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Tüchersfeld (Gemeinde
Pottenstein, Kreis Bayreuth)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
In dem bis Anfang des 19. Jahrhunderts den
Reichsfreiherren Groß von Trockau gehörenden Tüchersfeld bestand eine
jüdische Gemeinde bis 1871/72. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 18.
Jahrhunderts zurück. 1717 wird in Coburg Jechiel Tigersfeld genannt,
möglicherweise einer der ersten der in Tüchersfeld aufgenommenen Juden. 1736
wies Barons Christoph Ludwig von Aufseß in einem Schreiben an das Rabbinat in Schnaittach darauf hin, dass in Tüchersfeld kein Rabbiner eingesetzt sei. Somit
kann für 1736 bereits eine jüdische Gemeinde in Tüchersfeld vorausgesetzt werden. 1739 bat ein
Schnaittacher Jude um die Erlaubnis zur Ansiedlung in Tüchersfeld. 1755
wurden 44 jüdische Bewohner
des Ortes gezählt.
Die jüdischen Familien wohnten im sogenannten "Judenhof", dem
Bereich der durch den Dreißigjährigen Krieg zerstörten Unteren Burg von Tüchersfeld.
Hier konnten sich die Familien gegen Entrichtung von Abgaben an die
Ortsherrschaft Wohnungen einrichten. 1758 brannten die Gebäude
allerdings ab. 1760 bis 1763 wurden
sie auf Befehl der Ortsherrschaft wieder aufgebaut. Danach standen für
die jüdischen Familien 13 Wohnungen zur Verfügung,
von denen neun in ihrem Eigentum waren. Die übrigen vier Wohnungen und die
Synagoge wurden der jüdischen Gemeinde von der Freiherrlich von Großischen
Gutsherrschaft vermietet.
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde die Höchstzahl der jüdischen
Einwohner erreicht: 1813 18 jüdische Familien, 1824/25 67 jüdische Einwohner (12,8 % von insgesamt
524), 1852 36 (7,6 % von 475). Die jüdischen Familien lebten vom Schnittwaren-,
Tuch- oder Kleiderhandel sowie vom Viehhandel.
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine Schule und ein
rituelles Bad (unten am Bach siehe historische Darstellung unten, ein weiteres vermutlich im Bereich der Burg im
Raum unter der Backstube). Um 1813 unterrichtete der Lehrer Mayer Abraham Kan
(Con, späterer Familienname Steinhardt) die damals 13 schulpflichtigen Kinder.
Die Toten der jüdischen Gemeinde wurden auf dem Friedhof in Pretzfeld
oder Baiersdorf
beigesetzt.
Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts verzogen die jüdischen Familien sehr
schnell vom Ort. 1860 wird berichtet, dass bis auf drei Familie bereits alle
Tüchersfelder Juden nach Amerika ausgewandert seien. Einige sind wohl auch in
die Städte abgewandert.
Über
die Geschichte der letzten jüdischen Einwohnerin erfährt man in einem
Artikel der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. Oktober 1865.
"Die kleineren Dorfgemeinden in Bayern sehen in Folge des liberalen
Gesetzes, welches die Freizügigkeit gestattet, in sehr bedauerlicher Weise fast
ihrer völligen Auflösung entgegen. Ja, man versicherte mir, dass binnen Kurzem
die Frage erledigt werden dürfte, was mit den verlassenen Gotteshäusern
anzufangen sei, und wer die Erhaltung der zurückgebliebenen Kultusbeamten, die
an die Scholle gefesselt sind, zu übernehmen habe. Auch für die Armenpflege
erlangt diese Question praktische Bedeutung, wenn auch hier die wirklich Barmherzigen
leichter den gordischen Knoten lösen werden. So ist es vor einigen Wochen
vorgenommen, dass in Tüchersfeld, einem kleinen Dorf in der Fränkischen
Schweiz, woselbst eine arme kontrakte Jüdin, Tochter des verstorbenen
Ortslehrers - eine körperlich ganz verkommene, aber geistig und sittlich
exzellente Person - E. Lt., welche den alleinigen Rest der Gemeinde bildete, von
der wohltätigen und gottesfürchtigen israelitischen Kommune Wannbach
aufgenommen wurde und dort auf's Beste verpflegte und unterhalten wird. Gottes
Segen diesen Biedern und Trefflichen!...".
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Die Gemeinde wurde offiziell 1872 aufgelöst. Ab 1873 erscheinen in den
Rechnungsbüchern der Gemeinde keine jüdischen Namen mehr.
Zur Geschichte der Synagoge
Spätestens 1742 war eine Synagoge (beziehungsweise ein
Betraum) im Bereich des "Judenhofes" eingerichtet. In diesem Jahr gab
es um die "Stühle in der Schul" (gemeint: die Betstühle) einen
Streit in der Gemeinde. Beim Brand 1758 ist auch der Betraum zerstört
worden. Die bis heute erhaltene Synagoge wurde beim Wiederaufbau der
Gebäude nach 1760 erstellt. Von der Ortsherrschaft wurde gegen eine
zusätzliche Bezahlung von 50 Gulden durch die jüdischen Familien erlaubt, dass
"ihre Schul statt der anfänglich bedungen gewesenen klatten deck
gewölbet, und die darinnen stehenden 4 Fenster mit Tafel-Scheiben ausgeglaset"
werden konnten. Im August/September 1762 arbeitete ein Pottensteiner
Maurermeister an der Herstellung der gewölbten Decke.
Bis
um 1865/70 war die Synagoge der Mittelpunkt des religiösen jüdischen
Lebens im Judenhof. Danach wurde der Raum anderweitig genutzt, blieb jedoch
erhalten.
Die ehemalige Synagoge wird seit den 1980er-Jahren als Teil des im Judenhof in
Tüchersfeld eingerichteten "Fränkische-Schweiz-Museums"
verwendet. Die Gebäude des "Judenhofes" waren 1979 für ca. 370.000
DM vom "Zweckverband Fränkische Schweiz-Museum" vollständig erworben
und für etwa 2,7 Millionen DM restauriert worden. Die Eröffnung des
Fränkische-Schweiz-Museums war am 24. Juli 1985.
Die Bausubstanz des Synagogengebäudes blieb im Wesentlichen erhalten:
Treppenaufgang, Türen, Fenster, Spuren des Toraschreines und die Decke. Auch
der Bereich des Frauenbetraumes ist - deutlich abgetrennt - erhalten. Die
Sitzplätze der Männer sind durch aufgemalte Rückenlehnen an den Wänden
angedeutet. Ein Oval mit zentraler Sonne schmückt die Stirnwand und weist in
südöstlicher Richtung nach Jerusalem.
Der Toraschrank und der Toravorhang wurden dem
Fränkische-Schweiz-Museum von der Israelitischen Kultusgemeinde Nürnberg als
Leihgabe überlassen. Sie gehörten zur ersten Betstube in Nürnberg nach 1945,
die sich in der Wielandstraße befand. Der purpurrote Toravorhang (Parochet;
Spende von Jochanan Manit Jakobowitz und seiner Frau Miriam für den Betsaal in Nürnberg
1956)
zeigt in Goldstickerei zwei Löwen und Krone und die hebräische Stifterinschrift
(Namen der Stifter mit Ort und Jahreszahl).
Hinter dem Vorhang ist der Toraschrein angedeutet. Zur Raummitte hin ein
Kronleuchter, darunter steht ein Lesepult mit geöffneter Torarolle.
Äußerlich
fällt die ehemalige Synagoge innerhalb der anderen Häuser des Judenhofes durch
ihre runden Fensterbögen auf. Hieran ist am langgestreckten Fachwerkbau die
Synagoge bereits vom Tal aus zu erkennen. Der Eingang zur ehemaligen Synagoge liegt links hinter dem Tor und der
Werkstätte des Museums.
Adresse/Standort der Synagoge:
Judenhof 31 und 31a (Plan
des Judenhofes links; Quelle: Prospekt des Fränkische-Schweiz-Museums).
Fotos
(Quelle: zweite Fotoreihe: Theodor Harburger
1927, veröffentlicht in: Th. Harburger: Die Inventarisation jüdischer
Kunst- und Kulturdenkmäler in Bayern, Hg. von den Central Archives Jerusalem
und dem Jüdischen Museum Franken Bd. 3 S. 738-740); dritte Fotoreihe: Pressebilder von www.fraenkische-schweiz.com;
vierte Reihe: Jürgen Hanke, Kronach; fünfte Reihe aus den unter der Literatur
genannten Publikationen des Fränkische-Schweiz-Museums)
Historische Aufnahmen |
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Historische
Ansichtskarte
des Judenhofes in Tüchersfeld
(aus der Sammlung von Peter Karl Müller, Kirchheim/Ries) |
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Die
Karte wurde in der Zeit zwischen 1915 und 1925 hergestellt |
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Blick auf den Judenhof
von
Süden |
Blick auf die ehemalige
Synagoge
(zwei Schwibbogenfenster) |
Blick auf die ehemalige
Synagoge
von Süden |
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Neuere Fotos |
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Blick zum "Judenhof" - in
dem Gebäude
in der Mitte im Vordergrund war die Mikwe |
Blick zum ehemaligen "Judenhof"
vom Ort
Tüchersfeld |
Blick auf
den Judenhof |
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Die ehemalige Synagoge |
Aufgang zum Betsaal |
Eingangstüren |
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Blick zum
Toraschrein |
Lehnen der "Sitze"
an der
Südwand des Betraumes |
Die Sonne an der Stelle eines
sonst
nach Osten ausgerichteten Fensters |
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Fotos vom
August 2007
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum: 25.8.2007) |
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Blick zum ehemaligen
"Judenhof"
vom Ort aus |
Der ehemalige
"Judenhof", jetzt
Fränkische-Schweiz-Museum |
Im "Judenhof" |
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Blick auf den Gebäudeteil mit
der
ehemaligen Synagoge |
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Hinweistafel zur Geschichte
der Juden
in der Fränkischen Schweiz |
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Im ehemaligen
Betsaal |
Der Frauenbereich |
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Blick auf den Schulchan
(Lesepult)
mit Torarolle |
Vitrine mit schön verzierten
Torawimpeln,
Notenhandschrift (liturgische Gesänge),
Kommentar zum Buch
Hiob u.a.m. |
Schulchandecke mit
Widmungsinschrift
von 1896/97 (Max und Betti Fischer) |
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Sefer HaMidot (1784) und
hebräisches
Gebetbuch Sefat Emet (1884) |
Utensilien für die
Beschneidung |
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u.a. verschiedene
Leuchter
(Chanukkaleuchter) |
u.a. Schmuck für Torarolle:
Mantel,
Toraschild, Rimonim; Kiddusch-Becher,
Berches-Decke |
Links "Jad", Stab
zum
Lesen der Tora |
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Megillat Ester (Buch Ester
zur
Lesung am Purimfest) |
Schofar
(Widderhorn) |
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Links:
die von der "Lokalen Aktionsgruppe
Kulturerlebnis Fränkische Schweiz e.V.") aufgestellte
Informationstafel zum Fränkischen Schweiz Museum in Tüchersfeld
(zum Lesen bitte Textabbildung anklicken;
auch
als pdf-Datei eingestellt. |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Klaus Guth (Hg.) u.a.: Jüdische Landgemeinden in Oberfranken
(1800-1942). Ein historisch-topographisches Handbuch. Bamberg 1988. zu
Tüchersfeld S. 318-324 (mit weiteren Quellenangaben). |
| Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in
Bayern. Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische
Bildungsarbeit. A 85. 1988 S. 222-223. |
|
Jüdische Landgemeinden in Franken. Beiträge zu Kultur und Geschichte einer
Minderheit. Schriften des Fränkische-Schweiz-Museum Band 2. 1987. |
| Rainer Hofmann/Ilse Sponsel:
Fränkische-Schweiz-Museum. Führer durch die Synagoge. 1993². |
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