Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


Eingangsseite

Aktuelle Informationen

Jahrestagungen von Alemannia Judaica

Die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft

Jüdische Friedhöfe 

(Frühere und bestehende) Synagogen

Übersicht: Jüdische Kulturdenkmale in der Region

Bestehende jüdische Gemeinden in der Region

Jüdische Museen

FORSCHUNGS-
PROJEKTE

Literatur und Presseartikel

Adressliste

Digitale Postkarten

Links

 

   
zurück zur Übersicht "Synagogen in der Region"  
zurück zur Übersicht "Synagogen in Rheinland-Pfalz" 
zur Übersicht "Synagogen im Landkreis Alzey-Worms"  
    

Eich mit Hamm am Rhein (VG Eich, Kreis Alzey-Worms)
Jüdische Geschichte / Synagoge

Übersicht:

bulletZur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
bulletBerichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer        
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde   
Aus dem jüdischen Gemeindeleben  
Sonstiges  
Kennkarte aus der NS-Zeit     
bulletZur Geschichte der Synagoge   
bulletFotos / Darstellungen  
bulletErinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte     
bulletLinks und Literatur   

   

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english version)    
    
In Eich bestand eine jüdische Gemeinde bis 1936. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 18. Jahrhunderts zurück. 1722 werden vier, 1743 drei jüdische Familien in Eich genannt, in Hamm waren es in diesen Jahren zwei beziehungsweise drei jüdische Familien. 1750 lebten in Wachenheim im Zellertal Feitel Süskind und Löb Seligmann von Eich.
  
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie folgt: in Eich: 1804 14, 1824 und 1830 19 jüdische Einwohner, 1861 17 (1,0 % von insgesamt 1.627 Einwohnern), 1871 38, 1880 23 (1,4 % von 1.689), 1900 39 (2,1 % von 1.891), 1910 40 (2,1 % von 1.893). In Hamm lebten 1824 36, 1828-29 37 jüdische Personen, 1902 nur noch 2.   1865 erfolgte von Hamm aus noch die Ausschreibung der Stelle eines eigenen Lehrers (siehe unten); genannt wird um 1860 als Religionslehrer in Hamm Emanuel Nathan (siehe Anzeige unten). 
 
Da die Zahl der jüdischen Einwohner in Eich zunächst nicht zur Bildung einer selbständigen jüdischen Gemeinde ausreichte, waren die hier lebenden Juden im 19. Jahrhundert einer Nachbargemeinde angeschlossen beziehungsweise bildeten eine Filialgemeinde. Nachdem um 1875 im benachbarten Gimbsheim eine selbständige jüdische Gemeinde gegründet wurde (zuvor gehörten die Gimbsheimer, vermutlich auch die Eicher Juden zur Gemeinde in Alsheim), war Eich Filialgemeinde zu Gimbsheim, wo sich auch eine jüdische Volksschule befand (vergleiche unten die Ausschreibungen der Religionslehrerstelle Gimbsheim zwischen 1889 und 1896). Die Filialgemeinde hatte ihren eigenen Vorsteher: um 1898 erhielt Juda Guthmann für langjährige treue Dienste ein Ehrenzeichen (siehe Artikel unten); als damals langjähriger Rechner wird 1902 Isak Haas genannt.  Vermutlich nach Bau der eigenen Synagoge erhielten die Eicher Juden den Status einer selbständigen jüdischen Gemeinde, zu der nun auch die im benachbarten Hamm lebenden jüdischen Personen gehörten (offizielle Bezeichnung der Gemeinde: Israelitische Religionsgemeinde Eich-Hamm). Damals gab es in beiden Orten zusammen etwa 50 Gemeindeglieder, darunter 10 Kinder. 
  
Die jüdischen Familien waren im Leben des Ortes völlig integriert, wie der Bericht zur Beisetzung von Isak Haas von 1902 (siehe unten) zeigt.
  
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.) und eine Religionsschule. 1904 bildeten Alsheim, Gimbsheim, Eich und Hamm einen gemeinsamen Unterrichtsbezirk. Die schulpflichtigen jüdischen Kinder der Eicher Gemeinde wurden durch den jüdischen Lehrer in Alsheim unterrichtet. Ende der 1920er-Jahre (bis September 1932) unterrichtete der jüdische Lehrer Aron Salomon (1861-1942) aus Worms als sog. Wanderlehrer die jüdischen Kinder aus Eich und Gimbsheim. Der Religionsunterricht fand zweimal wöchentlich in der Eicher Synagoge statt. 
  
Die Toten der Gemeinde wurden im jüdischen Friedhof in Osthofen (siehe Berichte unten zu Siegmund Haas 1893, Isak Haas 1902 sowie Eduard Haas und seiner Schwester 1902), teilweise auch in Alsheim beigesetzt. Die jüdische Gemeinde gehörte zum Rabbinatsbezirk in Worms. 
  
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde Sally Guthmann (geb. 20.8.1894 in Eich, gef. 27.8.1917) und Berthold Haas (geb. 28.2.1894 in Eich, gef. 29.9.1915). 
    
Um 1924, als 38 jüdische Personen in Eich gezählt wurden (1,9 % von insgesamt 2.012), waren die Vorsteher der Gemeinde Jacob Guthmann (1. Vors.), Abraham Schott (2. Vors.) und Simon Jakobi (3. Vors.). Dieselben bildeten auch 1932 noch den Gemeindevorstand. 1924/32 gehörten noch vier in Hamm lebende jüdische Personen zur Eicher Gemeinde (Familie von Frieda Heß, die in der Neugasse einen kleinen Lebensmittel- und Kurzwarenladen betrieb; sie hatte drei zwischen 1906 und 1910 geborene Töchter: Lina, Melanie und Alma). Es waren in Eich 1924 acht, 1932 vier schulpflichtige jüdische Kinder in Religion zu unterrichten. 1924 erteilte den Unterricht Lehrer Salomon aus Worms. 
  
Nach 1933
sind alle jüdischen Gemeindeglieder (1933: 37 Personen = 1,8 % von insgesamt 2.056) auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts, der zunehmenden Entrechtung und der Repressalien innerhalb von vier Jahren weggezogen beziehungsweise ausgewandert. Bereits 1934 waren 23 der jüdischen Einwohner verzogen, großenteils ausgewandert. Als vorletzter jüdischer Einwohner verließ 1937 Jacob Guthmann den Ort.  
  
Von den in Eich geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"):  Berthold Guthmann (1893), Jakob Guthmann (1868), Frieda Hess geb. Reichenberg (1881), Karolina (Lina) Marx geb. Reichenbach (1882). 
     
Von den in Hamm wohnhaften jüdischen Personen sind umgekommen: Frieda Hess geb. Reichenberg (geb. in Eich 1881) und Lina Heß (geb. in Echzell 1906, Tochter von Frieda Heß). Siegfried Heß (geb. 1881, Bergen [Frankfurt-Bergen-Enkheim], geschiedener Ehemann von Frieda und Vater der gemeinsamen Kinder Lina, Alma und Melanie) war von Juni 1938 bis August 1941 in den Konzentrationslagern Sachsenhausen, Dachau und Buchenwald interniert, wo er am 5. August 1941 zu Tode kam).        
      
      
      
Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde 
      
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer   
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet für Hamm (1865), dann Gimbsheim und Eich 1889 / 1891 / 1896 / 1893

Hamm Israelit 07061865.jpg (49599 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. Juni 1865: "Konkurrenz-Eröffnung. Für die israelitische Religionslehrer-, Vorbeter- und Schächterstelle dahier mit einem fixen Gehalt von 220 Gulden, einer Vergütung für Heizung mit 10 Gulden, sowie in Aussicht stehenden 50 Gulden Emolumenten wird hiermit Konkurrenz eröffnet und sind Offerten einzureichen bei dem Vorstandsmitgliede 
Emanuel Gutmann II. in Hamm
(Kreis Worms)."    
 
Die Ausschreibung erfolgte zeitgleich auch in der (liberalen) "Allgemeinen Zeitung des Judentums":  
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 6. Juni 1865: "Vakante Lehrer-, Vorbeter- und Schächterstelle, die sofort zu besetzen, mit einem fixen Gehalte von f. 200, für Heizung 10 Gulden, in Aussicht stehende Emolumente 50 Gulden. Bewerber wollen sich wenden an 
Emanuel Guthmann II.
, in Hamm, Kreis Worms."    
      
Gimbsheim Israelit 20061889.jpg (46544 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20. Juni 1889: "In der hiesigen Gemeinde mit Filiale Eich ist die Stelle eines Religionslehrer, Kantors und Schochet per 1. September zu besetzen. Gehalt 750 Mark, sowie freie, möblierte Wohnung. Nebenverdienste mit Schechita betragen circa 3000 Mark. Ein seminaristisch gebildeter Mann bevorzugt. Bewerber wollen sich bei dem Unterzeichneten melden. Emil David II. Gimbsheim bei Guntersblum."
 
Gimbsheim Israelit 02031891.jpg (48224 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. März 1891: "Die Stelle eines Religionslehrers, Kantors und Schochets in hiesiger Gemeinde, mit Filiale Eich, ist sofort zu besetzen. Anfangsgehalt 700 Mark, Nebenverdienst ca. 400 Mark, sowie freie, möblierte Wohnung. Nur dem gewählten werden Reisekosten vergütet. Bewerber muss Reichsangehöriger sein. - Meldungen mit Zeugnisabschriften sind zu richten an Emil David II., Gimbsheim bei Oppenheim am Rhein."
 
Gimbsheim Israelit 01051893.jpg (61528 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. Mai 1893: "Da ich durch Militärverhältnisse genötigt bin, meine Stelle zu verlassen, wird die Stelle eines Religionslehrers, Kantors und Schächters in Gimbsheim mit Filiale Eich (Rheinhessen) soeben vakant. Die Stelle trägt mit Nebenverdiensten Mark 1.300 ein nebst freier möblierter Wohnung. Kann die Stelle als unbedingt gut jedem Kollegen empfehlen. Geeignete seminaristisch gebildete Bewerber wollen sich unter Einsendung ihrer Zeugnisse an den Vorstand der Gemeinde Gimbsheim wenden. 
J. Ledermann, Lehrer.
"
 
Gimbsheim Israelit 18061896.jpg (31079 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. Juni 1896: "Die Religionslehrer-, Kantor- und Schächterstelle zu Gimbsheim mit Filiale Eich (Rheinhessen), mit einem Fixum von Mark 800, sowie Mark 400 Nebeneinkommen und freier Wohnung nebst Garten ist per 1. August oder 1. September dieses Jahres zu besetzen. Bewerber wollen sich an den Unterzeichneten wenden. Nähere Auskunft erteilt der seitherige Lehrer Herr M. Oppenheimer. 
Der Vorsteher: Emil David II." 

     
Lehrer Emanuel Nathan in Hamm hat eine Agentur für das Institut zur Förderung der israelitischen Literatur übernommen (1860)      

Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 20. März 1860: "Herr Emanuel Nathan, Religionslehrer in Hamm im Kanton Osthofen in Rheinhessen, hat eine Agentur für das Institut zur Förderung der israelitischen Literatur übernommen. 
Dr. Philippson
."            

 
Positive Prüfung der Religionsschule unter Lehrer Eisenheimer (1901)
        

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. April 1901: "Aus dem Kreise Worms. Dass unsere Religionsschulen in ihrer äußeren Stellung und in ihrem Verhältnisse zur amtlichen Schulbehörde, wenn auch ein langsames Tempo, aber immerhin Fortschritte machen, bezeugt der Umstand, dass am 27. März mit dem Herrn Rabbiner Dr. Stein mehrere Mitglieder der Großherzoglichen Kreisschulkommission, darunter Herr Inspektor Prof. Dr. Karg, sowie der christliche Schulvorstand in Eich, die Religionsschule des Herrn Lehrers Eisenheimer zu Eich (Filiale zu Gimbsheim) prüften und sich lobend über das Resultat aussprachen. Es wäre zu wünschen, dass das Verhalten der Wormser Kreisschulkommission zahlreiche Nachahmung finde."   

    
Bildung eines Unterrichtsbezirkes mit Alsheim und Gimbsheim (1904)  

Alsheim usw FrfIsrFambl 05021904.jpg (87661 Byte)Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 5. Februar 1904: "Worms. Das Großherzogliche Ministerium plant die definitive Anstellung israelitischer Religionslehrer, welche ein den Volksschullehrern gleiches Gehalt beziehen und dieselben Rechte genießen sollen, sobald sie wöchentlich 20 Stunden Religionsunterricht erteilen. Die nötigen Mittel sollen von den Gemeinden, die zu dem betreffenden Bezirk gehören, aufgebracht werden. An die Vorstände der israelitischen Gemeinden des Kreises Worms ist bereits der ausgearbeitete Plan gesandt worden. Nach ihm sind die Gemeinden in vier Unterrichtsbezirke eingeteilt und zwar: 1. Alsheim, Gimbsheim, Eich und Hamm; 2. Osthofen, Rheindürkheim, Herrnsheim, Abenheim und Gundheim; 3. Hessloch, Monzernheim, Eppelsheim, Gundersheim und Westhofen; 4. Monsheim, Hohen-Sülzen, Nieder-Flörsheim, Wachenheim, Mölsheim, Pfeddersheim und Pfiffligheim. Die Gemeinden Heppenheim a.d.W. und Offstein sollen der Gemeinde Worms zugeteilt werden. Bis zum 1. Februar müssen die Gemeinden dem Kreisamte Worms Bericht erstattet haben."   

   
   
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde 
Zum Tod von Siegmund Haas (1893)  

Eich Israelit 29051893.JPG (110582 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. Mai 1893: "Worms. Vor kurzem ist der stud.phil. Siegmund Haas von Eich bei Worms, ein braver, frommer, edler Mensch, gestorben. Mit ungemeinem Fleiße hatte er sich bei Herrn Rabbiner Dr. Stein und Lehrer Rothschild dahier für den Rabbinerberuf vorbereitet, und trat dann in das Rabbinerseminar zu Breslau. Hier, wie auch schon in Worms, entwickelte sich sein religiöser Sinn derart, dass er es mit der Erfüllung religiöser Pflichten bis ins Kleinste ungemein genau nahm. Doch das angestrengte Studium warf ihn auf das Krankenlager, sodass er ein ganzes Jahr den ferneren Studien entsagen musste. Scheinbar wieder hergestellt, nahm er seine Studien wieder auf, bis er selbst einsah, dass seine gefährdete Gesundheit eine Fortsetzung seiner rabbinischen Tätigkeit unmöglich mache. Nachdem er in Darmstadt als Einjähriger gedient, bezog er die Universität Heidelberg, um hier moderne Philologie zu studieren. Auch hier setzte er das Talmudstudium fort. Ein Leiden, das er sich aller Wahrscheinlichkeit nach beim Militär zugezogen hatte, war schuld, dass dieser brave fromme Mensch, der zu großen Hoffnungen berechtigte, im Alter von 26 Jahren seine edle, reine Seele aushauchte. Unter großer Beteiligung von nah und fern fand in Osthofen seine Beerdigung statt. Möge der Allmächtige den schwer geprüften Vater und die ihm in inniger Liebe verbundenen Geschwister und Verwandten in ihrem Schmerze aufrichten! Rschd."  

   
Auszeichnung für den Vorsteher der Gemeinde Juda Guthmann (1898)  

Eich AZJ 09121898.jpg (30260 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 9. Dezember 1898: "Der Vorsteher der israelitischen Religionsgemeinde zu Eich, Juda Guthmann, hat vom Großherzog anlässlich dessen Geburtstages das allgemeine Ehrenzeichen für langjährige treue Dienste erhalten."  

   
Zum Tod des Kaufmanns Isak Haas (1902)  

Eich Israelit 27011902.jpg (140187 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. Januar 1902: "Eich, 23. Januar (1902). Selten dürfte die Toleranz zwischen Juden und Andersgläubigen in einer Dorfgemeinde derart zur Geltung kommen, wie dies am Sonntag hier geschah. Mehrere Hundert von Personen - fast sämtliche hiesige Nichtjuden und viele von dem Umkreise - hatten sich hier eingefunden, dem im 53. Lebensjahre verstorbenen Kaufmann Isak Haas das letzte Geleite zur ewigen Ruhe zu geben. Am Sterbehaus hielt Herr Rabbiner Dr. Grünfeld - Bingen, der Herrn Dr. Stein vertrat, eine wohl durchdachte, mit den schönsten Worten der Tora gewürzte Trauerrede. Er rühmte die vielen Tugenden, die der Verklärte besaß, insbesondere die Anhänglichkeit zum väterlichen Glauben, seine Redlichkeit und Treue, den steten Fleiß und seine Anspruchslosigkeit. Nur für das Wohl seiner Familie habe er geschafft und gewirkt, jedem Menschen mit Rat und in der Tat nahe gestanden. Der Redner spendete reichen Trost der klagenden Witwe und den jammernden Kindern. Als der imposante Leichenzug, worunter auch die freiwillige Feuerwehr, der Soldaten- und Kriegerverein mit schwarz umflorten Fahnen zu sehen waren, sich in Bewegung setzte, läuteten zu Ehren des Heimgegangenen sämtliche Glocken. Die Vereine waren in solche Liebe und Achtung mit dem Verklärten verbunden, dass es ihnen nicht zu viel war, sich nach dem 2 1/2 Stunden entfernt gelegenen Friedhof in Osthofen zu begeben. 
Am Grabe nahm der Präsident des Kriegervereins vom heimgegangenen Kameraden, der voll und ganz von 1870 bis 1873 seine Aufgabe löste, tief gerührt Abschied. Der Kommandant der freiwilligen Feuerwehr dankte dem Entschlafenen für seine stete Pflichttreue und betonte, ein Mitglied verloren zu haben, dem das Vereinswesen zu kräftigen, beständig am Herzen lag. 
Der Sarg wurde sodann in das Grab versenkt, und bald bildete sich dessen Hügel. Lange Zeit noch wird man dieses großen Leichenbegängnisses gedenken, aber noch länger den Entschlafenen, der in der jüdischen Gemeinde jahrelang unentgeltlich das Amt eines Rechners versah, im Gedächtnis behalten. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens."

  
Zum Tod von Eduard Haas und seiner Schwester (1903)     

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. Juli 1903: "Eich (Kreis Worms), 14. Juli (1903). Unsere kleine Gemeinde wurde in der vorigen Woche binnen zwei Tagen in doppelte Trauer versetzt. Am Montag, den 6. dieses Monats, reiste Herr Eduard Haas nach Bad Kissingen zur Kur, abends erlitt er einen Schlaganfall, dem er nach einem Tage erlag. Der 41 Jahre alt gewordene Mann hatte sich einer besonderen Beliebtheit und Wertschätzung in hiesiger Gemeinde bei Juden und Andersgläubigen zu erfreuen, denn stets stand er seinem Nächsten mit Rat und Tat bei. Sein Leichenbegängnis, das am Freitag stattfand, legte beredtes Zeugnis davon ab. Ein sehr großer Teil der Gemeinde begab sich nach dem zwei Stunden entfernten Osthofen, wohin die Leiche von Bad Kissingen aus verbracht wurde, um dem Verstorbenen das letzte Geleite zu geben. Aber auch aus der Ferne waren zahlreiche Bekannte und Freunde herbeigeeilt, sodass der Leichenzug, in dem mehrere Vereine mit Fahnen sich befanden, einen imposanten Umfang annahm. Einen Tag später starb die schon längere Zeit leidend gewesene Schwester des Besagten im 34. Lebensjahre. Am Sonntag Vormittag wurde sie unter einem zahlreichen Trauergefolge zu Grabe getragen. Herr Rabbiner Dr. Stein - Worms hielt ergreifende Trauerreden. Weil man wusste, dass seitens der Nichtjuden die Beteiligung an der Beerdigung eine sehr große werde, ließ der evangelische Geistliche den Morgengottesdienst am Sonntag ausfallen. A.E."       

 
Todesanzeige für Juda Guthmann (1909)  

Eich Israelit 28011909.jpg (35248 Byte)Todesanzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. Januar 1909: "Freunden und Bekannten die schmerzliche Mitteilung, dass unser lieber Vater, Schwiegervater, Großvater, Bruder, Schwager und Onkel Herr Juda Guthmann sanft verschieden ist. 
Für die trauernden Hinterbliebenen Jacob Guthmann
Eich (Kreis Worms), 20. Januar 1909."   

   
   
Aus dem jüdischen Gemeindeleben  
Das Ende der jüdischen Gemeinde (1935)  

Eich Israelit 05111935.jpg (38308 Byte)Meldung in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. November 1935: "Worms. Wie der 'Wormser Zeitung'  aus Eich gemeldet wird, ist dort das letzte Grundstück, das noch in jüdischem Besitz war, 730 qm Gartenland, in nichtjüdischen Besitz übergegangen. Sämtliche früher in der Gemeinde ansässigen Judenfamilien sind ausgewandert, zum größten Teil ins Ausland."

    
    
Sonstiges        
Erinnerungen an die Auswanderungen im 19. Jahrhundert: 
Grabstein in New York für 
David Aaron aus Eich  (1834-1898)       
Anmerkung: das Grab befindet sich in einem jüdischen Friedhof in NY-Brooklyn.       

Eich NY Salem 1797.jpg (155753 Byte)   Grabstein für "David Aaron  
Born in Eich - Germany  July 15 1834   
Died April 21, 1898"  

      

Kennkarte aus der NS-Zeit            
               
Am 23. Juli 1938 wurde durch den Reichsminister des Innern für bestimmte Gruppen von Staatsangehörigen des Deutschen Reiches die Kennkartenpflicht eingeführt. Die Kennkarten jüdischer Personen waren mit einem großen Buchstaben "J" gekennzeichnet. Wer als "jüdisch" galt, hatte das Reichsgesetzblatt vom 14. November 1935 ("Erste Verordnung zum Reichsbürgergesetz") bestimmt. 
Hinweis: für die nachfolgenden Kennkarten ist die Quelle: Zentralarchiv zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland: Bestände: Personenstandsregister: Archivaliensammlung Frankfurt: Abteilung IV: Kennkarten, Mainz 1939" http://www.uni-heidelberg.de/institute/sonst/aj/STANDREG/FFM1/117-152.htm. Anfragen bitte gegebenenfalls an zentralarchiv@uni-hd.de       
 
 Kennkarte der in Hamm 
geborenen Sara Lehmann geb. Stahl
 
 Hamm KK MZ Lehmann Sara.jpg (95958 Byte)  
   Kennkarte (Dieburg 1939) für Sara Lehmann geb. Stahl (geb.  1. März 1881 in Hamm)      

   
   
   
Zur Geschichte der Synagoge             
    
Vor  dem Bau einer Synagoge war vermutlich bereits ein Betsaal vorhanden. 1890 konnte eine Synagoge in der Altrheinstraße erstellt werden. Sie war Zentrum des jüdischen Gemeindelebens bis nach 1933. Bei der Synagoge handelt es sich um einen quadratischen Backsteinbau mit einer repräsentativen Eingangsfassade (Ecklisenen, neugotisches Portal mit Giebelverdachung). Auf dem Giebel befanden sich die Gebotstafeln, die bis heute erhalten sind.
   
Nachdem die meisten jüdischen Personen von Eich verzogen waren, wurde das Gebäude 1936 verkauft. Zunächst wurde das Gebäude als Abstellraum verwendet (so noch bei Kriegsende 1945), später zu einem bis heute bestehenden Wohnhaus umgebaut.   
   
   
Adresse/Standort der SynagogeAltrheinstraße 20        
     
     
Fotos    

Die ehemalige Synagoge vor 1971
(Quelle: Arnsberg, Bilder s.Lit.;
 und Landesamt s. Lit. S. 146) 
   
       Detailansicht des Westgiebels der ehemaligen Synagoge    
         
Die ehemalige Synagoge um 1986
(Quelle: Landesamt s. Lit. S. 145)
Eich Synagoge 111.jpg (46466 Byte)   
         
     
Die ehemalige Synagoge 
im Herbst 2010 
(Fotos: privat, 
Aufnahmedatum 3.10.2010)
Eich Synagoge 181.jpg (78406 Byte) Eich Synagoge 182.jpg (72629 Byte)
  Blick auf den westlichen Giebel der ehemaligen Synagoge mit dem 
Eingangsportal und den Gebotstafeln
      
   Eich Synagoge 183.jpg (74110 Byte) Eich Synagoge 180.jpg (64339 Byte)
   Die Rückseite (östlicher Giebel) des 
als Wohnhaus genützten ehemaligen
 Synagogengebäudes
Die Gebotstafeln
 

    
    
Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte    

Januar 2016: Zur Erinnerung an das Schicksal der Familie Heß in Hamm   
Artikel von Wolfgang Bürkle, Gabriele Hannah und Hans-Dieter Graf in der "Allgemeinen Zeitung" (Mainz) vom 27. Januar 2016: "Sturm mit Äxten und Pistolen. NAZI-TERROR. 1938 erlischt jüdisches Leben in Hamm / Das Schicksal der Familie Heß..." 
Link zum Artikel (eingestellt als pdf-Datei)     
 
Mai 2016: Vortrag mit Bezügen zur jüdischen Geschichte in Eich    
Eich AZ 08052016.jpg (266710 Byte)Artikel von Ulrike Schäfer in der "Wormser Zeitung" vom 8. Mai 2016: "Berührende Geschichten. Hans-Dieter Graf und Gabriele Hannah referieren zum Thema 'Altrheingeschichten in der Nazi-Zeit..."  
Link zum Artikel (kann auch durch Anklicken der Textabbildung gelesen werden)    
 
März 2019: Diskussion um die Zukunft des Synagogengebäudes  
Verschiedene Beiträge in der "Wormser Zeitung" vom 1. März 2019:
1) Artikel von Pascal Widder: "Der Verfall einer Synagoge..."
2) Interview: "'Kein Geld' ist kein Argument. 'Juden am Altrhein' - Autor Hans-Dieter Graf über die ehemalige Synagoge und was mit ihr passieren sollte..."
3) "Schockiert und traurig. Eindrücke von Sanford Jacoby - dem Sohn des letzten Jungen, dessen bar Mizwa in der Eicher Synagoge gefeiert wurde..." 
Die Beiträge können auch durch Anklicken der Textabbildung gelesen werden.
Link zum Artikel 1)
  
 
Juni 2019: Der Eigentümer des Synagogengebäudes hält sich nicht an die Vereinbarungen mit der Kreisverwaltung    
Artikel von Pascal Widder in der "Wormser Zeitung" vom 19. Juni 2019: " Ehemalige Synagoge verfällt weiter: Eigentümer hat Vereinbarungen zum Erhalt des denkmalgeschützten Gebäudes in Eich bislang nicht umgesetzt.
EICH - Mehr als drei Monate ist es jetzt her, dass die WZ über den Zustand der ehemaligen Synagoge in Eich berichtet hat. Ein Gebäude, dass sich seit 1936, nachdem die Juden aus Eich vertrieben wurden, in Privatbesitz befindet. Erst wurde es als Lagerraum genutzt, später zu einem Wohnhaus umgebaut. Es steht in der Altrheinstraße. Und das 1890 errichtete ehemalige jüdische Gotteshaus ist in keinem guten Zustand. Der ursprüngliche Backsteinbau ist verputzt als solcher nicht mehr zu erkennen. Die Fassade mit ihren von Rundbögen überspannten neuromanischen Fenstern hat erkennbar im Laufe der Zeit gelitten. Auf der Westseite, wo viele Jahre ein Rundfenster war, klafft seit mindestens 2010 ein großes Loch. Und beim Blick über das Hoftor, vor der repräsentativen Eingangsfassade mit neugotischem Portal, lässt sich viel Unrat erspähen. Und das alles bei einem Gebäude, das unter Denkmalschutz steht.
Bereits im Januar hieß es vonseiten der Kreisverwaltung, dass mit dem Eigentümer bei einem Besichtigungstermin unter anderem vereinbart worden sei, dass die Dachrinnen gereinigt und eine Undichtigkeit im Dachbereich umgehend beseitigt wird. 'Somit wäre zumindest die derzeitige Substanz des Gebäudes ausreichend gesichert', so eine Kreis-Sprecherin. Außerdem sei bei der Besichtigung im Dezember festgestellt worden, dass das fehlende Rundfenster, wenn auch beschädigt, noch existiert und auf dem dahinterliegenden Dachboden liegt. 'Der Eigentümer sagte zu, die fehlenden sechs Scheiben zuschneiden zu lassen, einzukitten und das Fenster wieder einzubauen', hieß es von der Kreisverwaltung. Auch die Anhäufung der Gegenstände entlang der Gebäudefassaden zu entfernen, sei zugesagt worden. Ob die Reparatur des Daches, der Einbau des Rundfensters oder auch die Beseitigung des Unrats: Passiert ist all das bislang nicht. Das bestätigt die Kreisverwaltung auf erneute Nachfrage. Entsprechende Kontrollen hätten stattgefunden. Auf die Frage, was dabei konkret festgestellt wurde, heißt es lediglich: 'Dass das behördliche Verfahren fortgeführt werden muss.' Dabei wurden dem Eigentümer nach Angaben der Kreisverwaltung Fristen zur Erledigung gesetzt. Wie diese genau aussehen? Bleibt unklar. Vonseiten der Kreisverwaltung heißt es dazu lediglich: 'Entsprechend des zu erwartenden Zeitbedarfs der Erledigung.' Die Frage, wie lange der 'zu erwartende Zeitbedarf' aussieht, bleibt unbeantwortet. Konkrete Zeitangaben könnten nicht gemacht werden, 'da der Ablauf wesentlich auch vom Verhalten des Betroffenen mitbestimmt ist'. Beispielsweise davon, ob er Rechtsmittel gegen Verwaltungsakte einlegt, was das Verfahren erheblich verzögern könne. Ein mögliches Zwangsgeld, das in solchen Fällen verhängt werden kann, musste der Eigentümer jedenfalls noch nicht zahlen. Weitere Nachfragen werden von der Kreisverwaltung mit dem Hinweis auf den Datenschutz abgeblockt. Gerne hätte die WZ Kontakt mit dem Eigentümer aufgenommen. Die Versuche blieben allerdings erfolglos.
Heimathistoriker Hans-Dieter Graf, der sich für den Erhalt der Synagoge einsetzt, blickt mit Sorge darauf, dass an der Synagoge immer noch nichts passiert ist. Seinen Infos zufolge hat das auch damit zu tun, dass man dafür erforderliche Handwerker nicht findet. 'Das versteht man natürlich in den USA und Israel nicht.' Dort leben viele der jüdische Nachfahren aus dem Altrheingebiet. So wie Maddie Hanses. Die 20-Jährige war am vergangenen Wochenende zu Besuch in Hamm und Eich. Sie besichtigte auch die ehemalige Synagoge. Sah dort die beiden noch existierenden Gebotstafeln auf dem Giebel, die weiter verwittern. Und mit all dem die letzte sichtbare Erinnerung an die einst blühende jüdische Gemeinde am Altrhein verschwindet."
Link zum Artikel  (kann auch durch Anklicken der Textabbildung gelesen werden) 
 
September 2019: Der Eigentümer des Synagogengebäudes hat die Auflagen umgesetzt   
Artikel von Pascal Widder in der "Wormser Zeitung" vom 10. September 2019: "Ist der Verfall damit gestoppt?
Eigentümer der ehemaligen Synagoge in Eich hat Auflagen umgesetzt / Rundfenster eingebaut, Dach dicht..." 
Link zum Artikel (kann auch durch Anklicken der Textabbildung gelesen werden)  
 
November 2019: Gedenken an den Novemberpogrom 1938  
Artikel von Ulrike Schäfer in der "Wormser Zeitung" vom 12. November 2019: "Worte, die gesagt werden müssen. Bei Pogrom-Gedenkveranstaltung in Eich erzählen Nachfahren geflüchteter Juden ihre Familiengeschichten.
EICH - Es war die erste Veranstaltung zum Gedenken an die Pogrome am Altrhein überhaupt. Und die war so beeindruckend, dass die vielen Menschen im evangelischen Gemeindehaus sie wohl so bald nicht wieder vergessen werden. Die gut zweistündige Begegnung 'gemeinsam erinnern – gemeinsam gestalten' war auf Betreiben des Amerikaners Prof. Dr. Sanford Jakoby, der aus einer vertriebenen jüdischen Familie aus Eich stammt, und dem Autorenteam des Buches 'Die Juden vom Altrhein' zustande gekommen. Ortsbürgermeister Klaus Willius berichtete, wie tief ihn der Satz Ernst Kahns 'Nicht wir haben Eich verlassen, die Eicher haben uns verlassen', getroffen habe. Herzlich dankte er Jakoby für seine versöhnliche Initiative und bat die jüdischen Nachfahren um Verzeihung. Für den Gedenktag hatte er sogar vor dem Rathaus neben der deutschen die israelische Flagge hissen lassen. Gabriele Hannah, die mit ihrem Bruder Hans-Dieter Graf und dessen Frau Martina in den vergangenen Jahren die Geschichte der Juden vom Altrhein erforscht und Kontakt mit ihren Nachfahren aufgenommen hat, hatte für die Veranstaltung eine berührende Fotoschau mit alten Bildern zusammengestellt. 'Wir möchten die Eicher Juden wieder in unsere Mitte zurückholen', bekannte sie. Hans-Dieter Graf berichtete über die Ereignisse am 10. November 1938 am Altrhein. In Eich gab es zu diesem Zeitpunkt keine Juden mehr; sie hatten das Dorf 1936 verlassen, ihre Häuser und die Synagoge verkauft. Doch die Nazis wüteten an diesem Tag in Hamm und kamen später nach Gimbsheim, wo sie die Wohnung der Familie Hess verwüsteten und die Frauen quälten. Die heute 91-jährige Alma wollte sich damals vor Verzweiflung das Leben nehmen, doch ihre Mutter hielt sie davon ab. Dieser Tag habe das Schicksal der Juden im Altrhein besiegelt, beendete Hans-Dieter Graf seinen Vortrag. 'Sie flüchteten in die Städte, wo sie der Deportation nicht entkamen, oder konnten nach Amerika emigrieren.' Auch Sanford Jacobys Vorfahren flohen ab 1936 nach New York. Seine Verwandten hätten sich oft an die gute alte Zeit erinnert, über die dunklen Seiten hätten sie lange geschwiegen. Schon früh habe es in den Altrheingemeinden Nationalsozialisten gegeben. Jacoby nannte Beispiele, wie die ehedem gut integrierten jüdischen Familien ausgegrenzt und misshandelt wurden. Doch blieb er nicht bei dieser Schilderung stehen: Er forderte die Anwesenden auf, Brücken zu den Nachkommen der jüdischen Eicher zu bauen, und sprach die Hoffnung aus, dass die Synagoge, heute in Privatbesitz und von Verfall bedroht, dauerhaft erhalten werden könne.
Rainer Haas, der heute im Vaterhaus Sanford Jakobys wohnt, berichtete von der ersten Begegnung mit dem Professor im vergangenen Jahr. 'Wir sind richtige Freunde geworden', sagte er bewegt und überreichte Jakoby eine Fahne mit dem Wappen der Ortsgemeinde Eich. 'Ich hoffe, dass du die während unserer Kerb in deinem Garten hisst', sagte Haas. 'Und vielleicht auch zum Feuerwehrfest.' Haas versicherte zudem: 'Die Geschichte der Synagoge wird weitergeschrieben.' Bestürzt äußerten sich zudem der evangelische Pfarrer Markus Kuhnt und Verbandsbürgermeister Maximilian Abstein über die zunehmende antisemitische Stimmung in Deutschland. 'Ist das noch mein Land?', fragte Kuhnt in die Runde. Schließlich verlas Martina Graf noch ein zu Herzen gehendes Grußwort von Margot Marx-Nathan, die aufgrund ihres Alters nicht anwesend sein konnte. Gegen Ende der Veranstaltung trug Sanford Jakoby, begleitet von der Musikerin Almut Schwab, das liturgische Lied 'Anim Zemirot' vor. Es war vor mehr als 80 Jahren zum letzten Mal in Eich gesungen worden." 
Link zum Artikel   (kann auch durch Anklicken der Textabbildung gelesen werden)  
 
Kommentar von Andrea Seibel in der Zeitschrift "Die Welt" vom 10. November 2019: "Rückkehr der Altrheinjuden.
Dieser Abend schwingt nach. Er will nicht aus meinem Kopf und meinem Herzen gehen. Am 10. November gedachte man wie an vielen Orten in Deutschland auch hier der Pogrome des 9. November 1938, in einem Örtchen namens Eich, in Rheinhessen gelegen, zwischen Worms und Alzey. Hier, so wie im Nachbarort Hamm (dem Geburtsort der Autorin) hatten in den umliegenden Dörfern über Jahrhunderte Landjuden gelebt. Sie waren meist Viehhändler oder gingen anderem Kleingewerbe nach. Sie wurden von den Nazis verjagt, vertrieben und viele von ihnen ermordet. Gabriele Hannah, Hans-Dieter und Martina Graf haben alle Dokumente akribisch in einem Band 'Die Juden vom Altrhein' zusammengetragen. Der Familie von Sanford Jacoby gelang die Flucht nach Amerika. Sein Vater Otto war einer der letzten Jungen, die in der Synagoge von Eich ihre Bar Mitzwa gefeiert hatten. Eich hat kein Pogrom erlebt, es war schon 1936 'judenrein'. Doch es geht nicht nur um die Synagoge, die seither in Privatbesitz ist und als Wohnhaus genutzt wird und die Jacoby gerne als Begegnungs- und Erinnerungsstätte umgewidmet sähe. Seiner unermüdlichen Spurensuche, seiner Kontaktfreude und Sehnsucht nach der gestohlenen Heimat der Eltern und Großeltern ist wohl auch das Zustandekommen dieses Abends zu verdanken. Der evangelische Gemeindesaal platzte aus allen Nähten, als die Veranstaltung 'Gemeinsam erinnern – gemeinsam gestalten' begann. Es waren Nachfahren der Altrheinjuden anwesend, ganz alte Eicher, Kinder damals, dann die nach dem Krieg Geborenen und ja, auch Kinder und Jugendliche. Es wurden historische Fotos an die Wand projiziert. Mehrfach fiel der Satz: 'Nicht die Juden haben Eich verlassen, sondern Eich hat die Juden verlassen.' Und als Sandy Jacoby, nachdem er seine Familiengeschichte erzählt hatte, Anim Zemirot von Jehudah he Hassid auf Hebräisch sang, war klar, dass dieser Abend nicht nur Gedenken war, sondern der Gegenwart und Zukunft gewidmet. Dem Antisemitismus, der wieder sein Haupt erhebt, Wachsamkeit und Mitmenschlichkeit entgegenzusetzen, muss als Bürgerpflicht in einer Demokratie selbstverständlich sein. Die Zeit der Untertanen und Mitläufer ist vorbei, aber die Anstrengung, als Mensch geachtet und frei zu leben, bleibt. Dass zum Ende die Anwesenden das wunderbare Lied 'Die Gedanken sind frei' sangen, ist noch so ein choreographisches Wunder. Die Inbrunst ließ erschauern. Sprichwörtlich bebten die Wände. Was die beiden Polizisten, die im Vorraum Wache hielten, wohl dachten?"
Link zum Artikel    (kann auch durch Anklicken der Textabbildung gelesen werden) 
 
Artikel von Pascal Widder in der "Wormser Zeitung" vom 20. November 2019: "Sanford Jacoby blickt auf Gedenkveranstaltung in Eich zurück
Anfangs hatte der jüdische Nachfahre Sorge, dass kaum einer zur Gedenkveranstaltung an die Reichspogromnacht am Altrhein kommen würde. Dass es anders kam, hat Jacoby tief berührt.
EICH - Die Gedenkveranstaltung in Eich vor eineinhalb Wochen anlässlich der Reichspogromnacht am Altrhein vor 81 Jahren war eine ganz Besondere. Auch, weil sie vom jüdischen Nachfahren Sanford Jacoby, dessen Eltern 1936 aus Eich vor den Nazis in die USA flohen, mitinitiiert wurde. Wir haben mit dem Professor aus Kalifornien über seine Eindrücke gesprochen.
Herr Jacoby, haben Sie mit so vielen Teilnehmern gerechnet? Anfangs hatte ich große Angst, dass nur wenige kommen. Aber je näher das Event rückte, desto optimistischer wurde ich. Doch so viele Menschen habe ich nie erwartet. Das hat mich sehr gefreut und tief berührt. Ich glaube, der Abend war für jeden eine starke Erfahrung und hoffe, dass es von nun an regelmäßig Gedenkveranstaltungen zur Reichspogromnacht am Altrhein geben wird.
Fühlten Sie sich und die anderen jüdischen Nachkommen willkommen in Eich? Es haben noch drei andere Familienmitglieder teilgenommen, die alle in Deutschland leben. Deshalb waren deren Gefühle sicher nicht die gleichen wie meine. Ich habe mich willkommen gefühlt von den Leuten, die an der Veranstaltung teilgenommen haben. Sie waren hochaufmerksam und man konnte ihre tiefe Ergriffenheit spüren. Die Aufmerksamkeit für die Redner, die emotionale Rede von Ortsbürgermeister Willius, das von Herzen gesungene 'Die Gedanken sind frei' – das waren Zeichen, dass wir jüdischen Nachkommen willkommen sind in Eich. Morgens hatte Ortsbürgermeister Klaus Willius die israelische Flagge vor dem Rathaus hissen lassen ... Das war tief bewegend. Den Davidstern langsam im Wind des Altrheins wehend zu sehen, vermittelte gemeinschaftliche Unterstützung und öffentliche Anerkennung. Ich werde Herrn Willius für seine Aufmerksamkeit immer dankbar sein.
In seiner Rede hat Willius um Verzeihung gebeten. Was bedeutet das den Juden mit Verbindungen an den Altrhein? Ich kann nicht für die ehemaligen Bewohner sprechen, von denen nur noch sechs leben. Ich weiß, dass jeder von ihnen unterschiedliche Haltungen und Empfindungen hat. Dasselbe gilt für die Nachfahren. Ich kann nur für mich sprechen. Und ich glaube an die Kraft der Reue und des Vergebens. Höchstwahrscheinlich fühlen sich manche der Teilnehmer der Veranstaltung reuig. Sie haben ein Gefühl der Verantwortung. Was genau meint es für einen 20-jährigen Deutschen, um Verzeihung zu bitten? Das ist abstrakt und vielleicht unrealistisch. Ich denke, das bessere Wort ist Verantwortung. Und ich rede von der Verantwortung aller Deutschen, ob deren Vorfahren Nazis waren oder nicht.
Die ehemaligen jüdischen Altrheinbewohner konnten altersbedingt nicht am Event teilnehmen. Was werden Sie ihnen berichten? Vier der ehemaligen Bewohner sind meine Cousins und Cousinen. Ich werde Fotos, Videos, Artikel und Anekdoten mit ihnen teilen, ohne zu kommentieren. Meine Interpretationen des Events wären möglicherweise nicht dieselben wie ihre. Sie tragen Erinnerungen mit sich von dem, was am Altrhein nach 1933 passiert ist. Ihre Leben sind vernarbt von Schmerz, Verrat und Verlust. Die Erinnerungen sind eine Mischung aus dem Schlechtem und dem Guten. Aber die Kombination ist für jeden anders. Das Schlechte hat manches Gute verdrängt und vielleicht auch für immer gelöscht. Die Vergangenheit hat bei jedem Wunden hinterlassen. Ich frage mich allerdings, ob es für die ehemaligen Bewohner bitter ist, dass erst jetzt um Verzeihung gebeten wird. Man könnte 'besser spät als nie' sagen, aber sie lebten 75 Jahre ohne ein offizielles Eingeständnis des Leids, das sie erdulden mussten. Diese 75 Jahre lange Lücke ist ein Unrecht, das nie rückgängig gemacht werden kann. Für die nächsten 75 Jahre tragen die Bewohner eine Verantwortung, nicht nur an die Vergangenheit zu erinnern, sondern auch die verlorene Zeit nachzuholen. Ihre Kinder müssen lernen, wer die Altrheinjuden waren und wie sie in der dunkelsten Zeit behandelt wurden. Als ich einen 19-jährigen Eicher fragte, was er in der Schule über die lokale jüdische Geschichte gelernt hat, sagte der: 'Nichts.' Ich finde das verstörend.
In Ihrer Rede fragten Sie auch: 'Wie können wir gemeinsam die menschlichen Brücken wieder aufbauen, die von den Nazis zerstört wurden?' Was meinen Sie, wie kann das funktionieren?
Die, die heute in Deutschland leben, müssen den ersten Schritt machen. Es muss viel gemacht werden, aber die Agenda sollte nicht von jemandem gesetzt werden, der in Kalifornien lebt. Das Rad braucht nicht neu erfunden zu werden, vielmehr muss es angepasst werden. Und Räder in Bewegung zu setzen ist nicht nur die Verantwortung der VG Eich. Die Politik – ob regional, landesweit oder bundesweit – hat die Pflicht, kleinen Orten zu helfen, einen effektiven Weg zu finden, um zu erinnern, zu lehren und zu handeln. 1933 lebte ein Drittel der deutschen Juden in kleinen Orten wie denen am Altrhein. Wir dürfen die Landjuden nicht vergessen.
Wann möchten Sie wieder nach Eich zurückkommen? Ich plane nach Eich – und an andere Orte, an denen meine Familie gelebt hat – in naher Zukunft zurückzukehren. Ich bin vorsichtig optimistisch, dass das Rad der Erinnerung, des Lernens und der Taten begonnen hat, sich zu drehen, wenn ich zurückkomme. Ich habe viele gute Leute getroffen, die heute in den Altrheindörfern leben. Ich mag zwar manchmal pessimistisch sein, aber diese guten Leute geben mir Hoffnung für die Zukunft. Das Interview führte Pascal Widder. "
Link zum Artikel    
  Links: Bericht von Roland Bonk im Gemeindebrief der evangelischen Kirchengemeinde Eich in Rheinhessen "de Giggel" Nr. 56 Dezember 2019/Februar 2020 (Gemeindebrief online: https://evangelisch-eich.de/wp-content/uploads/Giggel_2019_Nr_56_HP.pdf
 
Frühjahr 2020: Bericht von Sanford Jacoby in einem Gemeindebrief der Evangelischen Luthergemeinde Mainz 
Artikel in: Alles in Luther. Gemeindebrief der Evangelischen Luthergemeinde Mainz - April bis Juli 2020:
Sanford Jacoby: "Ich fürchte, Thüringen und andere Vorfälle sind Vorboten, dass der Konsens, der seit dem Krieg galt, zerbricht..."  Beitrag eingestellt als pdf-Datei  
Den ganzen Gemeindebrief (mit verschiedenen Beiträgen zum Verhältnis zwischen Christentum und Judentum kann man lesen über die Website der Evangelischen Luthergemeinde Mainz: Gemeindebrief 2-2020   

  
     

Links und Literatur 

Links:  

bulletWebsite der VG Eich   
bulletPresseartikel von Hans-Dieter Graf und Gabriele Hannah über den Besuch von Otto Jacoby 1945 in Eich und Osthofen: 
'Einige Dinge in Ordnung gebracht' (Allgemeine Zeitung, 08.05.2015)  (auch als pdf-Datei eingestellt)  
bulletPresseartikel von Gabriele Hannah und Hans-Dieter Graf über "Howard Kahn aus Israel erinnert zum 9. November an die rheinhessische Herkunft seiner jüdischen Familie"   
Howard Kahn aus Israel erinnert zum 9. November an die rheinhessische Herkunft seiner jüdischen Familie (Allgemeine Zeitung, 09.11.2016)   
Anmerkung zu den obigen Presseartikeln:: Der Viehhändler Joseph Kahn betrieb in Eich bis 1936 eine Viehhandlung, seine Frau Paula einen kleinen Laden. In der NS-Zeit waren sie zur Aufgabe ihres Besitzes gezwungen, den sie weit unter Wert verkaufen mussten. Zusammen mit ihren beiden Kindern Ernst und Gertrude zogen sie 1936 zunächst nach Frankfurt, von hier aus im Frühjahr 1937 in die USA. Der Sohn von Ernst Kahn  ist Howard Kahn. Dieser hat mit seiner Frau Miriam im Sommer 2016 den ehemaligen Heimatort seiner Großeltern besucht und wurde u.a. durch den Eicher Ortsbürgermeister Klaus Willius empfangen. 
Kahns Großcousin Sanford Jacoby hat bereits einige Monate zuvor mit seiner Cousine Elvera Joseph der Gemeinde Eich einen Besuch abgestattet. Jacobys Vater Otto Jacoby und Kahns Vater Ernst Kahn waren die letzten Jungen, die in der Eicher Synagoge ihre Bar Mizwa feierten. Die Väter von Jacoby und Kahn, dessen Tante sowie die Mutter von Elvera Joseph, Hilde Forst, hatten in Eich zusammen die Schulbank gedrückt.  
Ernst Kahn und Gertrude Kahn-Halberstadt sind 2016 die letzten noch lebenden in Eich geborenen früheren jüdischen Einwohner.   
Ergänzender Hinweis von Sanford Jacoby (November 2017): In Chicago lebt noch Margot Marx geb. Nathan, geb. 1924 in Köln. Sie verzog von Köln 1929 nach Eich, woher ihre Familie stammte. Ihr Mutter war Anna Nathan geb. Guthmann.   

Literatur:  

bulletPaul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. I S. 151.
bulletders.: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Bilder - Dokumente. S. 47. 
bulletPinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume III: Hesse -  Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992 (hebräisch) S. 62-63. 
bulletLandesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz/Staatliches Konservatoramt des Saarlandes/ Synagogue Memorial Jerusalem (Hg.): "...und dies ist die Pforte des Himmels". Synagogen in Rheinland-Pfalz und dem Saarland. Mainz 2005. S. 144-145 (mit weiteren Literaturangaben).   
bulletGabriele Hannah und Hans-Dieter Graf: Aron Salomon (1861-1942) - der letzte israelitische Religionslehrer am Altrhein. In Heimatjahrbuch 2022. Landkreis Alzey Worms. S. 140 – 143. Eingestellt als pdf-Datei.    

    
     


 

Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the Holocaust". 
First published in 2001 by NEW YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad Vashem Jerusalem, Israel.

Eich  Hesse.  Established in the 18th century, the community numbered 40 (2,1 % of the total) in 1910. By 1937 all the Jews had left. 
   
     

                   
vorherige Synagoge  zur ersten Synagoge nächste Synagoge  

    

 

Senden Sie E-Mail mit Fragen oder Kommentaren zu dieser Website an Alemannia Judaica (E-Mail-Adresse auf der Eingangsseite)
Copyright © 2003 Alemannia Judaica - Arbeitsgemeinschaft für die Erforschung der Geschichte der Juden im süddeutschen und angrenzenden Raum
Stand: 30. Juni 2020