Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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  Röttingen (Landkreis Würzburg) 
Jüdische Geschichte

Übersicht:

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
Fotos / Darstellungen
Links und Literatur   

    

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde

In Röttingen, das bis 1345 den Herren von Hohenlohe, danach dem Hochstift Würzburg gehörte, sind Juden seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts nachweisbar. 1282 schuldete das Kloster Schöntal einem Juden zu Röttingen 140 Pfund Haller (= Heller).  
       
1298 wurden die Juden in Röttingen beschuldigt, eine Hostie geschändet zu haben. Ein Metzger oder Edelmann ("Ritter") namens Rindfleisch (in neueren Darstellungen auch korrekter: 'Rintfleisch'), der in Röttingen ansässig war, fiel daraufhin am 20. April 1298 mit einer gesammelten Horde über die Röttinger Juden her und erschlug 21 von ihnen. Von Röttingen breitete sich die Verfolgung über ganz Franken und die angrenzenden Regionen aus und führte zur Vernichtung von 146 jüdischen Gemeinden (sogenannte "Rindfleisch-Verfolgung" bzw. "Rintfleisch-Verfolgung").  
       
In Röttingen konnte sich in den folgenden Jahren wieder eine jüdische Gemeinde bilden, die im Zusammenhang mit der Verfolgung unter den Brüdern Armleder am 29. oder 30. Juli 1336 vernichtet wurde. Danach gibt es keine Nachrichten mehr über die Juden in Röttingen. 
  
Bis Oktober 1988 gab es in der Pfarrkirche Sankt Kilian ein Ölgemälde, auf welchem die sog. "Hostienschändung" durch Juden unter der Überschrift "Geschichte der siegenden Wahrheit" in sechs Bildern und mit der darunter stehenden Inschrift "Der gestraften Bosheit. Dieses geschah hier in Röttingen im Jahre 1288" dem Kirchenbesucher kommentarlos gezeigt wurde. Im Oktober 1988 wurde dieses antijüdische Werk aus der Pfarrkirche entfernt (dazu Bericht unten).  
   
   

Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   

In jüdischen Periodika des 19./20. Jahrhunderts finden sich keine Berichte zur jüdischen Geschichte in Röttingen.    

  
Über die Entfernung des Ölgemäldes aus der Röttinger Kirche (Bericht von 1988)  

Roettingen PA 22101988.jpg (181358 Byte)Artikel in den "Fränkischen Nachrichten" vom 22. Oktober 1988: "'Kirchliche Judenhetze?' Umstrittenes Ölbild in Röttinger Pfarrkirche war Stein des Anstoßes. Gemälde inzwischen entfernt / 'Aus ökumenischer Gesinnung'.  
Röttingen. Wurde auf einem Bild in der Pfarrkirche Sankt Kilian in Röttingen bis vor kurzem 'kirchliche Judenhetze' betrieben? Mehr als ein Jahr lang kämpfte die 'Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit in Unterfranken' darum, dass die umstrittene Darstellung aus dem Gotteshaus verschwand. Jüngst wurde das Bild abgenommen. Die Röttinger fühlen sich zu Unrecht des Judenhasses verdächtigt. 
Der 'Stein des Anstoßes' war das Ölbild auf Leinwand im Wanghaus der Kirche, das in mehreren Bildern wie ein Comic-Strip die Geschichte eines Hostienschändung erzählt, die sich 1288 in Röttingen zugetragen haben soll. Ein Mesner stiehlt und verkauft der Legende zufolge eine geweihte Hostie an zwei Juden. Die Juden durchstechen die Hostie mit dem Messer, und Blut quillt heraus. Erschreckt werfen die Täter die Hostie in die Tauber, aus der sie Nonnen in Tauberrettersheim wieder herausfischen. Auf dem letzten Bild enden die Juden auf dem Scheiterhaufen.  
'Das Bild ist eine Judenhetze', urteilte der Vorsitzende der israelitischen Kultusgemeinde Würzburg, David Schuster. Über ein Jahr lang bemühte sich die 'Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit in Unterfranken' darum, dass das Bild aus dem katholischen Gotteshaus in Röttingen verschwindet. Jüngst wurde das umstrittene Ölbild vom Haken genommen. 
'Ich beglückwünsche die katholische Kirche dazu, dass ein solcher Schritt möglich war', sagte Studiendirektor und evangelischer Pfarrer Kurt-Wenzel Backe, wie David Schuster im Vorstand der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit. Die Kirche solle sich 'von Ballast trennen, der sie unglaubwürdig macht', meinte Backe.  
Indes: So ganz problemlos ging die Trennung von dem Bild nicht vonstatten. 'Wenn unser Herr Pfarrer nicht gewesen wäre, hätten wir Röttinger uns quergelegt', sagte eine einflussreiche Kirchgängerin auf Anfrage. Der Bischof persönlich habe dem Geistlichen nahegelegt, das Bild wegzunehmen, bis jetzt sei 'keine Spur von Judenhass in Röttingen' festzustellen, 'aber jetzt könnte ein Judenhass in Röttingen entstehen', meinte die Frau.  
Wenn sich Pfarrer Michael Etzel dem 'Befehl' des Bischofs widersetzt hätte, wäre eine 'Strafversetzung' die mögliche Folge gewesen. Jetzt sei das Bild 'an einem sicheren Ort'. Wo, darüber schweigen sich die Röttinger aus. Auch das beschreibt die Stimmung unter den Gläubigen in dem idyllischen Tauberstädtchen.  
'Ich hab mich immer rausgehalten', sagte Bürgermeister Günter Radolf. 'Das Bild ist weggenommen, mehr sag ich nicht', lehnte der Pfarrgemeinderatsvorsitzende Hans Wißmann jede Stellungnahme ab. Und Pfarrer Michael Etzel wehrte ebenfalls den Gesprächsansatz mit den Worten ab: 'Das Bild ist weg, damit ist die Sache erledigt.'  
'Die Röttinger sind verärgert, weil man ihnen Antisemitismus vorwirft', schätzte Generalvikar Heribert Brander vom Bischöflichen Ordinariat die Stimmung in Röttingen ein. Die Diözese habe 'aus echter ökumenischer Gesinnung' das Anliegen der christlich-jüdischen Gesellschaft unterstützt, sagte Brander. Allerdings sei dem Seelsorger keineswegs die Strafversetzung angedroht worden, falls er sich nicht dem Willen des Ordinariats beuge. Statt in einer katholischen Kirche solle das Bild in einem Museum oder einem Institut zur Erforschung des Aberglaubens im Mittelalter seinen Platz haben, forderten Historiker. Denn, davon gehen die Geschichtswissenschaftlicher aus, die Bildergeschichte hat sich nicht wirklich zugetragen. Solche Schauergeschichten seien im Mittelalter in vielen Orten erfunden und verbreitet worden, um die Judenverfolgungen zu rechtfertigen.    gle."   

   
  
    
      

Fotos:
(Fotos: Hahn; schwarzweiße Aufnahmen in der Kirche ca. 1985; farbige Aufnahmen am 16.11.2003)

Die Judengasse in Röttingen, Erinnerung an die mittelalterliche Ansiedlung
Roettingen Judengasse 150.jpg (57263 Byte) Roettingen Judengasse 152.jpg (85274 Byte) Roettingen Judengasse 151.jpg (53890 Byte)
Die Judengasse liegt unmittelbar rechts des Rathauses von Röttingen; 
rechts das Straßenschild
In der Judengasse mit 
Blick zum Rathaus
     
Die Kirche in Röttingen mit dem ehemaligen Bild zur angeblichen Hostienschändung der Juden Röttingens
Roettingen Kirche 151.jpg (48692 Byte) Roettingen Bild 01.jpg (43448 Byte) Roettingen Bild 02.jpg (77824 Byte)
Die Kirche von Röttingen Das Bild "Geschichte der siegenden Wahrheit der gestraften Bosheit - 
dies geschah hier in Röttingen 1288" (gemeint: 1298)
  
     
Roettingen Bild 05.jpg (51140 Byte) Roettingen Bild 08.jpg (55703 Byte) Roettingen Bild 06.jpg (41327 Byte)
Der Inhalt der verlogenen Hostienschändungsgeschichte: Eine 
Hostie wird in der Kirche gestohlen
Die Hostie wird an einen Juden 
für teures Geld verkauft 
Juden beim Vollzug von Praktiken 
an der Hostie, mit denen der 
Leib Christi gequält werden soll
  
      
Roettingen Bild 07.jpg (39638 Byte) Roettingen Bild 09.jpg (66907 Byte) Roettingen Kirche 150.jpg (32877 Byte)
Nachdem die Hostie weggeworfen 
wurde, ist sie von frommen Nonnen
 gefunden worden
Die schuldigen Juden 
enden auf dem Scheiterhaufen 
Seit einigen Jahren: Das Gemälde 
aus der Kirche ist entfernt; nur noch 
2 Haken an der Wand erinnern.
   

     
      

Links und Literatur

Links:

Website der Stadt Röttingen    
Weitere Seiten zu Röttingen: hier anklicken mit Hinweisen zur jüdischen Geschichte Röttingens: hier anklicken 
Artikel zum "Rintfleisch-Pogrom" in "FrankenWiki"    
Artikel zur "Rintfleisch-Verfolgung, 1298" im Historischen Lexikon Bayerns  

Literatur:

Germania Judaica II,2 S. 719-720
Artikel zu "Rindfleisch" in: The Jewish Encyclopedia (englisch): hier anklicken 
Friedrich Lotter: Die Judenverfolgung des 'König Rintfleisch' in Franken um 1298. Die endgültige Wende in den christlich-jüdischen Beziehungen im deutschen Reich des Mittelalters. In: Zeitschrift für Historische Forschung 4 (1988). S. 385-422.

   

                   
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Copyright © 2003 Alemannia Judaica - Arbeitsgemeinschaft für die Erforschung der Geschichte der Juden im süddeutschen und angrenzenden Raum
Stand: 07. Oktober 2011