Eingangsseite
Aktuelle Informationen
Jahrestagungen von Alemannia
Judaica
Die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft
Jüdische Friedhöfe
(Frühere und
bestehende) Synagogen
Übersicht:
Jüdische Kulturdenkmale in der Region
Bestehende
jüdische Gemeinden in der Region
Jüdische
Museen
FORSCHUNGS-
PROJEKTE
Literatur
und Presseartikel
Adressliste
Digitale
Postkarten
Links
| |
Zurück zur Seite über die Jüdische Geschichte/Synagoge
in Fürth
Fürth (Mittelfranken)
Texte/Berichte zur jüdischen Geschichte der Stadt
Allgemeine Berichte zur Geschichte der
jüdischen Gemeinde
Die nachstehend wiedergegebenen Texte mit
Beiträgen zur jüdischen Geschichte in Fürth wurden in jüdischen Periodika
gefunden.
Bei Gelegenheit werden weitere Texte eingestellt.
Übersicht:
Allgemeine Berichte
zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
Über ältere Urkunden zur Geschichte der Juden in Fürth
(1843)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 28. Januar
1843: |
|
Über eine Bücherkonfiskation in Fürth 1702 (Bericht
von 1901)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. Juli
1907: |
Die religiösen Verhältnisse in Fürth bessern sich -
auch unter der jungen Generation (1843)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 20. November 1843: |
|
Kurzbericht über die Fürther Gemeinde
(1851)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 10. November
1851: "Über Nürnberg, das seine Tore freiwillig wieder den
Juden öffnet - es befindet sich bereits auch ein jüdischer Gasthof,
bezeichnender Garküche, dort - gehen wir nach Fürth, woselbst,
Dank einer alle separatistischen Gelüste der hyperorthodoxen Minorität
niederhaltenden Entschließung unseres weiland Morgenroth-Ministeriums,
dermalen Friede herrscht. Herr Rabbiner Dr. Löwi weiß seine Predigten
selten und daher wirksamer zu machen. Die dazumal auch gegebene Erlaubnis
zur Anbringung einer Orgel in der Synagoge benützt man nicht. In der
Neuzeit wurde hier Herr Dr. Brentano, Vorstand eines Erziehungsinstituts,
an der öffentlichen Handelsschule regierungsseits, wohl das erste
Beispiel dieser Art bei uns, angestellt." |
Über die soziale und intellektuelle Stellung der Fürther
Juden (1874)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 9. Juni
1874: |
|
Allgemeiner Beitrag über "Die Juden in
Fürth" (1878)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 23. April 1878: |
|
|
Neuerscheinung zur Geschichte der Juden in Nürnberg und
Fürth (1878)
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 13. August
1878: |
Über das Verhältnis zwischen Nürnberg und Fürth -
aus jüdischer Sicht - Teil I (1926)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. Januar
1926: |
|
Über das Verhältnis zwischen Nürnberg und Fürth aus jüdischer
Sicht - Teil II (1926)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. Januar
1926: |
|
Über die jüdische Gemeinde in Fürth
(1927)
Artikel
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 8. März
1927: "Aus der Geschichte der Israelitischen Kultusgemeinde
Fürth. Ein Festgruß zum Verbandstage am 13. März 1927. Von Rabbiner
Dr. Behrens (Fürth).
Die Gemeinde Fürth rüstet sich zu ihrem Ehrentage am 13. März, an dem
sie die Vertreter des Bayerischen Judentums, Rat und Abgeordnete des
Verbandes, die Mitglieder der Bayerischen Rabbinerkonferenz und zahlreiche
Vertreter der Bayerischen Israelitischen Gemeinden, in ihren Mauern
begrüßen wird. In dem Kranz der Israelitischen Gemeinden Bayerns, nimmt
Fürth eine besonders interessante und bemerkenswerte Stellung ein, auf
deren Geschichte hinzuweisen in einer Stunde geboten erscheint, in der die
führenden Persönlichkeiten der bayerisch-jüdischen Bevölkerung erneut
zur Beratung der integrierenden Angelegenheiten, der Aufgaben und Ziele
der gesamten ihr anvertrauten Gemeinschaft, zu bedeutsamer Bekundung ihres
Willens und ihrer Gesinnung, zusammentreten. Der Mittelpunkt ihres
Strebens ist die ideale Lebensauffassung, die ebenso sehr in der edlen
Überlieferung der religiösen Gedankenwelt, wie in der schicksalsgemäßen
Verflochtenheit, mit der Geschichte des heimatlichen Bodens verwurzelt
ist. Erweist sich das Alter zahlreicher bayerischer Gemeinden als weit
zurückreichend in die Vergangenheit, tief verbunden mit der kulturellen
Entwicklung des engeren Vaterlandes, so hat die Gunst der Zeiten in
besonders hohem und glücklichem Maße die Sonne einer gleichmäßigen
Entfaltung ihrer Kräfte der Gemeinde Fürth leuchten lassen. Durch mehr
als vier Jahrhunderte läuft der Strom ihres individuellen Lebens, niemals
durch gewaltsame Störungen, wie Vertreibungen und Verfolgungen,
unterbrochen, soweit nicht das gemeinsame Erleben, wie der
Dreißigjährige Krieg, auch hier Wunden von besonderer Art geschlagen
hat, die durch Flucht, durch Lücken in der Kette der Rabbinen, sich tief
in ihre Annalen eingegraben haben. Die vielhundertjährige Verbundenheit
der Bevölkerung hat einen befriedigenden Modus Vivendi geschaffen, der
selbst in den härtesten Proben Stich gehalten hat und selbst den harten
Proben der neueren Zeit mit ihren völlig veränderten politischen
Methoden, Trotz bot. Damit gewinnt Fürth eine durch Generationen
behauptete Stellung, mit der keine bayerische Gemeinde sich vergleichen
kann. Fürth ist die Stadt und Mutter in Israel, die Muttergemeinde
Bayerns in geschichtlich schwerster Zeit geworden. Am Ende des 18.
Jahrhunderts die gefeierte Stätte des Talmudstudiums, zu der die Jünger
der Wissenschaft in einer an Hochschulen armen Zeit, strebten. Neben
Hamburg und Frankfurt am Main barg Fürth eine der bedeutendsten
talmudischen Lehrstätten des Zeitalters. Inmitten jener Epoche, die die
Juden von 1500 bis 1550 aus ganz Bayern vertrieb, entsteht in Fürth in
allmählichem Wachstum eine israelitische Gemeinde, die, von starken
Traditionen getragen und zusammengehalten, zu hoher Blüte gelangt und die
Entwicklung der eigenen Heimat außerordentlich glücklich befruchtet hat.
Die Gemeinde Fürth, ist in ihrem Werden und Entstehen nur dadurch
erklärlich, dass nach der Vertreibung der Juden aus Nürnberg im Jahre
1499, eine jüdische Kolonie in der Nähe dieses hervorragenden
Verkehrszentrums unentbehrlich war. die Familienzahl war in Fürth nie
beschränkt, ein Hindernis seitens des Staates hat es nie gegeben.
Arbeitsfreude, Bürgertugend, Familienadel haben hier eine sorgsame
Pflegestätte gefunden. Wie die Söhne Fürths den Namen der
Heimatgemeinde weit hinausgetragen haben in die Welt und ihm Treue
hielten, so haben die Angehörigen der Gemeinde Fürth, ebenso sehr die
Werke der Nächstenliebe und die Pflege der Religion und der Wissenschaft
in den eigenen Kreisen gefördert, wie sie ihre Heimatstadt mit
hochherzigen Stiftungen, mit bedeutsamen Schöpfungen schmückten, und in
Wort und Tat niemals aufgehört haben, an bedeutender Stelle der Wohlfahrt
der Stadt zu dienen. |
Zahlreiche
Denkmäler, Zeichen der Erinnerung, Bauten und Straßennamen, legen
beredtes Zeugnis ab von dem ausgeprägten und starken Heimatgefühl der
Juden Fürths, aber auch von der Verehrung, die in allen Kreisen der
Bürgerschaft lebendig ist, von der Dankbarkeit, die den gefeuerten Namen
jüdischer Persönlichkeiten Fürths gewahrt bleibt. Trotzdem eine Fülle
von Einzeldarstellungen sich mit Episoden und Persönlichkeiten aus der
Vergangenheit Fürths beschäftigen, ist eine umfassende Gesamtdarstellung
der Geschichte der Gemeinde Fürth, noch nicht bearbeitet, eine Aufgabe
der historischen Wissenschaft, die wegen der reizvollen Fülle der
Nachrichten und wegen der Eigenart der Erscheinungen wünschenswert
bleibt. Wir verzeichnen voll Dankbarkeit die Verdienste, die sich eine
große Reihe von namhaften Männern der Wissenschaft, um die Aufhellung
der Vergangenheit unserer Gemeinde, erworben haben und stellen im
Folgenden die Daten zusammen, die für einen breiteren Leserkreis von
Interesse sein dürften.
Die Gründung der Gemeinde Fürth fällt in das Jahr 1528;
fast ein Menschenalter nach der Vertreibung der Juden aus Nürnberg. In
diesem Jahre erwirkte Männel (Mendel), Sohn des Weinschenken Symelin aus
Nürnberg die Erlaubnis, sich in Fürth niederzulassen. Dieses Recht
erhielt er vom Hause Brandenburg-Ansbach, wie denn die Gemeinde Fürth
ihre Blüte den Markgrafen von Ansbach-Bayreuth verdankt, und die Gemeinde
selbst als Fortsetzung der alten Gemeinde Nürnberg anzusehen ist. Die
fürstliche Gnade musste freilich erkauft und durch jährliche Abgaben
erhalten werden, die die gute Laune der Behörden sicherten. Da es ohne
Geldopfer nicht abging, musste ein bestimmter Wohlstand beständig
vorhanden sein. Der eigentliche Aufstieg der Gemeinde, der im 16.
Jahrhundert, durch den Streit um die Hoheitsrechte zwischen den
Brandenburgischen Fürsten und der Dompropstei in Bamberg, sowie durch den
Hader mit der freien Reichsstadt Nürnberg, aufgehalten wird, fällt in
den Beginn des 17. Jahrhunderts. Nachdem bereits 1601 der erste
Privatgottesdienst in Fürth abgehalten wurde, wurde 1607 von
der Ansbachschen und Bambergschen Judenschaft ein gemeinsamer Friedhof
errichtet. Als ältestes Grabdenkmal gilt das des Vorgängers Anschel
Herlingen, der am 11. November 1607 gestorben ist. Der Friedhof wurde am
27. Juli 1617 durch Ankauf eines weiteren Grundstückes erweitert, neue
Vergrößerungen erfolgten in den Jahren 1653, 1718, 1724, 1751 und 1782
(siehe das Bild Seite 62). Nachdem die Juden Fürths ihre Toten in der
Heimat, statt wie bisher in Baiersdorf,
begraben durften, entstanden - falls sie nicht schön älteren Datums sind
- die frommen Brüderschaften (Chewrot), die ausschließlich die
Liebesdienste bei Sterbenden und alle Verrichtungen bis zur Beisetzung
versehen, unterstützt von dem Verein der 'Frommen Frauen'. Unmittelbar
bei dem alten Friedhof lag das Spital (Hekdesch), das
Krankenhaus und Pfründnerheim vereinigte, erstmalig erbaut 1753, jetzt
Theaterstraße 36, erbaut 1846. Am Ende des Jahres 1880 erwarb die
Gemeinde das große Areal neben dem Zentralfriedhof an der
Erlangerstraße, das seit dem Jahre 1906 als Gemeindefriedhof
benutzt wird, mit einer großen, geräumigen Andachtshalle und allen
erforderlichen Nebenräumen ausgestattet ist. Durch eine breite
Zufahrtsstraße gelangt man über eine schlichte Freitreppe in die weite Trauerhalle,
die bisher selbst einem umfangreichen Zustrom von Trauergästen, Aufnahme
zu gewähren vermag. Neben den schlichten Feldern der Reihengräber, ist
ein besonderes Feld vorgesehen, zur Aufnahme von Aschenurnen. Am Eingang
des Friedhofes kündet ein einfaches Denkmal die Namen der dem Weltkrieg
zum Opfer |
gefallenen
Söhne unserer Gemeinde. Am Sonntag, den 10. Juni 1923 wurde das
Denkmal unter Teilnahme weiter Kreise der Gemeinde, der Stadt, der
Kultusverwaltung, der Behörden, zahlreicher militärischer Vereine und
der Geistlichkeit der christlichen Konfessionen, feierlich eingeweiht. Wie
die Erinnerung an den Weltkrieg dem Friedhof eine besondere geschichtliche
Weihe erteilt, so umschließt der alte und berühmte Friedhof in
ganz unvergleichlicher Weise die geschichtlichen Erinnerungen unserer
Gemeinde. Zahllose Geschlechter, deren Namen noch weit in die Gegenwart
hineinragen, haben hier ihre letzte Ruhestätte gefunden. Hier ruhen aus
langen Jahrhunderten die Persönlichkeiten, die Fürth Ruhm und ansehen
verliehen haben in der Welt, in der Welt der jüdischen Gelehrsamkeit und
des frommen Wandels zumal, der untrennbar ist von den Werken der
Menschlichkeit und der werktätigen Nächstenliebe. Die alte Gemeinde
Fürth, vorbildlich in der Pflege der Religion und der gelehrten
religiösen Studien, hat eine große Reihe hochberühmter Namen unter
ihren Rabbinen aufzuweisen. Von 1607-1830, von Simson ben Josef,
nur bekannt durch eine von ihm zu einem Psalmenkommentar ausgestellte
Approbation, Hanau 1616 - zum zum Abschluss der Tätigkeit des Rabbi Wolf
(Hamburg), der von 1820-1830 die Talmudhochschule als letzter Direktor
geleitet hat, und erst am 15. Mai 1850 gestorben ist, läuft eine
ununterbrochene Kette, die nur in den Jahren 1632-67 - unter den Stürmen
des Dreißigjährigen Krieges, eine Lücke aufzuweisen hat. |
Bereits
im Jahre 1617 wurde in Fürth die Hauptsynagoge (Altschul) -
siehe Bild Seite 61 - eingeweiht. sie fand ihren Platz auf dem Schulhof,
nächst der Königstraße, dem alten Mittelpunkt der Gemeinde, die in den
umliegenden und benachbarten Straßen ihre Wohnung aufgeschlagen hatte. Im
Jahre 1692 wurde sie wesentlich umgebaut. Am 7. September 1831 fand
die feierliche Einweihung der neurestaurierten Synagoge durch Oberrabbiner
Dr. Löwy statt, der am 21. März 1831 feierlich in sein Amt
eingeführt worden war, und die Reihe der neuen Gemeinderabbiner
eröffnet. Im Jahre 1865 wurde sie vergrößert und am 15. und 16.
September eingeweiht, zuletzt wurde sie im Winter 1924/25 im Innern
einer gründlichen Renovation unterzogen und mit Zentralheizung versehen.
Am Passahfeste 1925 wurde sie feierlich wieder ihrer Bestimmung
übergeben. Durch die Einführung des Gebetbuches der Gemeinde Nürnberg
erhielt der Gottesdienst seine jetzige Gestalt.
Die Gemeinde Fürth war bereits am Ende des 17. Jahrhunderts, als
die Dompropstei Bamberg endgültig die weltlichen Hoheitsrechte am Orte
ausüben sollte, bis auf etwa 450 Familien, einschließlich der
Ansbach'schen Untertanen gestiegen. Einen außerordentlichen Zuwachs an
Zahl, Reichtum und Intelligenz erfuhr die aufblühende Gemeinde um das
Jahr 1670, als ein Teil der Wiener Exulanten, hier eine
Zufluchtsstätte suchten und fanden. Damit erhielt die Gemeinde einen
besonders bedeutsamen Einschlag. Für die Geschichte Fürths ist die
hervorragenden Persönlichkeit des R. Bärmann Fränkel,
der |
diesem
Kreis angehört, von besonderer Wichtigkeit. Nahe verwandtschaftliche
Beziehungen fesselten ihn an Fürth und seine vornehmsten Familien. Von
1700-1708 war er Oberrabbiner von Fürth. Er war gleichzeitig Oberrabbiner
von Schnaittach und Ansbach und damit das geistige Oberhaupt von mehr als
hundert Gemeinden. Er stiftete die Klaus-Synagoge in Fürth, die er
glänzend ausstattete. Mit der Synagoge war ein Lehrhaus,
Beth-Hamidrasch verbunden, in dem Tag und Nacht das Torastudium
gepflegt wurde. Das einschlägige Testament wurde am 17. Kislev (11.
Dezember) 1707 errichtet. Die Familie Fränkel hat das Wiener Memorbuch
mit nach Fürth gebracht, das in Fürth weitergeführt wurde (siehe Bild
S. 64). - Neben der Klaussynagoge bestanden noch folgende Synagogen
nächst der Hauptsynagoge und der Neuschul: 1. Die Synagoge der
Waisenschule, 2. die Mannheimer Schule, 3. die Gabriel-Schul, 4. die
Talmudschule des Oberrabbiners, 5. die Synagoge des Hekdesch
(Spitalsynagoge). Neben den offiziellen Gemeindesynagogen Altschul und
Neuschul waren die Privatsynagogen für den Gottesdienst besonders
privilegiert.
Überaus bedeutsam wie in keiner Gemeinde, waren die Memorbücher,
neben dem hochinteressanten Memorbuch der Klaus, das künstlerisch
hervorragt, sind die Memorbücher der Altschul, der Neuschul, der
Waisenschul und der Mannheimerschul, die sich übrigens ergänzen,
aufschlussreich für die Familiengeschichte Fürths. Das Memorbuch der
Klaus, der Gemeinde Wien würdig, im Jahr 1633 angelegt, mit sorgfältiger
Schrift und prunkhafter Ausführung ausgestattet, wurde mit reich
vergoldeten und versilberten Initialen und Überschriften versehen. Die
Einträge für Wien datieren von 1633-1670. In Fürth beginnen die
Einträge Ende 1691 und sind bis Pessach 1921 fortgeführt. Berühmt ist
die zweite Frau des Rabbi Josef Steinhart, der in Fürth von 1764-1776
Rabbiner war. Es ist die bekannte Rabbizin Kröndel, Tochter des H. Löw
(Berlin), Schwester des R. Jesaja (Berlin). Sie war eine gottesfürchtige,
geistreiche und gelehrte Frau, die von ihrem Gatten sehr verehrt wurde.
Überraschende Erklärungen zu Midrasch und Pijjut werden in ihrem Namen
zitiert. Sie starb am 30. Mai = 1. Siwan 1775.
In Fürth erfuhren die Juden Freiheiten und Bevorzugungen, die im 17. und
18. Jahrhundert unerhört waren. Nicht bloß, dass sie an allen
Gerechtsamen der Ortsgemeinde Teil hatten, sie besaßen neben dem
Niederlassungsrecht auch aktives und passives Wahlrecht zum Amt des Ortsbürgermeisters
und durften 2 jüdische Deputierte in die christliche Gemeindeverwaltung
schicken. Sie hatten die Entscheidung in allen Zivilrechtssachen zwischen
Juden, die Verwaltung der freiwilligen Gerichtsbarkeit untereinander und
die Ausübung des Polizei- und Strafrechts gegen Ungehorsames, und die
christliche Obrigkeit war verpflichtet, ihnen auf Antrag Rechtshilfe zu
leisten. Völlig unbeschränkt waren sie in der freien
Religionsübung, |
die
Errichtung von Synagogen und Nebenschulen, besonders in der Wahl von
Rabbinern und Kultusdienern, denen volle Abgabenfreiheit zugestanden war,
mit Ausnahme der Lasten des Hausbesitzes. Ebenso haben sie das freie Recht
der Wahl der Vorsteher. Der größere Rat bestand aus 20 für drei Jahre
gewählten Abgeordneten, von den 12 zu Parnosim eingesetzt wurden. Jeder
der Parnosim führte einen Monat lang das Regiment und trug während
dieser Zeit den Namen eines Monatsparnoß oder eines regierenden
Bürgermeisters. In der Judenstadt traten immer wieder die bevorzugten Geschlechter
hervor, die zu Ehrenämtern bei der Verwaltung der öffentlichen
Angelegenheiten herangezogen wurden. Die vornehmen Juden richteten
Betstuben und Klausstiftungen ein, in denen für ihr Seelenheil gebetet
und Mischnah und Talmud studiert wurde und spendeten sorgfältig
geschriebene Gesetzesrollen, kostbaren Toraschmuck, kunstvoll gestickte
Decken, Vorhänge und Ewige Lichter für die Gotteshäuser. Ganz besonders
kam die Opferfreudigkeit der Ausgestaltung der religiösen Studien zur
Hilfe. Der Ruf der Hochschule im Süden war weitverbreitet und
Talmudgelehrte von Rang machten sich eine Ehre daraus, der Berufung zum
Oberrabbinat der Gemeinde zu folgen, mit dem zugleich die Leitung des
Lehrhauses verbunden war. Im Jahre 1763 wurde das Waisenhaus gegründet,
das seitdem ununterbrochen in Fürth als einzige bayerische Anstalt seiner
Art bestanden hat (Über seine Geschichte siehe die eingehende unten
folgende Darstellung des Herrn Direktor Dr. Deutsch).
Über das Wesen der alten Gemeinde unterrichteten ausgezeichnet die alten Gemeindestatuten
(Tekanoth), von denen uns die im Jahre 1770 gegebenen, vorliegen.
Sie regeln die völlig demokratische Verfassung der Gemeinde, ebenso den
Kultus, den Verkehr, die Gerichtsbarkeit und umfassen 1515 Paragraphen.
Von Zeit zu Zeit mussten sie revidiert und ergänzt werden. Aus
natürlichem Selbsterhaltungstrieb musste das Recht der Niederlassung
begrenzt werden. Ein gewisser Wohl- |
stand
war wegen der Abgaben notwendig. Die Erlaubnis hatte die ganze Gemeinde zu
erteilen. Ebenso wurde bei Heiraten mit Ausnahme des ersten Kindes auf
Mitgift geachtet, 50 Gulden mussten als Pfand hinterlegt werden, ein Steuerrückstand
durfte nicht vorhanden sein. Offizielle Synagoge war die Altschul mit dem
ersten Vorsteher, die Neuschul mit dem zweiten Vorsteher als
Monatsvorsteher. Offizielle Handlungen wurden publiziert in erster Linie
in der Altschul, in zweiter Linie in der Neuschul. Die Almosenpflege war
ganz hervorragend. Sie erstreckte sich ebenso sehr auf die Studenten und
ihre Stipendien, wie auf die Fürsorge für die Durchwanderter. Der
Gerichtshof bestand aus dem Oberrabbiner, 3 Dajjonim (Richter) und 3
Ersatzmännern. die Amtszeit der 6 Richter betrug 3 Jahre, dann musste
eine neue Wahl erfolgen. Sitzungstage waren Sonntag und Mittwoch. Die
Prozesse wurden beim Oberrabbiner angemeldet, ein Schiedsversuch wurde
gemacht, dann wurde verhandelt. Niemand durfte sich an ein staatliches
Gericht wenden. Vergleiche hatten volle Wirksamkeit. Die Verordnung wurde
durchgeführt von den Parnossim. Nach drei Tagen Bedenkzeit musste die
Wirksamkeit eintreten. Sonst wurde der Verurteilte in den Bann getan (Issur).
Jede Partei hatte einen Anwalt. Die Öffentlichkeit war vollkommen
ausgeschlossen. Erst nach Protokollierung und Unterschrift am selben Tage
wurde das Urteil bekannt gegeben. Appellationen an auswärtige Gerichte
waren gestattet. - Die Sorge für die Ernährung der Studenten war sehr
genau geregelt. 78 Studenten wurden ausgewählt und je zwei guten
Häusern zugewiesen, mit dem Recht auf ein Studium von vier Semestern und
freie Verpflegung. 12 weitere, besonders qualifizierte, erhielten das
Recht auf 6 Semester. Zulassungsbedingung war: Alter von 13 Jahren und
lediger Stand. Die Zulassung war sehr umworben. Dazu traten die Lasten
für Krankenkassen und Stipendien. Selbst bei Festlichkeiten mussten
Studenten in begrenzter Zahl eingeladen werden. Im Interesse der Studenten
wurden auch die ersten hebräischen Druckereien begründet. Die
Gemeinde übte durch Ehrenbeamte auch die Polizei aus, der weitgehende
Aufsichtsrechte zustanden. Familienfestlichkeiten waren sehr
eingeschränkt, verboten war bei Verlust des Heimatrechts der Tanz beider
Geschlechter. Alle Urkunden und Verträge in der Gemeinde abgeschlossen,
wurden in besondere Kataster (Verzeichnisse) eingetragen. Einblick ist nur
mit Erlaubnis und in Gegenwart der Gegenpartei gestattet. Durch die
Protokollbücher der Gemeinde Fürth, durch die Testamenten- und
Mohelbücher und Grabschriften, ebenso wie durch die Geburts- und
Sterberegister der Gemeinde, ist ein stattliches Material für die
geschichtliche Erforschung der Entwicklung der Gemeinde aufbewahrt. Fürth
schuf sich in seinem Minhag einen eigenen Ritus, der interessante
Einzelheiten aufbewahrt.
Mit dem Jahre 1830, dem Jahr der Schließung der
Talmudhochschule, deren letzter Direktor Rabbiner Wolf (Hamburg) war,
tritt die Gemeinde Fürth in die neue Ära ihrer Geschichte ein. Die
Kämpfe, die der Berufung des Oberrabbiners Dr. Löwy, Stadt- und
Distriktsrabbiner von 1831-1872, vorangehen, weisen darauf hin, dass der
Geist neuzeitlichen religiösen und Gemeindelebens vor den Toren Fürths
nicht Halt machte. Auf die Gestaltung eines veredelten Gottesdienstes und
auf die Umformung des Gemeinschaftslebens ist Oberrabbiner Dr. Löwy, der
sich in weitesten Kreisen einen bedeutenden Ruf, insbesondere auch als
gefeierten Kanzelredner erwarb, wie auf die Gestaltung des
Unterrichtswesens, unterstützt von der verständnisvollen Teilnahme und
Mitarbeit seiner Generation, von weitreichendem segenbringenden Einfluss
gewesen. Eine Zeit des tiefgehenden Umschwungs und weittragenden
Umwälzungen erforderte eine starke Persönlichkeit, die in allen
unvermeidlichen Kämpfen die stark Linie gemeindlicher, einheitlicher
Entwicklung nachdrücklichst aufrecht zu erhalten wusste. Bei aller
Wahrhund der Achtung gegen die Vergangenheit ist dieses Ziel erreicht.
Noch heute lebt die Erinnerung an sein Werk und an sein Wirken im
dankbaren Gedächtnis der Gemeinde fort. Die wiederholt aufgetauchte
Neigung zur Spaltung der Gemeinde durch die Trennung der Altgläubigen,
die sich bereits |
1862
eine eigene jüdische Schule, die jetzige israelitische Realschule
geschaffen haben, von den Liberalen ist an dem starken Gesamtwillen der
Gemeinde und ihrer Verwaltung gescheitert, die in billiger Erfüllung
berechtigter Wünsche für den Frieden und die Einheit der Gemeinde schon
aus Überlieferung bemüht sind. Dem Oberrabbiner Dr. Löwy folgt als sein
Amtsnachfolger Rabbiner Dr. Immanuel Neubürger, nachdem er bereits
dem Dr. Löwy als Substitut zur Seite gestanden. Von 1875 bis 1922 hat er
in nie ermüdender Treue seines Amtes gewaltet, in Treue besonders gegen
die von Dr. Löwy empfangenen Traditionen. Im Jahre 1873 wurde in der
Hauptsynagoge die Orgel eingeführt, aus privaten Spenden
gestiftet. In die Amtszeit des Dr. Neubürger fällt die Einführung des
jüdischen Religionsunterrichts an sämtlichen öffentlichen Volks und
Mittelschulen. Zu seinem Nachfolger wurde Dr. Siegfried Behrens,
bisher in Göttingen, am 21. Dezember 1922 von den Gemeindekollegien
gewählt und am 30. März 1923 feierlich in sein Amt eingeführt. Um die
künstlerische und musikalische Ausgestaltung des Gottesdienstes haben
sich der verewigte Kantor Ebert und der am 1. Oktober 1926 in den
Ruhestand getretene Kantor Lübeck verdient gemacht. Wie aus der
angefügten Liste sich ergibt, haben eine große Reihe von Fürther
jüdischen Persönlichkeiten sich um die allgemeine Wohlfahrt hohe
Verdienste erworben, das Volksbildungsheim von Kommerzienrat
Berolzheimer, und das Nathanstift (Wöchnerinnen- und
Säuglingsheim) von Hofrat Alfred Nathan gestiftet, legen
rühmliches Zeugnis ab von dem guten Geist der Gemeinde Fürth. Die Gemeindeverwaltung
hat ebenfalls die Gestaltung nach neuzeitlichen Prinzipien erhalten,
neuzeitlich ist auch die Wohlfahrtspflege, wie die Durchwandererfürsorge,
gestaltet durch die Wohlfahrtsstelle und durch die Durchwandererstelle.
Wie eine große Reihe angesehener Männer und Frauen sich hohe Verdienste
im öffentlichen Leben erworben haben, ebenso wie im Dienste der
Gemeindeverwaltung - ihre Namen anzuführen würde zu weit führen - so
ist die Gemeinde unter der Ägide ihres gegenwärtigen Vorsitzenden, Herrn
Kommerzienrat Maier Bechmann, und seiner eifrigen Mitarbeiter, denen ein Stab
bewährter Beamter zur Seite steht, sicher durch die Jahre der Kriegs- und
Inflationszeit geführt worden, eine Fülle von Aufgaben ist gelöst, die
sich aus den veränderten Forderungen der Zeit und den vom Krieg
geschlagenen Wunden ergeben und nicht geringe Opfer erfordern. Wir
vertrauen, dass dieses zielbewusste Streben uns in eine, von den Sorgen
der Gegenwart befreite, glücklichere Zukunft führt! Eine Gemeinde, die
stolz sich einer Jahrhunderte alten Geschichte rühmen darf, wird so viel
innere Festigkeit aufweisen müssen, um dem Ansturm feindlicher Mächte
des Geistes und des Zeitalters nicht zu erliegen. Wir halten uns
überzeugt, dass das Geschlecht der Gegenwart den hoffnungsfrohen Glauben
an die Zukunft, in dem freudigen Bekenntnis, in dem starken
Selbstbewusstsein jüdischen Denkens sucht, im Hinblick darauf, das 'der
Adel des Alters verpflichtet'!
Anhang: 1. Verwaltung der Israelitischen Kultusgemeinde:
Seit dem Jahre 1822: 5 Vorstandsmitglieder, 15 Gemeindebevollmächtigte.
Der Vorsitz im Vorstand wechselte bis zum Jahre 1906 allmonatlich. Von da
ab bis 1919 alljährlich, von 1919 ab alle 2 Jahre und seit der neuen
Verfassung vom Jahre 1922 wird der Vorsitzende des Vorstandes für die
ganze Wahlperiode (3 Jahre) gewählt.
2. Rabbiner Dr. Löwy wurde am 23. November 1830 gewählt und am
21. März 1831 feierlich in sein Amt eingeführt.
3. Rabbiner Dr. Neubürger wurde am 7. Juli 1875
gewählt.
4. Bevölkerung: Über die jüdische Bevölkerung gibt nachfolgende
Statistik Auskunft: Jahr 1801: 22 Familien, 1812 2446 Israeliten,
1825 2510, 1840 2950, 1852 2649, 1871 3259, 1875 3317, 1880 3336, 1885
3270, 1890 3175, 1895 3010, 1900 3017, 1901 3017, 1926 2640
Israeliten.
5. Landtagsabgeordnete: Dr. jur. David Morgenstern. Kgl. Advokat
und Justizrat Dr. Wolf Gunzenhäuser.
6. Gemeindekollegiums-Vorsitzende: Dr. Samson Landmann, prakt.
Arzt. Leopold Ehrmann, Großkaufmann.
7. Ehrenbürger der Stadt Fürth: Dr. Wilhelm Königswarter,
Privatier. Dr. Samson Landmann, prakt.
Arzt. Heinrich Berolzheimer, Privatier und
Kommerzienrat. Alfred Nathan, Hofrat und
Rechtsanwalt. |
"Wie sich die Zeiten ändern" - 1828 und 1928
im Vergleich
(1928)
Artikel
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 1. Juni
1928: "Fürth. Aus Anlass der am 28. Mai erfolgten
Grundsteinlegung zu einem neuen Krankenhause der Stadt Fürth
veröffentlichten die Tagesblätter größere Artikel mit hierauf
bezüglichen Darstellungen und geschichtlichen Rückerinnerungen. Unter
anderem wird auch der Text der Urkunde mitgeteilt, die in dem Grundstein
des vor hundert Jahren erbauten städtischen Krankenhauses niedergelegt
worden ist. Nach einem üblichen Rückblick auf die leitenden Personen,
Verhältnisse und Ereignisse jener Zeit heißt es dann in derselben
wörtlich: 'Der Fruchtbarkeit Segen beglücket unsere Flur, Sittlichkeit
und Recht walten freundlich unter 13.878 betriebsamen Menschen, die durch
Fabrikgeschäfte und Handel aller Art ihr redliches Auskommen suchen. Kein
Unterschied der Religion scheidet die Bande der Eintracht, festgeschlungen
durch der Reichsverfassung gediegene Grundlagen, und 10.959 evangelische
und 465 katholische Verehrer des Christentums wetteifern mit 2554
Israeliten in der Erfüllung ihrer bürgerlichen Pflichten.' Solche
Bekenntnisse von vor hundert Jahren - die Urkunde nennt sie 'treue
Schilderung der Gegenwart - in einem offiziellen Dokument im Zusammenhalt
mit den wüsten Beschimpfungen, denen die Judenheit erst kürzlich
anlässlich der Wahl zu den Vertretungskörperschaften des Landes
ausgesetzt waren, zeigen mehr als alles andere den kulturellen und
ethischen Niedergang unserer Zeit, die es nur selten zu einer solch
gerechten Würdigung der sozialen und menschlichen Tätigkeit der
Israeliten kommen lässt. Hoffentlich tritt auch hierin bald wieder ein
Wandel zum Besseren ein. Dr. D." |
Berichte aus der orthodox-jüdischen Gemeinde
Entscheidung der Regierung zur Bildung einer
orthodoxen israelitischen Gemeinde in Fürth (1874)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 23. Juni
1874: |
|
|
Verabschiedung des Kantors und Lehrers der orthodoxen Gemeinde
Bernhard Gutmann (1932)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. Oktober
1932: |
|