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Synagogen im Kreis Fulda
Hettenhausen (Stadt
Gersfeld, Kreis Fulda)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
In Hettenhausen bestand eine jüdische
Gemeinde bis um 1920. Ihre Entstehung geht vermutlich in die Zeit des 18. Jahrhunderts
zurück.
Bei der Erstellung der Matrikellisten 1817 werden in Hettenhausen auf
insgesamt zehn Matrikelstellen die folgenden jüdischen
Familienvorstände genannt (mit neuem Familiennamen und Erwerbszweig): Meyer
Grünebaum (Viehhandel), Levi Grünebaum (Schlachter), Isaack Kamm (Schlachter),
Joel Hammel (Kramhandel), Michel Weinstock (Schlachter), Samuel Weinstock
(Kramhandel), Isaack Frischkorn (Schmuser), Amschel Lippstaedter (Schnittwaren, später
Liebstädter), Joseph Strauß (Schmuser), Manes Jonas (Schmuser und
Taglöhner).
Um 1860 gehörten zur Gemeinde acht Familien. 1879 gab es neun jüdische
Wahlberechtigte: Simon Mai, Isaak Mai, Isaak Grünebaum, Maier Kamm, Josef Kamm,
Abraham Liebstädter, Anschel Federlein, Leopold Oppenheimer, Maier Kann.
Die Zahl der jüdischen Einwohner ging durch Aus- und Abwanderung gegen
Ende des 19. Jahrhunderts schnell zurück: nachdem 1883 noch 88 jüdische
Einwohner gezählt worden, waren es 1905 nur noch 32.
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), ein Raum für den
Religionsunterricht und
ein rituelles Bad. Die Toten der Gemeinde wurden im jüdischen Friedhof in
Weyhers beigesetzt. Es ist nicht bekannt, ob die Gemeinde im 19.
Jahrhundert - zumindest zeitweise - einen eigenen Religionslehrer hatte, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig
war. Möglicherweise erhielten die jüdischen Kinder ihren Unterricht immer
entweder durch einen Lehrer aus Gersfeld oder durch den Lehrer aus Schmalnau
(nach 1924 siehe unten).
Die jüdische Gemeinde unterstand 1839 noch keinem Rabbiner (siehe Bericht
unten), gehörte später und zwar bis 1892 zum Distriktsrabbinat Gersfeld, danach zum Provinzialrabbinat Fulda.
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde: Siegmund Katzmann
(geb. 19.11.1897 in Flieden, gef. 10.4.1918) und Albert Liebstädter (geb.
8.9.1899 in Hettenhausen, gef. 10.7.1918). Außerdem ist gefallen: Moritz Kamm
(geb. 10.6.1886 in Hettenhausen, vor 1914 in Fulda wohnhaft, gef.
5.10.1917).
Um 1924, als noch 13 jüdische Einwohner in Hettenhausen gezählt wurden (von ca. 700
Einwohnern), die inzwischen zur jüdischen Gemeinde in Schmalnau
gehörten, war ihr Vorsteher Abraham Liebstädter. Die noch am Ort lebenden
jüdischen Kinder wurden - gemeinsam mit denen aus Schmalnau - von dem im
Ruhestand in Hettenhausen (und aus Hettenhausen stammenden) Lehrer Leopold Kamm
unterrichtet. Er war an verschiedenen Stellen Lehrer gewesen, zuletzt von 1913 bis 1924 in Salmünster.
Seit Auflösung der dortigen Religionsschule lebte er bei seinem Schwager in
Hettenhausen und erteilte nun den noch acht jüdischen Kindern in Hettenhausen
und Schmalnau Religionsunterricht. 1927 verzog die Familie Liebstädter nach
Fulda, danach waren nur noch sieben jüdische Personen am Ort.
1933 lebten - wie in den fünf Jahren zuvor - sieben jüdische Personen in Hettenhausen: die Familie Guldmann,
die noch im selben Jahr in die USA emigrieren konnte, die Brüder Leopold und
Isaak Kamm sowie die mit einem christlichen Partner verheiratete Hedwig
Diegelmann. Letztere hat die NS-Zeit am Ort überlegt; die beiden Brüder
Kamm kamen in das jüdische Altersheim nach Darmstadt und wurden von dort
deportiert.
Von den in Hettenhausen geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Ruth Adler (), Johanna Kahn geb. Kamm (1882, Tochter von Maier Kamm und Jette geb. Simon; Witwe von Ludwig Kahn), Isaak Kamm (1881), Leopold Kamm (1879), Hertha Meyer (1919, Tochter von Jakob und Sara Meyer), Sara Meyer geb. Mai (1888; Tochter von Simon und Rachel Mai), Johanna Rothschild geb. Mai (1887).
Unbekannt ist das Schicksal von Isaak Kamm.
Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus dem jüdischen
Gemeindeleben
Über die Herkunft der jüdischen Familiennamen in Hettenhausen
(vgl. die Angaben bei der Matrikelliste von 1817 oben)
Aus Arnsberg Bd. I S. 363 im Artikel zu Hettenhausen:
"Über die Annahme der bürgerlichen Familiennamen (nach 1812) ist
folgendes überliefert: Der Jude Anschel hatte in Lippstadt Leineweber
gelernt und wurde im Volksmund 'Lippstädter' genannt; er nahm diesen
Namen an (später: Liebstädter). Der Name Grünebaum wurde gewählt, weil
vor dem Hause des Betreffenden eine Linde stand; 'Federlein' hatte mit
Federleinen gehandelt; die Namenswahl fand in Gersfeld statt, und der
Besitzer, in dem die Wahl vorgenommen und registriert wurde, nannte sich
danach 'Wahlhaus'." |
Kurzbericht zu den
Gemeindeverhältnissen in Hettenhausen, Schmalnau, Weihers, Poppenhausen und
Lutter (1839)
Artikel
in "Israelitische Annalen" vom 20. Dezember 1839: "Hettenhausen,
Landgerichtsbezirk Weyhers, acht Familien, 64 Seelen, hat mit den benachbarten Ortschaften
Schmalnau, Weyhers, Poppenhausen und Lütter gemeinschaftlich einen
Religionslehrer, dessen Sitz in Schmalnau ist. In zehn Jahren hat die
Gemeinde vier Matrikel verloren und nur ein einziger ist wieder besetzt
worden. Diese wenigen, nicht armen Leute, haben ein jährliches Schutzgeld
von 26 fl. zu entrichten. Sie stehen unter keinem Rabbiner." |
Berichte zu
einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde
Zum Tod von Markus Tannenwald (1934)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. Februar 1934:
"Hettenhausen (Rhön), 31. Januar (1934). Am 13. Schwat wurde Markus
Tannenwald, einer unserer Besten, zu Grabe getragen. Ein treffendes
Charakterbild entwarf an Hand der vorwöchentlichen Sidra Herr Rabbiner
Kunstadt, Fulda, in geistvoller Rede. Viele Jahre ist der edle Mann
selbstlos, wie er war, Ehrenvorbeter und Kassierer der Gemeinde gewesen.
Seine Söhne, von denen einer Mitglied der Israelitischen
Religionsgesellschaft zu Frankfurt am Main ist, leben in seinem Geiste. -
Mögen seine Enkel, von denen einer vor kurzem in den Bund Abrahams
eingeführt wurde und den Namen des bescheidenen Großvaters erhielt, sich
dereinst desselben würdig zeigen! Seine Seele sei eingebunden in den Bund
des Lebens." |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Lehrlingssuche des Manufaktur-, Kolonial-, Kurzwaren- und
Spirituosengeschäfts A. Liebstädter (1900)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. Mai 1900:
"Für mein Manufaktur-, Kolonial-, Kurzwaren- und
Spirituosengeschäft, suche einen
Lehrling
aus guter Familie, mit guten
Schulkenntnissen. Kost und Logis frei.
A. Liebstädter,
Hettenhausen.
Station der Fulda - Gersfelder-Bahn". |
Zur Geschichte der Synagoge
Zunächst war eine Betstube in einem jüdischen Privathaus vorhanden. Zwischen
1850 und 1860 wurde eine Synagoge erbaut. Das Gebäude war etwa 5 mal 7 m
groß und stand versteckt zwischen dem Wohnhaus und der Scheune der jüdischen
Familie Kamm.
Nachdem die Zahl der jüdischen Gemeindeglieder stark zurückgegangen war, wurde
in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg der Gottesdienst eingestellt. Ein regelmäßiger
Minjan kam nicht mehr zustande. Nach 1923 fand nur noch eine grüne und eine
goldene Hochzeit in der Synagoge statt. Vermutlich noch vor 1938 wurde
das Synagogengebäude verkauft und abgebrochen. Die Kultgegenstände wurden -
zumindest teilweise - im jüdischen Friedhof in
Weyhers beigesetzt.
Adresse/Standort der Synagoge:
Fotos
Es sind keine
Darstellungen / Fotos vorhanden; über Hinweise freut sich der
Webmaster
von "Alemannia Judaica", Adresse siehe Eingangsseite |
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Links und Literatur
Links:
Quellen:
Hinweis
auf online einsehbare Familienregister der jüdischen Gemeinde Weyhers |
In der Website des Hessischen Hauptstaatsarchivs
(innerhalb Arcinsys Hessen) sind die erhaltenen Familienregister aus
hessischen jüdischen Gemeinden einsehbar:
Link zur Übersicht (nach Ortsalphabet) https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/llist?nodeid=g186590&page=1&reload=true&sorting=41
Zu Weyhers sind vorhanden (auf der jeweiligen Unterseite zur
Einsichtnahme weiter über "Digitalisate anzeigen"):
HHStAW 365,803 Gräberverzeichnis des jüdischen Friedhofs
in Weyhers, aufgenommen 1936 von Jacob Leopold, Lehrer in Ingolstadt
1858 - 1935; enthält ein Verzeichnis der Verstorbenen, geordnet nach
Gräberfeldern und Grabnummern auf dem jüdischen Friedhof in Weyers;
enthält auch Angaben zu Personen aus Gersfeld,
Hettenhausen, Lütter, Poppenhausen, Schmalnau,
Wüstensachsen
https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v5319785
HHStAW 365,804 Gräberverzeichnis des jüdischen Friedhofs
in Weyhers 1900 - 1936: enthält ein Verzeichnis der
Verstorbenen, geordnet nach Gräberfeldern auf dem jüdischen Friedhof in
Weyhers; enthält auch Angaben zu Personen aus Gersfeld, Hettenhausen,
Schmalnau und Wüstensachsen
https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v290091
|
Literatur:
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. I S. 363-364. |
| Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.):
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der
Verfolgung 1933-1945. Hessen I I Regierungsbezirke Gießen und Kassel. 1995
S. 20. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. 593-594 (kurze Angaben bei Schmalnau). |
| Dirk Rosenstock: Die unterfränkischen
Judenmatrikeln von 1817. Eine namenkundliche und sozialgeschichtliche
Quelle. Reihe: Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg Band 13. Würzburg
2008. S. 252-253. |
|
Juden in Deutschland und 1000 Jahre Judentum in Fulda.
hrsg. von Michael Imhof. Zukunft Bildung Region Fulda e. V.
Erschienen im Michael Imhof Verlag
Petersberg 2011.
24 x 30 cm, 440 Seiten, 700 S/W und 200 Farbabbildungen, Hardcover. ISBN 978-3-86568-673-2
(D) 44,00 € CHF 62,90 (A) 45,25 €
Zu Hettenhausen Beitrag von Michael Imhof S. 322-324. |
| Michael
Imhof: 400 Jahre Juden in der Rhön. Herausgegeben von Zukunft Bildung Region Fulda e. V.
21 x 29 cm, 344 Seiten, 562 Farb- und 59 S/W-Abbildungen, Klappenbroschur. ISBN 978-3-7319-0476-2
(D) 39,95 €, (A) 41,10 €, CHF 45,90.
Erschienen im Michael Imhof-Verlag.
Informationsseite
zur Publikation mit Downloads und "Blick ins Buch"
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Michael
Imhof: Juden in der Rhön. Jubiläumsausgabe 1700 Jahre jüdisches Leben
in Deutschland. Hrsg. von Zukunft Bildung Region Fulda e.V.
2. erweiterte Neuauflage des
oben genannten Buches.
21 x 29 cm, 424 Seiten, über 689 Farb- und 40 SW-Abbildungen.
Klappenbroschur. ISBN 978-3-7319-1176-0. 39,95 €.
Erschienen im Michael Imhof-Verlag.
Informationsseite zur Publikation mit Downloads und "Blick ins Buch"
Seit 400 Jahren waren Juden in den Landstädten und Dörfern der hessischen
Rhön urkundlich verbürgt. Ende des Mittelalters und noch zu Beginn der
Frühen Neuzeit aus ihren angestammten Wohngebieten vertrieben, fanden viele von ihnen auf den Territorien von Ritterschaften und der Universität Würzburg auch in der Rhön eine neue Bleibe. Erst mit der rechtlichen Gleichstellung der Juden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts setzte für sie ein wirtschaftlicher und sozialer Prozess ein, der den Namen Emanzipation verdient. In den Gemeinden der Rhön wurden sie zu wesentlichen Wegbereitern der Moderne. Dieser Entwicklung stellte sich ein zunehmender Antisemitismus schon in der Kaiserzeit entgegen. Als mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 der Judenhass zum Regierungsprogramm wurde, begann auch für die in der Rhön lebenden Juden eine Zeit der Demütigungen und Verfolgungen mit dem Ziel ihrer Vertreibung und
Vernichtung.
Rezension von Jutta Hamberger in den Osthessen-News vom 18. Oktober 2021:
https://osthessen-news.de/n11655845/aufwuehlende-spurensuche-in-der-rhoen-michael-imhoff-juden-in-der-rhoen.html. |
n.e.
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