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Immenrode (Gemeinde
Schernberg, Kyffhäuserkreis)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
In Immenrode bestand eine jüdische Gemeinde bis zum
Anfang des 20. Jahrhunderts. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 18.
Jahrhunderts zurück. Nach alten Chroniken wurden bereits 1345 einige bei einer
Judenverfolgung aus Sondershausen geflohene Juden am Ort aufgenommen.
Im 18. Jahrhundert erfolgten durch die Ortsherrschaft
Schwarzburg-Rudolstadt Aufnahmen jüdischer Familien am Ort. 1727
erteilte Fürst Friedrich Anton von Schwarzburg-Rudolstadt zwei jüdischen
Familien einen Schutzbrief. Bis 1737 konnten sich weitere neun Familien
am Ort niederlassen. Damit war bereits 10 % der Einwohnerschaft jüdischer
Konfessionszugehörigkeit. 1750 wurden 18 jüdische Haushalte gezählt.
Die jüdischen Familien wohnten zusammen in einem eingezäunten Bereich des
Dorfes (oberer Teil des Dorfes).
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1853/54 154 jüdische Einwohner (in 24 Familien), 1872 44 jüdische
Einwohner, 1907 11.
Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war die Zahl der jüdischen
Einwohner durch Aus- und Abwanderung stark zurückgegangen. 1907 wurden nur noch elf
jüdische Einwohner gezählt, 1913 sieben, die inzwischen zur Gemeinde in Bad Frankenhausen
gehörten.
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine jüdische
Schule (seit 1752, später Elementarschule; der Unterricht wurde 1873
eingestellt, als es nur noch ein schulpflichtiges jüdisches Kind am Ort gab;
das jüdische Schulhaus, in dem auch die Lehrerwohnung war, wurde zwischen 1951
und 1955 abgebrochen, stand auf dem Grundstück Hauptstraße 4), ein rituelles
Bad (1750 wurde ein öffentlicher, abgelegener Brunnen zur Einrichtung einer
Mikwe der Gemeinde zugewiesen) und ein Friedhof. Zur Besorgung religiöser
Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer angestellt, der zugleich als
Vorbeter und Schochet tätig war (vgl. Ausschreibung der Stelle 1843 und 1867
s.u.). Namentlich wird 1846 Lehrer Flesheim am Ort genannt. Zuständiger
Rabbiner für Immenrode war der in Schwarzburg-Sondershausen tätige
Rabbiner.
In den Handbüchern der jüdischen Gemeindeverwaltung 1924 und 1932/33 wird
Immenrode nicht mehr genannt.
Von den in Immenrode geborenen und/oder längere Zeit am Ort
wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Paula Dannenberg geb.
Heilbrun (1884), Norbert Heilbrun (1889), Selma Jolles geb. Levi (1868),
Selka Kaufmann geb. Oberschützky (1892), Jakobine Levi (1864), Clotilde Neufeld
geb. Baumann (1862), Betty Simon geb. Oberschützky (1885).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1843 /
1867
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 27. November 1843:
"Anzeige.
Die Vorsänger-, Schächter- und Lehrerstelle letztere sowohl in Religion
als Elementarunterricht der Israeliten-Gemeinde zu Immenrode bei
Sondershausen wird zum 1. Februar 1844 vakant, hierauf Reflektierende (am
liebsten Verheiratete) haben sich bei einem annehmbaren Gehalt, einem
kleinen Examen zu unterwerfen, und unter portofreien Briefen an
Unterzeichneten zu wenden.
Julius Heilbrun, Vorsteher." |
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Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 3. Dezember 1867:
"Durch den Tod des bisherigen Inhabers ist die hiesige Lehrer-,
Vorbeter- und Schächterstelle, verbunden mit einem jährlichen Gehalte
von circa 200 Thalern und freier Wohnung, vakant geworden.
Geeignete Bewerber, welche sich einer Prüfung in den Realien bei dem
Fürstlich Superintendenten und in den Religionswissenschaften bei unserem
Rabbinen dem Herrn Dr. Auerbach in Nordhausen zu unterziehen haben,
wollen sich in frankierten Briefen bei dem unterzeichneten Vorstande
melden.
Immenrode bei Sondershausen, den 22. November 1867. Der
israelitische Kultus-Vorstand. Julius Heilbrun." |
Lehrer Flersheim erhält eine Unterstützung aus
Staatsmitteln (1846)
Anmerkung: der im Abschnitt genannte Rabbiner Dr. Philipp Heidenheim (geb.
1814 in Bleicherode, gest. 1906 in Sondershausen) war seit August 1845
Landesrabbiner in Schwarzburg-Sondershausen und Schwarzburg-Rudolstadt mit Sitz
in Sondershausen.
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 30. November
1846: "Der Rabbiner Heidenheim ist nun auch vom Fürsten zu
Rudolstadt für das dortige Fürstentum anerkannt und von seinem Fürsten
bestätigt worden. Es ist ihm auch bereits gelungen, von Ersterem für den
wackern Lehrer Flersheim in Immenrode eine namhafte Unterstützung
aus Staatsmitteln zu erlangen, was umso mehr Erwähnung verdient, als die
Stellung der Israeliten im Fürstentum Rudolstadt noch eine sehr
gedrückte ist, und somit ist auch dort die Bahn zu einer erfreulicheren
Zukunft eröffnet." |
Aus dem jüdischen Gemeindeleben
Anzeigen anlässlich der Brandkatastrophe in Immenrode
(1862)
Anzeigen
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 10. Juni 1862:
"Aufruf zur Mildtätigkeit!
Am Rüsttage zum Pessachfeste ist unsere nächste Nachbargemeinde Immenrode
von einer schrecklichen Feuersbrunst schwer heimgesucht worden, sodass zehn
ohnehin hilfsbedürftige jüdische Familien obdachlos wurden und außer
dem Leben wenig oder zum Teil gar nichts zu retten vermochten. Die Not ist
in Folge dieses Unglücks sehr groß und bedarf dringend baldiger Abhilfe.
Die ergebenst Unterzeichneten, die sich zugleich als Hilfs-Comité
konstituiert haben, wenden sich daher vertrauensvoll an den bewährten
wohltätigen Sinn der löblichen Vorstände, der ehrwürdigen Herren
Rabbiner und der geschätzten Lehrer mit der inständigen Bitte, in ihren
verehrten kreisen gefälligst eine Sammlung milder Gaben veranstalten und
deren Ertrag an den mitunterzeichneten Fabrikanten L. Wolf senden zu
wollen. Wir werden zur Zeit öffentlich und mit dem innigsten Danke
Rechenschaft ablegen. Der Allgütige lenke die edlen herzen Israels und
verleihe zu allem Guten seinen besten Segen! Sondershausen,
den 10. Mai 1862.
Das Comité des hiesigen Humanitäts-Vereins.
M. Czarnikow, Hofagent. M. Goldschmidt, Collaborator.
Ph. Heidenheim, Rabbinat. M. Redelmeier, Kaufmann. B.
Wetzlar, Kaufmann. L. Wolf, Fabrikant. M. Wahl,
Vorsitzender.
Danksagung. Durch die gütige Vermittlung der Herren S. Herzfeld
und S. Stern in Berlin empfingen wir für die Abgebrannten zu Immenrode
Thaler 200. Pr.Crt. und sprechen hiermit in deren Namen und Auftrag den
edlen Gebern Berlins unsern herzlichen Dank aus. Sondershausen, 15.
Mai 1862.
Das Comité des Humanitäts-Vereins. Wahl." |
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Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 4. November 1862:
Die Anzeige enthält eine
Spendenliste. |
Rabbiner Dr. Siegmund Gelbhaus ist auch Rabbiner der
Gemeinde Immenrode (1884)
Anmerkung: Rabbiner Dr. Siegmund Gelbhaus (geb. 1850 in Tysmenytsya,
Galizien, gest. 1928 in Baden bei Wien): studierte bis 1877 in Berlin, wurde in
Rostock promoviert; 1877 Rabbiner in Karlstadt (Kroatien), 1883 Rabbiner in
Nordhausen, seit 1884 auch in Immenrode als Landesrabbiner von
Schwarzburg-Rudolstadt, 1889 Rabbiner und Prediger in Prag am Tempel und in der
Altschule; 1893 Rabbiner in Wien.
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 14. Oktober 1884:
"Bonn, 3. Oktober (1884). Man schreibt uns aus Nordhausen
vom 1. Oktober: Laut Reskript des fürstlichen Ministeriums zu
Schwarzburg-Rudolstadt vom 23. September dieses Jahres ist unser Rabbiner
Herr Dr. S. Gelbhaus gleichzeitig zum Rabbiner der israelitischen
Kultusgemeinde Immenrode ernannt worden. Gehalt erhebt der Rabbiner
beim fürstlichen Renten- und Steueramte zu
Frankenhausen." |
Zur Geschichte der Synagoge
Zunächst war ein Betsaal
vorhanden. Dieser war in den 1730er-Jahren in einer von der jüdischen
Gemeinde gemieteten Scheune eingerichtet worden. 1750 erhielt die jüdische
Gemeinde von Fürst Johann Friedrich von Schwarzburg-Rudolstadt die Genehmigung
zum Bau einer Synagoge.
Artikel
in der Zeitschrift "Sulamith" Jg. V,2 1919 S. 143: "Auch in
Immenrode, einer kleinen Israelitischen Gemeinde im
Schwarzburg-Rudolstädtischen Lande, wurde vor kurzem eine neue Synagoge
eingeweiht. Der humane Fürst von Schwarzburg-Rudolstadt Hochfürstl.
Durchlaucht unterstützte den Bau dieses Tempels sehr kräftig und sandte
auch am Einweihungstage eine Abteilung seiner Garde dahin. Der dortige
jüdische Lehrer hat die Ordnung an diesem Feste durch den Druck bekannt
gemacht, welche indes zeugt, dass sie von keiner geistlichen Behörde
festgesetzt worden ist und vieles zu wünschen übrig lässt. - Die gute
Absicht desselben ist gleichwohl nicht zu verkennen und
lobenswert." |
Wie lange in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in der Synagoge
Gottesdienste abgehalten wurden, ist nicht bekannt. Spätestens Anfang des 20.
Jahrhunderts wurde die Synagoge aufgegeben. 1926 wurde das Gebäude
verkauft und zwischen 1933 und 1935 abgebrochen.
Adresse/Standort der Synagoge:
Hauptstraße 20 (von der Straße etwas zurückversetzt gelegen - zwischen den
Häusern Hauptstraße 19 und 21 und dem rückwärtigen Teil des Gebäudes
Kirchstraße 1).
Fotos
Abbildungen werden bei Gelegenheit
ergänzt |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Israel Schwierz: Zeugnisse jüdischer Vergangenheit
in Thüringen. Eine Dokumentation - erstellt unter Mitarbeit von Johannes
Mötsch. Hg. von der Landeszentrale für politische Bildung Thüringen ( www.lzt.thueringen.de)
2007. Zum Download
der Dokumentation (interner Link). Zu Immenrode S. 163-167. |
| Doreen Winker / Hannelore Kutscha: "Juden-Immenrode".
Die größte jüdische Gemeinde des Fürstentums Schwarzburg-Rudolstadt im
18. und 19. Jahrhundert. In: Juden in Schwarzburg. Bd. 1. Sondershausen 2006
S. 49-58. |
n.e.
vorherige Synagoge zur ersten Synagoge nächste Synagoge
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