Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Sprendlingen (VG Sprendlingen-Gensingen, Kreis Mainz-Bingen)
Jüdische Geschichte / Synagoge

Übersicht:

bulletZur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
bulletBerichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer  
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde  
Kennkarten aus der NS-Zeit    
bulletZur Geschichte der Synagoge   
bulletFotos / Darstellungen 
bulletErinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte  
bulletLinks und Literatur   

      

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english version)    
  
In dem bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts zur Kurpfalz gehörenden Sprendlingen bestand eine jüdische Gemeinde bis um 1930. Erstmals lebten in der Zeit des 17. Jahrhunderts einige jüdische Personen am Ort. Am 7. Dezember 1695 wurde in der Gemeinderechnung eingetragen, dass die Erhebung des Juden-Weidegeldes nun aufhöre, weil der letzte Jude fortgezogen sei. 
  
Im Laufe des 18. Jahrhunderts zogen wieder Juden zu, die jedoch erstmals wieder 1765 genannt werden. Im Laufe des 19. Jahrhunderts entwickelte sich die Zahl der jüdischen Gemeindeglieder wie folgt: 1824 130 Personen (mit St. Johann), 1828 132 Personen, 1861 177 Personen (9,4 % der Gesamteinwohnerschaft von 1.878 Personen), 1880 146 (7,3 % von 1.998), 1890 128, 1893 121 (in 27 Familien), 1898 103 (in 27 Haushaltungen), 1905 113 (4,9 % von 2.300), 1910 74 (3,5 % von 2.122). Die Zahlen zeigen, dass erst nach 1900 eine größere Zahl jüdischer Personen durch Aus- und Abwanderung Sprendlingen verließ. 
  
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine Religionsschule, ein rituelles Bad und ein jüdischer Friedhof. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war zeitweise ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet (Schächter) tätig war. Um 1900 hatte die Gemeinde noch 14 schulpflichtige Kinder. Die Lehrerstelle musste bei Neubesetzungen immer wieder ausgeschrieben werden (vgl. Ausschreibungstexte unten). Als Lehrer werden genannt: 1888 bis 1907 Aron Salomon (unterrichtete an der Simultan-Schule des Ortes 17 Kinder; zugleich unterrichtete er die Kinder in Gau-Bickelheim und in Wallertheim, hier 1892 14 Kinder, um 1898 auch in Wöllstein). Nachfolger von Lehrer Salomon (wechselte 1907 nach Gießen) war ab 1907 Lehrer Strauß. 
Als Schochet (Schächter) werden genannt: um 1893/98 M. Diewald, als Synagogendiener: um 1893/94 A. Löb.
   
Von den jüdischen Vereinen werden genannt: ein Israelitischer Männerverein (um 1893 unter Leitung von H. Koppel, H. Feist und A. Metzger) und ein Israelitischer Frauenverein (um 1893 unter Leitung der Frau von K. Marum und der Frau von S. Metzger). 
  
Als Gemeindevorsteher werden genannt: um 1893/99 Ludwig Schloss, S. Schloss und H. Koppel. 
       
Im Ersten Weltkrieg ist ein jüdischer Mann aus Sprendlingen gefallen: Otto Michael Metzger (vermisst).

1925 wurden auf Grund des Rückgangs der Zahl der Gemeindeglieder nur noch 39 jüdische Einwohner gezählt (1,7 % von insgesamt ca. 2.300 Einwohnern). Der Religionsunterricht wurde damals den Kindern von Fürfeld, Sprendlingen und Wöllstein von einem gemeinsamen Religionslehrer erteilt. Den Gemeindevorstand bildeten um 1925 Ludwig Schloß, Adolf Metzger und Jakob Landsberg. Als Kantor war Isaak Löb tätig. Den jüdischen Religionsunterricht besuchten noch zwei Kinder. An jüdischen Vereinen war ein Wohltätigkeitsverein unter Leitung von Adolf Metzger tätig. Die jüdische Gemeinde in Sprendlingen war dem Rabbinat Bingen zugeteilt. 
   
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge verwüstet (s.u.), jüdische Männer wurden geschlagen und in ein Konzentrationslager verbracht. 1939 lebten noch 15 jüdische Personen in Sprendlingen. Die letzten der jüdischen Einwohner wurden nach 1940 deportiert.   
    
Von den in Sprendlingen geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Thekla Diewald (1879), Albert Kohn (1893), Clara Koppel geb. Koppel (1878), Margot (Margarete) Koppel (1905), Alfred Landsberg (1892), Elisabeth (Else) Landsberg geb. Wolf (1898), Julie Landsberg geb. Simon (1864), Otto Landsberg (1894), Emma Laubmeister geb. Ullmann (1868), Ernestine (Erna) Katharina Löb (1898), Emma Merdinger geb. Diewald (1877), Elisabeth Metzler geb. Vogel (1888), Karoline Neuberger geb. Kaufmann (1864), Rosa (Rosalie) Rector geb. Stern (1883), Walter Rector (1928), Wolfram Rector (1885), Anna Schloss (1894), Irma Schloss (1901), Martha Schloss (1892), Oskar Leopold Schloß (1885; Gedenkstein im Friedhof), Martha Seelig (1886), Herbert Strauss (1911), Hildegard Strauss (1909), Bertha Wertheimer geb. Wolff (1859), Emil Wolff (1865). 
   
Anmerkung
: In einzelnen Fällen kann es zu Verwechslungen mit Sprendlingen (Kreis Offenbach) kommen.  
   
   
   
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde 
  
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer  
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers und Vorbeters 1893 / Hilfsvorbeters 1900  

Sprendlingen Israelit 18121893r.jpg (33304 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. Dezember 1893: "Die Stelle eines Vorbeters, verbunden mit der Erteilung des hebräischen Unterrichts, ist sofort in hiesiger Gemeinde zu besetzen. Gehalt beträgt Fixum Mark 700. Auch Nebenverdienste werden zugesichert. Bewerber ledigen Standes werden berücksichtigt. Gesuche mit Zeugnissen versehen sind sofort einzusehen". 
Der Vorstand der israelitischen Gemeinde 
Sprendlingen in Rheinhessen: Ludwig Schloß".
    
Sprendlingen Israelit 03091900r.jpg (25770 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. September 1900
"Auf die hohen Feiertage suche einen 
Hilfsvorbeter
gegen anständige Belohnung. 
Der Vorstand: Ludwig Schloß, Sprendlingen in Rheinhessen."  

     
Lobende Erwähnung der Religionsschule in Sprendlingen (1858)
     

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 12. Juli 1858: "Wenn in einer Korrespondenz aus Worms neulich (in No. 22 dieser Zeitung) von der Gleichgültigkeit mehrerer Landgemeinden des Kreises Worms gegen allen Religionsunterricht gesprochen wurde, so muss andererseits wieder hervorgehoben werden, dass in einem anderen Teile Rheinhessens gerade die bestgestellten Schulen des Großherzogtums sich befinden, dass zum Beispiel in Oppenheim, Guntersblum, Odernheim, Niederwiesen und Bechtheim gut dotierte Elementarschulen mit definitiv vom Großherzoge angestellten Lehrern sich befinden, die zumeist seit langen Jahren dort wirken, und dass außerdem die Lehrer in Schornsheim, Sprendlingen von ihren Gemeinden freiwillig als Religionslehrer etc. definitiv angestellt sind, außer anderen, die wir vielleicht nicht wissen; und dass aus all diesem zu schließen ist, dass es um das jüdische Schulwesen hierzulande nicht so schlecht bestellt ist."       

    
Abschied von Lehrer Aron Salomon aus Sprendlingen (1907)     
Anmerkung: Aron Salomon ist 1861 in Beerfelden geboren, arbeitete zunächst als israelitischer Religionslehrer in verschiedenen Orten Rheinhessens, bis er 1888 in Sprendlingen als Volksschullehrer eine Anstellung fand. Hier war er zugleich als Kantor der Gemeinde tätig. Er war seit 1890 verheiratet mit Sara geb. Löwenstein (geb. 1867 in Gau-Bickelheim), mit der er zwei Söhne hatte: Friedrich/Fritz Moses (1891-1927) und Markus/Max (1893-1957). Im Herbst 1907 wurde er an das Realgymnasium und die Oberrealschule nach Gießen berufen. Im Dezember 1920 ließ er sich in den Ruhestand versetzen und verzog mit seiner Frau nach Worms, wo sich der Sohn Dr. Fritz Salomon als Arzt niedergelassen hatte. Nach dem frühen Tod von Fritz (gest. 1927) ließ sich Aron Salomon als Wanderlehrer einsetzen in den Gemeinden Eich, Heßloch, Monzernheim, Wachenheim (Pfrimm) und Wöllstein. 1942 wurde Aron Salomon mit seiner Frau aus Frankfurt in das Ghetto Thersienstadt deportiert, wo beide umgekommen sind.
Zu Lehrer Salomon vgl.: Gabriele Hannah und Hans-Dieter Graf: Aron Salomon (1861-1942) - der letzte israelitische Religionslehrer am Altrhein. In Heimatjahrbuch 2022. Landkreis Alzey Worms. S. 140 – 143. Eingestellt als pdf-Datei.  

Artikel im "Israelitischen Familienblatt" vom 25. Dezember 1907: "Heldenbergen, im Dezember. Herr Kollege Salomon, der 19 Jahre an der Simultanschule zu Sprendlingen, Rheinhessen, zur größten Zufriedenheit sämtlicher vorgesetzten Behörden, der Gesamtgemeinde ohne Unterschied der Konfession, wirkte, wurde vor einigen Monaten an das Großherzogliche Realgymnasium zu Gießen versetzt. Das ist eine sehr ehrenvolle und wirtschaftlich vorteilhafte Beförderung für unseren verehrten Kollegen. Die hohe Schulbehörde wollte damit sicher seine bekannte Gewissenhaftigkeit und pädagogische Begabung anerkennen und belohnen. Der Herr Bürgermeister des Städtchens hob in der Gemeinderatssitzung, in welcher er die Versetzung des verehrten Lehrers anzeigte, dessen Gewissenhaftigkeit, Begabung und Bescheidenheit in sehr anerkennenswerter Weise hervor, einerseits den Weggang bedauernd, andererseits aber die Verbesserung und Anerkennung begrüßend. Der Scheidende war ebenso beliebt bei den Ortskollegen, wie bei denen des ganzen Kreises. Kollege Salomon begleitete noch nebenbei das Amt eines Religionslehrer und Kantors bei der israelitischen Gemeinde Sprendlingen, die seine Versetzung ebenfalls sehr bedauert. Um nun ein dauerndes Zeichen ihrer Liebe und Verehrung zu stiften, erfreute sie dieser Tage den Kollegen mit einem prachtvollen, silbernen Pokal mit entsprechender Widmung. Dass sich der Kollege über diese schöne, dankbare Anerkennung herzlich freut, lässt sich nachempfinden. Die jüdische Gemeinde Sprendlingen hat sich mit dieser Aufmerksamkeit ein schönes Attest ausgestellt, denn: 'Wer einen Anderen ehrt, ehrt sich selbst!' Dem Nachfolger Salomons, Herrn Kollegen Strauß, dürfte es sicher nicht schwer fallen, sich das Vertrauen und die Liebe einer solchen Gemeinde recht rasch zu erwerben."      

     
      
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde  

Zum Tod von Thekla Binge geb. Vogel in Bad Homburg 1879, "der sehr würdigen und frommen Familie Vogel aus Sprendlingen in Rheinhessen entstammend" 

Sprendlingen Israelit 22101879r.jpg (81829 Byte)Nekrolog in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. Oktober 1879 (Anmerkung: es handelt sich nur um den ersten Teil des wesentlich längeren Nekrologs mit dem Hinweis auf die Familie Vogel aus Sprendlingen, der ganze Text siehe Seite zu Homburg): "Bad Homburg. Mit dem letzten Sonnenstrahl des bereits hingeschiedenen Jahres 5639 (d.h. am 17. September 1879) schied ein an Frömmigkeit und Tugend reiches Leben aus unserer Mitte, und brachte Trauer und Schmerz sowohl in den engeren Familienkreis desselben, als auch in den Kreis unserer ganzen Gemeinde, indem Frau Thekla Binge, die tugendhafte Gattin des Königlichen Regierungs-Anwalts Herrn S. Binge, das zeitige Leben verlassen, um in die reichen Gefilde des Jenseits einzutreten. 
Dieselbe, der sehr würdigen und frommen Familie Vogel aus Sprendlingen in Rheinhessen entstammend, war eine Eschet Chajal (eine tüchtige Frau) im wahrsten Sinne des Wortes zu nennen. Sie war es, die ihrem geehrten Gatten ratend und ermunternd zur Seite stand, damit dieser, trotz seiner großen Praxis, die heiligen Schabbate und die Feiertage in schönster Weise heiligen und feiern konnte, ja es ihm möglich machte, täglich Abends und Morgens die Synagoge zu besuchen, sogar stets von den zehn ersten zu sein, seine segensreiche Tätigkeit und einflussreiche Stellung zu Gunsten der ungetrübten Entfaltung und Stärkung der religiösen Interessen als Vorstand der israelitischen Gemeinde zu verwenden..."

   
90. Geburtstag von Leopold Metzger (1905)  

Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 10. März 1905: "Sprendlingen (Rheinhessen). Aus Anlass des 90. Geburtstages unseres ältesten Gemeindemitgliedes Herrn Leopold Metzger fand in der hiesigen Synagoge eine erhebende Feier statt."   

    

Kennkarten aus der NS-Zeit            
               
Am 23. Juli 1938 wurde durch den Reichsminister des Innern für bestimmte Gruppen von Staatsangehörigen des Deutschen Reiches die Kennkartenpflicht eingeführt. Die Kennkarten jüdischer Personen waren mit einem großen Buchstaben "J" gekennzeichnet. Wer als "jüdisch" galt, hatte das Reichsgesetzblatt vom 14. November 1935 ("Erste Verordnung zum Reichsbürgergesetz") bestimmt. 
Hinweis: für die nachfolgenden Kennkarten ist die Quelle: Zentralarchiv zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland: Bestände: Personenstandsregister: Archivaliensammlung Frankfurt: Abteilung IV: Kennkarten, Mainz 1939" http://www.uni-heidelberg.de/institute/sonst/aj/STANDREG/FFM1/117-152.htm. Anfragen bitte gegebenenfalls an zentralarchiv@uni-hd.de       
 
 Kennkarten zu Personen, 
die in Sprendlingen geboren sind
 
 Sprendlingen KK MZ Bayerthal Hugo.jpg (91317 Byte)  Sprendlingen KK MZ Rector Rosalie.jpg (89824 Byte)  Sprendlingen KK MZ Weiss Antonia.jpg (92172 Byte)
  KK (Mainz 1939) für Hugo Philipp Bayerthal 
(geb. 24. Mai 1872 in Sprendlingen), 
Apotheker   
  
 KK (Mainz 1939) für Rosalie Rector geb. Stern (geb. 
13. Juni 1883 in Sprendlingen), wohnhaft in Mainz; 
am 25. März 1942 ab Mainz - Darmstadt in das 
Ghetto Piaski deportiert und umgekommen  
KK (Mainz 1939) für 
Antonie Weiß geb. Feist
 
(geb. 19. Dezember 1885 in Sprendlingen)  
  

   
   
   
Zur Geschichte der Synagoge     
(erstellt unter Mitarbeit von Manfred Schneider, Vorsitzender des Blasorchesters und Mitglied des Ortsgemeinderates Sprendlingen)     
   
Zunächst war nach einem Bericht in der "Jüdisch-liberalen Zeitung" (vom 20. Februar 1925, siehe unten) ein Betsaal in einer Stube des Herrn Josef Salenen im St. Johannerviertel (Bereich der St. Johannerstraße) vorhanden. Diese Stube war allerdings "niedrig und beengt". Vermutlich kurz nach 1820 wurde von der israelitischen Gemeinde in der St. Gertrudenstraße ein Grundstück gekauft und auf ihm eine Synagoge erbaut, die 1825 fertiggestellt werden konnte. Die Einweihung war am 19. März 1825. Sie soll "feierlich und glänzend" gewesen sein: 12 jüdische Musikanten sangen und musizierten. Dieselben begleiteten auch den Zug, auf welchem die Kultgegenstände aus dem bisherigen Betsaal in die neue Synagoge gebracht wurden und bereicherten wesentlich den Einweihungsgottesdienst. Die schmale Gasse, in der die Synagoge erbaut wurde, bekam den Namen "Synagogengasse.  

Sprendlingen JuedlibZtg 20021925.jpg (80405 Byte)Artikel in der "Jüdisch-liberalen Zeitung" vom 20. Februar 1925: "Mainz. Dem 'Mainzer Anzeiger' entnehmen wir folgende Nachricht: Die hiesige israelitische Gemeinde kann in diesem Jahre einen besonderen Gedenktag feiern. Am 19. März sind es gerade 100 Jahre, dass die Einweihung der neu erbauten Synagoge erfolgte. Dieser Tag bedeutet einen Markstein in der so wechselvollen Geschichte der hiesigen Synagogengemeinde. Weiß doch der Chronist folgendes zu berichten. Am 7. Dezember 1695 wurde in der Gemeinderechnung eingetragen, dass die Erhebung des Juden-Weidegeldes nun aufhöre, weil der letzte Jude fortgezogen ist. Es dauerte mehrere Jahre, bis wieder Juden eingezogen waren. - Zur Einweihungsfeier selbst überliefert der Chronist was folgt: Die Israeliten zu Sprendlingen hielten ihre gottesdienstlichen Versammlungen seit langen Jahren in einer Stube der Herrn Josef Salenen im St. Johannerviertel. Die Stube war niedrig und beengt. Da wurde von der israelitischen Gemeinde in der St. Gertrudenstraße ein Platz gekauft und eine Synagoge erbaut. Die Einweihung derselben am 19. März 1825 war feierlich und glänzend. 12 israelitische Musikanten sangen und musizierten; dieselben begleiteten den Zug, auf welchem die heiligen Geräte aus dem früheren Versammlungshaus in den neuen Tempel gebracht wurden, und im Tempel die religiösen Stücke und Hymnen, durch deren Vortrag diese seltene Feier erhöht und verschönert wurde. Wie verlautet, soll der Gedenktag von der israelitischen Gemeinde würdig gefeiert werden."

Bei der Synagoge in Sprendlingen handelt sich um ein auf quadratischem Grundriss erbautes Gebäude mit neoromanischen und neobarocken Stilelementen. Der Saalbau umfasst eine Größe von 11,30 x 10,30 m. Der Versammlungsraum (ehemaliger Betsaal) hat eine lichte Raumhöhe von fünf Metern. Das Satteldach steht in Traufstellung parallel zur Synagogengasse. 
An der Westseite sind zwei Eingangstüren, durch die Frauen und Männer getrennt in den Versammelungsraum gelangten. Im Giebel der Westfassade befindet sich eine runde, in Sandstein gefasste Rosette mit einem Davidstern. Neben dem Männereingang ist eine kleine Nische in die Wand eingelassen, in welcher die Männer beim Betreten der Synagoge die rituelle Waschung vornahmen. Im Gebäudeinneren (Männerbereich) ist ein ringsumlaufendes, profiliertes Sandsteingesims zum Aufstellen von Herzen und Leuchtern eingebaut. Die Frauen nahmen hinter einer eingebauten Trennwand am Gottesdienst teil. 
Die Nordseite ist gleichmäßig in vier mit Rundbogen und Sandsteingewänden eingefasste Fensterfelder gegliedert.
Die Südseite gleicht von der Gliederung her der Nordseite, wobei eines der Fenster durch eine Tür ersetzt wurde.     
In der Ostseite befinden sich keine Fenster. Hier befand sich zur Synagogenzeit die Tora-Nische - in die Wand eingelassen.  
 
Dem Untersuchungsbericht des Landesamtes für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz zufolge, waren die Wandflächen ursprünglich mit einem weißen Kalkanstrich grundiert. Sie wurden dann monochrom in einem gebrochenen weiß gestrichen. Lediglich die Stuckleiste war in Ocker abgesetzt und darunter durch ein 3 cm breiter blaugrünes Band betont. Die darüber liegenden Flächen an der Ost- und Westwand waren mittelgrau gestrichen. Die Decke war - wenigen Spuren zufolge - möglicherweise mit einem hellblauen Anstrich versehen. 
 
Um die Jahrhundertwende wurde die Synagoge zum ersten Mal umgestaltet. Die Tora-Nische wurde verschlossen und ein schwerer, geschnitzter Tora-Schrank eingebaut. Die Synagoge wurde farblich umgestaltet. Die heutige Farbgestaltet der Synagoge entspricht, dem Untersuchungsbericht des Landesamts für Denkmalpflege zufolge, der originalen Farbgebung dieser ersten großen Synagogenrestaurierung. Die Position des Tora-Schrankes ist durch die bewusste farbliche Absetzung ind er Ostwand ersichtlich. Die darüber liegende hebräische Inschrift bedeutet: "Geheiligt dem Ewigen".    

Über 100 Jahre war die Sprendlinger Synagoge Mittelpunkt des jüdischen Gemeindelebens. 1925 wurde das hundertjährige Bestehen der Synagoge feierlich begangen. Darüber liegt ein Bericht aus der "Jüdisch-liberalen Zeitung" vom 24. April 1925 vor:

Sprendlingen JuedlibZtg 24041925.jpg (76745 Byte)Synagogen-Jubiläum in Sprendlingen. Dem Mainzer Anzeiger vom 7. April entnehmen wir: Anlässlich des hundertjährigen Bestehens der Synagoge fand am Sonntag unter Beteiligung der gesamten Bevölkerung und Anwesenheit des Bürgermeisters und der beiden Beigeordneten sowie der Geistlichen beider Konfessionen ein erhebender Festgottesdienst statt. Die Synagoge war herrlich geschmückt und bis auf den letzten Platz auch durch Gäste aus umliegenden Ortschaften gefüllt. Nach einem kurzen Gebet hielt Herr Kreisrabbiner Dr. Appel-Bingen eine tiefempfundene Rede. Mit einem Gebet für das Wohl der Gemeinde und des Vaterlandes schloss die würdige Feier. Herr Ludwig Schloss dankte im Namen der israelitischen Gemeinde den beiden Geistlichen, Bürgermeister und Beigeordnete für ihr Erscheinen. Herr Oppenheimer-Gau-Bischofsheim überbrachte die Glückwünsche der jüdischen Landgemeinden. In schönster Harmonie verlief so die hundertjährige Feier. Möge die Einigkeit in unserer Gemeinde immerwährend bestehen.

Obwohl die Synagoge auf Grund des Wegzuges der jüdischen Einwohner bereits seit 1932 nicht mehr als Gotteshaus verwendet wurde, ist sie beim Novemberpogrom 1938 verwüstet und geplündert worden. Noch im selben Jahr wurde sie an einen Schreiner verkauft, der in dem Gebäude seine Werkstatt einrichtete. Das Schlachthaus wurde an einen Nachbarn verkauft; die "Synagogengasse" wurde umbenannt in "Berggasse".  

1978 wurde eine Gedenktafel an dem Gebäude angebracht und die "Berggasse" bekam wieder ihren ursprünglichen Namen "Synagogengasse".   
    
Chancen für eine Renovierung der ehemaligen Synagoge gab es seit den 1990er-Jahren, nachdem die Ortsgemeinde Sprendlingen in das Städtebauförderungsprogramm des Landes Rheinland-Pfalz aufgenommen wurde. 1996 kaufte die Ortsgemeinde das seit 1984 als Kulturdenkmal unter Schutz stehende Gebäude. 2003-04 wurde das Gebäude restauriert. Die Gesamtkosten für den Umbau und die Modernisierungsmaßnahmen der ehemaligen Synagoge zu einer Gemeinschaftseinrichtung beliefen sich auf etwa 610.000 € (60 % aus Mitteln des Innenministeriums Rheinland-Pfalz). Das Gebäude wird für musikalische und kulturelle Veranstaltungen genutzt (Proberaum für das Blasorchester Sprendlingen; im angrenzenden und in die Restaurierung einbezogenen Nachbargebäude weitere Gemeinschaftsräume).     
   
   
Adresse/Standort der SynagogeSynagogengasse 8    
   
   
Fotos
(Fotos Hahn, Aufnahmedatum am "Tag des offenen Denkmals", 11.9.2005) 

Sprendlingen Synagoge 107.jpg (48762 Byte) Sprendlingen Synagoge 110.jpg (33445 Byte) Sprendlingen Synagoge 103.jpg (42144 Byte)
Straßenschild "Synagogengasse" Hinweistafel zur Synagoge  
     
Sprendlingen Synagoge 102.jpg (35866 Byte) Sprendlingen Synagoge 104.jpg (55764 Byte) Sprendlingen Synagoge 108.jpg (63183 Byte)
  Eingangsbereich zur Synagoge Gedenktafel
     
Sprendlingen Synagoge 100.jpg (50804 Byte) Sprendlingen Synagoge 101.jpg (49636 Byte) Sprendlingen Synagoge 106.jpg (46938 Byte)
Innenansicht der ehemaligen Synagoge Rechts des ehemaligen Toraschreines:
 Torarolle und Gebetsschal (Tallit)
 
   
Sprendlingen Synagoge 105.jpg (29726 Byte) Sprendlingen Synagoge 111.jpg (34124 Byte) Sprendlingen Synagoge 112.jpg (51180 Byte)
Wasserkanne im Bereich der früheren
 Gelegenheit zur rituellen Waschung 
am Eingang zur Synagoge
Sandsteinkonsole - Originalteil aus der
 Entstehungszeit 1825. abgeschlagen nach
 1938, anschließend in einer Mauernische
 vermauert, 2004 wieder entdeckt und an
 der ursprünglichen Stelle angebracht.
Der Dachstuhl über dem
 früheren Betsaal
 
       
      
  Sprendlingen Synagoge 109.jpg (44844 Byte)   
   Das ehemalige jüdische Schlachthaus 
bei der Synagoge 
   
          

      
      
Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte 

März 2009: Erste "Stolpersteine"-Verlegung in Sprendlingen 
Artikel von Bernhard Brühl vom 31. März 2009 in der "Allgemeinen Zeitung" (Main-Rheiner, Artikel):   
Stolpersteine gegen Gleichgültigkeit - Erste Messingplatten in Sprendlingen verlegt/Erinnerung an jüdische Mitbürger.  
SPRENDLINGEN
. "Auch in Sprendlingen gab es Menschen, die aus ihrem Zuhause deportiert und ermordet wurden. Ihrer wollen wir mit den `Stolpersteinen` gedenken", sagte Ortsbürgermeister Karl Heinz Weller bei der Verlegung von ersten Stolpersteinen im Ort.
"Denn wer über die Steine stolpert, kann nicht gleichgültig bleiben", ergänzte Weller während der Aktion. Der Kölner Künstler Gunter Demnig will mit diesen, in den Bürgersteig eingelassenen Messingplatten, auf den letzten frei gewählten Wohnsitz jüdischer Menschen hinweisen. Die Steine enthalten den Namen, den Geburtstag und Angaben über das Schicksal des Betroffenen. In Sprendlingen wurden in der Schulstraße, in der Gau-Bickelheimer Straße und in der St. Johanner Straße sieben "Stolpersteine" verlegt. Sie erinnern an die Sprendlinger Bürger Oskar Schloß, die Familien Rector-Stern und Landsberg..."    
  
Juli 2012: Zweite "Stolpersteine"-Verlegung in Sprendlingen    
Artikel von Bernhard Brühl in der "Allgemeinen Zeitung" vom 6. Juli 2012: "Künstler Gunter Demnig erinnert mit Verlegen von Stolpersteinen in Sprenglingen an Nazi-Opfer..."  
Link zum Artikel: Künstler Gunter Demnig erinnert mit Verlegen von Stolpersteinen in Sprendlingen an Nazi-Opfer (AZ, 06.07.2012)  
Anmerkung: In Sprendlingen wurden in der St. Johanner Straße 16 (Ehepaar Caroline und Julius Neuberger) und in der Gau-Bickelheimer Straße 5 (Clara Koppel und ihre Tochter Margot Koppel) und 59 (Familie Friedrich, Berta und Ferdinand Stern) insgesamt sechs Stolpersteine verlegt.    
 

  
   

Links und Literatur

Links:   

bullet Website der Gemeinde Sprendlingen    
bullet Website der VG Sprendlingen-Gensingen   
bulletAuszüge aus der Rede von Innenminister Jacob Zuber zur Einweihung der ehemaligen Synagoge am 28. Mai 2004: hier anklicken   
bulletZur Seite über den jüdischen Friedhof Sprendlingen (interner Link) 
bullet Informationsseite zur Synagoge Sprendlingen bei regionalgeschichte.net Rheinhessen
bulletWebsite www.blasorchester-sprendlingen.de mit Seite zur Synagoge    

Literatur:  

bulletPaul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. 1971 Bd. II, S. 264-265.
bulletLandesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz/Staatliches Konservatoramt des Saarlandes/ Synagogue Memorial Jerusalem (Hg.): "...und dies ist die Pforte des Himmels". Synagogen in Rheinland-Pfalz und dem Saarland. Mainz 2005. S. 356-357 (mit weiteren Literaturangaben).   
bulletPinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume III: Hesse -  Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992 (hebräisch) S. 315-316. 
bulletGabriele Hannah und Hans-Dieter Graf: Aron Salomon (1861-1942) - der letzte israelitische Religionslehrer am Altrhein. In Heimatjahrbuch 2022. Landkreis Alzey Worms. S. 140 – 143. Eingestellt als pdf-Datei.    

   
   


 

Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the Holocaust". 
First published in 2001 by NEW YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad Vashem Jerusalem, Israel.

Sprendlingen. Mainz-Bingen district. Jews lived there in the 17th century and founded one of the largest village communities in the region, numbering 177 (9 % of the total) in 1861. Only 39 Jews were left, however, to mark their synagogue's 100th anniversary in 1925. On Kristallnacht (9-10 November 1938), the synagogue was vandalized and Jewish men were beaten and then sent to a concentration camp. Fifteen Jews still remained in 1939. 
   
     

                   
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Copyright © 2003 Alemannia Judaica - Arbeitsgemeinschaft für die Erforschung der Geschichte der Juden im süddeutschen und angrenzenden Raum
Stand: 30. Juni 2020