Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


Eingangsseite

Aktuelle Informationen

Jahrestagungen von Alemannia Judaica

Die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft

Jüdische Friedhöfe 

(Frühere und bestehende) Synagogen

Übersicht: Jüdische Kulturdenkmale in der Region

Bestehende jüdische Gemeinden in der Region

Jüdische Museen

FORSCHUNGS-
PROJEKTE

Literatur und Presseartikel

Adressliste

Digitale Postkarten

Links

 


zurück zur Übersicht "Synagogen in der Region"  
zu den Synagogen in Baden-Württemberg  


Neunkirchen (Stadt Bad Mergentheim, Main-Tauber-Kreis) 
Jüdische Geschichte / Betsaal/Synagoge 
(Seite wurde erstellt unter Mitarbeit von Edwin Herkner, Bad Mergentheim-Neunkirchen)

     
Übersicht:

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
Zur Geschichte der Synagoge   
Fotos / Darstellungen   
Links und Literatur  

  
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde     
   
In dem bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts unterschiedlichen Herrschaften, teilweise dem Deutschen Orden gehörenden Neunkirchen bestand eine jüdische Gemeinde bis zu ihrer Auflösung im September 1878. 
  
Die Entstehung der jüdischen Gemeinde geht in das 16./17. Jahrhundert zurück. Erstmals werden seit 1523 Juden in dem damals (bis 1590) unter der Ortsherrschaft des Rittergeschlechtes der Sützel von Mergentheim stehenden Ort genannt. 1530 wurde ein Neunkirchener Jude beim Verkauf eines "Stücklich" und sonstiger Gegenstände in Mergentheim verhaftet, jedoch auf Fürsprache seines Grund- und Schutzherrn Martin Sützel wird freigelassen. 1558 lebten die jüdischen Familien in mehreren Häusern: in einer Urkunde ist von den "jüdischen Behausungen" die Rede.  
 
Am Anfang des 17. Jahrhunderts kam es zu einer erste Blütezeit der jüdischen Gemeinde. Vorsteher und Lehrer der Gemeinde war Wolff Jud. Unter den jüdischen Einwohnern war auch ein jüdischer Arzt Samson Levi, der zwei Häuser am Ort besaß und auch Christen behandelte. Bis 1626/27 ging die Zahl der jüdischen Familien durch die kriegerischen Zeiten des Dreißigjährigen Krieges am Ort auf sechs zurück (David Jud, Juden Doctor, Mosch Jud, Beyfuß Jod, Joseph Jud und David, der kleine Jud). Gegen Kriegsende war die Einwohnerschaft des Ortes - ob Christen oder Juden - stark dezimiert. Nach Kriegsende gab es unter den herrenlosen "öden Hofstätten" am Ort noch jahrelang sechs, die ehemals Juden gehört hatten. Zwischen 1648 und 1668 lebten nur zwei jüdische Familien in Neunkirchen: Benedict Jud (seit 1848 genannt) und Abraham Jud (1655 genannt). 1678 zog Samuel Jud von Wachbach zu, womit es wieder drei jüdische Familien am Ort gab 
  
Im 17./18. Jahrhundert wohnten die jüdischen Familien vor allem im Gebiet des heutigen Häldenweges, im Volksmund "Judenberg" genannt. Durch die Ansiedlung war eine Umgehung der alten württembergischen Geleitstraße (heute Althäuser Weg) möglich. Trotzdem gab es jüdische Häuser auch außerhalb dieses Gebietes, zum Beispiel das Anwesen Stuppacher Straße 2 (sogenannter "Judenhof" bzw. Judenbestands-(Pacht)Hof oder Vogt'scher Hof), das 1710 bis 1823 im Besitz einer Familie Hirsch war (Gebäude wurde im Jahr 2003 abgebrochen). 
 
Im weiteren Verlauf des 18. Jahrhunderts nahm die Zahl der jüdischen Einwohner unter der preußischen bzw. ansbachisch-würzburgischen Kondominatsherrschaft stärker zu. 1719 werden vier jüdische Familien genannt (Eißig, Süßmann der Alt, Süßmann der Jung, Gumprecht), 1729 waren - nach Zuzug von Isack Levi, Marx, Cafferle und Samuel Lazarus - sieben jüdische Familien in Neunkirchen. Lehrer der Kinder war damals "Süßmann der Ältere". 1732 wurde die Errichtung einer jüdischen Dorfschule genehmigt. 1754 gab es elf jüdische Familien (Menle, Süßmann, Benedict, Cafferle, Samuel Lazarus, Israel, Mayer, Simon, Hirsch der Junge und Hirsch der Alte, Marx), bis 1797 ging die Zahl auf sieben Familien zurück (Gumbrecht Männlein, Mannes Benedikt, Moyses Löw, Simon Löw, Marx Israel, Moyses Männlein, Löw Marx).   
  
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), die schon erwähnte jüdische Schule (spätestens seit der Zeit um 1820 nur noch Religionsschule; die jüdischen Kinder besuchten die örtliche Simultanschule) und ein rituelles Bad (Gebäude 1867 veräußert). Die Toten der Gemeinde wurden auf dem jüdischen Friedhof in Unterbalbach beigesetzt. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war bis nach der Mitte des 19. Jahrhunderts ein Lehrer angestellt, der auch als Vorbeter und Schochet tätig war. 
  
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie folgt: 1822 45 jüdische Einwohner, 1826 59, 1833 62, 1838 57, 1841 56, 1844 54, 1846 51, 1858 50, 1864 26, 1871 28, 1875 21. Die jüdischen Familien lebten vom Handel mit Vieh und Waren aller Art. 1824 wurden die folgenden Familiennamen angenommen: fünf Familien wählten den Namen Oppenheimer, sechs Familien entschieden sich je für die Namen Bamberger, Hechheimer, Fulda, Stern, Strauß und Wertheimer.  
   
1879 verließen die letzten Juden das Dorf. Die letzten Personen/Familien waren Moses Wertheimer und Frau Nante, Löw Moses Strauß Witwe und Joel Oppenheimer.   
  
Von den in Neunkirchen geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen ist in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Karoline Strauß (1871).   
    
     
     
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde     

In jüdischen Periodika des 19./20. Jahrhunderts wurden noch keine Berichte zur jüdischen Geschichte in Neunkirchen gefunden.   

    
    
    
Zur Geschichte des Betsaals / der Synagoge     
    
Eine erste Synagoge befand sich im Vorderen Gäßlein, Haus Nr. 2, hinter dem ehemaligen Gasthaus zu Krone. Aus unbekannten Gründen ist sie gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges (um 1648) abgegangen. Bis dahin hatten auch die Mergentheimer Juden die Gottesdienste in Neunkirchen besucht. 1676 ist letztmals von dieser ersten Synagoge als dem "öd liegenden Judenschulhaus" die Rede.   
       
In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts war für die nur noch wenigen jüdischen Familien am Ort vermutlich kein Betsaal vorhanden; möglicherweise besuchten sie die Synagoge in Mergentheim. In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts dürfte wieder ein Betsaal eingerichtet worden sein. 
       
Eine neue Synagoge wurde 1776 im "Judenberg" auf dem heutigen Grundstück Häldenweg Nr. 9 unmittelbar hinter der der jüdischen Schule (s.u.) erbaut. Nach vorliegenden Beschreibungen war der Baustil der Synagoge an dem protestantisch-ansbachischen, hugenottischen Kirchenbau orientiert. Der 58 qm große quadratische Gottesdienstraum war von einem flachen Muldengewölbe überspannt. Bis 1971 waren davon noch Bretter erhalten, deren Enden bogenförmig zugeschnitten und einst in die Stirnseiten des gewölbten Raumes eingebaut waren. Aus der mit Muschelkalksteinen 80 cm stark aufgeführten Ostmauer und ihren weißgekalkten Verputzresten auf der Innenwand, aus der Anordnung der drei segmentbogigen, 2 m hohen und 1,2 m breiten Fenstern mit ihren Sandsteingewänden, von denen eines ganz nahe am Eingang lag, und aus dem Einbau der im Gemäuer zwischen den beiden andern Fenstern ausgesparten Nische von 2,5 m Höhe und 0,90 m Breite für den Toraschrein konnte der Besucher noch 1971 ohne Mühe die innere Gestaltung der Synagoge nachvollziehen.   
       
Nachdem 1832 die Neunkirchener Gemeinde mit der Mergentheimer vereinigt wurde, beschlossen die Gemeindeglieder beider Gemeinden, die Mergentheimer Synagoge baulich wesentlich zu erweitern und zu verschönern. Die Finanzierung war eine gemeinsame Angelegenheit der Mergentheimer und Neunkirchener Juden. Eine aus Anlass des Umbaus veranstaltete Steuereinschätzung ergab, dass von den Mergentheimer Juden der Betrag von 75.800 Gulden und von den Neunkirchener Juden 80.000 Gulden in Ansatz gebracht werden konnte. Damals waren die Neunkirchener Juden noch vermögender als diejenigen in Mergentheim. Am Schabbat Waera, 4. Januar 1840 (28. Tevet 5600) konnte die Synagoge in Mergentheim feierlich eingeweiht werden. In Neunkirchen haben seitdem vermutlich keine regelmäßigen Gottesdienste mehr stattgefunden. Der letzte Gottesdienst wurde in der Synagoge Neunkirchen im Januar 1879 abgehalten. 21 Juden Neunkirchens – die Hälfte von ihnen wohnte damals bereits in anderen Orten - hatten sich zu einem Abschiedsgottesdienst versammelt. Am 27. Januar 1879 wurde das Gebäude an einen Kleinbauern verkauft und danach als Scheune mit Stall verwendet. Der Toraschrein und der Almemor wurde von den wegziehenden Familien mitgenommen. 
      
1971 musste die ehemalige Synagoge dem Neubau eines Hauses weichen und wurde abgebrochen.  
   
   
   
Fotos 
Historische Fotos / Pläne: 
(Quelle aller Abbildungen: Archiv Edwin Herkner) 

Plan von Neunkirchen mit 
Eintragung der jüdischen Einrichtungen
(Ausschnitt Liegenschaftskataster 
Neunkirchen 1833; Vermessungs- und
 Flurneuordnungsamt Tauberbischofsheim)
Neunkirchen Synagoge 594.jpg (165564 Byte)
  Eingetragen sind (markiert durch die roten Pfeile): Lage erste Synagoge, Haus des 
angestellten Lehrers, spätere (zweite) Synagoge, vermutlicher Standort des Armenhauses,
 vermutlicher Standort des Judenbades (Mikwe)
     
Die ehemalige Synagoge 
am Häldenweg: Hauspläne von 1929
Neunkirchen Synagoge 592.jpg (36880 Byte) Neunkirchen Synagoge 593.jpg (88642 Byte)
   Die Pläne wurden 1929 gezeichnet, als die ehemalige Synagoge (rot markiert) bereits als 
"Scheuer" im damaligen Besitz von Karl Gronbach verwendet wurde.
        
Der "Judenbestands-/Pacht)Hof       
Neunkirchen Ort 583.jpg (145414 Byte) Neunkirchen Ort 580.jpg (65366 Byte) Neunkirchen Ort 581.jpg (80749 Byte)
Eintragung des Judenbestands-Hofes
auf dem Katasterplan von 1933
Foto um 1920 des 
Judenbestands-Hofes
Eingangstüre mit Spur einer Mesusa 
(rechts des Kopfes der fotografierten Frau)
     
     

  
Fotos nach 1945
(Quelle der Fotos: Archiv Edwin Herkner):   

Vor dem Abbruch der als Scheune
 verwendeten Synagoge (1971)
Neunkirchen Synagoge 591.jpg (138233 Byte) Neunkirchen Synagoge 590.jpg (87008 Byte)
  Foto von Osten mit den zugemauerten
 Fenstern des ehemaligen Betraumes
Innenansicht der Fenster nach Osten, 
links: Nische für Toraschrein
        
     
Foto des "Judenbestands-Hofes" 
um 1970
Neunkirchen Ort 582.jpg (83138 Byte) 
  Der Judenbestandshof ist in der Mitte des Fotos mit einem blauen Pfeil markiert 
     

     
      

Links und Literatur 

Links:  

Website der Stadt Bad Mergentheim    

Quellen:  

Hinweis auf online einsehbare Familienregister der jüdischen Gemeinde Neunkirchen 
In der Website des Landesarchivs Baden-Württemberg (Hauptstaatsarchiv Stuttgart) sind die Personenstandsregister jüdischer Gemeinden in Württemberg, Baden und Hohenzollern einsehbar: https://www2.landesarchiv-bw.de/ofs21/olf/struktur.php?bestand=5632     
Zu Neunkirchen sind vorhanden:    
J 386 Bü. 422 Neunkirchen  Familienbuch 1775 - 1859 http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=1-446030  
J 386 Bü. 423 Neunkirchen  Geburten 1874   http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=1-446031    

Literatur: 

Emil Deeg: Geschichte der jüdischen Gemeinde in Bad Mergentheim-Neunkirchen, in: Fränkische Nachrichten vom 1., 3. und 5. September 1980.
Emil Deeg: Geschichte der jüdischen Gemeinde in Bad Mergentheim - Neunkirchen (maschinenschriftliche Vorlage mit Quellenangaben und Anhängen). 1980-1985.  Eingestellt als pdf-Datei.       
synagogenbuch-1.jpg (32869 Byte)Joachim Hahn / Jürgen Krüger: "Hier ist nichts anderes als Gottes Haus...". Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen. Hg. von Rüdiger Schmidt, Badische Landesbibliothek, Karlsruhe und Meier Schwarz, Synagogue Memorial, Jerusalem. Stuttgart 2007. 
Neunkirchen Lit 080.jpg (88254 Byte)Edwin Herkner: Neunkirchen
...die Geschichte unseres Heimatortes Neunkirchen in die Erinnerung zurückzurufen und 'in ewige Gedächtnis zu stellen', damit 'die dunkle Vergangenheit sie nit verzehre'.  Über 500 S., über 600 Fotos. 28.- €.
Dazu Artikel in der "Südwest-Presse" (Regional Bad Mergentheim) vom 30. März 2012: "Über 30 Jahre Arbeit" (Link zum Artikel)  
und Artikel in der "Südwest-Presse"  (Regional Bad Mergentheim) vom 4. April 2012: "Vorstellung des Heimatbuches über Neunkirchen von Edwin Herker. 500 Seiten geballte Geschichte"  (Link zum Artikel)  
Artikel in den "Fränkischen Nachrichten" vom 30. März 2012: "Geschichte des Ortes beschrieben" (Link zum Artikel).  

       
        

                   
vorherige Synagoge  zur ersten Synagoge nächste Synagoge  

             

 

Senden Sie E-Mail mit Fragen oder Kommentaren zu dieser Website an Alemannia Judaica (E-Mail-Adresse auf der Eingangsseite)
Copyright © 2003 Alemannia Judaica - Arbeitsgemeinschaft für die Erforschung der Geschichte der Juden im süddeutschen und angrenzenden Raum
Stand: 03. Februar 2016