 1869 in Ulm als Sohn des Bankiers Nathan Thalmessinger und seiner zweiten Frau Jette geb. Steiner) wurde nach seiner Schulzeit in Ulm Ingenieur und Kaufmann. Er war verheiratet mit Sophie geb. Fröhle (evangelisch), mit der er zwei Söhne hatte: Max (geb. 1907 in Böblingen) und Fritz (geb. 1909 in Böblingen). Hermann Thalmessinger arbeitete in Böblingen für die Brauerei Zahn und wurde Prokurist der Firma. 1921 verzog die Familie nach Stuttgart, wo auch sein jüngerer Bruder lebte (Rechtsanwalt Dr. Otto Thalmessinger). In der NS-Zeit war er zunächst auf Grund seiner "privilegierten Mischehe" geschützt, doch wurde Hermann Thalmessinger 1944 noch in das Ghetto Theresienstadt eingeliefert, das er - inzwischen schwer erkrankt - überlebte und 1945 nach Stuttgart zurückkehren konnte. Er starb am 21. August 1946 in Stuttgart-Degerloch und wurde im Pragfriedhof (nichtjüdischer Teil) beigesetzt. Das Grab besteht nicht mehr.      
    
    
Hinweis auf Ida Ehre-Heyde (1900-1989) und ihre Zeit in Böblingen      

Quelle der Informationen u.a. https://de.wikipedia.org/wiki/Ida_Ehre   https://www.steffi-line.de/archiv_text/nost_buehne/04e_ehre.htm   https://www.hamburg.de/ehrenbuerger/biographien/ehrenbuerger-1900-1999/4659116/ida-ehre/
Artikel links zur Beisetzung des Vaters von Ida Ehre - Kantor Salomon Ehre - am 24. November 1902 in Wien; Artikel erschien in: "Die Wahrheit" vom 28. November 1902; zum Lesen bitte Textabbildung anklicken.  

Ida Ehre (geb. 9. Juli 1900 in Prerau, Mähren - heute Přerov, Tschechien -  als Tochter des Kantors Salomon Ehre) wuchs nach dem frühen Tod ihres Vaters in Wien auf und ließ sich an der Akademie für Musik und darstellende Kunst in Wien zur Schauspielerin ausbilden. Sie spielten an Theatern in Bielitz, Budapest, Czernowitz, Cottbus, Bonn, Königsberg, Stuttgart, Mannheim und ab 1930 am Lessingtheater in Berlin. In der NS-Zeit arbeitete sie wegen Berufsverbotes als Arzthelferin in der Praxis ihres Ehemannes Dr. med. Bernhard Heyde (1899-1978), der als Frauenarzt in Böblingen tätig war. Mit ihm hatte sie eine Tochter Ruth (geb. 1927 in Mannheim). Eine geplante Auswanderung nach Chile 1939 misslang, weil das Schiff wegen des Beginns des Zweiten Weltkrieges wieder nach Hamburg zurückkehren musste, wo Ida Ehre von der Gestapo verhaftet und in das KZ Fuhlsbüttel inhaftiert wurde. Dort wurde sie nach einiger Zeit auf Grund ihrer "privilegierten Mischehe" wieder entlassen. Nach Kriegsende eröffnete Ida Ehre 1945 die "Hamburger Kammerspiele" (bis 1941 Theatergebäude, da vom Jüdischen Kulturbund genutzt worden war), die sie bis 1989 leitete. Seit Mitte der 1950er-Jahre wirkte sie in zahlreichen Film- und Fernsehproduktionen mit. Auch als Sprecherin in Hörspielen und als Synchronsprecherin war sie vielfach tätig. 1988 trug sie bei der Gedenkstunde zum 50. Jahrestag der Novemberpogrome im Deutschen Bundestags in Bonn die Todesfuge von Paul Celan vor. Sie starb am 16. Februar 1989 in Hamburg und wurde in einem Ehrengrab im Friedhof Ohlsdorf (neben dem Grab von Gustav Gründgens am äußersten südöstlichen Rand des Althamburgischen Gedächtnisfriedhofes) beigesetzt. Sie erhielt zahlreiche Ehrungen. 1992 wurde der Platz vor der Kongresshalle in Böblingen in Ida-Ehre-Platz umbenannt.    
    
     
Hinweis auf den Lungenfacharzt Dr. Ebstein (Stuttgart 1932, zuvor 3 Jahre im Tuberkulose-Krankenhaus Sanatorium Schönbuch bei Böblingen)
  
Anmerkungen: das Tuberkulose-Krankenhaus Sanatorium Schönbuch war in Böblingen am Herdweg 163. Es wurde 1900/01 durch den Arzt Dr. Carlos Krämer eingerichtet. Es konnte 45 Patienten aufnehmen. Es bestand bis 1969 als Tuberkulose-Sanatorium, danach wurde das Gebäude als "Zentralküche Schönbuch" genützt, von der aus die Krankenhäuser der Landesversicherungsanwalt Württemberg zentral mit Essen versorgt wurden. Das Gebäude wurde 1999 abgebrochen. Erhalten ist das ehemalige Arzthaus (Herdweg 161, in dem auch Dr. Ebstein wohnte), das heute als Waldorfkindergarten verwendet wird (Fotos des ehemaligen Arzthauses in https://www.waldorfkindergarten-boeblingen.de/gemeinsame-gartenaktion-mit-eltern-und-kindern/).
Quelle: https://www.boeblingen.de/start/StadtPolitik/Sanatorium+am+Herdweg.html (auch als pdf-Datei eingestellt).
Dr. Fritz (Joseph Friedrich) Ebstein (geb. 7. Februar 1893 in Heilbronn als Sohn des Kaufmanns Simon Ebstein und der Fanny geb. Fellheimer) ist aufgewachsen in Ludwigsburg, studierte Medizin in Tübingen, war im Ersten Weltkrieg als Kriegsfreiwilliger im Einsatz (ausgezeichnet mit dem EK II). Abschluss des Studiums in Tübingen 1919, Promotion 1922 Universität Berlin. 1923 Eröffnung einer Praxis in Ludwigsburg; dann Ausbildung zum Lungenfacharzt, nachdem er selbst an Lungentuberkulose schwer erkrankt war. Heirat mit Ilse geb. Goldmann (geb. 1907 in Goslar), Tochter Fanny (geb. 1933 in Stuttgart). Emigrierte im Oktober 1937 in die USA, wo er (als Frederick Ebstein) an verschiedenen Stellen tätig war, ab 1946 am Benjamin Franklin Hospital in Ohio. Er starb im Mai 1969 in den USA. Tochter Fanny verh. Frances (lebte in DeKalb, IL/USA)  
Lit.: Joachim Hahn: Jüdisches Leben in Ludwigsburg. 1994 S. 362-363; Susanne Ruess: Stuttgarter jüdische Ärzte während des Nationalsozialismus. Würzburg 2009 S. 72-76.
Grab siehe https://de.findagrave.com/memorial/61849971/frederick-j-ebstein.  

Anzeige in der "Gemeindezeitung für die Israelitischen Gemeinden Württembergs" vom 1. September 1932: "Nach mehrjähriger Tätigkeit in der allgemeinen Praxis und langjähriger Fachausbildung in verschiedenen öffentlichen und privaten Lungenheilanstalten des In- und Auslands (zuletzt über drei Jahre im Tuberkulose-Krankenhaus Sanatorium Schönbuch bei Böblingen) habe ich mich hier niedergelassen.
Dr. Ebstein Lungenfacharzt
Neckarstraße 14
(beim Landestheater)
Fernsprecher 24499
Sprechstunden 11-1 und 4-6, Samstags 11-2 (eventuell nach Vereinbarung)."      
 
Grabstein/Grabinschrift für Dr. Frederick J. Ebstein (1893-1969) und Ilse M. Ebstein (1907-1990) im Green Lawn Cemetery in Columbus, Franklin County, Ohio, USA. 
(Quelle:  https://de.findagrave.com/memorial/61849971/frederick-j-ebstein

                
  
             

            
Links und Literatur

Links:  

bulletWebsite der Stadt Böblingen  
bulletWebsite Zeitreise Böblingen mit Beitrag von Günter Scholz: Die Mechanische Trikotweberei Ludwig Maier und Cie. AG produzierte den beliebtesten Büstenhalter der 1920er Jahre - Lyon Sussmann und die "Hautana":  https://zeitreise-bb.de/hautana/   

Literatur:  

bulletJacob Toury Jüdische Textilunternehmer... 1984. S. 192, 199-201.259.    
bulletJoachim Hahn (unter Mitarbeit von Richard Klotz und Hermann Ziegler): Pragfriedhof, israelitischer Teil. Reihe: Friedhöfe in Stuttgart Bd. 3 (bzw. Reihe: Veröffentlichungen des Archivs der Stadt Stuttgart Bd. 57). Stuttgart 1992. 268 S. ISBN 3-608-91618-0. 

  
    

                   
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Stand: 30. Juni 2020