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zu den Synagogen in
Baden-Württemberg
Gerabronn (Landkreis Schwäbisch Hall)
Jüdische Geschichte / Betsaal/Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
In Gerabronn bestand eine kleine jüdische Gemeinde bis
1914. Ihre Entstehung geht in das 17. Jahrhundert zurück. 1672 war der Jude
Schmul aus Crailsheim nach Gerabronn gezogen.
1687 kam es zu einer Ritualmordbeschuldigung gegen die Juden in
Gerabronn.
Um 1800 gab es sechs jüdische
Haushaltungen in der Stadt, darunter bereits die Familie von David Hayum
Landauer, des Großvaters von Israel Landauer (s.u.).
Im einzelnen siehe die Familienregister unter https://www2.landesarchiv-bw.de/ofs21/olf/struktur.php?bestand=5632.
An Einrichtungen hatte die kleine Gemeinde einen Betsaal (s.u.). Die
Toten der Gemeinde wurden im 17./18. Jahrhundert vermutlich in Schopfloch,
seit 1737 in Niederstetten und seit
1832 in Dünsbach
beigesetzt. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war zeitweise
ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war.
So war von 1839 bis 1841 Lehrer Jakob Löwenstein in Gerabronn als Lehrer
tätig, um 1848 wird Lehrer Kahn in Gerabronn genannt.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner
wie folgt: 1843 49 jüdische Einwohner, höchste Zahl um 1844
mit 51 (in 10 Haushalten), 1854 35, 1869 23, 1886 24, 1897 17 (in vier
Familien), 1899 11 (in 4 Haushaltungen), 1910 10. Um 1850 wirkte der jüdische
Arzt Dr. Einstein in Gerabronn; 1854 wurde er zum Oberamtswundarzt ernannt
(siehe Bericht unten). Von besonderer Bedeutung für die Stadt war die Familie
Landauer (s.u.).
Seit 1828 bildeten die in Gerabronn
und Dünsbach lebenden jüdischen Personen
eine gemeinsame Gemeinde, die dem Rabbinat Braunsbach unterstand.
1914 wurde diese
Gemeinde aufgelöst. Danach gehörten die in den beiden Orten noch lebenden
jüdischen Personen zu der Gemeinde in Braunsbach.
Von den Gemeindevorstehern werden genannt: um 1898 L. Heß.
Von den in Gerabronn geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Julie Haenlein geb.
Landauer (1878, "Stolperstein" seit 2016 in
Eichstätt, Am Graben 21), Gustav Landauer (1887), Julius Isak Salomon
(1867).
Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde
Der praktische Arzt Dr. Einstein wird zum Oberamtswundarzt
in Gerabronn ernannt (1854)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 3. Juli 1854:
"Ulm, im Mai. Zum Oberamts-Wundarzt in Gerabronn (heißt es im
Staats-Anzeiger für Württemberg) wurde ernannt: 'Dr. Einstein,
innerlicher Arzt, Geburtshelfer und Chirurg erster Abteilung'. Wenn man
weiß, dass hier zulande die Oberamtsarzt- und Wundarztstellen von einer
aus Schultheißen und dem Bezirksbeamten zusammengesetzten
Oberamts-Korporation gewählt werden, denen dann die Regierung erst noch
die Bestätigung zu erteilen hat, so darf man wohl sagen, die jüdische
gute Sache in Württemberg habe wieder einen, wenn auch nur kleinen, Sieg
erfochten, und zwar umso mehr, als zwei wichtige Faktoren zusammen gewirkt
haben. Dr. Einstein, der erste jüdische Oberamtswundarzt im Lande, ist
gebürtig von Buchau, studierte in Tübingen und ist schon seit wenigen
Jahren praktischer Arzt in Gerabronn. Im vorigen Jahre erhielt er diese
Stelle provisorisch und es war die Frage, ob er sie als Jude auch
definitiv erhalten werde. Dieselbe wäre nun zu Gunsten des guten
Prinzips, obgleich es mehr als persönliche Anerkennung anzusehen ist. Ein
jüngerer Bruder desselben ist gleichfalls praktischer Arzt in Hohentengen,
und ein Schwager desselben Rechtskonsulent Bernheim in Laupheim.
M.R." |
Über Israel, Eduard und Alfred Landauer
Vgl. Wikipedia-Artikel
https://de.wikipedia.org/wiki/Israel_Landauer
Israel Landauer (geb. 1843 in Gerabronn
als Sohn von Max Landauer [1803-1870] und Gidel geb. Salomon Aron
[1812-1869] – 1913 ebd.),
Bankier, Fabrikant und Wohltäter: Begründer der Volksbank Gerabronn, der Molkereigenossenschaft, der Hohenloheschen
Nährmittelfabrik, Ehrenbürger von Gerabronn. Er ergriff die Initiative zum Bau der Bahnlinie Blaufelden-Gerabronn, erstellte die erste vereinseigene Turnhalle Deutschlands und schuf den Zuchtviehmarkt für die Viehzüchter im Gerabronner Bereich. Sein Sohn
und Nachfolger als Direktor der Gerabronner Volksbank war Eduard Landauer
(gest. nach schwerer Krankheit 1932 in Stuttgart) und dessen Sohn
wiederum
- Alfred Landauer (geb. 1918 oder 1919). An Alfred Landauer, der
zunächst noch Schüler war und mit seiner Mutter Else (verwitwet) in
Stuttgart lebte, konnte noch rechtzeitig 1937 nach England emigrieren, wo
bereits Verwandte lebten. An Familie Landauer erinnern in Gerabronn das
"Landauerhaus" in der Bahnhofstraße 9 (2019 abgerissen), eine Stiftung der Familie Landauer für die Arbeiter der Stadt, und die
"Landauerstraße". |
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Links:
Familienblatt der Familie Israel Landauer und Therese geb. Löw aus
dem "Familien-Register der Israeliten in der Pfarrei Gerabronn -
angefangen im Jahr 1831".
Zugänglich über https://www2.landesarchiv-bw.de/ofs21/olf/struktur.php?bestand=5632
Die Seite
links als pdf-Datei. |
Bankdirektor Landauer erhält das
Ritterkreuz I. Klasse des Friedrichs-Ordens (1897)
Mitteilung
in "Dr. Bloch's österreichische Wochenschrift" vom 2. April 1897: "Stuttgart,
25. Februar. Aus Anlass des heutigen königlichen Geburtsfestes wurde dem
Bankdirektor Landauer in Gerabronn für seine großen Verdienste
um die wirtschaftlichen Verhältnisse seines Bezirkes das Ritterkreuz I.
Klasse des Friedrich-Ordens verliehen..."
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Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Anzeige der jüdischen Landesproduktenhandlung L. Hess (1891)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 31. August 1891:
"Neu!!
Hohenlohe'sche Grünkern, Grünkerngries, Grünkernmehl in
feinster Qualität halte ich bestens empfohlen.
Gerabronn
(Württemberg). L. Hess.
Garantie für reine, neue Ware. Vorsicht beim Einkauf, da noch viele alte
Ware im Handel und solche in der Regel nicht frei von
Milben." |
Erklärung von Rabbiner Berlinger zu
der in Gerabronn hergestellten "amerikanischen" Hafergrütze (1891)
Anzeige
in "Der Israelit" vom 28. Oktober 1891: "Erklärung.
Vielfachen Anfragen zu genügen, erkläre ich nach genommener Einsicht, dass
die in der Hohenlohe'schen Präservenfabrik zu Gerabronn
hergestellte 'amerikanische' Hafergrütze, im Gegensatz zu der
deutschen, in der jüdischen Küche ohne Bedenken verwendet werden darf.
Braunsbach im Tischri 5652. Bezirksrabbiner Berlinger." |
L. Heß sucht eine Angestellte für
sein Manufaktur- und Kolonialwarengeschäft (1906)
Anzeige im "Israelitischen Familienblatt" vom 12. Juli 1906: "Für mein
Manufaktur- und Kolonialwaren-Geschäft suche ich ein junges Mädchen aus
guter Familie als
Stütze.
Dasselbe soll etwas Kenntnisse in der Branche haben. Familienanschluss und
beste Behandlung zugesichert. Samstags geschlossen.
L. Heß, Gerabronn (Württemberg)." |
Zur Geschichte des Betsaales / der Synagoge
Bis Anfang des 19. Jahrhunderts
besaß die Gerabronner Judenschaft nicht den Status einer Gemeinde. Auch war
offensichtlich weder Betsaal noch Synagoge vorhanden. Erst 1814 wurde ein Betsaal
in einem Wohnhaus eingerichtet.
Nachdem bei der Neueinteilung der
Gemeindebezirke 1828 die Gerabronner mit den Dünsbacher Juden zu einer Gemeinde
mit Sitz in Dünsbach zusammengeschlossen
worden waren, gefährdete dies die Möglichkeit, in Gerabronn weiterhin einen
eigenen Betsaal mit einem Vorsänger zu unterhalten. Erst nach zähen Bemühungen
erreichte die 1844 auf zehn Haushalte angestiegene Filialgemeinde die Erlaubnis,
auch künftig Gottesdienste in Gerabronn zu halten.
Durch den in den
1850er-Jahren einsetzenden Rückgang der jüdischen Gemeindeglieder durch Ab-
und Auswanderung benötigte die Gemeinde aber immer mehr sogenannte Mietlinge (Minjan-Männer),
um die vorgeschriebene Zehnzahl der männlichen Beter zum Gottesdienst zu
erreichen. Sie kamen aus benachbarten Orten und erhielten –
wie in anderen kleinen Gemeinden auch – Weggeld und Zehrungskosten von
der Gemeinde. Bis 1912 sind in dem Gerabronner Betsaal Gottesdienste abgehalten worden. Dann wurde
er geschlossen.
Es ist bislang nicht bekannt, in welchem Haus sich der Gerabronner Betsaal
befand.
Fotos
(Quelle: die Fotos in der unteren Bildzeile wurden von Eva Maria Kraiss und Marion
Reuter (gestorben 2007) erstellt. Die Verwendung dieser und weiterer Fotos für publizistische Zwecke bedürfen der Genehmigung. Informationen bei
E-Mail).
Postkarte zum Tod von
Israel Landauer 1913
(Quelle)
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Eingangsportal des
"Hauses Landauer"
in der Bahnhofstraße Gerabronn (2019 abgebrochen) |
Grabstein
für Israel Landauer (Bankdirektor
aus Gerabronn, 1843-1913) und Therese
geb. Löw (1850-1920) im Friedhof
Dünsbach |
Grabstein für
Jeanette Landauer aus Gerabronn
(1839-1904) im Friedhof
Dünsbach |
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Erinnerungsarbeit vor
Ort - einzelne Berichte
August 1983:
Erinnerung an die Familie Landauer
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Artikel im "Hohenloher Tagblatt" vom 25. August 1983:
"Um mit Kleist zu sprechen: 'Man sank, weil man zu stolz und kräftigt
blühte'. Alfred Landauer, einst Gerabronner, heute Kaufmann in Edinburg,
nimmt Stellung zur gemeinsamen Vergangenheit und Gegenwart..."
Zum Lesen des Artikel bitte Textabbildung anklicken |
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September 2016:
Landauer-Nachfahren zu Besuch in
Gerabronn |
Foto
(Stadt Gerabronn) und Artikel in der Website der Stadt Gerabronn vom 22.
September 2016: "Landauer-Nachfahren zu Besuch in Gerabronn.
Zu einem nicht ganz alltäglichen Besuch konnte Bürgermeister Schumm letzte
Woche die wohl einzige deutsche Nachfahrin des Gerabronner Ehrenbürgers
Israel Landauer, Frau Barbara Henckel aus Landau in der Pfalz, begrüßen.
Israel Landauer ist der Ur-ur-Großvater von Frau Henckel. Begleitet wurde
sie bei ihrem Besuch in Gerabronn vom Ehemann Heinz Henckel und Karen Smith
(ebenfalls Nachfahrin von Israel Landauer) mit Ehemann Tom Smith aus Chicago
(USA). Der Historische Arbeitskreis Gerabronn hatte für diesen Besuch zu den
familiären Wurzeln in Gerabronn ein kleines Programm mit Stadtführung,
Rundfahrt, Besuch des Bürgermeisters und gemeinsamen Abendessen
organisiert."
Link zum Artikel |
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Juli 2018:
Kulturbahnhofsfest zum 175.
Geburtstag von Israel Landauer |
Plakat
zur Einladung zum Kulturbahnhofsfest anlässlich des 175sten Geburtstags von
Israel Landauer am Sonntag, 29. Juli 2018.
Zum Lesen bitte Abbildung anklicken.
Quelle:
http://www.nebenbahn.info/?p=784 |
Links und Literatur
Links:
Quellen:
Literatur:
| Paul Sauer: Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und
Hohenzollern. 1966. S. 69. |
| S. Haenle: Geschichte der Juden im ehemaligen
Fürstentum Ansbach. 1867. S. 66. |
| Manfred Wankmüller: "Um mit Kleist zu sprechen...", in:
Hohenloher Tagblatt Gerabronn 25. August 1983 (zur jüdischen Familie
Landauer in Gerabronn). |
| Jüdische Gotteshäuser und Friedhöfe in Württemberg. 1932. S.
21. |
| Hans Joachim König: Die Crailsheimer Juden (s.o. bei Crailsheim)
S. 38. |
| Gerhard Taddey: Kein kleines Jerusalem. Geschichte der Juden im
Landkreis Schwäbisch Hall. 1992. S. 278-282. |
| Joachim
Hahn / Jürgen Krüger: "Hier ist nichts anderes als
Gottes Haus...". Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte
und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen. Hg. von Rüdiger Schmidt,
Badische Landesbibliothek, Karlsruhe und Meier Schwarz, Synagogue Memorial,
Jerusalem. Stuttgart 2007. |
| "Israel Landauer - Ein Leben für Gerabronn". Hrsg. vom
Historischen Arbeitskreis Gerabronn. 2014. ISBN 978-3-00-046840-7. vgl.
https://www.swp.de/suedwesten/landkreise/lk-schwaebisch-hall/neues-buch-widmet-sich-dem-gerabronner-unternehmer-israel-landauer-21889537.html
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