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zu den Synagogen in
Baden-Württemberg
Hörden (Stadt Gaggenau, Landkreis Rastatt)
Jüdische Geschichte / Betsaal/Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
(english version see Gernsbach)
In dem bis zum Anfang des 19. Jahrhundert zunächst teilweise, dann ganz zur
Markgrafschaft Baden gehörenden Hörden bestand eine jüdische Gemeinde bis
1928, danach bis 1939 in Verbindung mit der Gernsbacher
Gemeinde. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 17. Jahrhundert zurück. Erstmals
werden 1683 Juden am Ort genannt.
Die Zahl der jüdischen Einwohner blieb zunächst sehr gering. 1764
wohnten zwei jüdische Familien in Hörden. Da der Ort nur geringe
Einkommenschancen bot, verlegten die Hördener Juden ihren Wohnsitz nach Gernsbach,
wo es bessere Verdienstmöglichkeiten gab.
Um 1800 hießen die hier ansässigen Juden "Bändeljuden", da sie in
einem weiteren Umkreis mit den im Murgtal häufig handgewobenen Leinenbändern
handelten.
Die Zahl der jüdischen Einwohner entwickelte sich im 19. Jahrhundert wie
folgt: 1801 20 jüdische Einwohner, 1825 46, die höchste Zahl um 1864 mit 80
Personen. Danach ging die Zahl durch Ab- und Auswanderung schnell zurück: 1875
70 jüdische Einwohner, 1887 71, 1900 nur noch 35.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge mit einem
Schulraum für den Religionsunterricht und einer Lehrerwohnung. Zur Besorgung
religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer (Religionslehrer)
angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war. Im 19.
Jahrhundert hatte die Gemeinde zeitweise einen eigenen Lehrer (siehe
Ausschreibung der Stelle unten von 1838), später gab es für Gernsbach und Hörden
einen gemeinsamen Lehrer. Die Gemeinde gehörte zum Rabbinatsbezirk Bühl.
Die jüdischen Familien lebten im 19. Jahrhundert außer dem genannten "Bändelhandel"
vom Viehhandel, einige besaßen ein Ladengeschäft.
An ehemaligen, bis nach 1933 bestehenden Handels- und Gewerbebetrieben in
jüdischem Besitz sind bekannt: Metzgerei Emil Maier (Hördenerstr. 5; Informationen
und Fotos), Herren-
und Damenkonfektion Julius Maier (Landstraße 49, Gebäude abgebrochen; Informationen
und Fotos), Kolonialwarengeschäft und
Stoffhandel Herz Nachmann, Inh. Alfred Ettlinger (Landstraße 47),
Gastwirtschaft und Pension 'Zum Adler', Inh. Ludwig Stern (Landstraße 36;
Gebäude ist erhalten; Informationen
und Fotos) .
1933 wurden in Hörden noch 14 jüdische Personen gezählt. Nach 1933
versuchte der 1936 verstorbene Bürgermeister Schwan die jüdischen Einwohner so
gut es ging zu schützen, wofür er im "Stürmer" verleumdet wurde.
Noch im Januar 1935 ernannte der Verwaltungsrat der Hördener Feuerwehr mit
Genehmigung der Landesführung der Feuerwehr in Heidelberg den jüdischen
Einwohner Julius Maier zum Ehrenkommandanten. Kurz darauf musste diese Ehrung rückgängig
gemacht werden. Im Zusammenhang mit dem Novemberpogrom 1938 wurden durch
SA-Leute aus Gernsbach die Einrichtungen des Gasthauses "Zum Adler"
und des Textilwarengeschäftes Julius Maier demoliert. Der Adlerwirt Ludwig
Stern starb wenig später im KZ Dachau an den erlittenen Misshandlungen. Nach
den Ereignissen im November 1938 emigrierten die meisten der jüdischen
Einwohner nach Holland, England und in die USA. In Holland wurde jedoch Hans
Fritz Maier von der Gestapo verhaftet und in das KZ Mauthausen gebracht, wo er
1941 umgekommen ist. Zerline Stengel wurde 1943 vom KZ Westerbork nach Auschwitz
deportiert und ermordet. Am 22. Oktober wurden aus Hörden die letzten vier jüdischen
Einwohner nach Gurs deportiert. Von ihnen wurden Emilie und Julius Maier später
in Auschwitz ermordet.
Von den in Hörden geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen
Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Rosa Klein
geb. Stern (1874), Auguste Köhler geb. Stern (1876), Emilie Maier geb.
Ladenburger (1881), Hans Fritz Maier (1922), Julius Maier (1872), Zerline
Stengel geb. Maier (1858), Julie Stern geb. Laupheimer (1901), Ludwig Stern
(1886).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet
1838 / 1850 (nur für Hörden) / 1916 und 1922 (gemeinsam für Hörden und
Gernsbach)
Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den
See-Kreis" von 1838 S. 14 (Quelle: Stadtarchiv Donaueschingen): "Bühl
(Erledigte israelitische Schulstelle). Bei der israelitischen Gemeinde Hörden ist die
Lehrerstelle für den Religionsunterricht
der Jugend, mit welcher ein Gehalt von 50 Gulden nebst freier Kost und
Wohnung sowie der Vorsängerdienst samt den davon abhängigen Gefällen verbunden ist,
bis kommenden März 1938 erledigt, und durch Übereinkunft mit der Gemeinde unter
höherer Genehmigung zu besetzen.
Die rezipierten israelitischen Schulkandidaten werden daher aufgefordert,
unter Vorlage der Rezeptionsurkunde und der Zeugnisse über ihren
sittlichen und religiösen Lebenswandel binnen 6 Wochen sich bei der
Bezirks-Synagoge Bühl zu melden.
Auch wird bemerkt, dass im Falle weder Schulkandidaten noch
Rabbinatskandidaten sich melden, andere inländische Subjekte nach
erstandener Prüfung bei dem Bezirks-Rabbiner zu Bühl zur Bewerbung zugelassen
werden.
Bühl, den 17. Dezember 1837. Großherzogliche
Bezirks-Synagoge. E. Willstätter" |
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Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den
See-Kreis" vom 23. Januar 1850 (Quelle: Stadtarchiv Donaueschingen): "Vakante
Schulstellen. Die mit einem festen Gehalte von 100 fl. und einem
jährlichen Schulgelde von 48 kr. für jedes die Religionsschule
besuchende Kind, dem Vorsängerdienste samt den davon abhängigen
Gefällen verbundene Religionsschulstelle bei der israelitischen Gemeinde Hörden,
Synagogenbezirks Bühl, ist zu besetzen.
Die berechtigten Bewerber um dieselbe werden daher aufgefordert, mit ihren
Gesuchen unter Vorlage ihrer Aufnahmeurkunden und der Zeugnisse über
ihren sittlichen und religiösen Lebenswandel binnen 6 Wochen mittelst des
betreffenden Bezirksrabbinats bei der Bezirkssynagoge Bühl zu Rastatt
sich zu melden.
Bei dem Abgange von Meldungen von Schul- und Rabbinatskandidaten können
auch andere inländische befähigte Subjekte, nach erstandener Prüfung
bei dem Bezirksrabbiner zur Bewerbung zugelassen werden." |
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Anzeige
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 15. Dezember 1916:
"Bekanntmachung. Die mit dem Kantor- und Schächterdienst
verbundene Religionsschulstelle Gernsbach - Hörden (Großherzogtum
Baden), ist auf den 1. Januar 1917 neu zu besetzen. Festes
Gehalt vorerst 1.200 Mark, mit Aussicht auf Erhöhung. Nebeneinkommen
mindestens 500 Mark, freie Dienstwohnung für einen Ledigen.
Meldungen mit beglaubigten Zeugnisabschriften sind sofort an die
unterzeichnete Stelle zu richten.
Bühl (Baden), den 21. November 1916. Die Bezirkssynagoge. Dr.
Mayer." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. Oktober 1922:
"Die mit der Kantor- und Schächterstelle verbundene
Religionsschulstelle Gernsbach-Hörden (Baden) ist sofort zu besetzen.
Fixum 60.000.- Mark und Nebeneinkommen 15.000.- Mark nebst freier Wohnung.
Der Dienst in beiden benachbarten Gemeinden ist durch einen gemeinsamen
Lehrer zu versehen. Meldungen und Zeugnisabschriften sind an die
unterzeichnete Stelle einzusenden.
Die Bezirkssynagoge Bühl. Dr.
Mayer." |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Anzeige von Louise Mayer (1904)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 18. April 1904: "Israelitische Köchin
sucht Stelle, übernimmt auch etwas Hausarbeit. Offerten an
Louise Maier, Hörden, Baden." |
Anzeigen der Pension Central in Bad Herrenalb von Isidor Stern aus Hörden (1906 /
1908)
Anmerkung: Emma und Isidor Stern besaßen in Hörden das Gasthaus
Adler sowie das Hotel Tannhäuser in Baden-Baden und dazu ein Kurhotel in
Herrenalb. Isidor Stern starb 1909, Emma
Stern 1935. Julius Stern, der Sohn
von Emma und Isidor, war seit 1906 mit Klara geb. Ladenburg verheiratet und
führte das Gasthaus in Hörden weiter. Er starb jedoch bereits 1914. Seine Frau Klara
heiratete danach Ludwig Stern (geb. 1886 in Gernsbach; nicht mit Familie
Stern verwandt). Er war nach Julius Stern der dritte Inhaber des Gasthauses
"Zum Adler". Er wurde Ende November 1938 im KZ Dachau ermordet.
Tochter Auguste (verheiratet mit Theodor Köhler) wurde mit ihrem Mann 1940 nach
Gurs deportiert, im August 1942 in das KZ Auschwitz. Beide wurden
ermordet.
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. Juni 1906: "Herrenalb
(Württembergischer Schwarzwald).
Koscher Hotel & Pension Central Koscher.
Karlstraße 117. Neu eingerichtet.
Eröffnung 1. Juni. Gute Küche. - Reine Weine. - Mäßige Preise. -
Reelle Bedienung.
Inhaber: I. Stern zum Adler aus Hörden (Murgtal) und
Herrenalb." |
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Anzeige
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 22. Mai
1908:
"Herrenalb - Koscher
- Pension Central.
Wiedereröffnung 1. Juni. Telephon 27. Besitzer: I.
Stern." |
Zum 80. Geburtstag der
Hotelbesitzerin Emma Stern geb. Nachmann (1926)
Artikel
in "Der Israelit" vom 18. Mai 1926: "Baden-Baden, 10. Mai. Unsere älteste
Frau in der Gemeinde, Frau Emma Stern geb. Nachmann, feiert in
vollständig körperlicher und geistiger Frische am zweiten Tag Schewuaus (=
2. Tag des Laubhüttenfestes Schawuot = 20. Mai 1926) ihren 80.
Geburtstag. Wer in Deutschland, der so manchmal in unserer schönen
Bäderstadt Erholung suchte, kennt diese greise Jubilarin nicht? Großmutter
Stern vom Hotel Tannhäuser, das sie mit ihrem seligen Gatten begründete, und
wesentlich dazu beitrug, dass dieses Unternehmen sowohl als auch das
Schwarzwald-Hotel in Herrenalb zu Erholungsstätten ersten Ranges wurden.
Im nahen Murgtal, in Hörden geboren sah
sie im Elternhaus ein echt jüdisches Leben. Die ihr von den Eltern
eingepflanzt die Gottesfurcht sie beseelt sie in ihrem langen Reich
gesegneten Leben bis auf den heutigen Tag. Dieser Gottesfurcht entspringen
auch ihre edlen Taten. Manche Arme und Bedrängte hat sich bei dieser
beliebten, umsichtigen Herbergsmutter gestärkt. Ihre echt typische
Gastfreundschaft ist geradezu nachahmenswert. An ihrem Ehrentag sprechen wir
es aus: 'Möchten stets solche Frauengestalten in Israel walten, Frauen mit
diesem Gottvertrauen und echtem Familiensinn nach altjüdischer Art."
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Hinweis auf Hans Fritz Maier (1922
Hörden - 1941 KZ Mauthausen)
Hans Fritz Maier wurde am 23. Januar 1922 in Hörden geboren. Sein Vater starb
1933 im Alter von 42 Jahren. Hans Fritz emigrierte mit seiner Mutter und
Großmutter in die Niederlande. Er war zu diesem Zeitpunkt 14 Jahre alt. Sie
ließen sich in Amsterdam in der Euterpestraat nieder, heute Gerrit van der
Veenstraat. Im Herbst 1940 bekam er eine Unterkunft im Werkdorp und begann als
Landwirt zu arbeiten. Nach der Räumung des Werkdorps am 20. März 1941 zog er
wieder zu seiner Mutter und Großmutter in die Achillesstraat. Am 11. Juni wurde
Hans Fritz bei der zweiten Razzia in Amsterdam verhaftet. Er und 60 andere
wurden zunächst in das Lager Schoorl gebracht. Dort wurde er aufgrund seines
Alters, seines Gesundheitszustands und seiner vier jüdischen Großeltern
ausgewählt. Zusammen mit 56 anderen Werkdorpern wurde er als Teil einer Gruppe
von 300 Juden in das Lager Mauthausen gebracht. Nach drei Monaten war kaum noch
einer von ihnen am Leben. Hans Fritz wurde am 29. September 1941 ermordet.
Seine Großmutter, Zerline Stengel (1858), wurde am 21. September 1943 (sie war
damals 85 Jahre alt) nach Auschwitz deportiert und gleich nach ihrer Ankunft
ermordet. Fritz‘ Mutter überlebte den Krieg im Versteck und starb 1954 in
Amsterdam.
Siehe Informationen über:
https://www.joodsmonument.nl/nl/page/226267/hans-fritz-maier sowie
https://www.werkdorpwieringermeer.nl/en/hans-fritz-maier-2/
Zur Geschichte des Betsaals / der Synagoge
Zunächst war ein Betsaal
vorhanden. Spätestens 1839 hatte die Gemeinde als Vorstandsgremium einen "Synagogenrat".
1860 bis 1862 wurde auf dem heutigen Grundstück
Landstraße 89 (früher 16, Lagerbuch-Nr. 41) eine Synagoge erbaut. Außer dem
Betsaal befand sich in dem Gebäude auch die Wohnung des Lehrers/Vorsängers
sowie ein Raum für den Unterricht der Kinder. Am 4. Februar 1862 war die
feierliche Einweihung des Gotteshauses. Bis 1928 wurde das Gotteshaus als
solches genutzt. Am 15. März 1928 wurde das Gebäude für 6.050 Mark an
Privatleute verkauft und zu einem Wohnhaus umgebaut. Den Kaufvertrag
unterschrieb von Seiten der jüdischen Gemeinde Hördens der Kaufmann Julius
Maier. Er bildete damals zusammen mit Alfred Ettlinger den Vorstand des Hördener
Synagogenrates. Von Seiten des Oberrates der Israeliten in Karlsruhe war der
Verkauf des Synagogengrundstückes unter der Bedingung genehmigt worden, dass
der Verkaufserlös für den Neubau der Synagoge in Gernsbach verwendet wird.
Seit 1928 besuchten die Hördener Juden nunmehr diese für die beiden Orte
gemeinsame Synagoge in Gernsbach.
Da die ehemalige Synagoge 1938 inzwischen umgebaut und im
Besitz einer nichtjüdischen Familie war, richteten sich die Ausschreitungen der
am 10. November 1938 aus Gernsbach kommenden SA-Leute gegen die noch den jüdischen
Familien gehörenden jüdischen Geschäfte und Wohnhäuser (siehe oben). Das ehemalige
Synagogengebäude ist als Wohnhaus in der Landstraße 89 bis heute erhalten.
Fotos
Historische Fotos:
(Quelle: Foto Hahn, Gernsbach)
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Die Synagoge in Hörden
vor 1928 |
Die Portalinschrift (Vergrößerung des Fotos links) |
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Titel des
Kaufvertrages 1928 |
Hypothekenbrief auf das Gebäude
der ehemaligen Synagoge |
Fotos nach 1945/Gegenwart:
Links und Literatur
Literatur:
| Franz Hundsnurscher/Gerhard Taddey: Die jüdischen Gemeinden in Baden.
1968. S. 109-110. |
| Joachim
Hahn / Jürgen Krüger: "Hier ist nichts anderes als
Gottes Haus...". Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte
und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen. Hg. von Rüdiger Schmidt,
Badische Landesbibliothek, Karlsruhe und Meier Schwarz, Synagogue Memorial,
Jerusalem. Stuttgart 2007.
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