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Rödelsee (Kreis
Kitzingen)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Rödelsee bestand eine jüdische
Gemeinde bis 1907 oder 1908. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 15./16.
Jahrhunderts zurück. Bereits vor 1395 lebte hier der Punktator
Gerschom ben Jehuda, der an einer reich illuminierten Pentateuch-Handschrift für
einen Coburger
Juden mitwirkte.
Im 16. Jahrhundert bestand bereits eine relativ große jüdische Gemeinde
im Ort, die 1585 18 jüdische Familien umfasste. Der Ort war unter verschiedenen
Herrschaften aufgeteilt (Hochstift Würzburg, die Abtei Ebrach, Grafen zu
Castell-Rüdenhausen und die späteren Freiherren von Crailsheim). Im Fürstlich
Castell'schen Archiv bereichten aus der Zeit des 16. Jahrhunderts unter anderem
über Differenzen und Prozesse zwischen Castell-Rüdenhausen und den Rödelseer
Kondominats-Herrschaften zur Ansässigmachung von Juden durch die Freiherren von
Crailsheim. Namentlich werden 1597 Abraham Jud und Mayer Jud genannt, deren
Abgaben an die Ortsherrschaft u.a. im Ertrag aus den Weinbergen am Ort bestand.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1801 16 jüdische Familien am Ort, 1816 112 jüdische Einwohner (15,5 %
von insgesamt 722), 1830 122, 1880 85 (10,7 % von insgesamt 796), 1890 55 (7,2 %
von 768), 1900 46 (6,2 % von 745).
Bei der Erstellung der Matrikellisten 1817 werden in Rödelsee auf
insgesamt 22 Matrikelstellen die folgenden jüdischen Familienvorstände
genannt (mit neuem Familiennamen und Erwerbszweig): David Simon Seemann
(Viehhandel), Joseph Isaac Vogel (Schmusen), Moses Jacob Klein
(Buchbinderarbeit), Loew Isaac Stark (Pferdehandel), Abraham Loew Guthmann
(Schmusen), Hayum Simon Bachmann (Viehschächten), Amsel Joseph Bergmann
(Schmusen), Nathan Isaac Stark (Schmusen), Moses Jacob Ullmann
(Schnittwarenhandel), Maennlein Charon (Totengräber), Benedict Katz Eisemann
(Viehhandel), Raphael Abraham Berenheim (Schmusen), Jacob Enslein Ellmann
(Waren- und Viehhandel), Joseph Enslein Ellmann (Kleiderhandel), Isaac Enslein
Ellmann (Waren- und Viehhandel), Oscher Abraham Schönbacher (Viehhandel), Joel
Joseph Stein (Schmusen), Jaidel Nathan Strauß (Viehhandel), David Loew Franck
(Schmusen), Abraham Pfeiffer (Weinhandel), Salomon Joseph Stern
Ellenwarenhandel), David Mannes Mann (lebt von der Unterstützung seines
Sohnes). Eventuell gab es weitere Familien - in der Matrikelliste fehlen
Angaben zu zehn Matrikelstellen.
Nach 1870/80 erfolgte eine starke Abnahme der jüdischen Einwohner, die vor
allem bedingt war durch den möglichen Zuzug nach Kitzingen,
wo 1865 eine neue Gemeinde gegründet werden konnte sowie in andere Städte.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine
jüdische Schule (Israelitische Konfessionsschule bis 1874), ein rituelles Bad
und unweit des Ortes den großen
jüdischen Zentralfriedhof, dessen Geschichte bis mindestens ins 15.
Jahrhundert zurückgehen wird (erste Erwähnungen 1432 und 1526). Zur Besorgung
der religiösen Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer angestellt, der zugleich
als Vorbeter und Schächter tätig war. Letzter jüdischer Lehrer von
1869 bis zu seiner Zurruhesetzung 1911 war Abraham Frank (geb. 1849
in Rimpar, gest. 1924 in Würzburg (Nachruf
siehe unten). Er war als einer der letzten der jüdischen Gemeinde Rödelsee
nach deren Auflösung 1910 nach Würzburg verzogen. Die Gemeinde gehörte
zum Rabbinat Burgbernheim, nach dessen Auflösung zum Rabbinat Kitzingen.
Nach der Auflösung der jüdischen Gemeinde 1907/08 wurden die wenigen
hier noch lebenden jüdischen Personen (insbesondere die Familie des
Friedhofsaufsehers) der jüdischen Gemeinde in Großlangheim zugeteilt. 1910
wurden in Rödelsee noch 8, 1925 noch 3 jüdische Einwohner gezählt.
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde Justus (Justin)
Stein (geb. 16.3.1890 in Rödelsee, vor 1914 in Kitzingen wohnhaft, gef.
29.8.1918).
1933 lebten noch vier jüdische Personen in Rödelsee. Im April 1937
waren es sechs Personen, davon eine vierköpfige Familie, die auf Unterstützung
angewiesen war.
Von den in Rödelsee geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen
Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Betti (Babette) Bauer
geb. Schloss (1884), Lazarus Bernheimer (1886), Adolf Charon (1878), Ida
Friedmann geb. Kissinger (1888), Ella Goldschmidt geb. Frank (1895), Eva Grünberg
geb. Kissinger (um 1895), Johanna Hoffmann geb. Schloss (1879), Klara
Jochsberger geb. Schloss (1893), Maier Kissinger (1885), Regina Klau geb. Frank
(1860), Isaak Klein (1876, siehe Literatur unten), Regina Lang geb. Strauss (1861), Hermann Löwenstein
(1900), Ludwig Löwenstein (1928), Sophie Löwenstein geb. Oppenheim (1896),
Minna Neuburger geb. Stein (1879), Cilly Oppenheim geb. Klein (1858), Franziska
Oppenheim (1883), Ignatz Oppenheim (1889), Ludwig Oppenheim (1893), Moritz
Oppenheim (1885), Otto Oppenheim (1889), Zilli (Zierle) Oppenheim geb. Klein
(1858), Fanny Rau geb. Kissinger (1892), Max Schloss (1876), Isaak Schönbacher
(1861), Lina Selig geb. Frank (1875), Jeanette Süß-Schülein geb. Strauß
(1854), Fanny van der Walde geb. Kissinger (1893).
Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der
Geschichte der jüdischen Lehrer
Zum Tod der Lehrergattin Fanny Frank (= Fanny Frank geb. Mayer,
war mit Lehrer Abraham Frank seit 1868 verheiratet)
Aus der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. April 1892: "Rödelsee,
25. März (1892). Diese Blätter, zu deren treuesten Anhänger ihr Haus
gehört, mögen einem weiteren Kreise Kunde bringen von dem Ableben einer
überall geachteten und geliebten Frau, der Frau Lehrer Fanny Frank aus
Rödelsee in Bayern. Nach einem unsäglich qualvollen Leiden, das sie
in stiller, gottergebener Geduld getragen, ist sie am 22. Adar (21. März
1892) ihrem Kreise durch den Tod entrissen worden. Die außergewöhnliche
Verehrung, deren die Verstorbene bei Lebzeiten sich erfreute, äußerte
sich durch eine ungemein große Beteiligung seitens aller Konfessionen bei
der Beerdigung. Im Auftrage des Herrn Rabbiner Adler-Kitzingen schilderte
Herr Lehrer Bamberger in prägnanter, eindrucksvoller Rede das schöne,
tiefreligiöse Leben der Entschlafenen, indem er darauf hinwies, dass die
Teure die enge Stätte ihrer Wirksamkeit, einem Heiligtums gleich, allzeit
treu verwaltete und behütete. Am Sarge widmeten der Schwiegersohn Lehrer
Schloss-Oberlahnstein und der Sohn Dr. med. Frank aus Landsberg a.W. (sc.
Moses Frank, geb. 1879 in Rödelsee, Augenarzt in Landsberg/Warthe, gest.
1923) der
Mutter kurze Worte des Gedenkens. In schmerzdurchbebter Rede gedachte zum
Schluss der Gatte, Herr Lehrer Frank des unersetzlichen Verlustes, und hob
besonders das Gemiluth Chesed (Wohltätigkeit) hervor, das die
Verstorbene 25 Jahre lang als unermüdlich tätiges, leitendes Mitglied
der Chewra-Kaddischa (Bestattungsverein) des Friedhofsbezirks
Rödelsee ausübte." |
Neujahrswünsche von Lehrer Abraham Frank und Frau
(1898)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. September 1898:
"Wir wünschen allen Freunden und Bekannten eine
gute Einschreibung und Besiegelung.
Lehrer A. Frank und Frau, Rödelsee." |
Zum Tod des Lehrers Abraham Frank im Februar 1924
und seine Beisetzung in Rödelsee
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. Februar 1924:
"Würzburg, 6. Februar (1924). Einer unserer Besten ist von uns
gegangen. Am Erev Rosch chodesch Adar (= Vorabend zum Monatsbeginn
Adar = 5. Februar 1924) haben wir den Lehrer a.D. Abraham Frank zu Grabe
getragen. Ein echt jüdisches Lehrerleben hat damit seinen Abschluss
gefunden. Hochbetagt musste er vor einigen Monaten das Israelitische
Krankenhaus in Würzburg aufsuchen; dort ist er seinem Leiden erlegen. Die
Beisetzung erfolgte auf dem uralten Zentralfriedhof in Rödelsee bei
Kitzingen. In Rödelsee hatte Frank 40 Jahre lang als Lehrer amtiert. Fast
als letzter Jude verließ Frank die ihm liebgewordene Stätte, auf die er
1869 nach seinem Seminaraustritt berufen wurde, 1910 siedelte der
Emeritierte nach Würzburg über. Wie er in Rödelsee tatsächlich nur
für Tora, Abodah (Gottesdienst) und Gemiluth chesed (Wohltätigkeit)
gelebt und gewirkt hatte, so setzte der Greis in Würzburg es fort. Jung
und Alt scharte er um sich zum 'Lernen', in der Chebrah Kadischah
(Wohltätigkeits- und Bestattungsverein) war er eines der eifrigsten
aktiven Mitglieder; ja, selbst dem Vereinsleben opferte er noch Kraft und
Zeit; indem er nach dem Tode Dr. Braunschweigers - seligen Angedenkens -
das verantwortungsvolle und arbeitsreiche Amt des Kassiers im
'Israelitischen Lehrerverein für Bayern' übernahm. Gar vieles und
schweres musste er im Leben ertragen. Die treue Gattin wurde ihm noch in
Rödelsee vom Tode weggerafft. Ein hoffnungsvoller Sohn, Dr. med. und
Augenarzt, dabei echter, frommer Jehudi, erlag vor einem Jahr einem
tückischen Leiden. Aber Franks Gottvertrauen und echte Frömmigkeit
überwand alle Anfechtungen. Mit Recht konnte Herr Rabbiner Dr. Hanover
bei der Überführung, an der sich eine selten große Zahl von Trauernden
beteiligte, in gehaltvollen Trauerworten den Lebensgang des Verblichenen
mit dem Geschicke Hiobs in Parallele stellen. Herr Hauptlehrer und
Schuldirektor Mandelbaum widmete Worte des Dankes und ehrenden Gedenkens
im Namen des Israelitischen Lehrervereins, desgleichen Herr Moritz
Rindskopf als Vereinsvorstand für die Chebrah Kadischah. Die
Israelitische Lehrerbildungsanstalt Würzburg, zu deren ältesten Schülern
Frank gehört hatte, war bei der Beerdigung in Rödelsee durch Herrn
Seminaroberlehrer Stoll vertreten. Am Grabe entwarf Herr Rabbiner Dr.
Wohlgemuth-Kitzingen ein Bild von der Lehrertätigkeit des Entschlafenen;
Generationen hat er herangebildet, die seiner in Liebe und Treue gedenken
und fast alle in Treue und Liebe dem überlieferten Väterglauben dienen.
Herr Lehrer Bamberger-Kitzingen sprach als Nachbarkollege und zeichnete am
Bilde Erzvater Abrahams das Bild Abraham Franks. Kultusvorstand Herr
Engel-Würzburg dankte namens der Würzburger Lernvereine Ez-chajim
und Ohabe Emeth für die hingebungsvolle Lehrtätigkeit in
Würzburg, des Verewigten Wesen und Wirken darstellend an den Geräten des
Heilgtums: Schulchan (Lesepult), Menorah (Leuchter), Mizbeach
(Altar). Herr Siebel-Kitzingen sprach im Auftrag der Chebrah Kadischah der
Stadt und des Bezirkes. Über 50 Jahre hindurch hatte Frank jährlich
zweimal am Erev Rosch chodesch die Glaubensbrüder in Rödelsee zum
Chebrah-Gottesdienste zusammengerufen; auch im Tode noch hat es sie
diesmal um sich gesammelt und sie kamen, zahlreicher als je, ihm die
letzte Ehre zu erweisen. Möge er nun in lichten Höhen den wahren Lohn
empfangen, möge er uns allen ein rechter Fürsprecher an Gottes Thron
sein. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens.
" |
Berichte aus dem jüdischen
Gemeindeleben
Die Gemeinde sammelt für notleidende Juden
Weißrusslands (1869)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 28. April 1869: "Rödelsee, den 30. März (1869). Sie
haben unstreitig die 21 Gulden, welche ich vor einigen Tagen für die
Notleidenden Westrusslands eingesandt, erhalten. Am zweiten Tage des Pessach-Festes
war unser Herr Rabbiner Adler aus Mainbernheim
hier und hat mit großem Beifalle gepredigt. Nachmittags hatte ich die
Ehre des Besuches vom Herrn Rabbiner, und erzählte mir derselbe bei
dieser Gelegenheit, dass er den Aufsatz in Ihrem geschätzten Blatte - 'Heil,
wer sich des Armen annimmt' (Psalm 41,2) - bei seiner Gemeinde
öffentlich vorgelesen habe, und ersuchte mich dasselbe auch in hiesiger
Gemeinde zu tun. Obzwar ich erst vor wenigen Tagen zu diesem Zwecke
gesammelt hatte, so wurde doch der Rat des Herrn Rabbiner befolgt und am
ersten Tage der Halbfeiertage (des Pessachfestes) nach beendigtem
Gottesdienst genannter Aufsatz mit einigen Erklärungen öffentlich vorgetragen.
Das Gemüt eines jeden war ergriffen und zeigte sich deutlich: die
Israeliten sind solche, die sich erbarmen. Auf Veranlassung der Mehrheit
der Gemeinde sollte ich heute gleich wiederholt eine Sammlung
vornehmen, welchen Auftrag ich mit großer Freude übernommen, und
hat sich Gott sei Dank hierbei das günstige Resultat nach
beiliegendem Verzeichnis von 113 Gulden 35 Kr. ergeben.
Mögen nun viele andere und namentlich größere Gemeinden diesem
Beispiele folgen damit wir von solchen Schreckenserzählungen, welche
jeden frommen Jehudi mit Wehmut ergreifen, stets bewahrt werden. M.
Löwenberg." |
Berichte zu einzelnen
Personen aus der Gemeinde
Zum Tod des langjährigen Kultusvorstehers Lehmann Frank im
April 1878
Artikel
aus der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. Mai 1878:
"Rödelsee, Unterfranken. Gestatten Sie mir, geehrter Herr Redakteur,
in Ihrem geschätzten Blatte, das so sehr verbreitet, Einiges über das
Leben eines schlichten Mannes zu berichten, der kürzlich das Zeitliche
gesegnet.
Herr Lehmann Frank - seine Ruhe sei Eden - ging am 4. Nissan (7.
April 1878) in das bessere Jenseits. Das Leben dieses Biedermannes sollte
wirklich als Muster gelten. Er glänzte in der Familie, in der Gemeinde,
im Judentum, und als Mensch besonders ob seiner vorzüglichen
Eigenschaften und Tugenden. Durch ihn entgeht der Familie ihre
Hauptstütze, der Lenker und Führer des Haushaltes. Die Gemeinde verliert
an ihm ihr schönstes Mitglied. Er unterzog sich gerne der ihm obliegenden
Pflichten, übertrat nie einen Taanit (Fasten), war stets bereit,
dem Frieden und der Eintracht Opfer zu bringen und legte fortwährend
einen für den Grad seiner religiösen Bildung höchst anerkennenswerten
Sinn für Anstand und Ordnung beim Gottesdienste an den Tag. Er bekleidete
lange die Stelle eine Kultusvorstehers. Er wirkte viel Gutes in dieser
seiner Stelle. Die Gemeinde verdankt ihn die neue Synagoge und die gar
nicht zu schützenden Gemeindestatuten. Er hielt die Ordnung im Gebethause
streng aufrecht. Er versah sein Amt nur LeSchem Schamajim (nur Ehre
Gottes), wofür ihm jetzt das Verdienst der Urväter beistehen wird. Als Geschäftsmann
war er streng solid, rechtschaffen im wahren Sinne des Wortes. Durch
seinen offenen Sinn stieß er manchmal an, aber die Vielen, mit denen er
zu verkehren hatte, rühmen ihm nach, dass sie gerne mit ihm umgegangen,
was sich auch durch das ehrenwerte und zahlreiche Gefolge zu seinem Grabe
bekundete. Noch nie sah man einen solchen Leichenzug hier; Juden und
Nichtjuden aus Nah und Fern eilten herbei, dem Verblichenen die letzte
Ehre zu erweisen.
Er ist nun heimgegangen zu seinen Vätern. Möge er den Lohn empfangen
für die guten Werke, die er geübt, aus der Hand unseres himmlischen
Vaters. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens."
|
Zum Tod vom Frau Fanni Kissinger im März 1892
Aus der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. April 1892:
"Aus Unterfranken. Am 24. Adar ist Frau Fanni Kissinger in
Rödelsee, eine echt jüdische Frau, gestorben. Mit vielen herrlichen
Tugenden ausgestattet, zierte sie ihr Zeniut (Bescheidenheit), eine
Eigenschaft, die leider gegenwärtig bei vielen Frauen vermisst wird, am
meisten. Freitag, den 26. Adar, wurde die Entschlafene bei großer
Beteiligung von Verwandten und Bekannten beerdigt. Herr Distriktsrabbiner
Adler von Kitzingen hob in herrlicher Rede rühmend hervor, wie die
Heimgegangene als Eschet Chajal (tüchtige Frau) in jeder Beziehung
lebte und strebte, wie sehr deren Verlust zu beklagen ist, in einer Zeit,
in der es es an rechtschaffenen Frauen leider gebricht. Sodann gab
ein Sohn der Verewigten, Herr Lehrer S. Kissinger aus Urspringen, den
Gefühlen des Schmerzes innigen Ausdruck. Sie war es, die ihren frommen,
für Erhaltung unserer heiligen Tora und deren Studium stets so
begeisterten und tätigen Mann ermunterte und ihm hilfreich zur Seite
stand. Trefflich hatte sie es verstanden, ihre sämtlichen Kinder durch
eine musterhafte Erziehung zu wahren und frommen Jehudim und Jüngern der
Tora heranzubilden. Ihre Bemühungen waren vom schönsten Erfolg
gekrönt."
Anmerkung: der Sohn Simon Kissinger (geb. 1859 in Rödelsee), war
von 1878 bis 1935 Lehrer in verschiedenen bayrischen Gemeinden; der Sohn
David Kissinger (geb. 1860 in Rödelsee) war von 1879 bis 1925 Lehrer u.a.
in Ermershausen, 1939 nach Stockholm emigriert. |
Hinweis auf den in Rödelsee aus einer jüdischen Familie
geborenen, später konvertierten
Paulus Aemilius ('Romanus', um 1510 in Rödelsee - 1575 in Ingolstadt)
Artikel aus dem "Augsburger
Stadtlexikon" (Artikel):
"Paulus Aemilius (’Romanus’), * um 1510 Rödelsee (Unterfranken),
gest. 9.6.1575 Ingolstadt, Schreiber, Buchdrucker, Buchführer, Prof. für Hebräisch.
Artikel von Dr. Hans-Jörg Künast/Dr. Christoph Roth (Stand: 2. Auflage Druckausgabe)
1538 Schreiber des Orientalisten und Diplomaten Johann Albrecht Widmanstetter
(gest. 1557) in Rom. Trat dort vom Judentum zum Katholizismus über und legte sich den Namen Paulus und den Beinamen Romanus zu. Druckte 1543/44 in
Augsburg zwei oder drei Schriften mit den Typen von C. Schwarz und dem Illustrationsmaterial von S. bzw. V. Otmar. In den Besitz der hebräischen Schriften war er gekommen, nachdem die Gründung einer Druckerei in Ferrara zusammen mit Schwarz 1542 gescheitert war. 1544 konnte dieser sein verpfändetes Typenmaterial auslösen. Damit war
Aemilius' Druckertätigkeit beendet. In seiner Augsburger Zeit Heirat mit Anna Pflanzmann, die möglicherweise der Familie des J. Pflanzmann entstammte (17 Kinder). Seit 1547 Prof. für Hebräisch an der Univ. Ingolstadt, wo er nebenher das Baccalaureat in Medizin erwarb (Epitaph in der dortigen Pfarrkirche). |
Literatur: u.a. Rolf Kiessling/Sabine
Ullmann: Landjudentum im deutschen Südwesten während der Frühen
Neuzeit.
Darin Artikel von Hans-Jörg Künast: Hebräisch-jüdischer
Buchdruck in Schwaben in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. S.
287. |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Anzeige zum Neujahrsfest 1897
Neujahrwünsche
zu Neujahrsfest 1897 von Lehrer Abraham Frank in der Zeitschrift "Der
Israelit" vom 23. September 1897:
"Freunden und Bekannten wünschen eine gute Einschreibung und
Besiegelung.
Lehrer A. Frank u. Frau, Rödelsee." |
Sonstiges
Erinnerungen an die Auswanderungen im 19. Jahrhundert:
Grabstein in New York für Rebecca
Stark aus Cronheim (1819-1869) und Salomon Stark aus Rödelsee (1818-1895)
Anmerkung: das Grab befindet sich in einem jüdischen Friedhof in NY-Brooklyn;
der Geburtsname von Rebecca Stark wird nicht mitgeteilt. .
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Grabstein links für
"Rebecca beloved wife of
Salomon Stark born in Kronheim
near Ansbach Bavaria June 10, 1819
Died April 24, 1889, Aged 69 years" und
"Salomon Stark beloved husband of
Rebecca Stark Born in Rödelsee
Würzburg, Germany July 7 1818
Died June 16, 1895, Aged 77 years". |
Zur Geschichte der Synagoge
Eine erste Synagoge wurde vermutlich bereits vor 1646 erbaut.
Eine neue Synagoge wurde 1851 erbaut. Große
Verdienste um den Neubau kamen dem damaligen Kultusvorsteher Lehmann Frank zu
(gest. 1878, siehe Nachruf oben). In der Synagoge wurden u.a. Torawimpel von
1648 aufbewahrt, die 1933 zusammen mit dem alten Friedhofsregister,
Gemeindeprotokollen usw. dem Verband der Bayerischen Israelitischen Gemeinden in
München übergeben wurde.
Wie lange angesichts der zurückgegangenen Zahl der jüdischen Gemeindeglieder
in der Synagoge Rödelsee Gottesdienstes gefeiert wurden, ist nicht bekannt.
Besondere Gottesdienste wurden jedoch noch lange nach Auflösung der Gemeinde
abgehalten. Nach dem unten zitierten Bericht von 1901
traf sich die Chewra Kadischa (Wohltätigkeits- und Bestattungsverein des
Friedhofs Rödelsee) jährlich in Rödelsee, um am Erew Rosch Chodesch Elul
(Vortag zum Beginn des Monats Elul) in der Synagoge Rödelsee einen Gottesdienst
abzuhalten. Diese Tradition wurde fortgeführt, als auch
keine jüdische Gemeinde mehr in Rödelsee bestand. Im Nachruf für Lehrer
Abraham Frank (siehe oben) wird 1924 davon berichtet, dass er über 50
Jahre lang die Chewrah Kadischa des Friedhofes Rödelsee zweimal im Jahr
zum Gottesdienst in die Synagoge in Rödelsee zusammengerufen hatte.
Aus
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. September 1901:
"Kitzingen, im August (1901). In unserer Nachbargemeinde Rödelsee
befindet sich 'seit undenklichen Zeiten', wie es in der diesbezüglichen
amtlichen Urkunde, dem Gemeindekataster, heißt, ein jüdischer
Zentralfriedhof (siehe 'Blätter für Jüdische Geschichte und Literatur
Nr. 5 zu Nr. 65 des 'Israelit', Anmerkung 2 des Herrn Dr. L. Löwenstein),
dem 8-10 Gemeinden angehören.
Laut den noch vorhandenen, sehr interessanten Statuten, unterzeichnet
'Rödelsee, Sonntag den II. des Neumondes Ijar 5461 (18701)', wurde an
diesem Tage ein 'Wohltätigkeitsverein gegründet, dessen Hauptaufgabe die
'Beschäftigung mit den Toten' ist und der aus '18 Häuptern, nicht mehr
und nicht weniger,' bestehen soll. Am 14. August dieses Jahres Jomkippur
koton wurde nun von den jetzigen 18 Mitgliedern dieses Vereins das
200jährige Bestehen desselben durch ein Festmahl gefeiert. Wie
alljährlich am Erew Rosch Chodesch Elul (Vortag zum Beginn des Monats
Elul (war 1901 am 15. August), ebenso am Erew Rosch Chodesch Adar (Vortag
zum Beginn des Monats Adar (war 1901 am 19. Februar) wurde ein halber Tag
gefastet, sodann verschiedene Psalmen in der Synagoge zu Rödelsee
rezitiert und hierauf das Jomkippur koton'-Gebet verrichtet. Die
Mitglieder versammelten sich sodann im Vereinshause zum Festmahle, welche
eine Sudo schel Mizwoh im wahren Sinne des Wortes war. Der greise
Vorsitzende, Herr Sonn-Großlangheim, begrüßte die Anwesenden und
erteilte dem Mitgliede Herrn Lehrer Frank-Rödelsee das Wort, welcher die
Gründung und den Zweck des Vereins in beredter Weise schilderte und, wie
dies bei einer solchen Sudo üblich ist, Diwre Thoroh (Worte der
Tora) mit einschaltete. In freier und gebundener Rede wurden verschiedene
Toaste ausgebracht und schließlich zur dauernden Erinnerung an diese
Feier die Gründung eines Fonds zu wohltätigen Zwecken beschlossen. Gebe Haschem
(Gott), dass die Mitglieder stets Veranlassung haben, nur zu freudigen
Gelegenheiten sich zu versammeln". |
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge von
SS-Leuten aus Kitzingen und Rödelsee, begleitet von Dorfbewohnern aufgebrochen.
Die noch vorhandenen Möbel wurden aus der Synagoge geholt und außerhalb des
Gebäudes verbrannt. Das Synagogengebäude blieb nach 1945 zunächst stehen,
wurde jedoch in den 1960er-Jahren abgebrochen. Das Grundstück wurde neu mit
einem Wohnhaus bebaut.
Adresse/Standort der Synagoge: Alte Iphöfer
Straße 8.
Fotos
Fotos der
ehemaligen Synagoge oder des heutigen Grundstückes sind noch nicht
vorhanden; über Zusendungen freut sich der Webmaster von "Alemannia
Judaica", Adresse siehe Eingangsseite. |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Germania Judaica III,2 S. 1246. |
| Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann: Die
jüdischen Gemeinden in Bayern 1918-1945. Geschichte und Zerstörung. 1979
S. 393. |
| Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in
Bayern. Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische
Bildungsarbeit. A 85. 1988 S. 107. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany -
Bavaria. Hg. von Yad Vashem 1972 (hebräisch) S. 526-527.
|
| Dirk Rosenstock: Die unterfränkischen
Judenmatrikeln von 1817. Eine namenkundliche und sozialgeschichtliche
Quelle. Reihe: Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg Band 13.
Würzburg 2008. S. 200. |
| Martina Hartmann-Menz: Familie Klein aus Frankfurt.
Dokumentation 2017. Eingestellt
als pdf-Datei (Isaak Klein wurde 1876 in Rödelsee geboren und hat sich
dann in Frankfurt niedergelassen, wo er einen Eiergroßhandel
betrieb). |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Roedelsee Lower Franconia. A Jewish
cemetery is known from before the 15th century and the community grew
significantly under the House of Hessberg from the first half of the 16th
century with a renowned yeshiva accomodating 80 students in 1560. A new
synagogue was built in 1851, but the Jewish population declined rapidly from a
peak of 122 in 1830 (about 15 % of the total). The Jewish public school was
closed in 1874 and after 1910 only the cemetery caretaker's family remained.
Four Jews were living there in 1933. Whatever communal property remained in the
Nazi era was vandalized on Kristallnacht (9-10 November 1938).
vorherige Synagoge zur ersten Synagoge nächste Synagoge
|