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zu den Synagogen in
Baden-Württemberg
Markelsheim (Stadt Bad Mergentheim, Main-Tauber-Kreis)
Jüdische Geschichte / Betsaal/Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
(Abschnitt erstellt unter Mitarbeit von Hartwig Behr, Bad Mergentheim)
In dem bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts dem Deutschen
Orden gehörenden Markelsheim bestand eine jüdische Gemeinde bis 1938. Ihre
Entstehung geht in das 16./17. Jahrhundert zurück. Erstmals werden 1590 Juden
am Ort genannt. 1626 wird ein Jud Mayer aus Markelsheim genannt. 1704 waren vier, 1755 drei jüdische Familien am Ort.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen
Einwohner wie folgt: 1812 18 jüdische Einwohner, 1824 26 (2,2 % von
insgesamt 1.178 Einwohnern), 1831 40, 1843 52, 1854 52, 1869 50, höchste Zahl um
1880 mit 70 jüdischen Einwohnern, 1900 53 (4,2 % von 1.259), 1910 39. Die jüdischen Familien lebten vor allem
vom Handel mit Vieh und Landesprodukten.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine
jüdische Schule und ein rituelles Bad. Die Toten der Gemeinde wurden im
jüdischen Friedhof in Unterbalbach
beigesetzt. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer
angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war. In besonderer
Erinnerung blieb der Gemeinde zuletzt Lehrer Sally Ottensoser, der seit 1903 in
Markelsheim unterrichtete und 1927 bei einem Motorradunfall ums Leben gekommen
ist. Nach 1927 unterrichtete der jüdische Lehrer aus Edelfingen die nur noch
wenigen jüdischen Kinder in Markelsheim. Die Gemeinde war
dem Rabbinatsbezirk Mergentheim zugeteilt.
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde Nathan Strauß (geb.
12.2.1879 in Markelsheim, gef. 11.7.1916). Außerdem sind gefallen:
Ferdinand Adler (geb. 29.11.1887 in Markelsheim, vor 1914 in Stuttgart wohnhaft,
gef. 5.4.1917) und Heinrich Strauß (geb. 26.5.1878 in Markelsheim, vor 1914 in
Karlsruhe wohnhaft, gef. 21.6.1915).
Um 1924, als noch 44 jüdische Personen gezählt wurden (4 % von
insgesamt etwa 1.100 Einwohnern), waren die Gemeindevorsteher Erwin Ottensoser,
Hermann Strauß und David Strauß. Als Lehrer und Vorbeter war (seit 1903) der
bereits genannte Sally Ottensoser tätig. Er unterrichtete an der
Religionsschule der Gemeinde acht Kinder. An jüdischen Vereinen gab es
einen Wohltätigkeitsverein Chewraus (Zweck und Arbeitsgebiet:
Wohltätigkeit und Bestattungswesen) sowie einen Israelitischen
Frauenverein (1924 unter Leitung von Malchen Adler). 1932 war
Gemeindevorsteher David Strauß, sein Stellvertreter S. Hartheimer. Als Lehrer für die damals noch zwei
schulpflichtigen jüdischen Kinder der Gemeinde kam Lehrer Jonas Adler aus Edelfingen
regelmäßig nach Markelsheim.
An ehemaligen, bis nach 1933 bestehenden Handels- und Gewerbebetrieben im Besitz
jüdischer Familien / Personen sind bekannt. Metzgerei und Viehhandlung Aaron Adler
(Scheuerntorstraße 1), Metzgerei und Viehhandlung Josua, Ludwig und Nathan Adler (Schulberg 2), Viehhandlung Leopold Adler (Kitzlesweg 5),
Manufakturwarengeschäft Erwin Ottensoßer (Kitzlesweg
1), Stoffe, Kolonialwaren, Getreidehandlung David Strauß
(Scheuerntorstraße 2, abgebrochen), Viehhandlung Julius Strauß (Kitzlesweg 3).
1933 lebten noch 20 jüdischen Personen in Markelsheim. Auf Grund der
zunehmenden Repressalien, der Entrechtung und der Folgen des wirtschaftlichen
Boykotts verließen mehrere von ihnen in den folgenden Jahren Markelsheim
beziehungsweise sind ins Ausland emigriert. Beim Novemberpogrom 1938
richteten Jugendliche Verwüstungen in der Wohnung von Rebekka Ottensoser (Kitzlesweg
1) an, warfen Kleider und Gebrauchsgegenstände in den Dorfbach. Mehrere
jüdische Männer wurden verhaftet und in das Konzentrationslager nach Dachau
verschleppt. 1939 wurden noch neun jüdische Einwohner am Ort gezählt.
Im August 1942 wurden die letzten fünf jüdischen Einwohner in das Ghetto
Theresienstadt deportiert.
Von den in Markelsheim geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Sophie
Elkan geb. Hahn (1852), Martha Schlossberger geb. Strauß (1904), David Strauß
(1871), Jacob Strauß (1901), Julius Strauß (1873), Julius Strauß (1875), Lora
(Lienora) Strauß geb. Elkan (1879), Mathilde Strauß (1884), Ruth Strauß
(1909), Sigmund Strauß (1882).
Anmerkung: mehrere Namen aus den genannten Verzeichnissen sind nicht
aufgenommen. Es liegen möglicherweise Verwechslungen zwischen Markelsheim und
"Markenhof" u.a. vor.
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1886 /
1890 / 1894 / 1900 / 1901 / 1902
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. Mai 1886:
"Die hiesige Religionsschule, verbunden mit dem Vorsänger- und
Schächterdienst, soll bald möglichst durch einen seminaristisch
gebildeten ledigen Lehrer besetzt werden. Fester Gehalt 600 Mark.
Nebenverdienst ungefähr 3-400 Mark und freie Wohnung. Reflektanten wollen
sich an den unterzeichneten Vorstand wenden.
Markelsheim bei Mergentheim. Vorsteheramt: Strauß. Adler." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. Juni 1890:
"Wir suchen bis zum 1. August einen seminaristisch gebildeten
Religionslehrer, der zugleich Vorsänger und Schochet sein muss. Der
Gehalt beträgt fix 600 Mark nebst ca. 3-400 Mark Nebeneinkommen und freie
Wohnung. Nur deutsche Bewerber wollen sich wenden an die Vorsteher
Strauß. Emanuel Is. Adler. Markelsheim bei Mergentheim
(Württemberg)." |
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Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. Juli 1894:
"Die hiesige israelitische Religionslehrer-Stelle, verbunden mit
Vorbeter und Schochet, soll bis 1. September neu besetzt werden. Fester
Gehalt 600 Mark nebst freier Wohnung.
Nebenverdienst 3-600 Mark, ledige seminaristisch gebildete Bewerber werden
bevorzugt. Bewerben wollen sich an unterzeichnete Stelle wenden.
Markelsheim bei Mergentheim.
M. Strauß, Vorsteher." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. Juni 1900:
"Die Gemeinde Markelsheim sucht möglichst sofort einen
Vorbeter, Lehrer und Schochet. Der Gehalt beträgt Mark 800 und ca. Mark
300 Nebenverdienst nebst freier Wohnung. Der Lehrer muss ein Deutscher
sein und werden seminaristisch Gebildete (ledige) bevorzugt. Offerten mit
Zeugnissen sind an den unterzeichneten Vorstand zu sehen. Israelitischer
Kirchenvorstand Markelsheim. M. Strauß." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. Juli 1901:
"Die Gemeinde Markelsheim sucht bis 1. August einen Vorbeter,
Lehrer und Schochet. Der Gehalt beträgt 800 Mark, ca. 300 Mark
Nebenverdienst nebst freier Wohnung. Ledige, seminaristische Gebildete
werden bevorzugt. Offerten mit Zeugnissen sind an unterzeichneten
Vorsteher zu richten.
Markelsheim bei Mergentheim, Württemberg.
Israelitisches Kirchenvorsteheramt:
M. Strauß." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. August 1902:
"In unserer Gemeinde ist die Stelle als Kantor, Schächter und
Religionslehrer bis 1. September zu besetzen. Gehalt 875 Mark fixum
und ca. 3-400 Mark Nebeneinkommen nebst freier Wohnung und Heizung.
Seminaristisch gebildete Lehrer erhalten den Vorzug. Offerten mit
Zeugnissen sind zu richten an
Israelitisches Kirchenvorsteher-Amt: Strauß, Markelsheim. Bezirk
Mergentheim, Württemberg." |
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Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 8. Dezember 1902:
"Die Gemeinde Markelsheim sucht womöglichst sofort
einen
Lehrer,
Kantor und Schochet. Gehalt Mark 870 Fixum und 3-400
Nebeneinkommen, nebst Wohnung, Heizung und lichtfrei. Bewerber wollen ihre
Zeugnisse an das Vorsteheramt einsenden.
Markelsheim, Württemberg 7. Dezember 1902.
Israelitisches Kirchenvorsteher-Amt: M. Strauß." |
Lehrer Ludwig Stern
- zeitweise Lehrer in Markelsheim - wird 1. Lehrer / Direktor an der
Lehrerbildungsanstalt in Würzburg an (1864)
Anmerkung: Ludwig Stern ist am 9. März 1824 in
Bieringen als (unehelicher) Sohn der Jentle
Hirsch Stern (Tochter des Handelsmannes Hirsch Baruch Stern) geboren (http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=1-440598-2).
Nach Abschluss seiner Ausbildung zum Lehrer dürfte
Unterdeufstetten seine erste Stelle
gewesen sein (um 1842/1850?). Nach dem Beitrag unten war Stern nach
Unterdeufstetten Lehrer in
Markelsheim, wo er 1854 Bärbel/Babette geb. Adler aus Markelsheim
heiratete (geb. 28. Juli 1831). Von 1853 bis 1860 war er Lehrer in
Creglingen (http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=1-442332-96),
danach in Freudental und ab 1864 Direktor
an der Israelitischen Lehrerbildungsanstalt in
Würzburg. Er starb am 15. August 1890 in Würzburg, seine Frau Babette am 31.
Januar 1902 ebd.
Von den zehn Kindern des Ehepaares sind die ersten vier in
Creglingen geboren (Abraham Hartwig 1855,
Jacob 1856, Gustav Gedalja 1858, Ida 1860), die nächsten zwei in
Freudental (Josua 1863, gest. 1863, Mirjam
1864), die übrigen vier in Würzburg (Baruch 1866, Nathan 1868, Julia 1873 und
Lina 1875).
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. November 1864: "Aus
Württemberg. Dem inneren Berufe folgend, hat am Anfang dieses Monats ein
Mann das Schwabenland verlassen, dessen Verlust nicht nur die Gemeinden,
in deren Mitte er als Lehrer und Vorsänger gewirkt hat, sondern nahezu
das ganze Württemberg empfinden dürfte, für das er besonders in
jüngster Zeit in edelster Weise, ersprießlich und wacker gewirkt und
gekämpft hat. Ludwig Stern, bisher in Freudental angestellt, hat die
Lehrer- und Hausmeister-Stelle an der Lehrerbildungsanstalt in Würzburg
angenommen, welche von den dortigen hochherzigen Rabbinen unter Protektion
der bayerischen Regierung ins Leben gerufen worden ist. Wie unser
Stammvater folgte auch er der inneren Himmelsstimme und zog weg aus seinem
Land und aus seiner Heimat wie aus dem Haus seines Vaters, verließ
Vaterland, Heimat, Verwandte und Freunde, um zu wirken für das Ideal, das
er auch bei uns zu erstreben bemüht gewesen, um vereint zu sein mit den
Verwandten des Geistes, die seinem Edelmute mehr gelten als irdische
Beziehungen. Rastlos wie seine pflichttreue Tätigkeit stieg auch er in
seiner äußeren Stellung von Stufe zu Stufe und bewährte sich an ihm
jeder göttliche Segen, der solchen Männern verheißen ist 'und ich
will groß machen deinen Namen und er wird ein Segen sein’. Von der
kleinen Filialgemeinde Unterdeufstetten
aus, für die er ein Faktotum war, wie von Markelsheim
und Creglingen, wo die Gemeinden zu
jedem Opfer bereit waren, um ihn länger besitzen zu dürfen, wie durch
die größere Kehilla (Gemeinde) Freudental, wo sein hervorragendes
Wissen und Wirken, obschon neben einem Rabbinen, doch in der ehrenvollsten
Weise Anerkennung gefunden hat, verbreitete sich sein Name immer weiter in
den Gauen Württembergs. Sein rednerisches Talent und seine theologischen
und pädagogischen Kenntnissee fanden ihren besten Lobredner in seinen
Predigten, seinen Vorträgen und seinen schriftstellerischen und publizistischen Werken und Aufsätzen, welche auf der Kanzel vernommen
worden, oder durch die Presse in Büchern, Zeitschriften und Broschüren
an das Licht der Öffentlichkeit getreten sind. An der Spitze steht hierin
das von ihm erschienene 'Deutsche Lesbuch für israelitische Schulen in
5 Abteilungen’ (Stuttgart 1862), das im Auslande fleißig gebraucht
wird, obgleich unsere israelitische Oberkirchenbehörde, deren meisten
Mitglieder nicht wohl die wahren Freunde eines solchen Strebens sein
können, es nicht offiziell in den württembergischen Schule eingeführt
hat. Mit einem wahren Eliasmute aber ist er als wackerer Kämpe in die
Schranken getreten, um eine Revision des israelitischen Kirchenwesens in
Württemberg zu erstreben, um die jetzt das ganze Land in allen seinen
Parteien einstimmig und sehnlich petitioniert. So hat sich sein Verdienst
über das Weichbild der Gemeinden hinaus durchs ganze Land nicht nur
ausgebreitet und unvergesslich gemacht, sondern auch – gestützt auf 1.
Samuel 12,23 – die Hoffnung erzeigt, dass die politische Grenze, die ihn
nun von uns trennt, keine Scheidewand zwischen uns sein werde in den
religiösen Bestrebungen, die wir bis jetzt gemeinschaftlich unternommen
haben, und bald zum segensreichen Ziele führen werden.
Möge er in Würzburg die Liebe und Achtung finden, die er unter uns
besitzt, seine Aufnahme dort so herzlich sein, wie sein Abschied von hier
und sein Wirken immer allgemeiner und segensreicher sich enthalten! Im
Namen der Freunde im Neckartale, im Taubergrunde und am Donaustrome. S.
Levy in Stuttgart." |
Nachruf auf den tödlich verunglückten Lehrer Sally Ottensoser (seit 1903 Lehrer in
Markelsheim, später auch Weikersheim und Edelfingen, gest. 1927)
Artikel in der "Gemeindezeitung für die Israelitischen Gemeinden
Württembergs" vom 16. Oktober 1927:"Edelfingen.
Am 10.Oktober ist in der Nähe von Markelsheim Lehrer und Amtsverweser
S. Ottensoser durch einen Unfall auf dem Motorrad an der Edelfingerstr.
tödlich verunglückt. Die württembergische Religionsgemeinschaft
verliert mit ihm einen ihrer besten und treuesten Beamten. Der so jäh aus
dem Leben Gerissene war am 22. Januar 1883 in Burgpreppach
geboren. Nachdem er die Präparandie in seinem Heimatorte und das jüdische
Lehrerseminar in Würzburg absolviert, trat er im Juli 1902 sein
Lehramt in Neustadt a.d. Saale an. Schon im Jahre darauf kam er als
Amtsverweser und Vorsänger nach Markelsheim
und hierauf 1906 nach Nordstetten.
Von 1907 an war er wieder in Markelsheim tätig, bis er 1927 von der
israelitischen Gemeinde in Edelfingen als Vorsänger angestellt wurde.
Seine Bestattung fand am Mittwoch unter sehr großer ehrender Beteiligung
in Edelfingen statt." |
|
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. September 1928: "Auf
dem Wege der Pflicht in den Tod gefahren. Ein Nachruf. Es sind rund
zwei Jahre her, ich verbrachte meine Ferien in Mergentheim und lernte den
Mann kennen, den ich zunächst als Muster eines Vielbeschäftigten und
Pflichteifrigen bewunderte, dann aber auch als Menschen und Juden
erkannte, sodass ich ihn achten und lieben lernte.
Sally Ottensooser hieß der Unentbehrlich, Unvermeidliche,
Überallgesehene. Wo sein beständiges Domizil, wo er eigentlich wohnte
und sich aufhielt, war schwer zu sagen. Tagsüber sah man ihn in Mergentheim,
wo er, zumal in der starb besuchten Sommersaison, die Schechita ausübte
und einen Stab von jungen Schochtim heranbildete. Schon in aller
Morgenfrühe kam er von Edelfingen, wo er ebenfalls Heim und Bett
hatte, hergeradelt, 'porschte' und sah nach den Rechten in den jüdischen
Hotels, um weiter nach Markelsheim
zu sausen, wo in der Religionsschule die Kinder seiner harrten. War die
Arbeit im Mergentheimer Schlachthof
zu Ende, so ging es nachmittags noch nach Weikersheim,
das Schlachtmesser in der Tasche, Fiebel und Hefte für die Schule an das
Rad geschnallt, und abends blieb noch eine Stunde übrig, um in
Gesellschaft von Einheimischen und Kurgästen im Hotel zu Mergentheim beim
Glase zu sitzen. Seine Familie wohnte, wie ich glaube, in Markelsheim.
Aber am Sabbat leitete er den Gottesdienst in Edelfingen. Ich werde
diesen einfachen, schlichten Gottesdienst in der kleinen Landgemeinde mit
ihrer Scheunensynagoge, wie sie dort in der Gegend üblich sind, nie
vergessen. Der von alten biederen Dorfjuden gefüllte Raum, die alten
Gesänge unter lebhafter Mitwirkung der ganzen Gemeinde, das deutsche 'En
kealakenu', 'Keiner ist wie unser Gott!' und 'Wer ist wie unser Gott!' von
Lehrer und Gemeinde im schönen, kräftigen Chor vorgetragen. Die einzige
Konzession, die die Großväter der Kleingemeinde beim Eindruck der Reform
in Württemberg gemacht hatten. Dann der Gang durch das Dorf bei goldener
Sabbatvormittagssonne. Der Sabbat war im Orte, das konnte man sogar dem
vollbeladenen Heuwagen und dem geruhig darauf schlafenden braunen
Bauernjungen ansehen. Wie da die Leute, alte Frauen tief bedeckt, auf den
Stühlen und Bänken vor den Häusern saßen, in Erwartung der Bohnensuppe
und Sabbatkugel, die alle aus dem gemeinsamen Bäckerofen Glockenschlag
elf kamen. Aber vorher gab es noch für die Männer und Jünglinge ein
Schiurlernen. Und überall der 'Herr Lehrer', Herr Lehrer da und Herr
Lehrer dort. Ein Blick in das kleine jüdische Hotel, unter dessen sehr
niederem, aber ebenso gastlichem Dache wir etwas von der köstlichen
Sabbatspeise, die im gemeinsamen Bäckerofen die Nacht hindurch von
lieben, kochkundigen Engeln betreut wurde, kosteten. Dort sahen wir die
hundertjährige Urgroßmutter (hoffentlich ist sie noch am Leben), wie sie
den zweiten Teller mit jugendlicher Freude absolvierte. Mergentheimer
Wasser hatte sie nie in ihrem Leben getrunken...
Am Sonntag schon in aller Frühe sprach ich wieder Herr Ottensoser in Mergentheim.
Bis zur Mittagsstunde hatte er so und so viel geschächtet, so und so
viele Stunden in den verschiedenen Filialgemeinden unterrichtet,
Schochtimjünger instruiert, Aufsicht im Auftrage des Rabbinates in Hotels
und Pensionen ausgeübt, und am späteren Nachmittag schritt er in Talar
und Barett, bei strömendem Regen, hinter einer Bahre einem Leichenzuge
voran, stundenlang, von irgendwo in einem Dorf im Gebiete einer seiner
vielen Filialgemeinden kommend, irgendwohin nach einem Dorfe, wo sich ein
alter verlassener jüdischer Friedhof befindet. Am Ausgangspunkt sprach er
die Gebete, am Grabe hielt er eine Rede, so sogar recht gut war. Auf dem
Rückwege schlachtete er noch Hühner und Gänse in Mergentheim.
Dann radelte er nach Hause. Wohin? Nach Markelsheim,
nach Weikersheim oder nach Edelfingen?
Er hatte überall sein Heim, er gehörte zur Landschaft; wie der Apfelbaum
am Wege, wie der Sprudel aus dem Boden, wie Feld und Wiese. Kein Kind in
der ganzen Gegend, das nicht respektvoll den Hut zog vor dem 'Herrn
Lehrer', kein Bauer auf dem Felde, an dem er nicht mit einem 'Grüß Gott'
und 'Wie steht's heuer mit dem Korn?'
vorüberradelte.
Ich frage: 'Mein Lieber, woher nehmen Sie Zeit und die Kraft, das alles zu
bewältigen?' Er zeigte lachend auf das nicht mehr neue Rad. Man sei rasch
dahin und dorthin, besonders, wenn es bergab geht... 'Aber', fügte er mit
einem Seufzer der Sehnsucht hinzu, 'besser wäre ein Motorrad, es würde
mich rascher und sicherer vom Flecke kommen, und ich könnte mehr
leisten'. Es war dies zur Zeit sein höchster und sehnlichster Wunsch, das
Motorrad. Der Motor in ihm drängte zur Tat und er bedurfte der besten
technischen Hilfsmittel.
Ein Jahr war verflossen. In der Fülle der Tagesarbeit ertranken die Erinnerungen
und Eindrücke an die Württembergischen Idylle nacheinander. Da las ich,
es war am Sukkausfeste des vorigen Jahres, in einer Tageszeitung eine
dreizeilige Notiz unter 'Vermischtes': 'Gestern verunglückte ein Mann in
den besten Jahren mit einem Motorrad auf der Straße von Mergentheim
nach Weikersheim tödlich. Er
stieß mit dem Motorrad an einem Baum. Es handelt sich um den jüdischen
Lehrer Sally Ottensooser, der auf dem Wege zu einer Gemeinde war, um dort
am Feiertag den Gottesdienst zu leiten.'
Eine Träne der Wehmut und der Erinnerung hielt auf die drei Zeilen unter
'Vermischten Notizen' auf der letzten Seite. Damals überkam es mich: Ob
nicht auch sonst jede Zeile dieser 'Vermischten Rubrik', für die
Allgemeinheit so belanglos, ein Schicksal darstellt?!
Ich gewann damals nicht die Kraft, dem Freunde ein Denkmal in Worten zu
setzen. Nun ist ein Jahr verflossen, und das Versäumte sei kurz
nachgeholt. Der altberühmten bayerischen Familie Ottensooser entstammend,
wurde Sally Ottensooser schon früh für den Lehrerberuf bestimmt. 1902
verließ er mit Auszeichnung das Würzburger Lehrerseminar und nahm die
Lehrerstelle in Markelsheim an. Es
kam bald Weikersheim dazu, und als
beide Gemeinden nicht mehr ausreichten, noch Edelfingen als dritte
in der Mitte. Wohnte er Werktags mit Familie in Markelsheim, so stand
seine Sabbatstube in Edelfingen, wo er den Gottesdienst mit Wort
und Gesang leitete. Er galt als der beste Schochet und Schochtimbildner
der ganzen Gegend. Eine große Anzahl von Schochtim in Süddeutschland
sind aus seiner Schule hervorgegangen. Er sorgte zumeist auch für ihre
Unterkunft.
Mit dem Lulow (Feststrauß) in der Hand fuhr er am Rüsttage zum
Laubhüttenfeste in den Tod. In Edelfingen schmückten die Kinder die
Sukkoh (Laubhütte) mit Blumen und Ketten und harrten es Vaters. Er kam
spät, auf der Tragbahre. Am zweiten Festtage wurde er still in die Gruft
gesenkt. Der Mund, der an diesem Tage die Dankeslieder zu singen pflegte,
war verstummt. Er zog, so wollte es eine unerforschliche Gotteswaltung,
aus dem 'vorübergehenden Hause' des Lebens in die feste Wohnung
ein.
Am ersten Festtage. de, erstem Jahrzeitstage, wird der zweite Sohn in der
Gemeinde des Vaters zum ersten Male als 'Sohn der Pflicht' (Bar Mizwa)
zur Tora gerufen werden.
Seine Gemeinden, aber nicht minder Schreiber dieses, werden eine stille
Träne in den Kelch der Festesfreude fließen lassen, gewidmet dem Manne
der Pflicht und Arbeit. Schachnowitz." |
|
Artikel in der "Gemeindezeitung für die Israelitischen Gemeinden
Württembergs" vom 1. November 1928:
Derselbe Bericht wie in der Zeitschrift "Der Israelit" siehe
oben |
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Berichte zu
einzelnen Personen aus der Gemeinde
Zum Tod von Jakob Adler (1891)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. Oktober 1891: "Markelsheim
in Württemberg. Am 3. August dieses Jahres vollendete Herr Jakob Adler,
Kaufmann hier, sein irdisches Dasein im Alter von 73 Jahren. Mit ihm
schied von uns das einflussreichste Mitglied unserer Gemeinde, ein Jehudi
in des Wortes bester Bedeutung. Er hielt fest an den Satzungen der Väter
und zeichnete sich aus durch Frömmigkeit, Friedliebe und
Gastfreundschaft. Ein langwieriges, schweres Gichtleiden ertrug er mit
Geduld und Ergebenheit in den Willen Gottes.
Einen großen Teil seiner hinterlassenen, irdischen Güter verwendete er
zu wohltätigen Zwecken, und bedachte dabei seine Heimatgemeinde in der
freigiebigsten Weise. Außer dreitausend Mark, - welche seinem Seelenheil
gewidmet sind für Abhalten von 30 Schiurim, das Brennen von Jahrzeitkerzen
an seinem, und seiner vor einigen Jahren verstorbenen Gattin, Todestage,
sowie eines ewigen Lichtes in hiesiger Synagoge, - bestimmte er
zehntausend Mark teils zur Unterhaltung eines Religionslehrers in unserer
kleinen Gemeinde, teils auch zur Heranbildung von armen Jünglingen und
zur Ausstattung wohlgesitteter Jungfrauen, welche das 22. Lebensjahr
zurückgelegt haben. Weitere Stiftungen erhielten: vierhundert Mark, das
neu errichtete jüdische Spital in Würzburg, fünfhundert Mark die Lehrerpräparandenanstalt
in Höchberg zu Stipendien für dürftige Zöglinge, zweihundert Mark
das israelitische Waisenhaus in Fürth
und hundertundfünfzig Mark die israelitische
Wilhelmspflege in Esslingen.
Möge der Verblichene die Früchte seiner edlen Gaben im Jenseits
genießen! Wir werden ihm ein gesegnetes Andenken bewahren!" |
Über den Seesoldaten Bernhard Strauß aus Markelsheim (1904)
Anmerkung: Bernhard Strauß war ein am 18. Dezember 1882 geborener
Sohn von Moses Strauß (geb. 12. April 1843) und seiner Frau Sofie geb. Adler
(geb. 2. August 1845, siehe unten zum 80./84. Geburtstag). Er hatte neun
Geschwister: Mathilde (1868), Rosalie (1870), David (1871), Regina (1873),
Julius (1875), Jonas (1876), Hermann (1878, gefallen 1915), Adolf (1880-1884),
Adolf (1880), Bernhard (1882) und Ricka (1884). David und Julius sind in der
NS-Zeit umgekommen.
Mitteilung
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 19. Februar 1904:
"Von Markelsheim hat sich ein jüdischer Seesoldat des II.
Seebataillons in Wilhelmshaven, Bernhard Strauß, freiwillig der
militärischen Expedition gegen die Hereros
angeschlossen." |
Zum Tod von Hermann Strauß (1925)
Anmerkung: Hermann Strauß war ein am 19.Juni 1879 geborener Sohn
von Veis Strauß (geb. 16. Juli 1847) und seiner Frau Babette geb. Klein (geb.
7. Februar 1849). Er hatte neun Geschwister: Julius (1876-1877), Zilly (1878),
David (1880-1880), Sigmund (1882), Mathilde (1884), Adolf (1886), Mina (1888),
Hannchen (1890) und Julius (1898). Mathilde und Sigmund sind in der NS-Zeit
umgekommen.
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. Mai 1925: "Markelsheim
bei Mergentheim, 20. Mai (1925). In tiefe Trauer wurde unsere kleine
Gemeinde versetzt durch den Heimgang ihres allseits beliebten und
angesehenen Gemeindemitgliedes Hermann Strauß, welcher nach nur
zweitätigem Krankenlager einem tückischen Leiden erlag. Im ganzen Orte
herrschte Trauer und Bestürzung, denn der erst 46-jährige Mann erfreute
sich infolge seiner frommen Denkungsart, seiner Humanität, und besonders
ob seiner peinlichsten Gewissenhaftigkeit und Reellität allgemeiner
Hochachtung und Wertschätzung. Vor dem Trauerhause schilderte Herr Lehrer
Ottensoser in ergreifenden Worten den schweren Verlust, welchen sowohl die
Familie als auch die ganze Gemeinde durch den Tod dieses Ehrenmannes
erlitten hat, und richtige herzliche Worte des Trostes an die schwer
geprüfte, betagte Mutter, und an die tief trauernden Geschwister, deren
Leben nach dem Worte des Psalmisten 'Siehe, wie schön und wie lieblich
ist es, wenn Brüder zusammenwohnen (Psalm 133,1) sich in harmonischer
Weise vollzog. Möge Gott den Hinterbliebenen baldigen Trost
senden." |
80./84. Geburtstag von Sofie Strauß (1925/1929)
Anmerkung: Sofie Strauß geb. Adler ist am 2. August 1845
in Edelfingen geboren als Tochter von
Samuel Adler und der Ricke geb. Stern. Am 10. Dezember 1867 heiratete sie in
Edelfingen Moses Strauß aus Markelsheim (geb. 12. April 1843 in
Edelfingen als Sohn von Julius Strauß und der Mina geb. Astheimer). Kinder
siehe oben.
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. Juli 1925:
"Markelsheim (Württemberg), 26. Juli (1925). Frau Sofie Strauß von
hier, die Witwe des langjährigen Kirchenvorstehers Moses Strauß - er
ruhe in Frieden - begeht am Sonntag, den 2. August, in völliger
geistiger und körperlicher Frische ihren achtzigsten Geburtstag. Wir
wünschen der Jubilarin ein gesegnetes, frohes Greisenalte. (Alles
Gute) bis 100 Jahre." |
|
Artikel in der "Gemeindezeitung für die Israelitischen Gemeinden
Württembergs" vom 16. August 1929: "Markelsheim.
Unsere Mitbürgerin Frau Sophie Strauß Witwe, feierte am 2. August
bei bester Gesundheit ihren 84. Geburtstag. Mögen der würdigen Jubilarin
noch viele glückliche Jahre beschieden sein!" |
Zum Tod von Laura Wolfsheimer geb. Friedsam (1925)
Anmerkung: Laura Wolfsheimer geb. Friedsam ist am 25. Juli
1887 geboren als Tochter von Salomon Friedsam und seiner Frau Lina. Sie
war verheiratet mit Max (Mordechai) Wolfheimer. Ihr Kinder waren John H.
Wolfsheimer und Liselotte Stern geb. Wolfsheimer. Sie starb am 27. August 1925.
Laura Wolfsheimer wurde am 27. August 1925 im jüdischen
Friedhof in Weikersheim beigesetzt: http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=2-2421606
und https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/H6WVBRWX2BLAOYBNUPPYEQOVRRUPUQBB
Quelle zur Genealogie: http://www.geni.com/people/Laura-Wolfsheimer/6000000031719980139
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. September 1925: "Markelsheim
30. August (1925). Allgemeine tiefe Trauer löste im hiesigen Städtchen
und weit darüber hinaus die schmerzliche Nachricht aus, dass Frau Laura
Wolfsheimer geb. Friedsam nach nur 6-jähriger glücklicher Ehe einer
schweren Erkrankung erlegen ist. Wer, wie Schreiber dieses, das Glück
gehabt hatte, die seltene Herzensgüte und die anmutigen
Charaktereigenschaften dieser Frau kennen zu lernen, wird den tiefen
Schmerz ermessen können, der sich der hiesigen Gemeinde ermächtigt hat.
Mildtätigkeit war ihr Pflicht und Lebensbedürfnis; kein Wunder, wenn ihr
gastliches Haus der Zielpunkt für so manches beklommene Herz war; fand es
doch bei ihr stets eine offene Hand und ein freundliches Wort. Demgemäss
sie sich auch einer wirklich großen Beliebtheit und Hochachtung bei
jedermann (erfreute), von welcher das überaus zahlreiche Trauergeleite
ein glänzendes Zeugnis abgelegt hat. In schmerzbewegten Worten schilderte
Herr Lehrer Ottensooser am Trauerhause, wie durch den plötzlichen Tod der
treuen Verblichenen ein inniges Familienleben jäh zerstört wurde, sprach
dem tief gebeugten Gatten sowie den trauernden Geschwistern wirklichen
Trost zu. Möge es ihnen allen ein Trost sein, dass ihr Andenken weiter
lebt in den Herzen vieler. Ihre Seele sei eingebunden in den Mund des
Lebens." |
70. Geburtstag von Amalie (Malchen) Adler geb.
Weikersheimer sowie 75. Geburtstag des ehrenamtlichen Vorbeters Aron Adler (1932)
Anmerkung: zur Person siehe nächster Artikel.
Artikel in der "Gemeindezeitung für die Israelitischen Gemeinden
Württembergs" vom 16. März 1932: "Markelsheim. Frau
Malchen Adler geb. Weikersheimer und konnte am 8. März in beglückender
körperlicher und geistiger Rüstigkeit ihren 70. Geburtstag feiern, beglückwünscht
und geehrt von allen, welche die tief religiöse und schlichte Frau
kennen. Ihr Gatte, Aron Adler, vollendet nun am 28. März seinen
75. Lebensjahr. Seit 46 Jahren ist er mit der Jubilarin, die den
Ehrentitel einer esches chajil (= "wackere Frau" im Sinne von
Sprüche 31) verdient, in glücklichster Ehe verbunden.
Trotz seines hohen Alters geht der Jubilar noch Tag für Tag seinem Geschäft
nach. Durch sein lauteres Wesen hat er sich bei der jüdischen und nichtjüdischen
Bevölkerung hohe Beliebtheit und Wertschätzung erworben. Seit vielen
Jahren lauscht die kleine Gemeinde andächtig, wenn Aron Adler an den
hohen Festtagen die altehrwürdigen Gesänge anstimmt. Im Kreise seiner
Kinder und Kindeskinder darf das würdige Ehepaar vom alten jüdischen
Schlag nun auf ein langes, gesegnetes Leben zurückblicken. Möge sein
Lebensabend auch weiterhin ein begnadeter sein!" |
Goldene Hochzeit von Aron Adler und Amalie geb.
Weikersheimer (1935) sowie Todesanzeige
für Amalie Adler geb. Weikersheimer (1944 USA)
Anmerkung: Aron Adler ist am 28. März 1857 in Markelsheim geboren als Sohn
von Jakob Adler und der Frummet geb. Thalheimer. Er war seit 13. Oktober 1885
verheiratet mit Malchen geb. Weikersheimer, eine am 8. März 1862 in Gaukönigshofen
geborene Tochter von Jeremias Weikersheimer und der Lea geb. Pfeifer. Die beiden
hatten neun Kinder, von denen vier früh verstorben sind: Emil Isak (1886-1889),
Ferdinand (1887, gefallen 5. April 1917), Fanny (1889-1892), Max (1891-1892),
Lea (1893), Klotilde (1895), Jakob (1897, verh. 1926), Alfred (1898), David
(1900-1900). Aron Adler starb am 17. März 1938. Amalie Adler ist 1941 in die
USA emigriert und dort 1944 gestorben.
Quellen: https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/VHG4YS5BUMAMURAG2Z7NYAAYVZLMQQSB
Artikel in der "Gemeindezeitung für die Israelitischen Gemeinden
Württembergs" vom 1. Oktober 1935: "Markelsheim. Am 13. Oktober dürfen
Aron Adler und seine Frau Amalie geb. Weikersheimer in körperlicher und geistiger
Rüstigkeit ihre Goldene Hochzeit feiern. Der Jubilar steht im 78., die Jubilarin im 73. Lebensjahre. Die Eheleute Adler
erfreuen sich weit über ihre Gemeinde hinaus größter Wertschätzung. Frau Adler ist eine tief religiöse, schlichte Frau, die ihr Leben lang unermüdlich an der Seite ihres Gatten in echter jüdischer Hausfrauentugend gewirkt hat. Der Jubilar, der trotz seines hohen Alters noch Tag für Tag seinem Geschäft nachgeht, hat sich um die Gemeinde besonders große
Verdienste erworben. Viele Jahre lauschten die Gemeindemitglieder andächtig, wenn
Aron Adler an den hohen Festtagen unsere altehrwürdigen Gesänge anstimmte. So darf das Jubelpaar im Kreise seiner Kinder und Kindeskinder am Tage seiner goldenen Hochzeit auf ein langes glückliches Zusammenleben zurückblicken, auf einen Ehebund, der durch treue, religiöse Pflichterfüllung ausgezeichnet und gesegnet ist. Möge es den Eheleuten Adler vergönnt sein, noch viele frohe und gesunde Jahre zusammen zu verleben!" |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Aufbau" vom 4. Februar 1944: "Am
Mittwoch, den 26. Januar, verschied ganz plötzlich und unerwartet infolge
eines Herzschlags, im Alter von nahezu 82 Jahren, unsere innigstgeliebte
Mutter, Großmutter, Schwester und Tante
Frau Amalie Adler geb. Weikersheimer (früher Markelsheim).
Ihr aufopferndes und arbeitsreiches Leben war ihrer Familie gewidmet. Sie
wird im Geiste immer bei uns bleiben.
Die trauernden Hinterbliebenen: Jac Adler und Frau Bella geb. Hirschel,
2801 Sacramento St., San Francisco, Calif.
Fred Adler und Frau Frieda geb. Katz, 620 W 171 St., New
York
Sigmund Levi und Frau Lea geb. Adler, 2754 Grand Concourse, New
York
Tilde Löwenthal geb. Adler 651 W 171 St., New York
Moritz Weikersheimer, Aufenthalt unbekannt
Max Weiker und Frau Martha geb. Metzger, Denver, Colorado.
Erwin Levi - Fritz Loewenthal und Hans Adler:
Enkelkinder" |
Berichte aus
dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben
Ergebnis der Wahl zum Vorsteheramt (1930)
Artikel in der "Gemeindezeitung für die Israelitischen Gemeinden
Württembergs" vom 1. Juli 1930: "Markelsheim.
Bei der am 8. Juni vorgenommenen Wahl zum Vorsteheramt wurde David
Strauß zum Vorsitzenden und S. Hartheimer zu seinem
Stellvertreter gewählt." |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Verlobungsanzeige von Sara Kahn und Ludwig Adler (1936)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. September
1936:
"Gott sei gepriesen.
Sara Kahn - Ludwig Adler. Verlobte.
Bad Mergentheim / Baisingen
- Markelsheim bei Bad Mergentheim". |
Zur Geschichte des Betsaals /
der Synagoge
Ein Betsaal war in einem
der jüdischen Häuser bereits 1654 vorhanden. Im März dieses Jahres
wurden vermutlich in diesem Haus die Fenster eingeworfen. Die Mergentheimer
Deutschordensregierung veranlasste eine Untersuchung des Falles. Möglicherweise
handelte es sich bei dem Gebäude um das Haus des Manasse und seines Sohnes
Moyses. Diese hatten (nacheinander) im Auftrag der Deutschordensregierung die
hohe Stellung eines Obervorgängers (Obervorstehers) der Ordensschutzjuden an
der Tauber und am Neckar inne.
Seit Anfang des 18. Jahrhunderts wurden auf Grund der zu
geringen Zahl jüdischer Einwohner längere Zeit keine Gottesdienst mehr in
Markelsheim gefeiert. Man besuchte die Gottesdienste in Igersheim.
Ende März 1756 beklagte sich jedoch der Markelsheimer Pfarrer Johann Adam Anton
Schreiber beim Amtmann von Neuhaus, dass der "Jud Kusel von Markelsheim [...] in
seinem Boden eine neue Synagog" aufgerichtet habe. Die Markelsheimer Juden
planten, hierin gemeinsam mit den Juden aus Elpersheim und anderen Orten die
Gottesdienste beim bevorstehenden Passahfest zu feiern. Die Regierung untersagte
die Gottesdienste, obgleich die Judenschaft darauf hinweisen konnte, dass ihr in
früheren Schutzbriefen eine "Judenschul" in Markelsheim gestattet war.
Nachdem die Zahl der jüdischen Gemeindeglieder in der
ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zunahm, entschloss sich die Gemeinde 1825,
eine Synagoge zu bauen. Im Oktober dieses Jahres wurde ein Haus gekauft, um
dieses zu einer Synagoge in Verbindung mit einem rituellen Bad umzubauen. Das
Oberamt erteilte 1827 die Baugenehmigung; im folgenden Jahr konnten die
Bauarbeiten abgeschlossen werden. Die Baukosten betrugen 3.600 Gulden, von denen
1832 noch 1.400 nicht bezahlt waren. Der Betsaal der Männer hatte eine Länge
von 10,88 m, eine Breite von 7,73 m und eine Höhe von 5,15 m. Es waren Plätze
für 68 Männer vorhanden. Eine Galerie für die Frauen war auf halber Höhe an
drei Seiten eingebaut. Sie hatte 37 abgeteilte Frauenstände, doch konnten
insgesamt etwa 50 Frauen Platz finden.
Nachdem 1832 die Juden von Markelsheim und Igersheim
zu einer Gemeinde vereint wurden, begann ein längerer Streit um die Frage nach
dem Hauptort. Auf Grund der vorhandenen Synagogen sprach zunächst alles für
die Markelsheimer Synagoge. Jedoch setzte sich im 19. Jahrhundert insgesamt
Igersheim durch. 1843 wurde in der Synagoge wieder einmal die Scheiben
eingeworfen. Ob der Fall näher untersucht wurde, ist nicht bekannt. 1870
bildeten die jüdischen Einwohner von Markelsheim und Igersheim eine gemeinsame
Gemeinde, die bis in die 1930er-Jahre Bestand hatte. Seit 1900 kamen die
Igersheimer Juden nach Markelsheim in die Synagoge.
1938 blieb das Gebäude unversehrt und wurde 1954
zu einem Wohnhaus umgebaut (Standort: Kirchgängle 7). Im Kellerboden des Hauses
wurde beim Umbau eine Bodenplatte mit Stern aus dem ehemaligen Betsaal
eingesetzt.
Fotos
Historisches Foto
(Quelle: Jüdische Gotteshäuser und Friedhöfe in Württemberg. 1932. S.
98)
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Die Synagoge in Markelsheim |
Fotos nach 1945/Gegenwart:
Fotos um 1983/87:
(Fotos: Hahn) |
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Das ehemalige Synagogengebäude
dient als Wohnhaus |
Blick auf das Gebäude
von der Straßenseite |
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Stern im Keller der ehemaligen
Synagoge, ursprünglich im
Betsaal |
Eine der letzten Erinnerungen an
die jüdische Geschichte
war eine
alte Palästina-Schulkarte |
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neuere Fotos werden noch ergänzt |
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Gefallenendenkmal der
Gemeinde Markelsheim
(Fotos: Christoph Dittel) |
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Das
Gefallenendenkmal der Gemeinde Markelsheim - Namenstafel der Gefallenen,
darunter der Name der jüdischen Gefallenen Nathan Strauß und Ferdinand
Adler. Das ursprüngliche Denkmal an der Pfarrkirche St. Kilian (1972
abgebrochen, siehe kleine Abbildung links) wurde durch den Mergentheimer Bildhauer Peter Feile
(1866-1927) und den Würzburger Bildhauer Josef Feile (1863-1932) erstellt
und 1921/22 eingeweiht. Nach dem Abbruch der Pfarrkirche blieben nur die Soldatenfiguren
und die Namenstafel erhalten, die in eine neue Anlage einbezogen
wurden. |
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Links und Literatur
Links:
Quellen:
Literatur:
| Paul Sauer: Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern. 1966. S.
124-125. |
| Joseph Walk (Hrsg.): Württemberg - Hohenzollern -
Baden. Reihe: Pinkas Hakehillot. Encyclopedia of Jewish Communities from
their foundation till after the Holocaust (hebräisch). Yad Vashem Jerusalem
1986. S. 109-110. |
| Joachim
Hahn / Jürgen Krüger: "Hier ist nichts anderes als
Gottes Haus...". Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte
und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen. Hg. von Rüdiger Schmidt,
Badische Landesbibliothek, Karlsruhe und Meier Schwarz, Synagogue Memorial,
Jerusalem. Stuttgart 2007. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Markelsheim Wuerttemberg. In the 17th
century maintained a small community, which was attached to neighboring Igersheim
in 1832 and never grew to much more than 50. Twenty Jews remained in 1933 (total
1,199). On Kristallnacht (9-10 November 1938), a Jewish apartment was
destroyed and Jews were taken to the Dachau concentration camp for a few weeks.
Most emigrated by 1941; five were deported to the Theresienstadt ghetto in
August 1942 along with three from Igersheim.
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