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zu den Synagogen in
Baden-Württemberg
Neunkirchen (Stadt Bad Mergentheim, Main-Tauber-Kreis)
Jüdische Geschichte / Betsaal/Synagoge
(Seite wurde erstellt unter Mitarbeit von Edwin Herkner,
Bad Mergentheim-Neunkirchen)
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
In dem bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts
unterschiedlichen Herrschaften, teilweise dem Deutschen Orden gehörenden
Neunkirchen bestand eine jüdische Gemeinde bis zu ihrer Auflösung im September
1878.
Die Entstehung der jüdischen Gemeinde geht in das 16./17. Jahrhundert zurück. Erstmals werden
seit 1523 Juden in dem damals (bis 1590) unter der Ortsherrschaft des
Rittergeschlechtes der Sützel von Mergentheim stehenden Ort genannt. 1530
wurde ein Neunkirchener Jude beim Verkauf eines "Stücklich" und
sonstiger Gegenstände in Mergentheim verhaftet, jedoch auf Fürsprache seines
Grund- und Schutzherrn Martin Sützel wird freigelassen. 1558 lebten die
jüdischen Familien in mehreren Häusern: in einer Urkunde ist von den
"jüdischen Behausungen" die Rede.
Am Anfang des 17. Jahrhunderts kam es zu einer erste Blütezeit der
jüdischen Gemeinde. Vorsteher und Lehrer der Gemeinde war Wolff Jud. Unter den
jüdischen Einwohnern war auch ein jüdischer Arzt Samson Levi, der zwei Häuser
am Ort besaß und auch Christen behandelte. Bis 1626/27 ging die Zahl der
jüdischen Familien durch die kriegerischen Zeiten des Dreißigjährigen Krieges
am Ort auf sechs zurück (David Jud, Juden Doctor, Mosch Jud, Beyfuß Jod,
Joseph Jud und David, der kleine Jud). Gegen Kriegsende war die Einwohnerschaft
des Ortes - ob Christen oder Juden - stark dezimiert. Nach Kriegsende gab es
unter den herrenlosen "öden Hofstätten" am Ort noch jahrelang sechs,
die ehemals Juden gehört hatten. Zwischen 1648 und 1668 lebten nur zwei jüdische Familien
in Neunkirchen: Benedict Jud (seit 1848 genannt) und Abraham Jud (1655 genannt).
1678 zog Samuel Jud von Wachbach zu, womit es wieder drei jüdische Familien am
Ort gab
Im 17./18.
Jahrhundert wohnten die jüdischen Familien vor allem im Gebiet des heutigen
Häldenweges,
im Volksmund "Judenberg" genannt. Durch die Ansiedlung war eine Umgehung
der alten württembergischen Geleitstraße (heute Althäuser Weg) möglich.
Trotzdem gab es jüdische Häuser auch außerhalb dieses Gebietes, zum Beispiel
das Anwesen Stuppacher Straße 2 (sogenannter "Judenhof" bzw.
Judenbestands-(Pacht)Hof oder Vogt'scher Hof), das 1710 bis
1823 im Besitz einer Familie Hirsch war (Gebäude wurde im Jahr 2003
abgebrochen).
Im weiteren Verlauf des 18. Jahrhunderts nahm die
Zahl der jüdischen Einwohner unter der preußischen bzw.
ansbachisch-würzburgischen Kondominatsherrschaft stärker zu. 1719
werden vier jüdische Familien genannt (Eißig, Süßmann der Alt, Süßmann der
Jung, Gumprecht), 1729 waren - nach Zuzug von Isack Levi, Marx, Cafferle
und Samuel Lazarus - sieben jüdische Familien in
Neunkirchen. Lehrer der Kinder war damals "Süßmann der Ältere".
1732 wurde die Errichtung einer jüdischen Dorfschule genehmigt. 1754
gab es elf jüdische Familien (Menle, Süßmann, Benedict, Cafferle, Samuel
Lazarus, Israel, Mayer, Simon, Hirsch der Junge und Hirsch der Alte, Marx), bis
1797 ging die Zahl auf sieben Familien zurück (Gumbrecht Männlein, Mannes
Benedikt, Moyses Löw, Simon Löw, Marx Israel, Moyses Männlein, Löw Marx).
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), die
schon erwähnte jüdische Schule (spätestens seit der Zeit um 1820 nur noch
Religionsschule; die jüdischen Kinder besuchten die örtliche Simultanschule) und ein rituelles
Bad (Gebäude 1867 veräußert). Die Toten der Gemeinde
wurden auf dem jüdischen Friedhof in
Unterbalbach beigesetzt. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war
bis nach der Mitte des 19. Jahrhunderts ein Lehrer angestellt, der auch
als Vorbeter und Schochet tätig war.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner
wie folgt: 1822 45 jüdische Einwohner, 1826 59, 1833 62, 1838 57, 1841 56, 1844
54, 1846 51, 1858 50, 1864 26, 1871 28, 1875 21. Die jüdischen
Familien lebten vom Handel mit Vieh und Waren aller Art. 1824 wurden die
folgenden Familiennamen angenommen: fünf Familien wählten den Namen
Oppenheimer, sechs Familien entschieden sich je für die Namen Bamberger,
Hechheimer, Fulda, Stern, Strauß und Wertheimer.
1879 verließen die
letzten Juden das Dorf. Die letzten Personen/Familien waren Moses Wertheimer und
Frau Nante, Löw Moses Strauß Witwe und Joel Oppenheimer.
Von den in Neunkirchen geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen ist in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Karoline Strauß (1871).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
In jüdischen Periodika des 19./20.
Jahrhunderts wurden noch keine Berichte zur jüdischen Geschichte in
Neunkirchen gefunden. |
Zur Geschichte des Betsaals / der Synagoge
Eine erste Synagoge befand sich im Vorderen Gäßlein,
Haus Nr. 2, hinter dem ehemaligen Gasthaus zu Krone. Aus unbekannten Gründen
ist sie gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges (um 1648) abgegangen. Bis dahin
hatten auch die Mergentheimer Juden die Gottesdienste in Neunkirchen besucht.
1676 ist letztmals von dieser ersten Synagoge als dem "öd liegenden
Judenschulhaus" die Rede.
In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts war für die
nur noch wenigen jüdischen Familien am Ort vermutlich kein Betsaal vorhanden; möglicherweise
besuchten sie die Synagoge in Mergentheim.
In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts dürfte wieder ein Betsaal
eingerichtet worden sein.
Eine neue Synagoge wurde 1776 im
"Judenberg" auf dem heutigen Grundstück Häldenweg Nr. 9 unmittelbar
hinter der der jüdischen Schule (s.u.) erbaut. Nach vorliegenden Beschreibungen
war der Baustil der Synagoge an dem protestantisch-ansbachischen, hugenottischen
Kirchenbau orientiert. Der 58 qm große quadratische Gottesdienstraum war von
einem flachen Muldengewölbe überspannt. Bis 1971 waren davon noch Bretter
erhalten, deren Enden bogenförmig zugeschnitten und einst in die Stirnseiten
des gewölbten Raumes eingebaut waren. Aus der mit Muschelkalksteinen 80 cm
stark aufgeführten Ostmauer und ihren weißgekalkten Verputzresten auf der
Innenwand, aus der Anordnung der drei segmentbogigen, 2 m hohen und 1,2 m
breiten Fenstern mit ihren Sandsteingewänden, von denen eines ganz nahe am
Eingang lag, und aus dem Einbau der im Gemäuer zwischen den beiden andern
Fenstern ausgesparten Nische von 2,5 m Höhe und 0,90 m Breite für den
Toraschrein konnte der Besucher noch 1971 ohne Mühe die innere Gestaltung der
Synagoge nachvollziehen.
Nachdem 1832 die Neunkirchener Gemeinde mit der
Mergentheimer vereinigt wurde, beschlossen die Gemeindeglieder beider Gemeinden,
die Mergentheimer Synagoge baulich
wesentlich zu erweitern und zu verschönern. Die Finanzierung war eine
gemeinsame Angelegenheit der Mergentheimer und Neunkirchener Juden. Eine aus
Anlass des Umbaus veranstaltete Steuereinschätzung ergab, dass von den
Mergentheimer Juden der Betrag von 75.800 Gulden und von den Neunkirchener Juden
80.000 Gulden in Ansatz gebracht werden konnte. Damals waren die Neunkirchener
Juden noch vermögender als diejenigen in Mergentheim. Am Schabbat Waera, 4.
Januar 1840 (28. Tevet 5600) konnte die Synagoge in Mergentheim feierlich
eingeweiht werden. In Neunkirchen haben seitdem vermutlich keine regelmäßigen
Gottesdienste mehr stattgefunden. Der letzte Gottesdienst wurde in der Synagoge
Neunkirchen im Januar 1879 abgehalten. 21 Juden Neunkirchens – die Hälfte
von ihnen wohnte damals bereits in anderen Orten - hatten sich zu einem
Abschiedsgottesdienst versammelt. Am 27. Januar 1879 wurde das Gebäude
an einen Kleinbauern verkauft und danach als Scheune mit Stall verwendet. Der
Toraschrein und der Almemor wurde von den wegziehenden Familien mitgenommen.
1971 musste die ehemalige Synagoge dem Neubau eines
Hauses weichen und wurde abgebrochen.
Fotos
Historische Fotos / Pläne:
(Quelle aller Abbildungen: Archiv Edwin Herkner)
Plan von Neunkirchen
mit
Eintragung der jüdischen Einrichtungen
(Ausschnitt Liegenschaftskataster
Neunkirchen 1833; Vermessungs- und
Flurneuordnungsamt Tauberbischofsheim) |
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Eingetragen sind
(markiert durch die roten Pfeile): Lage erste Synagoge, Haus des
angestellten Lehrers, spätere (zweite) Synagoge, vermutlicher Standort
des Armenhauses,
vermutlicher Standort des Judenbades (Mikwe) |
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Die ehemalige
Synagoge
am Häldenweg: Hauspläne von 1929 |
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Die Pläne wurden
1929 gezeichnet, als die ehemalige Synagoge (rot markiert) bereits als
"Scheuer" im damaligen Besitz von Karl Gronbach verwendet wurde. |
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Der "Judenbestands-/Pacht)Hof |
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Eintragung des
Judenbestands-Hofes
auf dem Katasterplan von 1933 |
Foto um 1920 des
Judenbestands-Hofes |
Eingangstüre mit Spur einer
Mesusa
(rechts des Kopfes der fotografierten Frau) |
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Fotos nach 1945
(Quelle der Fotos: Archiv Edwin Herkner):
Vor dem Abbruch der als
Scheune
verwendeten Synagoge (1971) |
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Foto von Osten mit den
zugemauerten
Fenstern des ehemaligen Betraumes |
Innenansicht der Fenster nach
Osten,
links: Nische für Toraschrein |
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Foto des
"Judenbestands-Hofes"
um 1970 |
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Der
Judenbestandshof ist in der Mitte des Fotos mit einem blauen Pfeil
markiert |
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Links und Literatur
Links:
Quellen:
Literatur:
| Emil Deeg: Geschichte der jüdischen Gemeinde in Bad
Mergentheim-Neunkirchen, in: Fränkische Nachrichten vom 1., 3. und 5.
September 1980. |
| Emil Deeg: Geschichte der jüdischen Gemeinde in Bad Mergentheim -
Neunkirchen (maschinenschriftliche Vorlage mit Quellenangaben und
Anhängen). 1980-1985. Eingestellt
als pdf-Datei. |
| Joachim
Hahn / Jürgen Krüger: "Hier ist nichts anderes als
Gottes Haus...". Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte
und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen. Hg. von Rüdiger Schmidt,
Badische Landesbibliothek, Karlsruhe und Meier Schwarz, Synagogue Memorial,
Jerusalem. Stuttgart 2007.
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| Edwin Herkner:
Neunkirchen.
...die Geschichte unseres Heimatortes Neunkirchen in die Erinnerung
zurückzurufen und 'in ewige Gedächtnis zu stellen', damit 'die dunkle
Vergangenheit sie nit verzehre'. Über 500 S., über 600 Fotos. 28.- €.
Dazu Artikel in der
"Südwest-Presse" (Regional Bad Mergentheim) vom 30. März 2012:
"Über 30 Jahre Arbeit" (Link
zum Artikel)
und Artikel in der "Südwest-Presse" (Regional Bad
Mergentheim) vom 4. April 2012: "Vorstellung des Heimatbuches über
Neunkirchen von Edwin Herker. 500 Seiten geballte Geschichte" (Link
zum Artikel)
Artikel in den "Fränkischen Nachrichten" vom 30. März 2012:
"Geschichte des Ortes beschrieben" (Link
zum Artikel). |
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