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in Oldenburg
Oldenburg (Kreisstadt,
Niedersachsen)
Texte/Berichte zur jüdischen Geschichte der Stadt
im 19. und 20. Jahrhundert (bis nach 1933)
Die nachstehend wiedergegebenen Texte mit
Beiträgen zur jüdischen Geschichte in Oldenburg wurden in jüdischen Periodika
gefunden.
Bei Gelegenheit werden weitere Texte eingestellt. Neueste Einstellung am
11.2.2014.
Übersicht:
Allgemeine
Berichte zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
Allgemeiner
Bericht über die jüdischen Verhältnisse in Oldenburg (1846)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 1. Januar
1846: "Oldenburg, im November (1846). Die soeben erschienene
geistreiche Schrift Jos. Mendelssohn's in Hamburg: 'Eine Ecke
Deutschlands', enthält über die hierländischen jüdischen Verhältnisse
Folgendes:
'Es gibt vielen Kastengeist in Oldenburg, aber so gut wie gar keinen
Judenhass. Da haben wir eine sehr löbliche und in Deutschland seltene
Eigenschaft als Ausgleichung für eine schlimme. Allerdings fordern die
Oldenburger Juden solche Abneigung auch keineswegs heraus. Ihr
Bildungsstandpunkt ist freilich durchschnittlich nicht hoch, aber es fehlt
zum Glück die Rohheit den untern jüdischen Volksklassen, wie sie sich
zum Beispiel in Hamburg und Frankfurt am Main findet und zufolge der
großen Rechnung, welche des Judentums Gegenwart noch mit seiner
Vergangenheit auszugleichen hat, notwendig finden muss. Den herzlichen
Umgang zwischen Christen und Juden hindern in Oldenburg nicht jene
gehässigen, mit der Muttermilch eingesogenen Vorurteile, die sich an
anderen Orten als unübersteigliche Schranken zwischen beiden Konfessionen
auftürmen. Die Zahl der Juden in der Residenz ist freilich sehr klein -
ich glaube, nur 14 Familien - sie verschwinden ganz in der Masse der
Bevölkerung. - Die Haltung der Regierung hinsichtlich der Juden zeigt
einen seltsamen Kontrast. Ungehindert dürfen sie jedes Gewerbe, jedes
Handwerk treiben und das Zunftwesen schließt auch für sie die
Meisterschaft, vollkommene Selbstständigkeit und Zwanglosigkeit nicht
aus. Juden können nicht minder in den Staatsdienst eintreten - was bis
jetzt freilich nur in unteren Regionen zu beobachten war - der
Landrabbiner selbst ist Staatsdiener und wird aus der Landeskasse
besoldet. Der Großherzog ist den Juden sehr freundlich gesinnt; er
äußerte oft sein Vergnügen an jedem intellektuellen und äußerlichen
Fortschritt, den sie machen. Das Konsistorium hat so wenig als das
Ministerium sich ihnen jemals feindselig erwiesen - und trotz dem Allen
besteht ein Gesetz im Lande, welches zu dieser toleranten Richtung einen
schneidenden Gegensatz bildet. Dies Gesetz lehnt sich an das Schutzverhältnis,
in welchem die Juden zur Regierung stehen. Sie sind nicht
Staatsbürger, sondern nur Schutzverwandte. Alle, welche nicht
Kaufleute sind, empfinden dies Verhältnis, wenn es auch an und für sich
das Selbstgefühl tief verletzt, keineswegs als ein drückendes. Umso
schlimmer ist die natürlich überwiegende Mehrzahl der handeltreibenden
Israeliten |
daran.
Von ihnen hat immer nur das Haupt einer Familie den 'Schutz'. Derselbe
geht, stirbt der Vater, auf den ältesten Sohn über; die anderen Söhne
werden nie offener Weise ein eigenes Geschäft betreiben können und
wären sie die tüchtigsten, anerkannt ehrenhaftesten Männer. Zuweilen
zediert der Vater dem Sohne noch bei Lebzeiten den Schutz, wozu er befugt
ist. Nicht selten treiben aber die jüngeren 'schutzlosen' Leute
Geschäfte auf ihre eigene Hand, die zwar illegitim sind, aber weil sie
nicht eigene Firma haben oder die des Vaters annehmen, geduldet werden.
Traurige Beschränkung persönlicher Freiheit, die den Sohn vielleicht zu
der Entsetzlichkeit führt, den Tod seines Erzeugers wünschen zu müssen.
Ursprünglich, wie ich vermute, dem Zwecke entsprungen, den Kleinhandel
der Juden nicht unverhältnismäßig im Lande zu steigern, entbehrt jene
Verordnung doch gewiss jeder moralischen Grundlage und ist doppelt
befremdend innerhalb der Grenzen eines Staates, wo Vernunft und
Gerechtigkeit von jeher am Steuerruder saßen. Der menschliche Sinn und
die helle Anschauungsweise des Großherzogs für alle Dinge wird
hoffentlich auch das Schutzverhältnis seiner israelitischen Untertanen in
ein unbedingt staatsbürgerliches verwandeln. Dass die Gesamtheit
desselben unwert, kann, zur Ehre der Oldenburger Juden sei es gesagt,
niemand behaupten. - Ihre Glaubensgenossen in Jever
haben den Kampf mit alten Vorurteilen erst vor kurzem, nachdem ein neuer
Stadtrat dort erwählt worden, wieder beginnen müssen. Man hat sie
erstens nicht für stimmberechtigt erklärt und zweitens ihre Beiträge
und Ansprüche hinsichtlich der städtischen Armenkasse zurückgewiesen.
Der jeversche Stadtrat wurde sogar von christlicher Seite deshalb
öffentlich angegriffen und gab auch Hofrat Ehrentraut die Erwiderung,
dass die Juden noch nicht als Staatsbürger anerkennt worden.'"
|
Stadtmagistrat
und Stadtrat sollen die Emanzipation der jüdischen Untertanen befürworten
(1848)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 21.
Februar 1848: "Oldenburg, 31. Januar (1846). In No. 46 wurde
erwähnt, dass die hiesige israelitische Gemeinde sich an den Stadtmagistrat
und den Stadtrat mit der Bitte gewendet habe, das Gesuch wegen
Emanzipation der jüdischen Untertanen zu befürworten. Erlauben Sie mir
daher Ihnen das erwähnte Gutachten der genannten Behörden mitzuteilen.
Es ist als ein erfreuliches Zeichen anzusehen, wie die Sache der Juden in
den einzelnen Staaten immer mehr gedeiht und von dem Standpunkte der
Gerechtigkeit und Humanität aus betrachtet wird. Zwar haben sich, wie
immer, auch in hiesiger Stadt Stimmen gegen die Gleichstellung der Juden
erhoben; so hatte der hiesige Generalsuperintendent Herr Böckel im
hiesigen Kirchenblatte das Prinzip des christlichen Staates, wenn auch in
einer für die Juden günstigeren Weise als in Preußen*), geltend zu
machen gesucht, was jedoch von unserm vielgeliebten und geachteten Herrn
Landrabbiner Wechsler, der überhaupt die Sache der ihm anvertrauten
jüdischen Gemeinden in allen Beziehungen wacker vertritt, gründlich
widerlegt wurde.
Das erwähnte Gutachten des Magistrats und Stadtrats zu Oldenburg lautet
wortgetreu also:
'Der Landrabbiner und der Vorsteher der hiesigen israelitischen Gemeinde
haben in der hierbei anliegenden Vorstellung um die Verwendung des
Magistrats gebeten, dass die Aufhebung der für die Juden noch bestehenden
Ausnahmegesetze und deren bürgerliche Gleichstellung mit den christlichen
Untertanen gesetzlich ausgesprochen werde.'
'Der Magistrat hat dem Wunsche der Bittsteller gemäß diese Vorstellung
nebst Anlagen durch das in beglaubigter Abschrift anliegende Protokoll vom
16. September dieses Jahres dem hiesigen Stadtrate mitgeteilt, der sich
nach dem gleichfalls anliegenden Protokolle vom 2. Oktober dieses
Jahres**) dem Beschlusse des Magistrats angeschlossen hat.'
'Der Magistrat beehrt sich nunmehr großherzogliche Regierung diese
Stücke mit dem gehorsamsten Antrage zu überreichen, solche mit einem,
das Gesuch der Bittsteller unterstützenden Berichte an das
landesherrliche Kabinett gelangen zu lassen, damit Seine königliche
Hoheit der Großherzog die Überzeugung gewinne, dass der Wunsch seiner
zum mosaischen Glauben sich bekennenden Untertanen, in ihren Pflichten und
Rechten ihren christlichen Mitbürgern gleichgestellt zu werden, in der
hiesigen Gemeinde auch von diesem Letzteren, durch ihr Organ, die
Gemeindevertreter und die Gemeindebehörde, sich kund gebend, und von
großherzoglicher Regierung selbst, als der über die Juden des Landes die
Aufsicht führenden Oberbehörde und mithin zu einer richtigen Beurteilung
der Verhältnisse derselben vorzugsweise berufen, geteilt
werde.'
'Es würde überflüssig sein, die in den früheren mit anliegenden
Eingaben der Bittsteller umständliche erörterten, für ihr Gesuch
sprechenden Gründe hier wiederholen zu wollen, da der Magistrat das
Vertrauen hegen darf, auch großherzogliche Regierung werde die
Überzeugung teilen, dass durch die Gewährung des vorliegenden Gesuchs
nur eine lange verkannte heilige Pflicht des Christentums und der
Humanität erfüllt werde, eine Pflicht, mit deren Erfüllung nicht
gesäumt werden dürfe, nachdem die bessere Einsicht unserer Zeit sie zu
immer allgemeinerer Anerkennung gebracht hat.'
'Der Magistrat darf daher sich darauf beschränken, die Sache der
geneigten Förderung großherzoglicher Regierung hierdurch nochmals
angelegentlichst zu empfehlen und nur noch in Ansehung der zur hiesigen
Gemeinde gehörigen Juden das Zeugnis hinzuzufügen, dass sie durch treue
und bereitwillig Erfüllung ihrer Pflicht als Staats- und Gemeindebürger,
durch Fleiß und Strebsamkeit, sowie durch sittliches und gesetzliches
Betragen der Gewährung jenes Gesuch sich würdig bewiesen haben.
Oldenburg, den 22. Dezember 1847. Der Stadtmagistrat.'
Ganz in demselben Sinne haben auch der Stadtmagistrat und Stadtrat zu Jever
eine Befürwortung für die Gleichstellung der jüdischen Untertanen
abgegeben, sodass zu erwarten steht, dass die politische Stellung der
jüdischen Untertanen des Großherzogtums bald eine bessere und eine dem
Geiste der Zeit angemessenere werden wird. Zwar muss diese so wichtige
Angelegenheit bei der hohen Landesregierung und im Kabinett noch ihre Erledigung
finden, indessen hoffen wir das Beste. Den Ausgang erlaube ich mir Ihnen
zur Zeit mitzuteilen.
Lichtenstein, Lehrer.
Anmerkungen: *) Herr Böckel will die Juden nur von solchen Ämtern
ausgeschlossen wissen, mit denen zugleich eine Überwachung über Kirche
und Schule verbunden ist.
**) In diesem Protokolle heißt: es: 'Derselbe' (der Stadtrat) erklärt
sich einstimmig mit dem Beschlusse des Magistrats einverstanden, indem
auch er dafür hält, dass überall kein Grund vorliegt, die hinsichtlich
der Juden bestehenden exzeptionellen Bestimmungen noch länger fortdauern
zu lassen und dass er vereinigt mit dem Magistrate seinen Wunsch dahin
ausspreche, dass die jüdischen Glaubensgenossen den übrigen
Landeseinwohnern völlig gleichgestellt werden.'" |
Alte
gesetzliche Bestimmungen werden aufgehoben - für jüdische und christliche
Personen sollen dieselben Grundsätze gelten (1849)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 18. Juni
1849: "Oldenburg, 3. Juni (1849). Unser Regierungsblatt vom
15. dieses Monats enthält folgende Publikation:
Die Regierung findet sich veranlasst, zur Vorbeugung etwaiger
Missverständnisse ausdrücklich drauf aufmerksam zu machen, dass die im
Art. 34 des Staatsgrundgesetzes ausgesprochene Unabhängigkeit der staats-
und gemeindebürgerlichen Recht und Pflichten vom religiösen
Bekenntnis, namentlich die Aufhebung der nachstehenden
Ausnahmebestimmungen wegen der Juden mit befasst, und auch
hinsichtlich der darin berührten Verhältnisse nunmehr bei den Juden
völlig dieselben Grundsätze zur Anwendung kommen, welche für die
christlichen Glaubensgenossen gelten.
1) Kein fremder zu Fuß reisender Jude darf das Land betreten, der nicht außer
dem Passe oder sonstigen Legitimationspapieren 25 Thaler bar oder in
Geldeswert vorzeigen kann (Polizeiregelement vom 4. November
1814).
2) Auswärtigen Juden ist das Herumgehen im Lande, um Waren einzukaufen, untersagt
(Regierungs-Bekanntmachung vom 8. September 1817).
3) Die Einwanderung fremder Juden ist verboten und kann ausnahmsweise nur
landesherrlich bewilligt werden (Verordnung vom 14. August
1827).
4) Jeder Jude bedarf, um sich selbstständig niederlassen zu können,
eines landesherrlichen auf einen bestimmten Ort und ein bestimmtes Gewerbe
lautenden Schutzbriefes (Verordnung vom 14. August 1827).
5) Den Juden ist der Hausierhandel, der Schacherhandel, sowie die
Betreibung der Gast- und Schankwirtschaft untersagt.
Unlegitimierte Juden werden als des Hausierens verdächtig angesehen und
behandelt. (Regierungs-Bekanntmachung vom 28. Januar 1815 und 8. September
1817. Verordnung vom 14. August 1827).
6) Das Schlächtergewerbe ist von den Handwerksbetrieben ausgenommen,
welche zur Erlangung einer Schutzkonzession befähigen. (Höchste
Resolution vom 19. November 1835).
7) Die Juden dürfen der Regel nach ausländische jüdische Gehilfen und Dienstboten
nicht annehmen (Verordnung vom1 4. August 1827).
8) Jüdische Kaufleute sind für das Betragen ihrer Lehrlinge und Gehilfen
verantwortlich (Regierungsbekanntmachung 27. Juli 1826).
9) Nur der mit einem Schutzbriefe versehene Jude darf sich verheiraten,
und es bleibt auch bei dem beschutzten Juden in allen Fällen noch
besondere obrigkeitliche Erlaubnis zur beabsichtigten Eingehung einer Ehe
erforderlich. Verheiratet sich ein Jude im Auslande, ohne Einwilligung der
hiesigen Obrigkeit, so wird er bestraft und die Ehefrau zurückgewiesen. (Verordnung
vom 14. August 1827 und Regierungsbekanntmachung vom 22. November
1836).
10) Jeder beschutzte Jude ist schuldig, für den Unterhalt seiner
Geschwister zu sorgen (Verordnung vom 14. August 1827). 11) Er
darf den Ort und das Bewerbe, worauf der Schutzbrief lautet, nur mit
besonderer Erlaubnis der Regierung wechseln
(ebendaselbst). |
12)
Der Jude verliert die erlangte Schutzkonzession, wenn er Bankrott macht,
oder wegen Diebstahls oder Betrugs bestraft, oder wegen eines
anderweitigen schweren Verbrechens nur von der Instanz entlassen ist (ebendaselbst).
13) Die Juden sind von der Wählbarkeit zu Gemeindeämtern und
Gemeindediensten ausgeschlossen (Landgemeindeordnung und
Stadtordnung).
Oldenburg, den 8. Mai 1849. Mutzenbecher. Strackerkan.
Diesen Ausnahmebestimmungen waren die Juden Oldenburgs bis noch vor
wenigen Monaten unterworfen. Es kann jedoch nicht unbemerkt bleiben, dass,
wie sich in anderen Ländern die Juden einer Emanzipation auf dem Papiere
zu erfreuen hatten, die bei uns zu Rechte bestehenden Beschränkungen
teilweise auch nur auf dem Papiere standen, und selten, fast gar nicht in
Anwendung gebracht worden sind.
In Jever ist ein Jude, Herr Lewenstein, mit
großer Majorität in den Stadtrat gewählt worden. L." |
Besuch
in der jüdischen Gemeinde Oldenburg (1901)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 26. September
1901: "Aus dem Großherzogtum Oldenburg. Zum ersten Male
traf mich das Geschick, dass ich einen Rosch Haschonoh (Neujahresfest)
in Norddeutschland verleben musste, denn ein unglücklicher Zufall ließ
mich auf der Rückreise von Norderney in der Residenzstadt Oldenburg
hängen. Ich fügte mich wohl oder übel in meine Lage, habe aber manche
Einrichtungen hier kennen gelernt, die ich der Öffentlichkeit nicht
vorenthalten möchte und vielen Gemeinden zur Nachahmung
empfehle.
Am Eref Rosch Haschonoh (Tag vor dem Neujahrsfest) wollte ich mir
eine Karte lösen für einen Synagogenplatz, da wurde mir vom Vorstande
geantwortet: 'Bei uns hat jeder Fremde freien Zutritt zum Gotteshause, wie
einst im Tempel Salomos, die Befriedigung der religiösen Bedürfnisse
darf den Israeliten in heutiger Zeit nicht erschwert, sondern sie
muss ihnen erleichtert werden.' 'Ja', erwiderte ich, 'zahlen denn
Ihre Gemeindemitglieder nicht ihre Plätze?' 'Nein' war die Antwort, 'wir
erheben so viel Gemeindesteuern, wie wir brauchen und sammeln keine Schätze,
bei uns werden die Plätze nach dem Lebensalter jedem frei angewiesen: die
Verfassung im alten Israel war eine demokratische, im Gotteshause
sollen nicht die Reichen, die ihre Plätze teuer bezahlen können, die
ersten Reihen füllen, und die Armen hinten stehen, sondern vor
Gott muss Gleichheit herrschen'. So bemerkte ich denn auch in der Tat
in dem sehr ansprechenden Gotteshause, das bis das das letzte Plätzchen
gefüllt war, eine strenge Durchführung dieses Prinzips. So zum Beispiel
werden hier keine Mizwos und Alijos verkauft, sondern es geht alles der
Reihe nach, und fährt im nächsten Jahre da fort, wo man im
vorhergehenden stehen geblieben, damit jedes Gemeindemitglied an den Hohen
Tagen zu seinem Rechte gelange und nicht nur die Reichen alle Mizwos in
Erbpacht halten. Der Gottesdienst war musterhaft geordnet und in
althergebrachter Art. Der Herr Rabbiner Dr. Mannheimer hielt sowohl
am Vorabend, als auch an jedem der beiden Tagen eine Predigt, und ich muss
offen bekennen - obgleich ich in meiner Vaterstadt sehr verwöhnt bin -
dass ich nie im Leben einen Kanzelredner von solch' hinreißender
Beredsamkeit gehört habe. Das waren echt jüdische phrasenlose Predigten,
und unwillkürlich dachte ich an das Wort Philipps von Mazedonien an
seinen Sohn Alexander: 'Mein Sohn, suche dir ein anderes Königreich.
Mazedonien ist zu klein für dich.' Auch die Chasanim (Vorbeter)
waren recht gut; ich war über die Gemeindeverhältnisse umso angenehmer
enttäuscht, als ich mir eine schlechtere Vorstellung von solchen
norddeutschen Plätzen gemacht hatte. Die jüdischen Geschäfte waren
hier, soviel ich beobachten konnte, sämtlich geschlossen. Nur ist hier
leider keine jüdische Restauration, man ist auf Privatunterkommen
angewiesen. Doch der unangenehme Zwischenfall hat allmählich einer
angenehmeren Stimmung Platz gemacht, und ich veröffentliche meine
Erlebnisse - da ich selbst Vorsteher in einer süddeutschen Gemeinde bin,
und hier Einrichtungen vorfand, die ich sehr zur Nachahmung empfehle.
St." |
Sitzung
des Jüdischen Landesgemeinderates in Oldenburg mit Bestätigung einer
selbständigen Gemeinde in Bant (1905)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 21.
April 1905: "Oldenburg (Großherzogtum), 16. April (1905). Die
diesjährige Sitzung des Jüdischen Landesgemeinderates, der man, wie
immer, in allen Gemeinden mit großem Interesse entgegensah, fand am 9.
dieses Monats statt. Der Vorsitzende, Landrabbiner Dr. Mannheimer,
eröffnete die Sitzung mit einer bemerkenswerten Ansprache an die
Vertreter der Gemeinden. Er betonte den Segen, der durch die Einrichtung
eines Landesgemeinderates für unsere jüdischen Gemeinden erwachse, indem
durch diese Selbstverwaltung auf breitester Grundlage die Gemeinden in der
Lage seien, alle Angelegenheiten unter sich zu ordnen, ohne, wie dies in
Preußen der Fall sei. Regierungsorgane oft mit unerquicklichen
Angelegenheiten zu behelligen. Deshalb bat der Vorsitzende die Vertreter,
auch die Meinungen und Ansichten etwaiger Gegner innerhalb der Gemeinden
wohlwollend zu behandeln, da Gegenansichten absolut nichts schaden, es
müsse nur alles vermieden werden, Gemeindeangelegenheiten in
öffentlichen Zeitungen auszutragen, nur so könne dem Antisemitismus der
Boden entzogen werden. Darum sei auch er als Vorsitzender stets bereit, im
Landesgemeinderate diesem Prinzip zu huldigen. Von den Vorlagen wurde vor
allem die seit einigen Jahren schwebende Frage 'Bant
als eigene Gemeinde mit einer Vertretung im Landesgemeinderate zu
errichten', endgültig gelöst. Da der Vorsitzende im Namen des
Staatsministeriums die Genehmigung zusagen konnte, so wurde Bant
mit 27 jüdischen Familien einstimmig als eigene Gemeinde proklamiert.
Nachdem ferner der Landesgemeinderat in geheimer Sitzung Herrn
Landesrabbiner Dr. Mannheimer in dessen Abwesenheit eine erhebliche
Gehaltserhöhung bewilligte, erklärte der Landrabbiner bei seinem Wiedererscheinen,
dass er von nun ab auf sämtliche im § 24 d. Gs. Beschl. festgelegten
Gebühren für Trauungen, Beerdigungen und Geburtsscheine verzichte, damit
er voll und ganz rein ideal in Freud und Leid seinen Gemeinden als
Seelsorger zur Seite stehen könne. Diese Erklärung machte auf alle
Anwesenden einen erhebenden Eindruck. Zum Delegierten für den Gemeintag
wurde der Vorsitzende für die Synagogengemeinden der Herzogtümer
bestimmt. Der Vorstand einer Gemeinde hatte beschlossen, am Sabbat und an
den Feiertagen beim Hauptgottesdienste nur solche selbständigen Herren
zur Tora aufzurufen, welche einen Zylinderhut tragen. Gegen diesen
Beschluss war eine Petition von einem Gemeindemitglied an den
Landesgemeinderat eingereicht worden, welche auf Aufhebung dieses
Beschlusses hinzielte. Die Petition wurde abgelehnt; im Gegenteil man fand
dies Verlangen des betreffenden Vorstandes sehr zeitgemäß und
nachahmenswürdig. Nach einigen anderen Vorlagen und nach der Verteilung
des Staatszuschusses und den Bewilligungen für Kultus- und
Unterrichtszwecke wurde die Versammlung geschlossen, auf die ein
gemeinsames Essen folgte." |
Aus der Geschichte
der Rabbiner in Oldenburg
Übersicht über die Landrabbiner in Oldenburg
| 1828 bis 1830: Rabbiner Dr. Nathan Marcus Adler (geb.
1803 in Hannover, gest. 1890 in Brighton, England): studierte in Würzburg
und Erlangen; seit 1828 Rabbiner in Oldenburg, seit 1830 in Hannover; seit
1845 Chief-Rabbi des Britischen Reiches mit Sitz in
London. |
| 1830 bis 1841: Rabbiner Samson Raphael Hirsch (geb.
1808 in Hamburg, gest. 1888 in Frankfurt): studierte in Bonn; war seit 1830
Landrabbiner in Oldenburg, von 1841 bis 1846 Landrabbiner in Emden; seit
1847 mährischer Landesrabbiner in Mikulov (Nikolsburg); 1851 Rabbiner der orthodoxen "Israelitischen
Religionsgesellschaft" (später Adass Jeschurun) in Frankfurt am Main. |
| 1841 bis 1874: Rabbiner Bernhard Wechsler (geb. 1807
in Schwabach, gest. 1874 in Oldenburg):
studierte in Würzburg; 1837 Landesrabbiner des Fürstentums Birkenfeld mit
Sitz in Hoppstädten; 1841
Landrabbiner in
Oldenburg. |
| 1875 bis 1890: Rabbiner Dr. Jacob Glück (geb. 1818
in Pleszew [Pleschen] Provinz Posen, gest. nach 1904); studierte in Breslau;
1865 Rabbiner in Samter (Szamotuły); 1875 Rabbiner in Oldenburg; zieht
1890 nach Wien; lebte um 1904 in Eberswalde, Brandenburg. |
| 1891 bis 1919: Rabbiner Dr. David Mannheimer (geb.
1863 in König, gest. 1919 in Bad
Kissingen): studierte in Wien und Berlin; 1888 Stiftsrabbiner und
Oberlehrer in Karlsruhe, 1890 bis 1891 Rabbiner und Religionslehrer in
Lauenburg (Pommern), 1891 bis 1919 Landrabbiner in Oldenburg; vgl. Wikipedia-Artikel
zu Rabbiner Dr. David Mannheimer |
| 1920 bis 1935 Rabbiner Dr. Philipp de Haas
(geb. 1884 in Bad Pyrmont, gest. 1935 in Oldenburg): studierte in Breslau;
1911 zweiter Rabbiner in Posen-Stadt; 1912 bis 1920 Rabbiner in Kattowitz,
Schlesien; seit 1920 bis zu seinem Tod Landrabbiner in Oldenburg. |
| 1935 bis 1936: Rabbiner Josef Herbst (geb. 20.5.1910
in Krefeld); 1935 Landrabbiner in Oldenburg; 1936 nach Düsseldorf
verzogen.
Anmerkung: nach dem Social Security Death Index ist ein am 20.5.1910
geborener J. Herbst im September 1980 gestorben, letzter Wohnort Rego Park,
Queens NY). |
| 1936 bis 1938: Rabbiner Dr. Leo Trepp (geb. 1913 in
Mainz, gest. 2010 in San Francisco): studierte in Frankfurt, Berlin
und Würzburg; 1936-1938 Landesrabbiner von Oldenburg; im November 1938
inhaftiert im KZ Sachsenhausen, danach nach England emigriert, 1939 in die
USA; 1951-1998 u.a. Professor für Philosophie und Geistesgeschichte am
Napa College, CA/USA, gleichzeitig Gemeinderabbiner in Napa. Seit 1983
jährliche Besuche in Deutschland, Gastprofessor an den Universitäten
Oldenburg, Hamburg und Mainz. Zahlreiche hohe Auszeichnungen.
|
Rabbiner
Bernhard Wechsler wird Landrabbiner in Oldenburg (1842)
Am 13. Mai 1841 wurde Samson Raphael Hirsch,
Großherzoglicher Landrabbiner in Oldenburg, zum neuen Landrabbiner für
Ostfriesland mit Sitz in Emden gewählt, wo er bis 1847 blieb. Als Nachfolger
von Rabbiner Hirsch in Oldenburg wurde Bernhard Wechsler ernannt, bis dahin
Rabbiner im Fürstentum Birkenfeld.
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit des 19. Jahrhunderts" vom 6. Februar
1842: "Im Großherzogtum Oldenburg ist man seitens aller besser
gesinnten Israeliten hoch erfreut über die Berufung des früheren
Rabbinen Wechsler (statt Wetzlar) in Birkenfeld an die Stelle des nach Emden gegangenen
Landrabbinen Hirsch. Es soll jener nicht nur dem Kopfe, sondern auch dem
Herzen nach der Partei der Fortschrittes angehören und man erwartet von
ihm viel Ersprießliches für Hebung der israelitischen Zustände im Großherzogtum." |
Über
Neuerungen von Landrabbiner Bernhard Wechsler (1842)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit des 19. Jahrhunderts" vom 12. Juni
1842: "Auch in Oldenburg offenbart sich bereits die
segensreiche Wirksamkeit des neuen Landrabbinen Wechsler. Am ersten
Tage des Passahfestes fand in der dortigen Synagoge die erste Konfirmation
mit beiden Geschlechtern statt. Sowohl die Gemeinde, als die Konfirmanden
waren tief von dieser Handlung gerührt, und die Feierlichkeit derselben
ward noch durch die Erscheinung des humanen Landesfürsten in der Synagoge
erhöht." |
Der
Landrabbiner äußert sich zur Auswanderung vieler deutscher Juden (1847)
Artikel in der Zeitschrift "Der Orient" vom 5. Februar
1847: "Oldenburg, im Januar (1847). (Die Auswanderung.)
Aus einem Vortrage unseres Landrabbiners über 'die Auswanderer' teile ich
Ihnen folgende, die Juden betreffende Stellen mit. 'Wie aber ich, ein
jüdischer Geistlicher, ein Saul unter den Propheten, dazu komme, mich an
eine so wichtige, soziale Frage zu wagen? Es sollte mir leid tun, wenn ich
auf diese Frage eine andere Antwort noch geben müsste, als die schon im
Vortrage selbst gegeben ist. Freilich - wäre die Auswanderung lediglich
ein statistisches Rechnungsexempel, wäre sie von keinem anderen
Gesichtspunkte aus zu behandeln als von dem der materiellen Not,
materieller Zustände, dann hätte ich mir nicht erlauben mögen, ein Wort
mitzureden, dann hätte mich das: ne sutor ultra crepidam - zu deutsch:
niemand soll von etwas urteilen, er verstehe es denn - abschrecken
müssen. Dass aber dem nicht so ist, dass die Auswanderung in Deutschland
mit anderweitigen geistigen Erscheinungen, dass sie mit den wichtigsten
Fragen des Tages innig zusammenhängt - das gerade ist meine feste
Überzeugung. Bei meinen auswandernden Glaubensgenossen und deren
sind ja nicht wenige - ist das klar und offen. Aber auch bei vielen andern
liegt dieser Zusammenhang zu Tage. Nehmen wir die beiden Fälle, welche im
verflossenen Jahre so viel von sich haben reden machen in den
öffentlichen Blättern. Ein Seidensticker wandert aus, weil das Vaterland
keine Duldung für seine politische Meinung hat; der arme Schulm Moses
muss in Amerika sein Heil suchen, weil er ein heimatloser Jude ist, weil
man n den deutschen Landen wohl Prügel und Kerker, aber kein Plätzchen
der Ruhe für ihn hat, weil man sich nicht scheuet, ihn wie einen Fangball
einander zuzuwerfen - greifen dieser Vorfälle nicht tief ein in das
innerliche, geistige Leben der Gegenwart? -
Unter den Auswanderern aus Deutschland in den letzten fünf und zehn
Jahren befinden sich viele, ja Tausende meiner Glaubensgenossen, besonders
aus Bayern und den angrenzenden sächsischen Landen, und besonders ist es
in der Regel das jüngere Geschlecht, das auswandert, also gerade
dasjenige, welches an der Bildung der Zeit teilgenommen hat, welches in
Gewerben, Künsten und Wissenschaften erkräftigt ist und leistungsfähig.
Frägt man nach den Beweggründen, so hört man meistens die Antwort, wir
mögen den Druck und die Zurücksetzung* und die Schmacht der Isolierung
nicht länger ertagen, wir können es nicht mehr da aushalten, wo man die
Konfession und die Abstammung und das Vorurteil der Masse und Gott weiß
was Alles noch auf die Wagschale legt, wenn man uns den Schutz und das
Recht des Bürgers erteilen soll; wo man uns selbst das Recht, ein Nachtwächter,
oder ein Dorfvogt, oder ein Feldhüter zu werden um den Preis eines Religionswechsels
erkaufen lassen will. Nun sind die Zustände und die gesetzlichen Verhältnisse
der Juden auch in diesen Ländern gerade nicht schlimmer geworden, aber
der Schmerz hat sich bei ihnen gesteigert, der Staat, indem er sie
herangezogen und sogar genötigt hat zur Teilnahme an der Entwicklung und
Bildung, hat selbst die Unzufriedenheit entfesselt und so den Entschluss
hervorgerufen.'
*Anmerkung: Leider tragen auch die gesetzlichen Bestimmungen über die
Verhältnisse der Juden im Herzogtum Oldenburg noch den Charakter der
Ausschließung und kränkenden Zurücksetzung. Ich sage die gesetzlichen.
Denn im bürgerlichen Leben und Verkehr ist diese Zurücksetzung schon
ziemlich geschwunden und schwindet täglich mehr, ist das
nichtchristliche Bekenntnis kaum ein Hindernis mehr für die Teilnahme an
allem, was die Zeit bewegt, und am wenigsten hat Schreiber dieses Grund,.
über solche Zurücksetzung zu klagen. Aber der gesetzliche Buchstabe
bannet die Juden noch immer in ein Ghetto von Ausnahmen, schließt sie aus
von allen Gemeindeämtern, ja selbst von den niedrigsten Kommunaldiensten,
hat für ihre Niederlassung einen besonderen Modus, ein Schutz- und
Konzessionswesen, das noch ganz die alte, vergilbte Farbe trägt. Schritte
zur Aufhebung dieser Bestimmungen sind sowohl vom Verfasser als auch von
mehreren jüdischen Gemeinden des Landes getan worden; bis jetzt jedoch
ohne Erfolg. Denn es hinkt auch bei uns der gesetzliche Fortschritt dem
allgemeinen nur langsam nach. Hoffen wir jedoch, dass er nicht lange mehr
auf sich warten lassen." |
Todesanzeige
zum Tod von Landrabbiner Bernhard Wechsler (1874)
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 14. November 1874: "Nachdem ich am 5. dieses Monats meine
liebe Mutter verloren, entschlief heute auch mein lieber, guter Vater der
Landrabbiner Bernhard Wechsler, im 67. Lebensjahre und im 37. Jahre
seines Wirkens in Oldenburg.
Oldenburg, den 18. November 1874. Alfred Wechsler."
|
Zum Tod von
Landrabbiner Bernhard Wechsler (1874)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 1. Dezember 1874: "Oldenburg, 18. November (1874). Gestern
verstarb hier nach mehrjähriger Kränklichkeit der Großherzogliche Landrabbiner
Bernhard Wechsler, nachdem ihm vor vierzehn Tagen seine Gattin im Tode
vorangegangen. Viele Jahrzehnte hat Wechsler eifrigst seinem Amte
obgelegen und sich um die Israeliten unseres Landes große Verdienste
erworben. Er war ein entschiedener Verfechter der Reform mit Wort und Tat,
ein überzeugungstreuer und offenmutiger Mann. Erschienen von ihm sind
einige Predigten und Broschüren, sowie einige Artikel in dieser Zeitung
und in Geiger's Zeitschrift. Er hatte sich die Hochachtung Aller erworben,
welche mit ihm in Berührung kamen, besonders auch der höchsten Behörden
des Landes. Sein Andenken wird noch lange segensreich wirken." |
Diskussion
um die Verhaltensweise des Evangelischen Oberkirchenrates anlässlich der
Beerdigung von Landrabbiner Bernhard Wechsler (1874)
Anmerkung: nach dem Tod von Landrabbiner Wechsler sah sich die jüdische
Gemeinde nicht in der Lage, einen Rabbiner oder einen anderen kompetenten jüdischen
Redner für die Totenfeier zu verpflichten und hat deshalb den evangelischen
Pfarrer Späth als Freund des Verstorbenen, am Grab zu sprechen. Späth
erklärte sich dazu bereit, und auch der Oldenburger Kirchenrat war einverstanden,
nicht jedoch der Evangelische Oberkirchenrat, der sich in der anschließenden
öffentlichen Auseinandersetzung dem Vorwurf der Intoleranz stellen
musste.
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 8. Dezember 1874: "Der Vorgang in Oldenburg.
Über den Vorgang bei der Beerdigung des Großherzoglichen Oldenburgischen
Landrabbiner Herrn Bernhard Wechsel (siehe Zeitungsnachrichten) erhalten
wir aus Bremen vom 26. November ein Schreiben, worin es
heißt:
'In Oldenburg hat dieses Ereignis einen großen Sturm hervorgerufen. Der
Bescheid wird in den öffentlichen Blättern als intolerant bezeichnet und
das Verfahren der genannten Kirchenbehörde allgemein gemissbilligt. Auch
in den hiesigen Blättern wurde dieser Vorfall besprochen und der Bescheid
ebenfalls verdammt. In einem in den 'Bremer Nachrichten' enthaltenen Artikel
wird, und wir glauben nicht mit Unrecht, die Frage aufgeworfen, ob es
überhaupt nötig gewesen wäre, diesen Sturm heraufzubeschwören. Es heißt
dann weiter in demselben Artikel: 'Der Vorstand der israelitischen Gemeinde
durfte doch niemals das aus dem Auge verlieren, dass der Verstorbene ihr Rabbiner
- Landesrabbiner war, und wenn er auch zu den freisinnigsten Theologen
zählte, so hätte der Vorstand doch zunächst das sich angelegen sein
lassen müssen, dass nicht nur die vorgeschriebenen zeremoniellen
Begräbnisfeierlichkeiten von einem jüdischen Geistlichen vollzogen
wurden, sondern dass dieser auch die eigentliche Grabrede hielt. Konnte,
wenn dies geschehen, nicht noch immer Pastor Späth im rein
menschlichen Sinne dem Verstorbenen als Freund den letzten Scheidegruß
zurufen? dazu hätte die Erlaubnis bei dem Oberkirchenrate kaum erst
eingeholt werden müssen. Solange es dem Vorstande der israelitischen
Gemeinde nicht an Bekanntschaft mit jüdischen Theologen fehlte, die im
Stande gewesen wären, des Verstorbenen Leben, Wirken und Verdienste
gehörig zu würdigen und zu feiern, solange hätte er sich an diese
wenden können und zunächst wenden müssen. Wenn der dem Verstorbenen
verwandte Oberrabbiner in Berlin (Dr. Aub) verhindert war, am Grabe zu
erscheinen, so hätte gewiss noch zeitig genug ein anderer Rabbiner
veranlasst werden können, die Grabrede zu halten, und die Leiche hätte
nicht beinahe sechs Tage über der Erde gestanden und die ganze
unangenehme Affäre mit dem Oberkirchenrate wäre aus der Welt
geblieben.'
Der ganze Vorgang enthält allerdings sehr viele Eigentümlichkeiten. Man
findet sich veranlasst zu fragen:
1) Warum hat der Vorstand der jüdischen Gemeinde zu Oldenburg offiziell
die Leichenrede des Herrn Pastors Späth erbeten?
2) Warum hat Herr Pastor Späth um die offizielle Erlaubnis des Oberkirchenrats
nachgesucht?
3) Warum hat der Oberkirchenrat diese Erlaubnis
verweigert?
Dass der Mangel an Gelegenheit und Zeit das Verfahren des Vorstandes nicht
verursacht habe, ist unzweifelhaft; denn er hat die Leiche sechs Tage
über der Erde gelassen, um das Resultat der Verhandlung mit Pastor Späth
abzuwarten, Telegraph |
und
Eisenbahn machen es aber gegenwärtig möglich, während eines solchen
Zeitraumes einen oder mehrere Rabbiner selbst von der Südspitze Europas
herbeizuholen. Gab es in der Nähe oder in einiger Entfernung nicht Kollegen
genug, nicht Freunde des Verblichenen, welche auf die erste Anzeige oder
Aufforderung zu diesem Liebesdienste herbeigeeilt wären? Wir könnten
wohl ein halbes Dutzend gar nicht fernwohnender Rabbiner nennen, welche
sich mit völliger Bereitwilligkeit hierzu verstanden hätten. Es war die
nächste Pflicht des Vorstandes, dies zu erstreben, und statt eine
Erklärung gegen den Oberkirchenrat zu erlassen, hätte es dem Vorstande
der jüdischen Gemeinde viel eher angestanden, sich über dieses
sein Verfahren zu rechtfertigen. Was wollte er denn eigentlich? Wollte
er die Kollegen des Verstorbenen als zu dieser Handlung ungeeignet
bezeichnen? Oder wollte er ausdrücken, dass der Verstorbene nicht durch
seine Glaubensgenossen und Kollegen, sondern durch einen christlichen
Geistlichen betrauert sein wollte? Beides trauen wir dem Vorstande nicht
gerade zu, aber betätigt hat er es. Er hat hierdurch, abgesehen von allen
zeremoniellen Bedürfnissen, das Gefühl seiner Glaubensgenossen aufs
Tiefste verletzt und sich gewissermaßen von denselben abgesondert; er hat
die Achtung und Würde seiner Religion völlig aus den Augen gesetzt und
sie, soweit es an ihm ist, kompromittiert. Denn hiermit war es durchaus
nicht ausgeschlossen, dass Herr Pastor Späth als Freund des Verblichenen
am Grabe reden und seinen Gefühlen Worte leihen konnte. Das wäre gewiss
ein schönes Zeugnis beiderseitiger Wertschätzung gewesen und hätte
herzliche Befriedigung hervorgerufen. Aber dass der Vorstand als solcher
ihn offiziell zur Abhaltung der offiziellen Leichenrede und ihn allein
ohne irgendeinen Kollegen Wechslers aufgefordert - dies brachte die Sache
in eine ganz andere und zwar verkehrte Lage. Denn dies erklärt zugleich,
warum Pastor Späth um die Erlaubnis bei der vorgesetzten Behörde einkam.
Es war so zu einer amtlichen Handlung, zu einem offiziellen Akte
des christlichen Predigtamtes geworden. Als Freund am Grabe des Freundes
zu sprechen, hätte er wohl schwerlich Anstand genommen; aber in seinem
amtlichen Charakter dem jüdischen Leichenbegängnisse die christliche
Weihe zu geben, war etwas Anderes. Hieraus endlich erklärt sich auch die
Weigerung des Oberkirchenrates. Dieser hätte zwar humaner und zugleich
klüger gehandelt, wenn er Herrn Späth gesagt hätte: Als Freund an der
Gruft des Freundes zu sprechen, ist unverwehrt, aber als christlicher
Prediger in amtlicher Funktion, kann es nicht gestattet werden. Jedenfalls
aber hat er ein Motiv für seine Weigerung, das er gerade dem jüdischen
Vorstande in die Schuhe schieben kann, und das er dem letztern auch nicht
ersparen wird. Er wird ihm sagen: wollt Ihr Funktionen des christlichen Kirchenamtes,
so werdet zuvor Christen.
Wir haben vor einiger Zeit mitzuteilen gehabt, wie in einer Landgemeinde
der dortige Pastor, als ihn die Juden um eine Leichenrede bei einer
jüdischen Frau gebeten, die Gelegenheit |
wahrgenommen,
am offenen Grabe auf den Judentum und die Juden nachdrücklich zu
schmähen, und zogen daraus die Mahnung, dass unsere Glaubensgenossen bei
solchen Gelegenheiten vorsichtiger sein, und den Anstand, und die Würde
ihrer Religion sorgfältiger berücksichtigen sollten. Es wäre nun sehr
ungerecht, derartige Vorwürfe weiter als auf die einzelnen Vorkommnisse
auszudehnen. Bei einer so außerordentlichen Zerstreutheit wie die, in
welcher die Juden leben, findet es sich wohl, dass Einzelne oder auch
Korporationen in einer einseitigen Absicht fehlgreifen. Zu warnendem
Exempel aber müssen derartige Fälle nach allen Seiten
dienen." |
|
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 8. Dezember 1874: "Oldenburg, 23. November
(1874). Die 'Oldenburger Zeitung' meldet: 'Vor einigen Tagen verstarb hier
ein Mann, der sich seit einer langen Reihe von Jahren in seinem hiesigen
Berufskreise stets Achtung erworben und der sich in weiteren Kreisen durch
sein warmes Interesse für die politische Entwicklung Deutschlands in
vorteilhafter Weise bekannt gemacht hat, der Landrabbiner Wechsler.
Von mehreren ihm nahestehenden Personen wurde gewünscht, dass am Grabe
desselben einige Worte von einem zu solchem Liebesdienste qualifizierten
Manne geredet würden. - Der Herr Pastor Späth erklärte auf eine
dieserhalb an ihn ergangene Anfrage, es würde ihm eine Freude sein, dem
ihm wohlbekannten und von ihm hochgeschätzten Verstorbenen diese letzte
Ehre erweisen zu können. Vom Großherzoglichen Oberkirchenrat wurde die
Genehmigung dazu erbeten; aber diese hohe Behörde hat es für bedenklich
angesehen, dass ein christlicher Pfarrer, der die Nächstenliebe zu
predigen hat, einem ehrenwerten Angehörigen einer anderen Konfession den
Liebesdienst erweise, den er, in diesem Falle nicht ex und in officio
fungierend, ihm so gern erwiesen hätte. Die Genehmigung wurde verweigert.
Vor hundert Jahren suchte Lessing die Menschheit zu erlösen von der
Herrschaft der Intoleranz und anderer Mächte der Finsternis. Ob der wohl
in manchen Teilen des protestantischen Deutschlands noch unbekannt
geblieben ist?' Der Vorstand der israelitischen Gemeinde hat aus Anlass
dieses Vorfalls heute in den hiesigen 'Nachrichten für Stadt und Land'
eine Erklärung erlassen, in welcher die Tatsachen mit dem Bemerken
veröffentlicht worden, es müsse sehr im öffentlichen Interesse liegen,
'den wahren Standpunkt der oberen evangelischen Kirchenbehörde im
Oldenburger Lande zu kennzeichnen. - Wie wir vernehmen, ist Pastor Späth
Mitglied des Protestantenvereins und steht an der Spitze des aus
Orthodoxen bestehenden Oberkirchenrats der Geheime Staatsrat Runde.' (Wir
berichteten vor einiger Zeit als Gegensatz, dass in Godesberg ein sehr
strenggläubiger katholischer Geistlicher einem jüdischen Mitbürger eine
sehr schöne, würdigende Leichenrede gehalten. Freilich, ob seine
kirchliche Oberbehörde es gebilligt hätte, wenn er angefragt, bezweifeln
wir. Redaktion)." |
|
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 22. Dezember 1874: Oldenburg, 3. Dezember (1874). Wie kürzlich
mitgeteilt, hatte der großherzogliche Oberkirchenrat dem Pfarrer Späth
auf dessen Anfrage, ob er dem Ansuchen des hiesigen israelitischen
Gemeindevorstandes, am Grabe des Landrabbiners Wechsler eine Rede zu
halten, entsprechen könne, einen abschlägigen Bescheid gegeben und
denselben durch die 'Rücksicht auf seine Stellung als Pfarrer der
hiesigen evangelisch-lutherischen Gemeinde' begründet. Nunmehr hat der
Kirchenrat der evangelisch-lutherischen Gemeinde beschlossen, dem
Oberkirchenrate ein Schreiben zugehen zu lassen, da die Aufregung über
die Maßregel in der Kirchengemeinde groß sei und dieselbe gerade das
Gegenteil von der Behörde erwartet habe.
Das Schreiben lautet:
An den großherzoglichen evangelischen Oberkirchenrat.
Der großherzogliche Oberkirchenrat hat dem Pfarrer Späth auf dessen
Anfrage, ob er dem Ansuchen des hiesigen israelitischen
Gemeindevorstandes, am Grabe des Landrabbiners Wechsler eine Rede zu
halten, entsprechen könne, einen abschlägigen Bescheid gegeben und
denselben durch die 'Rücksicht auf seine Stellung als Pfarrer der
hiesigen evangelisch-lutherischen Gemeinde' begründet, obgleich nach
seiner Versicherung der Pfarrer Späth in einer Unterredung zwischen ihm
und dem Herrn Präsidenten des Oberkirchenrats gleich von vornherein
erklärt hatte, dass weder er, noch der israelitische Gemeindevorstand an
ein Auftreten im Talar, also in seiner Eigenschaft als evangelischer
Geistlicher, denke. Da die Aufregung über diese Maßregel in unserer
Kirchengemeinde groß ist und dieselbe gerade das Gegenteil von der
Behörde erwartet hat, da ferner auch der Kirchenrat als die gesetzliche
Vertretung der Gemeinde der Ansicht ist, dass ein Eingehen auf das Gesuch
der israelitischen Gemeinde in jeder Hinsicht unverfänglich und dem
christlichen Geist entsprechend gewesen wäre, so bitten wir den
großherzoglichen evangelischen Oberkirchenrat um Aufschluss, inwiefern
nach seiner Ansicht ein solches Verweigern durch Rücksicht auf unsere
Gemeinde gefordert war, wie wir denn auch nicht zweifeln, dass man
überall in der Gemeinde auf eine Erklärung darüber wartet. Der
Kirchenrat: Späth". |
|
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 22. Dezember 1874: "Bremen, 9. Dezember (1874). Der
städtische Kirchenrat in Oldenburg hat an den großherzoglichen
evangelischen Oberkirchenrat ein Schreiben gerichtet, worin dieser um
Angabe der Gründe gebeten wird, weshalb es dem Pastor Späth nicht
gestattet worden sei, an Wechslers Grabe zu reden. Die Antwort hierauf ist
bereits durch ein Mitglied des Oberkirchenrats, Herrn von Wedderkop,
erfolgt. Wie die 'Bremer Nachrichten' sich aus Oldenburg schreiben lassen,
erklärt dieser, 'es könne nicht Sache des Oberkirchenrates als solcher
sein, sich wegen einer von ihm erlassenen Verfügung gegen Angriffe und
Aburteilungen in Lokalblättern zu verantworten; er dagegen, als einzelnes
Mitglied dieser Behörde, glaube Einiges erwidern zu dürfen. Zunächst
teilt er nun die Anfrage Späth's mit, der um die Erlaubnis bittet, an dem
Grabe des Rabbiners Wechsler einige Worte zu reden, weil es nicht möglich
sei, einen Rabbiner kommen zu lassen. Er bittet um Entscheidung, ob diesem
Ansinnen von ihm stattgegeben werden kann oder nicht. - Die hierauf
erteilte Resolution habe dahin gelautet, dass der Oberkirchenrat mit
Rücksicht auf Späth's Stellung als Pfarrer der hiesigen
evangelisch-lutherischen Gemeinde nicht billigen kann, wenn er dem an ihn
gestellten Ersuchen entsprechen würde. - Es hätte, meint Herr von
Wedderkop, nicht zweifelhaft sein können, dass es sich um die Frage
handle, ob Späth in seiner Qualität als Pfarrer bei der in Rede
stehenden Beerdigung reden, hier amtlich fungieren dürfe; denn einesteils
würde er, wenn er nur als Freund, also außeramtlich, dem Verstorbenen an
dessen Grabe einen Nachruf widmen wollte, bei der oberen Behörde nicht
nachgefragt, noch nachzufragen nötig gehabt haben: andernteils gebe seine
Eingabe als Grund des ihm gemachten Ansinnen an, es 'sei nicht möglich
gewesen, einen Rabbiner kommen zu lassen', dieser habe also durch den
evangelischen Pfarrer ersetzt werden soll. Es sei nun aber wohl
unzweifelhaft, dass der Pfarrer an einer Gemeinde der evangelischen Kirche
zu pfarramtlichen Funktionen außerhalb des Gebietes dieser Kirche keine
Berechtigung habe und auch die Oberkirchenbehörde nicht ermächtigt sei,
ihm eine solche zu erteilen. Es habe sich hier lediglich um die kirchliche
Ordnung (Kirchenverfassungsgesetz III Z. 1) gehandelt; christliche Liebe,
religiöse Duldsamkeit, Glaubensbekenntnisse, Dogmen usw. seien hier
schlechterdings nicht in Frage gekommen. Herr von Wedderkop selbst würde,
obwohl Mitglied der Oberkirchenrats, wenn darum angegangen und dazu
befähigt, keinen Anstand genommen haben, ein Wort am Grabe des
hochgeschätzten Mannes zu reden.'
Es geht hierauf hervor, dass Sie in Ihrem desfallsigen Leitartikel (Nr.
50) vollständig das Richtige getroffen haben." |
Antrittsrede
von Landrabbiner Dr. Glück in der Synagoge (1875)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 23. November 1875: "Oldenburg, 4. November (1875).
Nachdem der neu ernannte Landrabbiner, Herr Dr. Glück, am 29.
vorigen Monats durch den Herrn Geheimen Staatsrat und Präsidenten des
Oberkirchenrats, Dr. Runde, vereidigt und in sein Amt eingeführt
worden, hielt derselbe am Sonnabend, den 30. vorigen Monats, in der
hiesigen Synagoge vor der zahlreich versammelten Gemeinde seine
Antrittsrede. Dieselbe wird durch den Druck veröffentlicht." |
Über Rabbiner Dr. David
Mannheimer (Artikel von 1891)
Anmerkung: Rabbiner Dr. David Mannheimer (geb. 1863 in König als Sohn
des Mordechai Mannheimer, gest. 1919 in Bad Kissingen): nach rabbinischen
Studien in Burgpreppach und Darmstadt war er 1884/85 an der Breuer-Jeschiwa in
Pápa und studierte anschließend in Wien und Berlin. In Berlin war er zunächst
als Religionslehrer tätig, 1888 Stiftsrabbiner und Oberlehrer in Karlsruhe,
1940 Rabbiner und Religionslehrer in Lauenburg (Lębork). Von 1891 bis 1919
war er Landrabbiner in Oldenburg; er starb während eines Kuraufenthaltes in Bad
Kissingen.
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. April 1891: "Oldenburg,
12. April (1891). Mein Telegramm vom vergangenen Sonntage brachte Ihnen
bereits die frohe Kunde von der Wahl des Herrn Rabbiner Dr. Mannheimer
in Lauenburg in Pommern zum Großherzoglich Oldenburgischen
Landesrabbiner.
So hat denn endlich die Rabbinerfrage bei uns eine so schöne Lösung
gefunden. Es ist zweifellos ein glänzender Triumph des gesetzestreuen
Judentums, der hier errungen worden. Gegen 40 Bewerber hatten sich für
das erledigte Rabbinat gemeldet, aus dieser Zahl wurden 4 zur engeren Wahl
gestellt und von diesen vier vereinigte wiederum Herr Dr. Mannheimer durch
seinen rednerischen Erfolg alles Sympathien auf sich. Der Eindruck, den
seine Rede hervorrief, erhellt am Besten aus der folgenden Stelle des hier
ausgegebenen Wahlaufrufes: 'Herr Dr. Mannheimer betrat die Kanzel, Gleich
die Einleitung seiner Rede fesselte die Zuhörer und voll poetischen
Schwunges, gleichsam durchdrungen vom Feuer der Begeisterung, von wahrer
Frömmigkeit, hob er die Hörer aus ihrer Alltäglichkeit zu sich empor
und ließ sie seinen Worten voll Andacht lauschen. Wie packend waren seine
Ausführungen über das wahre Glück, über den wahren Reichtum, wie zu
Herzen gehend seine Worte von Elternfreuden und Mutterglück und beim
Schluss der Rede schimmerten die Tränen echten Gefühl in vielen Augen.
Der Gesamteindruck war ein ganz vorzüglicher.'
Obgleich unser neue Herr Rabbiner die Bedingung auf Entfernung des
Harmoniums aus der Synagoge aufstellte, wurde er doch einstimmig gewählt,
es ist dies ein glänzender Beweis dafür, dass man auch hier angefangen
hat einzusehen, dass die Erhaltung des Judentums nicht in der Missachtung
seiner Gebote, sondern in der treuen Befolgung seiner altbewährten Vorschriften
allein zu suchen ist. Die Freude in unserer Stadt ist allgemein: Gott
segne unseren neuen Rabbiner! (Nachbemerkung der Redaktion).
Wir brauchen wohl nicht hinzuzufügen, welche Kraft Oldenburg in Dr.
Mannheimer gewonnen hat.
Herr Dr. Mannheimer 1863 in König im Odenwald geboren, absolvierte das
Gymnasium in Darmstadt, worauf er die Jeschiwah zu Papa besuchte, um zu
Füßen des großen Rabbiner Dr. Breuer - sein Licht leuchte, jetzt
in Frankfurt am Main, sich einige Jahre voll und ganz dem Studium des
Talmuds und seiner Kommentatoren hinzugeben.
Um aber dem Grundsatze der gleichen Berechtigung von Talmud-Tora- und
profanem Wissen gerecht zu werden, ging er von hier aus nach Berlin in
das Rabbinerseminar, um neben der weiteren Ausbildung seiner
Torakenntnisse auch den profanen Wissenschaften obzuliegen. Von hier nach
Karlsruhe zum Stiftsrabbiner berufen, wurde er bald darauf Rabbiner von
Lauenburg, wo es seiner tatkräftigen Wirksamkeit gelungen, die Gemeinde
geradezu umzuwandeln. Es wird daselbst jetzt zweimal täglich Gottesdienst
abgehalten, die Verhältnisse der Chewra Kadischa sind geordnet, eine
streng rituelle Beerdigung ist eingeführt, auch viele Kinder enthalten
sich jetzt des Schreibens am Sabbate. Kein Wunder, dass der Weggang des
Herrn Dr. Mannheimer von Lauenburg allgemein bedauert
wird.
Auch durch gediegene Aufsätze in jüdischen Zeitschriften war Herr Dr.
Mannheimer, wie unseren Lesern wohl bekannt, schon öfters im Dienste der
jüdischen Öffentlichkeit tätig. Oldenburg gehört zu den Gemeinden, wo
fast alles religiöse Leben brach liegt; erzählt man doch, dass ein vor
noch nicht allzu langer Zeit daselbst angestellt gewesener Rabbiner am
Sabbat auf die Jagd zu gehen pflegte. Trotzdem zweifeln wir nicht daran,
dass es der jugendlichen Kraft, welch allein durch ihre Überzeugungstreue
diesen glänzenden Sieg errungen, gelingen wird, auch hier eine
segensreiche Wirksamkeit in Gemeinde, Schule und Haus zu entfalten. Wir
gratulieren der Gemeinde zu ihrem geistigen
Führer." |
Rabbiner
Dr. David Mannheimer tritt seine neue Stelle in Oldenburg an (1891)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. Juli
1891: "Oldenburg im Großherzogtum, 26. Juli (1891(. Nach
einem fast ein Jahr dauernden Interregnum ist es endlich unserem Lande
wieder beschieden, ein geistliches Oberhaupt zu haben, dass es nicht mehr
sei, wie es in dem letzten Wochenabschnitte heißt (hebräisch und
deutsch:) 'wie Schafe, denen der Hirte fehlt'. Einen Hirten nun,
der tatkräftig, sich der heiligen Aufgabe eines Rabbiners voll bewusst
ist, und sich derselben mit ganzem, freudigem Herzen hingibt, glauben wir
in dem Herrn Dr. Mannheimer, bisher in Lauenburg in Pommern, dem schon ein
guter Ruf voraufgegangen war, gefunden zu haben. Der Ruf Oldenburgs in
religiöser Beziehung kann gerade nicht zu den besten gerechnet werden, es
muss deshalb einen jeden Rabbiner, der nicht gerade der freiesten Richtung
huldigt, beim Eintritt in eine solche Gemeinde ein Gefühl der Beklemmung
erfassen bei der Erwägung, ob auch die Saat, die er auszustreuen sich
bemühen will, auf empfänglichen Boden fällt, und ob sie, wenn sie auch
aufgeht, wirkliche Früchte trägt. Herr Dr. Mannheimer kann indes
vorläufig mit Genugtuung und beruhigtem Gemüte auf den Empfang
zurückblicken, der ihm zuteil geworden, und der ihm zeigen musste, dass
ihn die Herzen aufs wärmste entgegenschlagen, und dass er vielleicht doch
seine Arbeit reich belohnt sieht.
Als es im Vorstande bekannt wurde, wann Herr Dr. Mannheimer, hier
eintreffen werde, wurde sofort beschlossen, ihm einen möglichst
glänzenden Empfang zu bereiten. Die Ankunft war auf vorigen Montag
Nachmittag festgesetzt. Als Herr Dr. Mannheimer mit seiner Gemahlin in
Bremen ankam, wurde er dort als an der Landesgrenze schon von einer
Deputation des Großherzoglichen Landesgemeinderats, bestehend aus zwei
Vorstehern unserer Gemeinde, welche ihm zum Empfange auf dem dortigen
Bahnhofe entgegengefahren war, begrüßt, während er auch dem hiesigen
Bahnhofe von dem 3. Vorsteher erwartet wurde. In seiner reich mit Blumen
geschmückten Wohnung harrte seiner wiederum eine Überraschung, indem er
hier nochmals von den Vorstandsmitgliedern, welche es so eingerichtet
hatten, dass die sie Wohnung früher erreichten, als er, mit deren Damen
begrüßt wurde. Am darauf folgenden Tage fand seine Vereidigung im
Staatsministerium statt. Imposant gestaltete sich besonders aber die
Amtseinführung, die am gestrigen Sonnabend stattfand. Die Synagoge war
auf das herrlichst geschmückt; die Dekoration, von sehr kundiger Hand
arrangier, bot ein solch prächtiges, farbenreiches Bild, und doch voll
Vornehmheit, dass ein jeder Beschauer einen überwältigenden Eindruck
davon erhalten musste. Nachdem der Herr Rabbiner von den beiden Beisitzern
hineingeleitet worden, wurde er von dem ersten Vorsteher im Namen des
Landesgemeinderats mit wenigen, aber markigen Worten begrüßt, und ihm im
Namen Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs in Abwesenheit des
Staatsministers das Großherzogliche Landesrabbinat in Oldenburg
übertragen. Es sei für Herrn Dr. Mannheimer ein erhebendes Bewusstsein,
in solch jugendlichem Alter zu so verantwortlicher Stellung berufen zu
sein. Er sei versichert, dass die Gemeinden des Landes alle mit Treue und
Liebe ihm entgegenkommen werden. Dann hielt Herr Dr. Mannheimer seine
Antrittrede, eine Rede, die sichtbarlich auf jeden Zuhörer den tiefsten
Eindruck machte. Es waren in der Tat auch Worte voll packender Wirkung,
denen man es nachfühlte, dass sie von Herzen und deshalb sie auch so sehr
zu Herzen gingen." |
Publikation
einer Predigt von Rabbiner Dr. David Mannheimer (1906)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 16- Februar
1906: "Das Gebet. Predigt, gehalten am zweiten Tage des
Neujahrsfestes in der Synagoge zu Oldenburg, von D. Mannheimer.
Der Text, den der Verfasser gewählt hat: Teschuwoh, utchiloh, uzedokoh,
ist zwar sehr bekannt und beliebt, aber der Redner hat es verstanden,
alles in neue, anziehende Formen zu gießen. Die Ausführung ist
interessant und spannend, besonders an den Stellen, wo von den aktuellen
Fragen, Orgel, deutsches Gebet, die Rede ist. Besonders schön ist bei der
Behandlung der Gebetsreform das Gleichnis, das auf das Gemüt des
Publikums wirkt und mehr erreicht, als ein trockener Verstandesbeweis. Man
kann dem Verfasser dankbar sein, dass er seine Predigt der Öffentlichkeit
übergeben hat. A.L." |
Einführung
von Rabbiner Dr. Philipp de Haas (1920)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. November
1920: "Oldenburg, 7. November (1920). Am Sonntag Nachmittag
fand die Einführung des neuen Landrabbiners, Herrn Dr. de Haas aus
Kattowitz, verbunden mit einer gottesdienstlichen Feier statt. In
Vertretung des Ministeriums waren Herr Geh. Oberregierungsrat von Finkh,
als Vertreter der jüdischen Gemeinden die Mitglieder des
Landesgemeinderates erschienen. Nach einem Einleitungs- und
Begrüßungsgesang des Kinderchors bestieg Herr Dr. de Haas die Kanzel und
entwickelte in von Herzen kommenden und zu Herzen gehenden Worten Aufgabe
und Ziel seines künftigen Wirkens, das in der Betonung des Friedens mit
allen Menschen ohne Unterschied der Konfession gipfelte. Nach dem Mincho-
und Maariwgebet beschloss sodann ein Gesang der Kinder die wirkungsvolle
Einführungsfeier." |
Anzeige
zum Tod der Witwe von Landrabbiner Mannheimer (1929)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. Mai
1929: "Nachruf.
Am 26. April verschied zu Hamburg im 67. Jahre
Frau verwitwete Landrabbiner Mathilde Mannheimer geb. Jaffé.
Die Verewigte hat in langen Jahren, besonders als Vorsitzende des
Israelitischen Frauenvereins durch aufrichtige, vorbildliche Frömmigkeit,
unermüdliches Wohl tun und segensreiches Wirken innerhalb der hiesigen
Synagogengemeinde, der Jüdischen Landesgemeinde und weit darüber hinaus
sich viele aufrichtige Sympathien, Freundschaft und Verehrung zu erwerben
verstanden. Wir beklagen herzlichst den Heimgang dieser ausgezeichneten
Frau, der über den Tod hinaus ein dauerndes, ehrenvolles Gedenken
gesichert bleibt.
Oldenburg in Oldenburg, den 29. April 1929.
Der Jüdische Landesgemeinderat im Landesteil Oldenburg. Der Synagogengemeinderat
Oldenburg. Israelitischer Frauenverein Oldenburg." |
Zum
Tod von Landrabbiner Dr. Philipp de Haas (1935)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. Mai
1935: "Landrabbiner Dr. de Haas - das Andenken an den Gerechten
ist zum Segen. Oldenburg, 21. April (1935). Mit Windeseile
durchflog am Abend vor Erew Pessach (= 16. April 1935) unsere Gemeinde die
Kunde von dem unerwarteten Hinscheiden unseres allverehrten
Landrabbiner Dr. de Haas.
Schwer lastet der lähmende Schreck noch auf allen Mitgliedern unserer
Gemeinde und den Mitgliedern der Landgemeinden. Allen ist es unfassbar,
dass uns der Führer durch Gottes unerforschlichen Ratschluss so schnell
entrissen werden konnte. Waisen wurden wir und es gibt keinen Vater
mehr. Es fehlt der Lehrer der Religion, der durch sein belehrendes
Wort allsabbatlich und festtäglich die Herzen höher schlagen ließ; es
fehlt der Freund und Berater, an den sich die Vielen, welche sich in Not
und Bedrängnis befinden, wenden können. In den fünfzehn Jahren seiner
Amtstätigkeit in Oldenburg und den Landgemeinden und über deren Grenzen
hinaus wirkte unser Rabbiner durch seine geistvollen, für die heilige
Tora erglühenden Vorträge im Gotteshaus, in Vereinen und
Veranstaltungen. Schulen und Familien erfreuten sich der gleichen
Fürsorge und Hingebung. Zu Pessach zog dieser stets hoch- und
festgestimmte Lehrer in die Welt der Erlösung der Seele
ein.
Das überfüllte Gotteshaus hatte den weißen Schmuck des Versöhnungstages
angelegt und an der Stätte, an der das Gotteswort so oft aus des
Verewigten Munde ertönte, konnte Herr Landrabbiner Dr. Blum aus Emden
in Anbetracht des nahenden Pessachfestes nur wenige Worte des Abschiedes
und des persönlichen Gedenkens dem vor ihm in der Bahre ruhenden
Jugendfreund und Amtsgenossen nachrufen, wie auch Herr Rabbiner Dr.
Aber aus Bremen am Grabe nur ein kurzes Abschiedswort sprach. Dann
drückte der Vorsteher, Herr Cronheim, dem heimgegangenen geistigen
Führer den Dank der Gemeinde aus mit dem Hinweis, dass wegen des
Rüsttages zum Pessachfest eine Würdigung seines Wirkens einer späteren
Gedenkfeier vorbehalten sei. Zu schnell war sein Hinüberschreiten zu
Gott, dem in Himmelshöhen Thronenden. Seine Seele sei eingebunden in
den Bund des Lebens.
Zu diesem uns von Oldenburg zugegangenen Nachruf, der den spontanen
Schmerz der verwaisten Gemeinde zum Ausdruck bringt, haben wir noch
hinzuzufügen, dass mit dem Heimgang von Landrabbiner Dr. de Haas auch das
toratreue Judentum insgesamt und insbesondere der gesetzestreue
Rabbinerstand Deutschlands einen ungemein schweren Verlust erlitten hat.
Dr. de Haas vertrat seit Anbeginn seiner rabbinischen Wirksamkeit in
Beuthen, wie später in Oldenburg, die Interessen der deutschen
Orthodoxie, wie auch der Agudas-Jisroel-Weltorganisation mit einer Liebe
und Überzeugungstreue, die ihresgleichen suchte. Auf den
Rabbinerkonferenzen gehörte Rabbiner de Haas zu den interessantesten Erscheinungen.
Seine Stimme erhob sich immer und glühte vor Wärme, wenn es um die
vitalen Fragen des toratreuen Judentums ging. Noch auf der jüngsten
Leipziger Tagung des Traditionellen Rabbinerverbandes betätigte er sich
rednerisch und arbeitete in den Kommissionen mit. Vor wenigen Wochen
konnten wir über seine erfolgreiche Vortragsreise durch das Emserland
berichten, auf der er die Herzen der Jugend für die Religion und die
Pälästina.Arbeit der Agudas Jisroel entflammte. Es ist mit sein Werk und
sein Verdienst, dass die Agudas Jisroel in vielen Gemeinden
Norddeutschlands relativ starke Positionen hat. Die Freie Vereinigung
für die Interessen des orthodoxen Judentums verliert in Landrabbiner
Dr. de Haas einen ihrer tätigsten Mitarbeiter und Förderer. Liegen doch
die Wurzeln seiner gesegneten öffentlichen Wirksamkeit für Klall Jisroel
(das gesamte Judentum) in dieser Vereinigung, deren Generalsekretär
für ihre ostdeutsche Abteilung er von 1909 bis 1914 war. Für
Landrabbiner Dr. de Haas gab es nur einen Maßstab für die Lösung der
gesamtjüdischen Fragen: die Tora, und nur eine Aufgabe für den Rabbiner
einer jüdischen Gemeinde: die Arbeit für die Tora, die Sicherung
der Zukunft der Gemeinde durch ihre Verankerung in der Tora. Das toratreue
Judentum in Deutschland wird diesem allzu früh heimgegangenen
Führer seiner Gemeinschaft ein ehrendes ewiges Andenken bewahren. Seine
Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens." |
Gedenkfeier
für den verstorbenen Landrabbiner Dr. Philipp de Haas (1935)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. Mai
1935: "Gedenkfeier für Landrabbiner Dr. de Haas - das
Andenken an den Gerechten ist zum Segen - Oldenburg, 13. Mai
(1935). Die Synagoge zu Oldenburg legte am Sonntag Nachmittag weißen
Jom-Kippur-Schmuck an. Sämtliche Lichter brannten. Aus der weitesten
Umgegend waren die Rabbiner und Lehrer mit Delegationen aus den Gemeinden
erschienen. Es galt, noch einmal Abschied zu nehmen von dem Rabbiner,
Lehrer, Führer und Freund an der Stätte, wo anderthalb Jahrzehnte sein
mahnendes und belehrendes Wort ertönte. Neben der gesamten Gemeinde
Oldenburg füllten die Gäste den heiligen Raum oben und unten bis auf den
letzten Platz. Wehmut und Feierlichkeit lockerten die Herzen auf für die
ergreifenden Worte der Ermahnung und Ermunterung, die von berufenem Munde
an die Trauerversammlung gerichtet wurden und vielleicht nicht ganz
verhallen werden.
Nach dem Minchohgebet trug der Synagogenchor von Oldenburg das Mah
Änosch (Was ist der Mensch..., Psalm 8) vor, worauf Landrabbiner
Dr. Blum, Emden, die offizielle
Gedenkrede hielt, in der er als Freund und Nachbarkollege des
Heimgegangenen dem persönlichen Schmerze, wie dem Schmerze der Gemeinde ergreifende
Worte verlieh. Mit den Worten der Haftorah 'und das Volk sollen sie
unterweisen in dem Unterschied zwischen Heiligem und Unheiligen' (Hesekiel
44,24) und des Propheten Maleachi 'mein Bund war mit ihm des Lebens und
des Friedens' (Maleachi 2,5) zeichnet er treffend die Charaktereigenschaften
und die gesegnete rabbinische Wirksamkeit Dr. de Haas', seine in
Schönheit, Harmonie, Frieden und Ausgeglichenheit erklingende Seele, aus
der all seine Worte und Werke ausstrahlten. Die Gedenkrede klang mit der
Ermahnung an die Gemeinde aus, das Werk ihres allzu früh hingegangenen
Führers zu erhalten, fortzusetzen und auszubauen.
Ergreifende Klage stimmte dann Herr Rabbiner Dr. Aber, Bremen, an
über den Freund und Kollegen und überbrachte die Beileidsgefühle des
Breslauer Rabbinerseminars. Zu Pessach wurde er von den Seinen und seiner
Gemeinde weg zum Tische des Herrn gerufen, indes sich in seinem Kreise die
Festesfreude in Trauer verwandelt. Trost könne erwachsen aus seinem
Andenken, wenn alle dazu betrügen, dass die von Dr. de Haas ausgestreuten
Saaten auf gut gepflegtem Boden zur vollen Blüte
aufgehen.
Nach stimmungsvollem Vortrag des Em'r durch Herrn Oberkantor
Wolkenfeld, Emden, überbrachte Herr Dr. Löwenstein die
letzten Grüße und den Dank der Gemeinde und der Landesgemeinde
Oldenburg, in der der Verewigte für die Hebung des religiösen und
Gemeindelebens im Lande Hervorragendes leistete. Wieder klangen
hebräische Worte an Ohr und Herz. Der Synagogenchor von Emden sang das
'was ist der Mensch...' (Psalm 8), worauf die Nachrufe der
einzelnen Organisationen erfolgten.
Rabbiner Dr. Simon S. Bamberger, Wandsbek, fand schöne und
herzliche Worte für den Allgemeinen und den Gesetzestreuen
Rabbinerverband, sowie auch für den Preußischen Landesverband,
dem der Oldenburger Verband anzugliedern, noch eines der letzten Werke des
Heimgegangenen war. |
Schlicht
und herzlich nahm Lehrer Meyberg, der alte Wegegenosse des
Rabbiners, von seinem Freunde und seinem Raw Abschied. Was er persönlich
an Rabbiner Dr. de Haas verloren hat, konnte er nur andeuten, aber auch
diese Andeutungen drangen, weil aus tiefstem Herzen kommend, allen ins
Herz.
Herr Redakteur S. Schachnowitz, Frankfurt am Main, überbrachte die
letzten Grüße der 'Freien Vereinigung für die Interessen des orthodoxen
Judentums', der Landesorganisation der Agudas Jisroel, sowie der
Palästina-Zentrale und des Keren Hathora. Er schilderte, wie Dr.
de Haas den Weg von der Gemeinschaft, als Generalsekretär der
ostdeutschen Abteilung der Freien Vereinigung, erst zur Gemeinde gefunden
und hier immer noch, in Kattowitz sowohl wie in Oldenburg, über die
Gemeinde hinaus für die Toragemeinschaft gelebt und gewirkt hat. In einer
Zeit, als es eine Judennot im heutigen Sinne noch nicht gab, erkannte
schon de Haas die Not aller Nöte, die religiöse Not in den
Kleingemeinden, und stellte sich in den Dienst der Organisation, die sich
die geistige Rettung der Kleingemeinden zur Aufgabe gemacht hatte, der
'Freien Vereinigung'. Von hier war der Weg zur großen jüdischen
Gemeinschaft, wie sie von der Agudas Jisroel und ihren anderen Instanzen
vertreten wird, nur ein Schritt, den er mutig unternahm. Noch in den
letzten Wochen vor seinem Heimgang begeisterte er auf einer Vortragsreise
Jung und Alt für Tora und Mizwaus, Agudas Jisroel und Erez Jisroel. Mit
einem Worte von S. R. Hirschs, das zum ersten Male vor bald hundert
Jahren in Oldenburg gesprochen wurde, kehrte Redner kurz hervor, wie der
heimgegangene Landrabbiner intuitiv im Sinne seines großen frühen
Vorgängers gewirkt hatte.
Es sprach noch Herr Dr. Rosenak, Bremen, für die Kaiser
Friedrich-Loge in Bremen, von einem Maimonidesvortrag ausgehend, den
der Heimgegangene erst vor kurzem in der Loge gehalten hatte und in dem er
den Idealmenschen und Idealjuden so zeichnete, wie er, der Heimgegangene,
selber heute vor uns stehe. Herr Herzfeld, Hamburg, beschloss den
Reigen der Reden mit herzlichen Dankesworten für den Zentralverein
deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens, in welchem er ebenfalls
eine gesegnete Tätigkeit zu Ehren Israels entfaltete. Ein
Schlussgesang des Oldenburger Synagogenchores, ein kurzes Lernen und das
Kaddisch, vorgetragen von dem einzigen Sohne, und eine Feierstunde war zu
Ende, in der eine verwaiste Gemeinde ihren allzu früh dahingegangenen
Führer geehrt, sich aber aus seinem Andenken die Kraft und den Mut geholt
hat, den von ihm gewiesenen Weg weiterzugehen. Möge Landrabbiner Dr. de
Haas in seinem Werke fortleben. Seine Seele sei eingebunden in
den Bund des Lebens." |
Rabbiner
Dr. Josef Herbst wird zum Landrabbiner berufen (1935)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. Dezember
1935: "Oldenburg. Als Nachfolger des vor einem Jahre so früh
heimgegangenen Landrabbiners Dr. de Haas wurde Rabbiner Dr. Herbst
aus Düsseldorf zum Landrabbiner von Oldenburg berufen."
|
Verlobungsanzeige
von Miriam de Haas und Landrabbiner Dr. Leo Trepp (1937)
Anzeige
in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des Central-Vereins) vom 27.
Mai 1937: "Gott sei gepriesen. Statt Karten.
Miriam de Haas - Landesrabbiner Dr. Leo Trepp.
Verlobte.
Oldenburg in Oldenburg - Oldenburg/Mainz. Empfang: 6. Juni
1937, Oldenburg, Moltkestraße 6". |
|
Zu Landesrabbiner Dr. Leo Trepp vgl. das
Video "Leo Trepp in Oldenburg - ein Interview vom 31. Juli 2008.
Der 95-jährige erzählte aus seinem Leben in Oldenburg in der Nazi-Zeit.
Einzusehen
als nwz-video. |
Video von 2010: Celebrating
the Seder with Rabbi Leo Trepp |
Die jüdische Gemeinde in Oldenburg ehrt das
Andenken an Leo Trepp mit ihrem Leo-Trepp-Lehrhaus. |
vgl. auch die Seite
zu Mainz-Weisenau |
vgl. auch die Website http://leotrepp.org/ |
Hinweis auf eine neue Publikation
(März 2013):
Leo Trepp: Lebendiges Judentum - Texte aus den Jahren 1943 bis
2013. Kohlhammer Verlag 2013. Link
zu buecher.de |
Aus
der Geschichte der jüdischen Lehrer und weiterer Kultusbeamten sowie Berichte
zum jüdischen Schulwesen
Ausschreibungen
der Stelle des Lehrers, Kantors und Schächters (1854 / 1864 / 1870 / 1873)
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 13. November 1854: "Bei den Gemeinden in Oldenburg und Varel -
Großherzogtum Oldenburg - werden im nächsten Frühjahre die Stellen
eines Lehrers, Kantors und Schächters erledigt. Ertrag der Stelle zu
Oldenburg 280 bis 300 Thaler, der Stelle zu Varel 240 bis 260
Thaler. Der Unterricht erstreckt sich auf dasjenige, was in einer guten
Volksschule zu leisten ist. Wer in fremden Sprachen, besonders im
Englischen unterrichten kann, hat in Varel viel Gelegenheit zum
Privatunterricht. Nähere Auskunft erteilt der Unterzeichnete, an welchen
portofreie Anmeldungen zu richten sind.
B. Wechsler, Landrabbiner." |
|
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 25. Oktober 1864: "Zum 1. Mai kommenden Jahres wird
die Stelle eines Lehrers, Kantors und Schächters bei der Gemeinde zu Oldenburg
erledigt. Ertrag an 300 Thaler jährlich nebst freier Wohnung. Anstellung:
zuerst provisorisch, nach 3 Jahren fest. Bedingungen: genügende
Lehrfähigkeit nur zum Kantorate. Im Schächten ist wenig zu leisten.
Ortsverhältnisse angenehm, zur Weiterbildung geeignet.
Portofreie Anmeldung bei Landrabbiner Wechsler." |
|
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 8. November 1870: "Die
Stelle eines Religionslehrers, Kantors und Schächters bei der hiesigen
Gemeinde ist zu Mai kommenden Jahres erledigt. Gehalt 280 Thaler nebst
freier Wohnung, Feuerung und einigen Emolumenten. Es ist wöchentlich
10-12 Stunden Unterricht nach Anweisung zu erteilen. Auf gute Fähigkeit
zum Kantorate wird besonders gesehen. Der Schächterdienst nimmt nur wenig
in Anspruch. Bewerber müssen auf Verlangen zur Probe hierher kommen.
Demjenigen, welcher die Stelle erhält, werden die Reisekosten vergütet.
Anmeldungen mit Zeugnissen an Landrabbiner Wechsler in Oldenburg."
|
|
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 24. Juni 1873:
"Wegen eingetretener Verhältnisse ist die Stelle eines
Religionslehrers, Kantors und Schächters bei der Gemeinde in Oldenburg
erledigt und wird baldige Wiederbesetzung gewünscht. Gehalt: 280-300
Thaler jährlich nebst Wohnung, Feuerung und einigen Emolumenten, und mit
Aussicht auf Erhöhung des Gehalts nach erprobter Tüchtigkeit. Unterricht
nur 6-7 Stunden wöchentlich. Die Stelle lässt viel Zeit und Gelegenheit
zur Fortbildung und zu Nebenverdiensten. Auf gute Qualifikation, besonders
auch im Kantorate, wird Wert gelegt. Anmeldungen an mich oder an den Vorsteher
M. L. Reyersbach.
Vom 10. Juli bis Anfang August werde ich verreist sein. Landrabbiner Wechsler
in Oldenburg." |
|
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 9. September 1873: "Die
schon früher annoncierte Lehrerstelle bei der Gemeinde in Oldenburg ist
noch nicht besetzt. Anmeldungen mit Zeugnissen in Abschrift an
Landrabbiner Wechsler in Oldenburg." |
Die
jüdische Gemeinde bittet die Stadtkasse um einen Zuschuss zu den Schullasten
(1856)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 11. Februar
1856: "Oldenburg, 19. Januar (1856). Als vor einiger Zeit
die hiesige israelitische Gemeinde einen neuen verhältnismäßig
kostspieligen Synagogen- und Schulhausbau unternahm, erbat sie sich in
Betracht, dass ihre Angehörigen stets zu allen evangelischen Schullasten,
soweit sie von der Stadtkasse getragen worden, mit herangezogen seien, und
bis vor wenigen Jahren sogar zu den evangelischen Kirchenlasten, soweit
diese durch eine Konsumtionsabgabe gedeckt worden, haben mitsteuern
müssen, eine entsprechende Beihilfe aus der städtischen Kasse. Die
städtische Vertretung fand das Gesuch in Recht und Billigkeit begründet
und bewilligte eine Beihilfe von 250 Rthlr., während der Magistrat dem
Beschlusse die Zustimmung verweigerte, weil kein besonderes Gesetz die
Stadt dazu verpflichte und berichtige. Die Sache liegt gegenwärtig der
Regierung zur Entscheidung vor. Die hiesige israelitische Gemeinde, welche
etwa 100 Köpfe zählt, ist durch ihre Kultus- und Schullasten in einer
Weise gedrückt, wie es nicht leicht anderswo vorkommen mag, indem der
jährliche Aufwand für jene Zwecke fast 700 Rthlr., mithin etwa 7 Rthlr.
per Kopf beträgt. Die neue Schulordnung wird indes dieselben, wie nicht
minder die hier wohnenden Katholiken, von der bisherigen Mitheranziehung
zu evangelischen Schulzwecken befreien, indem darin ausnahmslos das
Prinzip festgestellt ist, dass die Kosten des Volksschulwesens bei dessen
konfessioneller Scheidung auch lediglich von der betreffenden Konfession
getragen werden sollen. (Weser-Zeitung)." |
Lehrer
Norbert Herzberg soll entlassen werden (1901)
Anmerkung: Rabbiner Norbert Herzberg musste 1902 im Streit mit
Gemeindevorstand und Landrabbiner aus dem Amt scheiden. Er war seit 1884 in der
Gemeinde als Lehrer, Vorbeter und Schochet tätig.
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 31. Oktober
1901: "Oldenburg im Großherzogtum, 28. Oktober (1901).
Verhältnisse, die seit zehn Jahren in unserer Gemeinde herrschen und
schon häufig in unliebsamen Affären ihren Ausdruck fanden, sind jetzt
durch eine beklagenswerte Angelegenheit in die weiteste Öffentlichkeit
gelangt und beschäftigen die christlichen kreise mindestens ebenso, wie
die jüdischen.
Unser langjähriger Lehrer, Herr Herzberg, der bereits siebzehn
Jahre im Dienste der Gemeinde steht, durch treue Pflichterfüllung sich
auszeichnete und wegen seines lauteren Charakters und bescheidenen Wesens
in allen Kreisen der Stadt sich einer ganz ungewöhnlichen Beliebtheit
erfreut, muss am 1. Mai nächsten Jahres seine Stellung verlassen. Der
Vorstand hat Herzbergs Kontrakt, der am genannten Tage abläuft, nicht
erneuert, sondern Herrn Herzberg eine Stellung als Wanderlehrer angeboten,
die der Genannte als ehrenhaft denkender Mann 'als eine amtliche,
moralische und gesellschaftliche Degradierung' zurückweisen musste.
Trotzdem Herzberg in den vielen Jahren niemals einen Tadel oder eine Rüge
erhielt, trotzdem dass eine Petition an den Vorstand zu Gunsten Herzbergs
abgeschickt wurde, die fast alle Gemeindemitglieder unterzeichneten - es
fehlten nur die Namen einiger Freunde des Vorstehers und Landrabbiners -
trotzdem der Vorsteher vor einigen Jahren selbst eine Gehaltserhöhung von
300 Mark für Herzberg beantragte, trotzdem der jüdische
Landesgemeinderat, die oberste jüdische Behörde, die Wideranstellung
Herzbergs empfiehlt, wurde solche vom Vorstande abgelehnt. Sachliche
|
Gründe,
die eine Entfernung Herzbergs aus seinem Amte rechtfertigen, liegen
unseres Erachtens nicht vor. Nachdem nun über die Angelegenheit unwahre
Gerüchte verbreitet worden, hat ein energischer Schützer des Herrn
Herzberg, Herr Hermann Wallheimer, ein hochangesehenes Mitglied unserer
Gemeinde, die gesamte Korrespondenz Herzbergs mit dem Vorstande
veröffentlicht, und steht die ganze Stadt rückhaltlos auf Seite des
Lehrers. Seitens der Angehörigen Herzbergs wird eine Broschüre
vorbereitet, die eine völlige Klarstellung der Sache bezweckt und nicht
verfehlen wird, denkbar größtes Aufsehen zu erregen.
Die Freunde Herzbergs haben alle Mittel erschöpft, um eine günstige
Beilegung des Zwistes herbeizuführen und stehen nun, da alles vergebens
war, völlig abwartend da. Es ist nun eine heilige Pflicht der jüdischen
Presse, Stellung zu der Sache zu nehmen und durch ernste Mahnung zum
Frieden das ihrige dazu beizutagen, dass der Gerechtigkeit Genüge
geschieht und eine Situation vermieden wird, die nur dem Antisemitismus
zugute kommt. (Es bleibt abzuwarten, wie die Gegenseite sich zu dieser
Sache äußert. Redaktion)." |
Über
die Affäre betr. Lehrer Norbert Herzberg (1901)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. November 1901:
"Zur Affäre Herzberg - Oldenburg liegen heute folgenden
Meldungen vor.
Oldenburg, 7. November (1901). Vom hiesigen Synagogen-Gemeinderat
erhalten wir die folgende Zuschrift:
Auf den Artikel in Nr. 86 des 'Israelit', den Lehrer Herzberg betreffend,
erwidern wir ergebenst, dass es für uns, wie für jede Behörde, absolut
ausgeschlossen ist, Personalien in der Öffentlichkeit zu verhandeln.
Allen direkten und versteckten Anreizungen nach dieser Richtung haben wir
widerstanden und treten nur in Folge der Redaktionsbemerkung in dem
betreffenden Artikel Oldenburg aus unserer Reserve heraus.
Der Versuchung widerstehend, das dem Lehrer Herzberg ausgestellte
Qualifikations- und Leumundsattest etwas niedriger zu hängen, aber an der
Stellung des als 'hochangesehen' bezeichneten Hermann Wallheimer Kritik zu
üben, wollen wir nur in Folgendem einige Tatsachen richtig stellen.
Während der Wirksamkeit des Herrn Herzberg, der, beiläufig bemerkt, das
eigentliche Lehrerexamen noch nicht absolviert, war die Schülerzahl auf reichlich
vierzig angewachsen, und da ein Lehrer solche im Alter von 7-14 Jahren
nicht mit Erfolg unterrichten kann, so wurde uns von der Schulinspektion
aufgegeben, eine erste Lehrkraft anzustellen und zwar bis zum 1. Mai 1902,
dem Termine, an welchem der Kontrakt mit dem Lehrer Herzberg abgelaufen
sei.
Da die Schule wie der Gottesdienst nicht länger in dem schlimmen Zustande
bleiben konnten, so erbot sich der Landrabbiner, Herr Dr. Mannheimer, den
Unterricht der oberen Klassen bis zum 1. Mai 1902 aushilfsweise zu
übernehmen, was dankend akzeptiert wurde. Herrn Herzberg verblieb die
untere Abteilung, sowie der Unterricht in zwei kleinen Gemeinden, soweit
diese eines Wanderlehrers bedürften.
Es musste uns nun daran liegen, mit dem Lehrer Herzberg, dem wir in
Rücksicht auf seine 17 Amtsjahre unsere Teilnahme nicht versagen mochten,
ein Abkommen zu treffen, welches ihm gestattete, hier zu bleiben, und eine
seinen Fähigkeiten entsprechende Stellung beizubehalten, ohne in seinen
Bezügen geschmälert zu werden. Ein ihm in diesem Sinne zugefertigter Kontraktsentwurf
blieb ohne jede Antwort; dagegen wandte sich Herr Herzberg hinter dem
Rücken seiner vorgesetzten Behörde an den Landesgemeinderat derselben
Oberbehörde, die ihm durch zweimaligen Beschluss die Stelle eines
Wanderlehrers zugewiesen hatte. Das Resultat konnte nur ein negatives sein
und zwar unter Beifügung des Wunsches an den Synagogen-Gemeinderat, mit
dem Petenten ein beiderseits befriedigendes Abkommen herbeiführen zu
wollen.
Da nun aber Herr Herzberg die Stelle eines zweiten Lehrers, verbunden mit
den Funktionen eines Wanderlehrers, in seiner Eingabe definitiv ablehnte,
so mussten wir die Verhandlung mit demselben abbrechen und die Stelle zum
1. Mai ausschreiben. Dies ist der Sachverhalt.
Dass ein Lehrer die Funktionen eines Wanderlehrers, die er seit fünf
Jahren gegen Vergütung anstandslos ausgeübt, und die er nun laut
Beschluss der Oberbehörde weiter übernehmen soll, als eine Degradierung
auffasst, ist ebenso bedauerlich, als befremdend, da er sich doch zu der
Stelle eines ersten Lehrers nicht qualifiziert.
Für uns ist der Fall Herzberg hiermit erledigt und weitere Provokationen
werden unbeachtet bleiben." |
Abschluss der Affäre um Lehrer
Norbert Herzberg (1902)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. März
1902: "Oldenburg, 16. März (1902). In unserer Gemeinde
herrscht jetzt freudiger Jubel. Die Lehrerfrage hat einen befriedigenden
Abschluss gefunden. Die Regierung hat gesprochen. Der frühere Lehrer
Herzberg hatte in der ganzen Stadt Flugblätter gegen unseren allverehrten
Herrn Landrabbiner Dr. Mannheimer verteilen lassen, worin stand,
dass Herzberg die Amtsentsetzung des Landrabbiners beim Großherzoglichen
Staatsministerium beantragt habe. Diese Flugschriften machten viel Rischus
(= Boshaftigkeit, Ärger, Antisemitismus) und die Juden konnten sich kaum
mehr in öffentlichen Lokalen sehen lassen. daraufhin wurde Herzberg
sofort abgesetzt.
In der Tat hatte er gegen Dr. Mannheimer eine Denunziation beim
Ministerium eingereicht, die sieben Anklagepunkte enthielt. Nach
viermonatlicher eingehender Untersuchung und Vernehmung von ca. 40 Zeugen
ist nunmehr, wie in voriger Nummer kurz berichtet, folgende Antwort des
Großherzoglichen Staatsministeriums eingetroffen:
'Das Staatsministerium teilt Ihnen hierdurch mit, dass nach den
angestellten Ermittlungen keinerlei Anlass vorliegt, gegen den
Landrabbiner Dr. Mannheimer disziplinarisch vorzugehen.
Oldenburg, 9. März 1902. Staatsministerium, Departement der Kirche
und Schule. Ruhstrat.'
Diese Antwort hat in allen Kreisen der christlichen und jüdischen
Bevölkerung große Begeisterung hervorgerufen. Am letzten Sabbat war die
Kanzel mit Lorbeergirlanden und der Platz des Landrabbiners in der
Synagoge mit einem großen Lorbeerkranze geschmückt." |
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 12. Januar 1912: "Für die jüdischen Gemeinden des
Herzogtums Oldenburg war die letzte Sitzung des Landtags von
großer Bedeutung. Der Landtag nahm die Vorlage der Regierung an, den
Staatszuschuss in der vom Jüdischen Landesgemeinderat beantragten Weise
zu erhöhen, wodurch die Gemeinden, welche einen Lehrer besolden müssen,
erheblich entlastet werden". |
Konferenz
der Lehrer des ehemaligen Herzogtums Oldenburg im jüdischen Schulhaus Oldenburg
(1922)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. Februar
1922: "Oldenburg in Oldenburg. Am Montag, den 2.
Januar, fand im Schulhause der Synagogengemeinde die erste Konferenz der
Lehrer des ehemaligen Herzogtums Oldenburg unter dem Vorsitz des Herrn Landrabbiners
Dr. de Haas statt. Nach den Lehrproben der Kollegen Meyberg -
Oldenburg und Rosenberg - Wilhelmshaven,
ersterer im Pentateuch-Unterricht der Oberstufe, letzterer im ersten
Unterricht des Gebete-Übersetzens mit nachfolgender anregender
Besprechung wurden wichtige Gehalts- und Standesfragen erledigt. Nach
kurzer Mittagpause folgten sodann Vorträge der Kollegen Bernheim -
Varel und Hartog - Jever
über 'Entstehung und Entwicklung der jüdischen Schule im Herzogtum
Oldenburg' bzw. 'Wie kann und muss der Lehrer den Unterricht in biblischer
Geschichte interessant gestalten?', die ebenfalls Gelegenheit zum
Austausch fruchtbringender Winke für die Schulpraxis boten. Zum Schluss
trug Herr Landrabbiner Dr. de Haas zwei seiner künstlerisch
aufgebauten Predigten vor, die auf alle Konferenzteilnehmer einen tiefen
Eindruck machten. In ersprießlicher Arbeit für Schule und Gottesdienst
endete die erste, über alle Erwartungen gut gelungene Tagung, die in
allen Kollegen den Wunsch erweckte, die Zusammenkünfte zu einer regelmäßigen
Einrichtung zu gestalten." |
Zum
Tod von Lehrer Meyer Meyberg (1937; seit 1902 Lehrer in Oldenburg)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. März 1937:
"Lehrer Meyer Meyberg - das Gedenken an den Gerechten ist zum
Segen. Oldenburg, 15. März (1937). In tiefe Trauer wurde die
Gemeinde Oldenburg i.O. durch das Hinscheiden ihres Lehrers Meyer Meyberg
versetzt. Wer das gütige, stille und doch so geistesrege Wesen des
Verstorbenen gekannt hat, der weiß, was dieser Mann weit über den engen
Kreis seiner Familie, der nun ihre Krone entrissen ist, einem großen
Schüler- und Freundeskreise bedeutet hat. Das war ein Mann von altem
Schlage, von ungeheuchelter Frömmigkeit, harmonisch ausgeglichen in Lehre
und Leben! Ein Lehrer, der in seinem Berufe aufging, um für Thora und
Awodah (Gottesdienst) zu wirken, wo er nur konnte, der durch das Beispiel
seines Lebens mitreißend und entwaffnend wirkte. Lehrer Meyer Meyberg war
ein Zögling der Präparandenschule in Pfungstadt
(für: Funkstadt), absolvierte darauf das Seminar in Hannover und war als
Junglehrer in Remagen, Vegesack und
Fürstenwalde tätig, überall die Herzen der Jugend im Sturme erobernd.
Im Jahre 1902 kam er als Lehrer der jüdischen Gemeinde nach Oldenburg und
hätte nun, im Mai, sein 50. Lehrerjubiläum gefeiert in der Stadt, in der
er 35 Jahre lang treuester Lehrer und Führer gewesen ist. In
unbeschreiblicher Liebe und Verehrung blickten die Schüler zu ihm auf und
diese Liebe fand noch einmal ihren beredten Ausdruck, als nach kurzer
Krankheit Lehrer Meyer Meyberg von uns ging. Der Oraun (Sarg) blieb bis
zur Überführung nach Hamburg, wo der Entschlafene die letzte Ruhestätte
fand, in der Synagoge Oldenburg, wo Ehrenwachen sich ablösten. Vor der
Überführung hielten Landrabbiner Dr. Trepp, Lehrer Hartog, Wilhelmshaven
und Benno de Levy tief empfundene Nachrufe. - Bei der Beisetzung in
Hamburg würdigten Oberrabbiner Dr. Carlebach und Landrabbiner Dr.
Trepp in hinreißenden Worten das Leben des Entschlafenen. - In all dem Schmerz
um diesen edlen Jehudi klingt tröstlich und versöhnend das Bewusststein,
dass es ihm vergönnt war, im letzten Jahre seines arbeits- und
segensreichen Lebens an der Seite seiner gleichgesinnten Gattin das Land
seiner Sehnsucht Erez Jsrael noch in voller Rüstigkeit zu schauen.
Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens."
|
Berichte aus
dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben
In
der Synagoge findet die erste Konfirmation statt (1842)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 7. Mai
1842: "Oldenburg, 29. März (1842). Am vergangenen
Sabbate, dem ersten Tage des Pessachfestes fand in der hiesigen Synagoge,
nach Beendigung des üblichen Festgottesdienstes und an diesen sich
anreihend, die erste Konfirmation statt. Der Konfirmanden waren fünf,
drei Knaben und zwei Mädchen. Auch hier bewährte diese Handlung ihren
tief ergreifenden Eindruck auf die Konfirmanden selbst sowie auf die
zahlreiche Versammlung. Freudig überrascht und in ihrer festlichen Stimmung
erhöht wurde die Gemeinde durch die Anwesenheit Seiner Königlichen
Hoheit des Großherzogs, welcher, davon in Kenntnis gesetzt, in der
Synagoge sich einfand, die Predigt und nachfolgende Konfirmation mit hohem
Interesse anhörte und am Schlusse seine volle Befriedigung und
Anerkennung dem ihn begleitenden Vorsteher, Herrn Kaufmann Ballin,
in den gnädigsten Ausdrücken äußerte. - Wenn edle Fürsten uns solches
Zeichen der Toleranz und der Teilnahme würdigen, dann mögen wir hoffnungsvoll
in die Zukunft blicken und uns über die betäubenden Verhandlungen in
einem Nachbarlande trösten. Das Beispiel, auch das gute, steckt an und
fordert zur Nachahmung auf." |
Erste
christlich-jüdische Trauung in der Synagoge (1849)
Artikel
in der Zeitschrift "Der treue Zionswächter" vom 16. Februar
1849: "Oldenburg. Wir hatten heute in hiesiger
Stadt, vielleicht in hiesiger Gegend, den ersten Fall, dass eine gemischte
Ehe zwischen Juden und Christen abgeschlossen worden ist. Der Bräutigam
war Christ, die Braut Israelitin. Der Landesrabbiner Bernhard Wechsler
vollzog die Trauung. Zwar konnte es noch sehr zweifelhaft sein, ob § 20
der Grundrechte schon als rechtskräftig angesehen werden kann, indem noch
keine Zivilbehörde zum Abschlusse der Zivilehe da ist, allein durch zuvor
eingeholte Erlaubnis des Großherzogs wurde dieses Hindernis
beseitigt.
Auch in Leipzig wurde kürzlich die erste Mischehe von einem jüdischen
(sic?) Gelehrten eingesegnet. Ein Wiener Flüchtling Gritzner heirate eine
Jüdin, Pauline Marx aus Karlsruhe, und der Orientalist Fürst traute
sie.
Eine traurige Ehre wahrlich für den Oldenburgischen Landesrabbiner und
den Orientalisten und Redakteur zu Leipzig, die Priorität für sich in
Anspruch nehmen. dass es nach den jetzt geltenden Rechtsbestimmungen dahin
kommen musste, wer hätte es bezweifeln dürfen, dass es Rabbiner und
Geistliche geben würde, die bei solchen Mischehen die Tauung vollziehen,
wen sollte dies noch in Erstaunen versetzen? Und dennoch! Man täusch sich
noch. Nie - und das behaupten wir aus voller Seele - hatte das orthodoxe
Judentum so viele Chancen für sich als eben jetzt... Aber zugleich ist
ihnen aller und jeder Einfluss und Einwirkung auf unsere Verhältnisse
benommen, ist das Band, das uns bisher an sie fesselte, gänzlich gelöst,
ihre Religion ist von der unsrigen, wie West von Ost entfernt, jede
Vermischung mit ihnen muss bei uns durchaus aufhören; Sie sind aus dem
Kreise des Judentums geschieden, ihr Tun und Lassen lässt und gänzlich
unberührt." |
Der
Antisemitismus macht sich auch in Oldenburg bemerkbar (1885)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 6. Oktober
1885: "Oldenburg, 23. September (1885). Auch in unser Land,
das durch seine liberale Gesinnung und dieser entsprechende Institutionen
bekannt ist, will sich der Antisemitismus eindrängen. Es hat sich hier
ein 'christlich-konservativer' Verein gebildet, bei welchem es sich um den
Import des Stöckertums handelt, damit wird man hier kein Glück haben.
Unser Land lebt in vollständigem konfessionellen Frieden; insbesondere
ist es vom Antisemitismus gänzlich verschont geblieben. Bei seinen
gesegneten wirtschaftlichen Verhältnissen und der praktischen
Tüchtigkeit seiner Bewohner, hat es auch durchaus nicht nötig, einen
Sündenbock für ökonomischen Rückgang zu suchen. So wird es auch den
paar Don Quixotes von der Kreuzzeitungs-Ritterschaft nicht gelingen, unter
dem Deckmantel der christlichen Liebe reaktionäres Duckmäusertum,
geistigen Hochmut und konfessionellen Hass hier
einzuführen." |
Erste
Regungen des Antisemitismus in der Stadt (1891)
Anmerkung: Das "Oldenburger Tageblatt" erschien von 1887 bis 1892 (Bibliographie
der oldenburgischen Presse Nr. 31).
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 10. Juli
1891: "In Oldenburg, welches bisher von der
antisemitischen Epidemie verschont war, werden schüchterne Hetzversuche
gemacht. Das 'Oldenburg. Tageblatt', welches sich eine 'unparteiische
Zeitung' nennt, scheint, weil es zu immer größerer Bedeutungslosigkeit
herabsinkt und bei keiner anständigen Partei Anklang findet, es mit dem
Antisemitismus versuchen zu wollen. Da dieser aber glücklicherweise dort
keinen Boden hat, dürfte jene Spekulation eine verfehlte
sein." |
Ergebnis
der Wahlen in den Synagogengemeinden (1903)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. April
1903: "Aus dem Großherzogtum Oldenburg. Die
Vorstandswahlen in den Synagogengemeinden des Herzogtums, welche
gesetzmäßig alle vier Jahre stattfinden müssen, haben eine Wiederwahl
des gesamten, jüdischen Landesgemeinderates ergeben. Der Vertreter der
Hauptgemeinde Oldenburg, Herr L. S. Weinberg, hat wegen seines
hohen Alters von 77 Jahren eine Wiederwahl angelehnt, und statt seiner ist
Herr Leopold Moses gewählt worden.
Die Wahlprotokolle müssen von allen Gemeinden bis 15. April beim
Großherzoglichen Landrabbinat eingereicht sein, ebenso eventuelle
Wahlproteste, worauf dann am 1. Mai die Vereidigung der neugewählten
Vorsteher und Beisitzer von Seiten des Herrn Landrabbiners Dr.
Mannheimer stattfinden wird." |
Wahlen
zum Synagogen-Gemeinderat (1907)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 18. Januar
1907: "Oldenburg. In diesem Frühjahr finden in allen
jüdischen Gemeinden des Herzogtums die Wahlen zum
Synagogengemeinde-Rate statt. Durch Verfügung des Großherzoglichen
Landrabbinates sind soeben die Wahlen festgesetzt worden. Von besonderer
Wichtigkeit ist bei uns nur das Amt des ersten Vorstehers, da dieser
alsdann Mitglied des Jüdischen Landesgemeinde-Rates ist, der gesetzgebenden
offiziellen jüdischen Behörde.
Eine große Verschiebung werden die Wahlen nicht bringen, auch haben diese
mit religiösen Richtungen absolut nichts zu schaffen, da der Kultus und
alle religiösen Fragen einzig und allein vom Landrabbiner bestimmt
werden, welchem auch die Wahlprotokolle, Wahlproteste usw. zuzustellen
sind, und der alsdann die Vereidigung der neugewählten Vorsteher
vornimmt." |
Prozess
gegen den Jüdischen Landesgemeinderat in Betreff des
"Austrittsgesetzes" (1914)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 10. April
1914: "Oldenburg, 3. April (1914). Ein Prozess gegen
den Jüdischen Landesgemeinderat in Oldenburg, welcher von
prinzipieller Bedeutung war, ist soeben in letzter Instanz zugunsten des
Jüdischen Landesgemeinderates entschieden worden. Der Jüdische
Landesgemeinderat hatte vor einigen Jahren ein 'Austrittsgesetz'
beschlossen nach dem Muster des preußischen, nach welchem ein
Austretender ohne Übertritt zu einer anderen Religionsgemeinschaft noch
zwei beziehungsweise fünf Jahre zu sämtlichen Kultussteuern beizutragen
verpflichtet ist. Der Kaufmann Georg Isaak übernahm es im Namen seines
Freundes Reyersbach und auf dessen Kosten, die Gültigkeit dieses
Gesetzes anzugreifen, mit der Begründung, ein solches Gesetz könne nur
vom Landtag gemacht werden und überschreite die Befugnisse des Jüdischen
Landesgemeinderates. Er betrat zuerst den Beschwerdeweg beim
großherzoglichen Staatsminister und bestritt die Rechtskräftigkeit
dieses Gesetzes. Die Beschwerde wurde mit der Begründung abgewesen, dass
der Landesgemeinderat eine vom Staates anerkannte gesetzgebende Korporation
sei. Nunmehr betrat Isaak den Weg der Klage, nachdem er die Steuern
bezahlt hatte, und klagte gegen die jüdische Behörde beziehungsweise den
Vorsitzenden des Jüdischen Landesgemeinderates, Herrn Landrabbiner Dr.
Mannheimer, welcher sich seinerseits durch Rechtsanwalt F.
Löwenstein in Oldenburg vertreten ließ. Der Kläger wurde beim
Amtsgericht abgewiesen und zur Tragung sämtlicher Kosten verurteilt. Die
gegen das Urteil eingelegte Berufung wurde vom Landgerichte verworfen und
das Urteil der Vorinstanz wurde bestätigt." |
Gedächtnisfeier
für die aus den Synagogengemeinden des Herzogtums gefallenen jüdischen
Soldaten (1919)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 17. Januar 1919: "Die Jüdische Gemeinde in
Oldenburg veranstaltete jüngst eine Gedächtnisfeier für die aus den
Synagogengemeinden des Herzogtums Oldenburg gefallenen jüdischen Helden,
verbunden mit der Einweihung von zwei Ehrentafeln (für Stadt- und Landgemeinde).
Auf jeder Ehrentafel ist eine Krone angebracht, in welcher am Jahrestage
eines jeden einzelnen Helden ein elektrisches Jahrzeitlich brennt. Die
Gedächtnisrede des Herrn Landrabbiners Dr. Mannheimer machte einen
tiefen Eindruck auf alle Zuhörer." |
Antisemitische
Exzesse in der Stadt (1923)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. November
1923: "Antisemitische Exzesse in Oldenburg.
Oldenburg, 15. November (1923). In der letzten Sitzung des
Stadtparlaments von Oldenburg brachte der Sozialdemokrat Heitmann
die in Oldenburg vorgekommenen Überfälle auf jüdische Bürger
zur Sprache. Er erzählte, dass auch Mitglieder des Landestheaters, die
Juden sind oder als Juden angesehen wurden, misshandelt worden sind. Der
demokratische Stadtverordnete Bukofzer ersuchte um Maßnahmen zum
Schutze der jüdischen Bürger. Er bezeichnete die Angriffe als Taten von
Feiglingen, die sich nicht einzeln, sondern in Rudeln an das Opfer
heranwagten. Stadtverordneter Bukofzer stellte fest, dass die Überfälle
von besser gekleideten Leuten ausgeführt worden sind. Der Oberbürgermeister
sagte, es sei eine Schande für Oldenburg, dass solche Dinge vorgekommen
seien. Es handle sich bei den Überfällen und Radauantisemiten
schlimmster Art und seien alle Maßnahmen zum Schutze der Bürger
getroffen." |
Große
Teile der Studierenden der Ingenieur-Akademie sind zu den Nationalsozialisten
übergegangen (1931)
Artikel in der "Jüdisch-liberalen Zeitung"
vom 7. Januar 1931: "In der Stadt Oldenburg sind nach dem
Wahlerfolg der Nationalsozialisten große Teile der Studierenden der
Ingenieur-Akademie (Hindenburg-Polytechnikum) in das Lager der
Nationalsozialisten übergegangen. Der jetzige Rektor hat dieser
Entwicklung noch dadurch Vorschub geleistet, dass er bei der Bannerweihe
der Nationalsozialistischen Studentengruppe sich mit Nachdruck für die
nationalsozialistische Bewegung einsetzte. Diese Entwicklung hat nun
prompt ihre Früchte getragen. In dem Allgemeinen Studenten-Ausschuss sind
mit überwältigender Mehrheit, in einem Fall mit 16:2 Stimmen, mehrere
Anträge angenommen worden, von denen zwei kennzeichnend für die
Situation sind. Der eine Antrag fordert, dass ein Numerus Clausus für
jüdische Studenten geschaffen wird, im Ausmaß von ein Prozent der
Gesamtzahl der Studierenden, der andere fordert, dass sämtlichen
jüdischen Studenten das Wahlrecht zum Allgemeinen Studentenausschuss
entzogen wird. Die Anträge sind reine antisemitische Demonstrationen ohne
praktischen Erfolg. Bei dem Rektor ist bereits Einspruch gegen eine
derartige Antragstätigkeit des Studentenausschusses, die den Satzungen
widerspricht, erhoben worden. Der oldenburgische nationalsozialistische 'Freiheitskämpfer'
veröffentlicht die Anträge unter der Überschrift 'Unsere Studenten' und
schließt mit dem Satz 'Deutschland den Deutschen'. Die Asta-Sitzungen
sind in Oldenburg öffentlich; bisher war es Brauch, die anwesenden Studenten
zu den zur Verhandlung stehenden Gegenständen und Anträgen sprechen zu
lassen. Als nun ein jüdischer Studierender sich gegen derartige Anträge
verwahrte, wurde ihm das Wort entzogen und er aus dem Saale gewiesen.
Andere anwesende jüdische Studenten verließen daraufhin demonstrativ die
Sitzung". |
Auftakt
zur "Jüdischen Winterhilfe" - Rabbiner Dr. Trepp wird zum
Landrabbiner gewählt (1936)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. Dezember
1936: "Oldenburg i.O.. 1. Dezember (1936). Als
Auftakt zur 'Jüdischen Winterhilfe' fand am 11. Oktober ein gemütliches
Beisammensein im Sitzungszimmer der Oldenburger Gemeinde statt.
Eingeleitet wurde die Feier durch einen in Versen gehaltenen Appell des
Gemeindevorstehers Herrn Cronheim. Darauf sprach Herr Rabbiner Dr.
Trepp über den Sinn der Winterhilfe in sehr anschaulicher und
sinnreicher Weise und warb bei der Gelegenheit gleichzeitig für die
Winterhilfs-Aktion. Es konnte erfreulicherweise festgestellt werden, dass
bereits am Schluss des Beisammenseins sich der Erfolg auswirkte und von
vielen Gemeindemitgliedern Beträge gezeichnet wurden. Auch ermahnende
Worte von Frl. Lore Arnheim aus Hamburg vom Verband der jüdischen
Gemeinden Schleswig-Holsteins und der Hansestädte haben ihre Wirkung
nicht verfehlt.
Am 22. November fand eine Sitzung des Landesgemeinderats Oldenburgs statt,
in der Herr Rabbiner Dr. Trepp einstimmig zum Landesrabbiner gewählt
wurde. Der Vorsitzende, Herr Cronheim, gab seiner Freude über die
erfolgte Wahl Ausdruck und beglückwünschte Herrn Landesrabbiner Dr.
Trepp, indem er die Hoffnung aussprach, dass sich die Zusammenarbeit
zwischen dem Landesrabbinat einerseits und den einzelnen Gemeinden
andererseits zu einer erfolg- und segensreichen gestalten
möge.
Die Winterarbeit wurde am 22. November durch eine Feierstunde in
der überfüllten Oldenburger Synagoge eingeleitet, zu der auch die
Mitglieder der Landesgemeinden eingeladen und zahlreich erschienen waren.
Im Mittelpunkt stand der Vortrag des Landesrabbiners Dr. Trepp
über 'Erziehung im Judentum'. Die Zuhörer folgten den inhaltsreichen,
rhetorisch packenden Ausführungen mit größtem Interesse. Ein besonderes
Gepräge erhielt die Veranstaltung durch die Mitwirkung des wohlgeschulten
Synagogenchors Jever (Leitung: Lehrer Hartog, Wilhelmshaven).
In der Veranstaltung fand das Streben aller Gemeinden zu recht inniger
Gemeinschaft schönsten Ausdruck, so dass der Zweck voll erreicht war. Im
Laufe des Winters ist noch eine Reihe von Vorträgen und Lehrkursen
geplant. Das Programm sieht folgende Vorträge vor: 'Die Propheten und
ihre Mahnung an uns'. 'Erez Israel als geschichtsformender Faktor im Leben
des Galutjudentums'. 'Jüdische Führergestalten neuester Zeit'. 'Der
Einfluss der Umwelt auf die jüdische
Kultur'." |
Berichte
zu einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde
Lehrer
Salomon Mendelssohn ist an allen öffentlichen Schulen als Turnlehrer angestellt (1863)
Hinweis: Salomon Mendelssohn (geb. 1814 in Jever, gest. 1892 in
Braunschweig war Großherzoglich Oldenburgischer Turnlehrer und entschiedener
Förderer des Turnwesens in Friesland. Er war seit dem 1. April 1844 als
staatlicher Turnlehrer für die Schulen in Oldenburg angestellt. 1881 ging er in
den Ruhestand und siedelte mit seiner Frau nach Braunschweig über. Mehr zu ihm
im Wikipedia-Artikel
Salomon Mendelssohn.
Der Titel des Buches von Lehrer Salomon Mendelssohn war: "Beiträge zur
Geschichte des Turnens mit Bezug auf Waffenübungen, Kampfspiele etc.".
Erschienen 1861.
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 21. Juli
1863: "Oldenburg, 5. Juli (1863). Allhier ist Herr
Mendelssohn (Jude) seit 19 Jahren an allen hiesigen
öffentlichen Schulen als Turnlehrer angestellt und hat sich stets
des Wohlwollens seiner Vorgesetzten zu erfreuen gehabt. Durch die
Herausgabe einiger Schriften über Turnerei auch in weiten Kreisen
bekannt, erhielt er kürzlich die Aufforderung aus Ludwigs-Lust in
Mecklenburg, dort ein schulgerechtes Turnen einzurichten. Ferner wurde ihm
eine ehrenvolle Einladung aus Leipzig, durch die er bei dem daselbst vom
2. - 5. August dieses Jahres statthabenden Turnerfeste zum Mitgliede des
'Beurteilungs-Ausschusses' gewählt worden. So wird derselbe auch der
Dresdner Turnlehrer-Versammlung am 30. und 31. Juli
beiwohnen.
Wir verfehlen nicht, auf ein neues von Herrn Mendelssohn verfasstes Werk,
von welchem bereits das erste Heft unter dem Titel: 'Beiträge zur
Geschichte des Turnens'* erschienen ist, aufmerksam zu machen, und indem
wir auf eine Beurteilung dieses Heftes in den von Dr. M. Kloß
herausgegebenen 'Neuen Jahrbüchern für die Turnkunst' hinweisen,
wünschen wir diesem Unternehmen den besten Fortgang. L.
*Anmerkung: Leipzig bei R. Friese. Die Schrift gibt eine gut
geschriebene Darstellung der Gymnastik bei den alten Israeliten, Griechen
und Römern, dann in der neueren Zeit, wo die Verdienste namentlich
Vieth's, Gutsmuth's und Petalozzi's um dieselbe ausführlich hervorgehoben
werden. Die Redaktion." |
Gemeindevorsteher
Levi Salomon Weinberg wird aus seinem Amt verabschiedet (1903)
Anmerkung: Der Kaufmann Levi Salomon Weinberg war von Mitte der 1870er-Jahre
bis 1903 Vorsitzender des Synagogengemeinderates. Von 1875 bis 1883 war er auch
Stadtratsmitglied. Sein Nachfolger wurde Leopold Moses.
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. April
1903: "Oldenburg. Zu Ehren des Vorstehers der jüdischen
Gemeinde, Herrn L. S. Weinberg, welcher wegen seines hohen Alters
von 77 Jahren eine Wiederwahl abgelehnt hatte, veranstaltete am Sonntag,
5. April, der 'Jüdische Landesgemeinderat' nach seiner letzten Sitzung in
dieser Wahlperiode im Saale der Union eine Abschiedsfeier, an der sich
auch eine große Anzahl Mitglieder der hiesigen Gemeinde mit ihren Damen
beteiligten.
Nachdem der Vorsitzende des Landesgemeinderats, Herr Landesrabbiner Dr.
Mannheimer, sowie das älteste Mitglied, Herr Vorsteher Heinemann
- Vechta, den Jubilar unter den Klängen
der Musik in den Saal geleitet hatten, überreichten die Vorsteher
Gustav Schwab - Varel und J. D.
Josephs - Jever, im Namen des
Landesgemeinderates eine von Kunstmaler Adels jun. angefertigte
Adresse, auf welcher die Arbeiten des Landesgemeinderates allegorisch in
hervorragend schöner Ausführung dargestellt waren. Während der
Überreichung spielte die Musik ein Stück, worauf der Jubilar in bewegten
Worten dankte.
Hierauf begann das Festmahl, an dem Herr Weinberg bis zu Ende teilnahm.
Als Nachfolger des Herrn L. S. Weinberg, der fast drei Jahrzehnte seines
Amtes segensreich waltete, tritt Herr Leopold Moses sowohl als
Vorsteher der Gemeinde, als auch als Mitglied des Landesgemeinderates an
seine Stelle." . |
Landgerichtsrat
Emil Weinberg wurde zum Oberlandesgerichtsrat befördert (1908)
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 24. Juli 1908: "Oldenburg. Landgerichtsrat Emil
Weinberg wurde zum Oberlandesgerichtsrat
befördert." |
Oberlandgerichtsrat
Emil Weinberg wurde zum Präsidenten des Landgerichtes ernannt (1919)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 3. Januar 1919: "Der Oberlandesgerichtsrat Emil Weinberg in
Oldenburg ist zum Präsidenten des Landgerichts daselbst ernannt
worden." |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Anzeige
des Schreib- und Zeichenmaterialien-, Antiquar- und Zigarrengeschäftes S. L.
Landsberg (1850 / 1859 / 1862 / 1875)
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 25. Februar 1850: "Ein israelitischer Jüngling, der eine gute Erziehung
genossen und die nötigen Schulkenntnisse besitzt, kann zu Mai dieses
Jahres in meinem Schreib- und Zeichenmaterialien-, Antiquar- und
Zigarrengeschäft, wie auch für meine Leihbibliothek als Lehrling
plaziert werden. Hierauf Reflektierende wollen sich in frankierten Briefen
an mich wenden.
Oldenburg (Großherzogtum). S. L. Landsberg." |
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Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 19. September 1859: "Gesucht.
Für meine Schreib- und Zeichenmaterialien-, Bücher- und Kurzwaren-,
Tabak- und Zigarren-Handlung suche ich auf sofort oder zum 1. November
dieses Jahres einen israelitischen jungen Mann als Lehrling oder Volontär.
Oldenburg (Großherzogtum). S. L. Landsberg."
|
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Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 25. November 1862: "Lehrlingsgesuch.
Für meine Schreib- und Zeichenmaterialien-Handlung, Bücher-,
Leihbibliotheks-, Tabaks- und Zigarrengeschäft suche ich auf sofort einen
israelitischen Lehrling. Oldenburg (Großherzogtum). S. L.
Landsberg." |
|
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 18. November 1875: "Für ein junges, gebildetes Mädchen, das in
dem Haushalte wohlerfahren ist, wird zum kommenden Januar eine Stelle zur
Stütze der Hausfrau, in einem koschern Haushalte gesucht. Näheres zu
erfragen bei dem Kaufmann
S. L. Landsberg in Oldenburg
(Großherzogtum)." |
Lehrlingsgesuch
von Lackierer Moritz Ballin (1850)
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 6. Mai 1850: "Lehrlingsgesuch.
In meiner Lackierfabrik kann gegenwärtig ein Lehrling platziert werden.
Eltern respektive Vormünder will darauf aufmerksam gemacht haben Oldenburg.
Moritz Ballin, Lackierer." |
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 29. September 1863: "Für mein Produkten- und
Leder-Geschäft suche ich gegen hohen Lohn zum sofortigen Antritt einen jungen
Mann von 16 bis 20 Jahren. Näheres auf frankierte Anfragen bei Louis
Steinthal.
Oldenburg, im September 1863." |
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 21. Januar 1868: "Für ein junges Mädchen von sehr
achtbarer Familie wird eine Stelle in einem größeren jüdischen
Haushalte gesucht, in dem dasselbe der Hausfrau hilfreich zur Seite stehen
kann. Fähigkeiten zur Überwachung der Kinder bei ihren Schularbeiten
sind vorhanden.
Auf hohes Salair wird weniger, als auf liebevolle Behandlung
gesehen.
Nähere Auskunft erteilt auf frankierte Anfragen L. S. Weinberg in
Oldenburg." |
Anzeigen
von S. J. Ballin u. Co. (1870 / 1877)
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 8. November
1870: "Oldenburg. Ein gewandtes junges Mädchen für
Aushilfe für Laden und Haushalt findet bei uns eine angenehme und
lohnende Stellung. Fertigkeit im Nähen, womöglich auch im Schneidern
sind erforderlich. Der Antritt kann sofort geschehen. S. J. Ballin u.
Co." |
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nzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 9. Oktober 1877: "Oldenburg im Großherzogtum. Für
einen jungen Mann, der Michaelis die Prima der Realschule verlässt,
suchen wir per 1. Oktober eine Lehrlingsstelle in einem Papier-
oder Manufakturgeschäfte. S. J. Ballin & Co."
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Anzeige
des Tuch- und Modewaren-Geschäftes S. Hahlo (1875)
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 14. September 1875: "Gesucht
für mein Tuch- und Modewaren-Geschäft zum 1. Oktober einen Lehrling.
Oldenburg (Großherzogtum) S. Hahlo."
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