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Oberasphe mit
Niederasphe und Wollmar (Gemeinde
Münchhausen am Christenberg,
Kreis Marburg-Biedenkopf)
sowie Frohnhausen und Laisa (Gemeinde Battenberg, Kreis Waldeck-Frankenberg)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Oberasphe bestand eine jüdische
Gemeinde bis 1938. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 18. Jahrhunderts
zurück. 1718/19 werden erstmals Juden am Ort genannt: damals gab
es laut Archivakten in Frohnhausen (heute: Gemeinde Battenberg, Kreis
Waldeck-Frankenberg) und Oberasphe zusammen vier
"Judenhäuser"; eines davon befand sich in Oberasphe und wurde von
Manasse und Salme bewohnt. Patrimonialherren der beiden Orte waren bis 1717 die
Herren von Dersch, danach der Landgraf von Hessen-Darmstadt. Nach Angaben von
1719 waren die "Judenhäuser" dieser Orte bereits vom Großvater des
zuletzt verstorbenen Herren von Dersch gebaut wurden. Es lässt sich daher
annehmen, dass es bereits Mitte des 17. Jahrhunderts jüdisches Leben in
Frohnhausen und Oberasphe gegeben hat.
In Frohnhausen (heute: Gemeinde Battenberg)
lebten 1718/19 die Familien der Juden Eysen und David. Bereits 1720 wird Jud
Eysen nicht mehr am Ort genannt. Wenig später finden sich keine Nachweise mehr
von jüdischen Einwohnern am Ort. Auch im 19. Jahrhundert lebten keine
jüdischen Personen in Frohnhausen. Auf dem in Frohnhausen gelegenen jüdischen Friedhof
finden sich heute nur noch Namen von verstorbenen Oberaspher Juden. In weiteren Orten der
Umgebung finden sich einzelne Nachweise jüdischer Einwohner: in Wollmar
gab es um 1696 eine jüdische Familie (des Jude David), in Laisa
(heute: Gemeinde Battenberg) lebte zwischen ca. 1870 und 1940 die Familie Willy
Freudenthal; sie verzog 1940 nach Marburg; mehrere Familienmitglieder wurden
deportiert und sind umgekommen (s.u.), in Niederasphe
gab es 1744 eine jüdische Witwe namens Vogelgen (ihr Mann soll Abraham Samuel
gewesen sein).
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner
in Oberasphe wie
folgt: 1830 30 jüdische Einwohner, 1871 41 (13,3 % von insgesamt 307
Einwohnern), 1885 34 (10,2 % von 334), 1895 34 (10,1 % von 337). Die
jüdischen Familien lebten in acht Häusern, die nach den Familienhäuptern der
Familien benannt waren: 1) Haus Schloumes (Familie Hess, Haus war am heutigen
Mühlenweg, besteht nicht mehr), 2) Haus Moses (zuletzt - bis 1923 - Familie
Albert Hess, Weite Höhe 9), 3) Haus Mousches (zuletzt Familie Samuel / Salli
Stern, Gasthaus zum Stern, teilweise abgebrochen, Aspher Straße 21), 4) Haus
Salmes (zuletzt - bis 1914 - Familie Levi I Stern, Dexbacher Straße 12), 5)
Haus Jekobs (zuletzt - bis 1942 - Familie Ferdinand Katten, abgebrochen, stand
neben Weite Höhe 8), 6) Haus Lejbs (bis um 1875 jüdisches Haus, zunächst der
Familie Löb Stern, dann Anselm Stern, Aspher Straße 17), 7) Haus Jules (bis um
1880 jüdisches Haus, möglicherweise der Familie Carl Heß), 8) Haus Grein
(vermutlich das Synagogengebäude, das zunächst ein jüdisches Wohnhaus [mit
Betraum?] gewesen sein könnte).
Die jüdischen Familien lebten vom Handel mit Waren oder Vieh und Pferden. Es
gab auch einzelne Handwerker (Metzger/Schächter, Schuhmacher) und eine
jüdische Gastwirtschaft (Familie Stern).
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), ein jüdische Schule
(Religionsschule), ein rituelles Bad (noch 1932 als in Benutzung genannt; war im
Synagogengebäude) und
ein Friedhof (zunächst Beisetzungen im Friedhof
auf Gemarkung Frohnhausen, Gemeinde Battenberg, Kreis
Waldeck-Frankenberg, um 1920 Friedhof in Wetter,
danach eigener Friedhof
in Oberasphe). Ob zur Besorgung religiöser Aufgaben, vor allem des
Unterrichtes der Kinder im 19. Jahrhundert zeitweise ein eigener jüdischer
Lehrer am Ort war, ist nicht bekannt und eher unwahrscheinlich. Um 1904 wurde eine Lehrerstelle gemeinsam
mit den Gemeinden Wetter und Goßfelden
ausgeschrieben. Die jüdischen Schüler besuchten die allgemeine
Volksschule am Ort (zwischen 1880 und 1900 gab es jeweils zwischen fünf und
neun jüdischer Schüler/Schülerinnen). Zum Religionsunterricht gingen die
Kinder teilweise nach Battenberg oder nach Wetter. Die Gemeinde gehörte zum Rabbinatsbezirk Oberhessen mit
Sitz in Marburg.
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde Adolf Alfred Stern
(geb. 22.6.1886 in Oberasphe, vor 1914 in Battenberg wohnhaft, gef.
9.5.1915).
Um 1924, als zur Gemeinde 18 Personen gehörten (5,5 % von insgesamt 326
Einwohnern), war Gemeindevorsteher Levy Stern. 1932 war Gemeindevorsteher
Sally Stern. Er war auch ehrenamtlicher Vorbeter der Gemeinde.
1933 lebten 22 jüdische Personen in Oberasphe (6,7 % von insgesamt 330
Einwohnern). In
den folgenden Jahren sind zunächst nur wenige von ihnen auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts,
der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. Im August 1935 musste
Sally Stern seine Gastwirtschaft "aus gesundheitspolizeilichen
Gründen" schließen. Ab Januar 1937 durfte Ferdinand Katten nicht mehr als
Viehhändler tätig sein. Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge völlig
demoliert, in der (ehemaligen) Gastwirtschaft Stern wurden die Fensterscheiben
eingeworfen. Heinz Katten wurde verhaftet und in das KZ Buchenwald verschleppt.
Er starb nach der Rückkehr am 21. Januar 1939 in Oberasphe auf Grund der
erlittenen Strapazen und Krankheiten. Nach dem Novemberpogrom 1938 wurden die
noch fünf jüdischen Kinder aus der Oberaspher Volksschule gewiesen. 1939 wurden noch 20
jüdische Einwohner am Ort gezählt (5,9 % von insgesamt 339 Einwohnern; davon
waren fünf schulpflichtige Kinder). Die letzten der jüdischen Einwohner wurden
von Oberasphe aus deportiert.
Von den in Oberasphe geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Jana (Tana) Block geb.
Stern (1864), Alfred Hess (1924), David Hess (1869), Levi
Hess (1873), Salomon Hess (1861), Betti Erika Katten (1928), Ferdinand Katten
(1893), Grete Anneliese Katten (1922), Heinz Katten (1920), Manfred Katten
(1928), Sara (Sarchen) Katten geb. Kadden/Katten (1858), Simon Katten (1865), Sofie
(Sophie) Katten geb. Kanter (1897), Berta Landau geb. Stern (1887), Dina
Löwenstein geb. Stern (1888), Bertha (Berta) Nathan geb. Hess (1876), Fritz
Erich Stern (1924), Marta (Martha) Stern geb. Bär (1894), Meta Stern (1926), Ruth
Betti Stern (1921), Samuel (Sally) Stern (1885).
Aus Laisa sind umgekommen: Betty Bachenheimer geb. Freudenthal
(1894), Berta Freudenthal geb. Buchheim (1893), Ernst Freudenthal (1922), Willy
Freudenthal (1896).
1945 kehrte Familie Gustav Hess aus Theresienstadt wieder nach Oberasphe
zurück, ist jedoch im Mai 1946 in die USA ausgewandert.
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet
1904
Anzeige
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 22. Januar
1904: "Vakanzen. Wetter - Goßfelden - Oberasphe. Religionslehrer und
Schächter per sofort. Einkommen 1.050 Mark. Meldungen an das
israelitische Vorsteheramt in Marburg." |
Zur Geschichte der Synagoge
Eine Synagoge war am Ort vorhanden. Sie stand auf dem
sogenannten "Judenknüppel". In den Katasterakten waren als Besitzer
bis 1907 Anselm Stern (Witwe) zusammen mit der "Judengemeinde
Oberasphe" eingetragen. Von 1910 bis 1950 (!) wird die
"Judengemeinde" Oberasphe als einzige Besitzerin genannt.
Beim Synagogengebäude handelte es sich um ein kleines Fachwerkgebäude mit zwei
Eingängen (siehe Rekonstruktionszeichnung unten). Der linke Eingang führte in
den Betraum der Männer, der rechte Eingang führte zur Empore der Frauen und
zur Mikwe.
Wie lange regelmäßige Gottesdienste abgehalten werden konnten, ist nicht
bekannt. Auf Grund der kleinen Zahl der jüdischen Einwohner war es nicht
einfach, Minjan zu erhalten. Dazu mussten immer wieder Bekannte oder Verwandte
aus Gladenbach oder Wetter eingeladen werden ("Minjanmänner").
Vermutlich wurde 1938 der letzte Gottesdienst in der Synagoge abgehalten. Beim Novemberpogrom
1938 wurde die Synagoge durch SA-Männer (vermutlich aus Berghofen) völlig
demoliert.
Nach 1945 kam das Gebäude an die JRSO (Jewish Restitution Successor
Organisation), die es 1953 an eine Privatperson verkaufte. Noch einige Jahre
wurde das Gebäude als Werkstatt (Sattlerwerkstatt) verwendet. Das Synagogengebäude wurde
1958 abgebrochen. Der kleine Hügel, auf dem das Gebäude stand, wurde
abgetragen und zum Auffüllen des Bauplatzes für das neue Dorfgemeinschaftshaus
verwendet.
Adresse/Standort der Synagoge: zurückgesetzt
von der heutigen Straße Weite Höhe Standort
markiert auf den Google-Maps
Fotos
(Fotos aus dem Buch "Die Oberaspher Juden" s.Lit.
S. 58-59).
Plan von
Oberasphe (um 1920) |
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Eingetragen sind
die jüdischen Wohnhäuser
und die Synagoge (Nr. 8) |
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Foto
mit einem kleinen Teil des Synagogengebäudes: Luftbild von 1953 mit
Ausschnittvergrößerung rechts. Auf der Ausschnittvergrößerung ist am
linken Bildrand
ein kleiner Teil des Synagogengebäudes zu sehen. |
Die ehemalige
Synagoge - Zeichnung
von Walter Wagner - nach den erhaltenen
Detailfotos und Erinnerungen vor
Ort |
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Innenraum der
Synagoge mit Blick
zum Toraschrein |
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Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
Mai 2008:
Arbeitsgruppe "Oberaspher Juden" wird
mit dem Otto-Ubbelohde-Preis ausgezeichnet |
Pressemitteilung des Landkreises
Marburg-Biedenkopf (Mitteilung):
"Arbeitsgruppe Oberaspher Juden. Im heute 350 Einwohner zählenden Dorf Oberasphe lebten früher bis zu sieben Familien jüdischen Glaubens. Zu Beginn der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 gab es noch drei jüdische Familien mit insgesamt zweiundzwanzig Personen. Fünfzehn von ihnen verloren im Holocaust ihr Leben. Einige der sieben Überlebenden emigrierten nach Kriegsende in die USA. Heute leben in Oberasphe keine Menschen jüdischen Glaubens mehr. Die Arbeitsgruppe Oberaspher Juden hat sich mit der Geschichte der jüdischen Einwohner vor, während und nach dem
'Dritten Reich' beschäftigt. Dazu wurden umfangreiche Akten- und Archivrecherchen sowie Interviews mit Zeitzeugen durchgeführt und Kontakt mit den in den USA wohnhaften Überlebenden aufgenommen.
Die Ergebnisse der rund zehn Jahre andauernden Arbeit wurden in einem Buch mit dem Titel
'Die Oberaspher Juden' im April 2006 veröffentlicht. Die Autoren sind Horst Wagner, Reiner Naumann und Mark
Engelbach.
Das Buch hat zum Ziel, die (fast) in Vergessenheit geratene Geschichte der so grausam verfolgten Nachbarn zu dokumentieren und für die Kinder und Enkel festzuhalten. Obwohl es heute bereits ein unüberschaubares Angebot an Literatur zum Holocaust gibt, so kann diese Forschung doch einen wichtigen Beitrag leisten. Indem die Schicksale der ehemaligen Oberaspher Juden beschrieben werden, erhält die nicht vorstellbare Zahl der Holocaust-Opfer ein Gesicht. Für die nachfolgenden Generationen wird es wichtig und interessant sein, zu erfahren, welch prägender und bereichernder Bestandteil der Oberaspher Dorfgemeinschaft unwiederbringlich verloren gegangen ist. Das Buch wurde in allgemeinverständlicher Form geschrieben, sollte aber dennoch wissenschaftlichen Ansprüchen genügen. Als Abschluss des Projekts soll in nächster Zeit eine Gedenkeinrichtung für die jüdischen Opfer errichtet werden.
Selbst in kleineren Dörfern können mit Beharrlichkeit und festem Willen Aufarbeitungen zur dunklen Geschichte unserer Nation durchgeführt werden. Das Beispiel Oberasphe zeigt, dass das nicht nur möglich ist, sondern auch gut und nachvollziehbar umgesetzt werden kann.
Der Landkreis würdigt mit der Verleihung des Otto-Ubbelohde-Preises 2008 an die Arbeitsgruppe Oberaspher Juden diesen
Einsatz." |
Link
zum Bericht über die Preisverleihung |
Link
zum Bericht über die Buchvorstellung in der Gemeinde Münchhausen am 5.
Mai 2006
(von hier auch das Foto der drei Autoren des Buches) |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. I S. 148. |
| Kein Abschnitt zu Oberasphe bei Thea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit
1945? 1988 und dies.: Das jüdische Rituelle Tauchbad und: Synagogen in
Hessen. Was geschah seit 1945 Teil II. 1994 und dies. Neubearbeitung der
beiden Bände. 2007. |
| Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.):
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der
Verfolgung 1933-1945. Hessen I Regierungsbezirke Gießen und Kassel. 1995 S.
207 (jedoch falsche Zuordnung der Gemeinde zu Battenfeld und ohne
Informationen zu Oberasphe) |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. 357. |
| Horst Wagner / Reiner Neumann / Mark Engelbach
(Hrsg.): Die Oberaspher Juden. 2006. 236 S. 19,00
€.
Anmerkung: sehr gründlich recherchierte Darstellung zur Geschichte der
jüdischen Familien und des jüdischen Lebens in Oberasphe (siehe
Pressemitteilung oben. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Oberasphe (now
part of Muenchhausen) Hesse. The community numbered 41 (13 % of the total) in
1871, but dwindled to 22 by 1933. Eleven Jews perished in the
Holocaust.
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