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Friedhöfe in der Region"
zur Übersicht über die
jüdischen Friedhöfe in Unterfranken
Euerbach (Kreis
Schweinfurt)
Der jüdische Friedhof
(die Seite wurde erstellt unter
Mitarbeit von Elisabeth Böhrer)
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
Siehe Seite zur Geschichte der Synagoge in
Euerbach (interner Link)
Zur Geschichte des Friedhofs
Nach einer im Adelsarchiv der Herren von Münster erhaltenen Urkunde erwarb die jüdische Gemeinde in Euerbach am 31. Juli 1672 vom
Dorfherrn Adam Ulrich von Steinau einen Acker an der Hasenklinge unterhalb des
"Euerbacher Wäldchens", also ein Grundstück im Bereich des heutigen
Friedhofes zur Errichtung eines Begräbnisplatzes. Der Friedhof musste
mindestens 50 bayerische Ellen von der nächsten Bebauung entfernt sein. Von
Steinau legte auch fest, dass bei einer Seuche die Bestattung auch an Sonn- und
Feiertagen durchzuführen war. Die Gebühr betrug damals zwölf 'Batzen' für einen
Erwachsenen und 6 'Batzen' für ein Kind. Der Friedhof war nach dem Vertrag von
1672 Begräbnisstätte vor allem für die in Euerbach,
Niederwerrn, Obbach
und Westheim bei Hammelburg lebenden
Juden ("Ich Adam Ulrich von Steinau ... dass ich einer gesambten
Judenschaft allhier in Euerbach wie auch deren gesambten zu Niederwerrn, Oppach
u. Westheim an der Sahl ... verkauft und erblich zu kauffen gegeben habe ...
Geschehen Euerbach, den 31. Juli des 1672. Jahres").
Erste Aufzeichnungen einer Chewra
Kadischa (Beerdigungsbruderschaft) stammen aus dem Jahr 1703. Der Friedhof
wurde bereits 1734 erweitert, als die Gemeinde einen halben Morgen Land von
einem Hanß Georg Böhm für 25 Gulden kaufte. Weitere Vergrößerungen
erfolgten 1835 (ein Viertel Morgen Land) und bis 1936. Bis ins 20. Jahrhundert
wurden auf dem Friedhof vor allem Juden aus den
ehemaligen Ritterdörfern Euerbach, Obbach, Niederwerrn sowie
Geldersheim und
Kützberg beigesetzt.
Nach den Forschungen von Elisabeth Böhrer wurden auf dem Friedhof in Euerbach
auch nach der Anlegung eines eigenen jüdischen Friedhofes 1874 in Schweinfurt
weiterhin einzelne jüdische Verstorbene aus Schweinfurt beigesetzt.
Der Friedhof hat eine Größe von
83,60 ar und weist 1.171 Grabstätten auf. 1897 wurden Knochen, die man auf dem
Grundstück des historischen jüdischen Friedhofes in Schweinfurt fand, in Euerbach
beigesetzt. Auf dem Friedhof wurden bis 1940 Beisetzungen vorgenommen.
Im
November 1938 wurde der Friedhof von Angehörigen der Hitlerjugend teilweise
zerstört. Irreparable Schäden sind dadurch entstanden. Der Leichenwagen der
Chewra Kaddischa von Obbach und Niederwerrn wurde
am 12. Juli 1939 von Unbekannten in Euerbach verbrannt. Die Behörden
vermuteten, dass diese Tat aus Protest dagegen verübt wurde, dass die
Bruderschaft einen christlichen Kutscher beschäftigte.
Um 1807 wurde ein Taharahaus erbaut (mit einem zusätzlichen kleinen
Nebenhaus). Es stand - vom heutigen Eingang aus - auf der rechten Seite. Der
Zeitpunkt des Abrisses (wegen Baufälligkeit oder mutwilliger Zerstörung) ist
nicht bekannt.
Anmerkung: Ein Taharahaus wird auf Grund des Alters dieses Friedhofes bereits
im 17./18. Jahrhunderts vorhanden gewesen sein.
Aus der Geschichte des Friedhofes
Ausschreibung der Stelle eines Begräbnisverwalters (1901)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. April 1901: "Die
Stelle eines Begräbnisverwalters in Euerbach, bei Schweinfurt,
Unterfranken, mit einem Gehalt von Mark 200 nebst ca. Mark 200
Nebenverdienst und freier Wohnung ist zu besetzen. Auch könnte die Stelle
als Schochet mit einem Ertrag von beiläufig Mark 200 übernommen werden.
Bewerber, welche deutsche Reichsangehörige sein müssen, wollen sich an
Unterzeichneten wenden.
Niederwerrn bei Schweinfurt, 21.
April.
S. Grünebaum, Kultusvorstand." |
Lage des Friedhofes
Der Friedhof liegt außerhalb (ca. 1 km westlich) des Ortes in Richtung Obbach
auf einer Wiesenanhöhe am Waldrand rechts
der Straße. Der Weg zum Eingangstor führt über eine Wiese.
Link
zu den Google-Maps
Führungen auf dem Friedhof sind nach Vereinbarung möglich: Anfragen
über Harri Winter (Tel. 09726/8690) und über das Rathaus (Tel. 09726/9155-0).
Texte der Hinweistafeln auf dem
Friedhof
(die kursiven Anmerkungen in Klammer wurden vom
Webmaster ergänzt - Dank an Elisabeth Böhrer für die Hinweise)
Geschichte.
Im Jahr 1672 erwarb die jüdische Gemeinde in Euerbach vom Dorfherrn
Adam Ulrich von Steinau ein Grundstück im Bereich des heutigen Friedhofs
zur Errichtung eines Begräbnisplatzes. Der Friedhof wurde bereits im
Jahre 1734 erweitert, weitere Vergrößerungen erfolgten 1835 und 1936*.
Der Friedhof musste zum Zeitpunkt seiner Gründung 'mindestens 50
bayerische Ellen' von der nächsten Bebauung entfernt sein. Von Steinau
legte auch fest, dass bei einer Seuche die Bestattung auch an Sonn- und
Feiertagen durchzuführen war. Die Gebühr betrug damals 12 'Bazen' für
einen Erwachsenen und 6 'Bazen' für ein Kind.
Auf dem Friedhof wurden bis 1940 Bestattungen vorgenommen. Hier fanden
jüdische Mitbürger überwiegend aus den ehemaligen Ritterdörfern
Euerbach, Obbach und Niederwerrn ihre letzte Ruhestätte. Der Friedhof hat
eine Größe von 8.400 qm und weist 1.171 Grabsteine auf.
Die jüdische Gemeinde in Euerbach rekrutierte sich hauptsächlich aus den
im 16. Jahrhundert aus Schweinfurt vertriebenen Juden, die sich hier neu
ansiedelten. Die jüdische Gemeinde zählte im Jahr 1800 55 Mitglieder,
1835 waren 93 der insgesamt 450 Einwohner jüdischen Glaubens. In den
folgenden Jahren hat die Zahl der jüdischen Einwohner - wahrscheinlich
wegen Abwanderung - stark abgenommen, so konnten im Jahr 1900 nur noch 8
Personen gezählt werden.
Zum Eigentum der Gemeinde gehörten neben dem Friedhof mit dem Taharahaus
(= Waschhaus) eine Synagoge, eine Schule und ein Gebäude zur
Unterstellung des Leichenwagens. Die Synagoge und die Schule wurden
verkauft und für den Neubau von Wohnhäusern abgerissen.** Die Abstellhalle
des Leichenwagens ging ebenfalls in Privatbesitz über.
Da sich die jüdische Gemeinde 1912 mangels Mitglieder auflöste***, sind
kaum Einzelheiten aus dieser Zeit bekannt. Das Taharahaus wurde
wahrscheinlich während des 3. Reiches zerstört. Im November 1938 wurde
der Friedhof durch die Hitlerjugend geschändet; hierbei sind irreparable Schäden
entstandet. Der Leichenwagen wurde im Juni 1939 verbrannt. Bei den
älteren Einwohnern von Euerbach heißt der Friedhof heute noch 'Bsoulom',
abgeleitet vom hebräischen bet olam = Haus des Ewigkeit.
Nehmen Sie bitte Rücksicht auf die Würde des Friedhofes!
Gräber. Gräber auf jüdischen Friedhöfe setzen sich aus zwei Teilen
zusammen: ein kleines Stück Land für den Verstorbenen und darauf stehend
ein Grabstein. Da im Judentum die ewige Totenruhe gilt, darf ein
angelegtes Grab nicht mehr aufgelöst oder verändert werden. Das Grab ist
für die Ewigkeit bestimmt.
Dieser Grundsatz gilt auch, wenn z.B. ein Baum einen Grabstein zu
verrücken droht. Das Grab und alles, was auf dem dazugehörigen Stück
Land wächst und gedeiht, gehört nach dem jüdischen Verständnis dem
Toten. Aus drei Gründen darf die Totenruhe gestört werden: Zum ersten,
wenn ein Toter von einem Privatgrundstück auf einen Friedhof überführt
werden soll, zum zweiten, wenn Verstorbene von privatem Grund oder drittens
- von Friedhöfen nach Israel überführt werden sollen."
Vor der Bestattung findet die Waschung und eine Feier statt, bei der die
vorgeschriebenen Gebete gesprochen werden. Anschließend wird der
Verstorbene ins Grab gelegt. In Euerbach wurden die Verstorbenen
wahrscheinlich, auf dem Rücken liegend und mit den Füßen nach Osten
gerichtet, bestattet. Der Stein befindet sich somit am Kopfende, die
Inschrift zeigt ebenfalls Richtung Osten. Es ist anzunehmen, dass der Tote
nach Osten, nach Jerusalem blickt.
Die Grabsteine (Mazzeva) wurden im Regelfall am ersten Todestag (sc.
ein Jahr nach dem Tod) aufgestellt. Üblicherweise wurden christliche Steinmetze mit dieser
Arbeit beauftragt, da den Juden die Ausübung des Handwerks verboten war.
Die hebräischen Vorlagen wurden von einem Gelehrten (z.B. Rabbi)
erstellt, da der Steinmetz meist der hebräischen Schrift und Sprache
nicht mächtig war.
Auch vor Ort findet man auf den Grabsteinen kleine Steine. Dieser Brauch
deutet auf einen Besucher des Grabes hin. Eine Interpretation von vielen
besagt, dass der Stein als Erinnerung an die Wüstenzeit Israels dient,
als man die Gräber zum Schutz vor Tieren mit Steinen bedeckte." |
Grabsteine.
Die lange Geschichte des Friedhofes zeigt sich neben der Natur
insbesondere an der Zahl und der Vielfalt der Grabsteine. Auffallend ist,
dass die Steine aus der Zeit des Mittelalters (sc. besser: bis zur 1.
Hälfte des 19. Jahrhunderts) von der Bearbeitung und
Gestaltung her ziemlich einheitlich sind. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts sind
Elemente der christlichen Kultur sichtbar. Die einheitliche Gestaltung aus
einheimischen Steinarbeiten wurde abgelöst durch Steine wie Syenit,
Granit, Marmor oder Zementguss. Ebenso kamen schwarze oder weiße
Inschriftenplatten hinzu, die das Bild der Einheitlichkeit zerstörten.
Die Euerbacher Juden gehörten zu den aschkenasischen Juden, die
ausschließlich stehende Steine aufstellten. Form und Gestaltung der
Steine und der Frontseite sind unterschiedlich; sie waren vom Geschmack
der Gemeinde und dem örtlichen Steinmetz abhängig. Die verschiedenen
Epochen haben ihre Spuren hinterlassen. Während des Mittelalters wurden
weitgehendst Grabstelen verwendet, wobei auf Schmuckelemente verzichtet
wurde. Im Laufe der Zeit wurde diese Strenge aufgelöst, für die
jeweilige Epoche typische Stilelemente kamen hinzu. Zum Ende der Belegung
hin sind kaum noch Unterschiede bei der Grabsteingestaltung zwischen
jüdischen und christlichen Friedhöfen feststellbar.
Während im Mittelalter die Inschrift des Steines ausschließlich in der
hebräischen Sprache abgefasst war, kamen im Laufe des 19. Jahrhunderts
Inschriften in deutscher Sprache dazu. Teilweise wurde die hebräische
Sprache auf dem Stein verdrängt. Auch Schriftbild und sprachlicher
Ausdruck haben sich wie die Gestaltung im laufe der Jahrhunderte
verändert.
Auffallend ist auch die Vielfalt der verwendeten Grabsymbole. Die Vielfalt
dieser Darstellungen sprengt den Rahmen dieser Infotafeln. |
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Die auf der Info-Tafel gemachten
Angaben sind nach den Recherchen von Elisabeth
Böhrer teilweise nicht korrekt - ihre Anmerkungen dazu: |
* Außer 1734 und 1835 erfolgten im
Zeitraum bis 1936 noch weitere Vergrößerungen der
Friedhofsfläche. |
** Das ehemalige Synagogengebäude und das ehemalige
Schulgebäude wurden nicht abgebrochen. Die Gebäude sind als
Wohnhaus erhalten, siehe Seite zur
Synagoge. |
*** Die Gemeinde wurde bereits im Juli 1901 aufgelöst. |
Fotos
Historische Fotos
(Quelle: die Fotos entstammen der Fotosammlung Theodor Harburger und
wurden am 19. Juli 1929 angefertigt. Die Originale der Dias sind in den Central
Archives Jerusalem; die Fotos sind veröffentlicht in: Theodor Harburger:
Die Inventarisierung s.Lit., eines auch in: Pinkas Hakehillot Bavaria hg.
von Yad Vashem Jerusalem)
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Grabstein des Schtadlan
Naphtali Abraham
von Niederwerrn, gestorben 13. Nissan 5495
(5. April
1735) |
Grabstein der Frau Rechla,
Tochter des Ascher,
gestorben 28. Cheschwan 5518
(11. November 1757) |
Neuere
Fotos
(Die Fotos in der oberen Fotozeile von Jürgen Hanke, Kronach; die
übrigen Fotos wurden von Klaus Kurre, Mainberg angefertigt und dürfen
nicht ohne Genehmigung weiter verwendet werden. Hochauflösende Aufnahmen
und weitere, hier nicht hinterlegte Bilder können per Mail
bei Klaus Kurre angefordert werden).
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Das Eingangstor |
Blick über den Friedhof |
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Informationstafeln
zum Friedhof Euerbach, die im Rahmen eines Sommercamps des
Internationalen
Jugendgemeinschaftsdienstes im Sommer 2000 von Jugendlichen aus
verschiedenen Ländern errichtet wurden. |
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Ansichten des
Friedhofes |
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Spuren der Zerstörung auf
diesem Grabstein |
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Reihe oben: Fotos von einer Seite
der evangelischen Kirchengemeinde Obbach über eine Führung zum
jüdischen Friedhof
in Euerbach am 18. Juni 2005 unter Begleitung von
Harri Winter (Euerbach) |
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Der Friedhof im Frühjahr
2007
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 9.4.2007) |
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Hinweistafel |
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Plan zur Geschichte der
Belegung des
Friedhofes auf einer der Info-Tafeln |
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Teilansichten des
Friedhofes |
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Rechts: Harri Winter, seit
Jahrzehnten
Betreuer und Kenner der Friedhofes |
Grabsteine des 20.
Jahrhunderts, rechts
für Mendel Fränkel von Obbach
(1868-1932) sowie
Gedenkinschriften
für die in der NS-Zeit ermordeten Fanny
Fränkel und
Bertha Fleischhauer |
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Rein hebräisch beschriftete
Grabsteine;
alle Verstorbenen aus Schweinfurt:
links und Mitte Ehepaar
Leopold (?),
rechts Isaak Schreiber |
Oben
links kein Grabstein,
sondern Stein mit dem Text des
Gebetes beim Eintreten in den Friedhof (rechts Textblatt mit dem auf
dem Grabstein stehenden Text aus: M.J. Beihoff: Kaddisch.
Ausgabe
Düsseldorf 1990 S. 40-41) |
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Grabsteine mit den
"segnenden Händen" der Kohanim; der linke Grabstein wie oben
(historische Aufnahme) ist der Grabstein des Schtadlan
Naphtali Abraham von
Niederwerrn, gest. 13. Nissan 5495 (5. April 1735); der rechte Stein (von 1834)
ist auch mit dem Symbol des "Hirsches" verziert. |
Grabinschrift für Moses
Hammelburger
aus Niederwerrn (1850-1906) |
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Grabstein mit
Schofar,
Beschneidungsmesser und Klammer |
Grabstein mit
Schmetterling |
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Abgeknickte Rose für eine
jung verstorbene Frau |
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Berichte zum Friedhof
November 2009:
Bericht zu einem besonderen Gedenkstein auf dem
Friedhof |
Foto
links: Als ganz besonderer Gedenkstein, den ein Sohn 1866 zur Erinnerung
an seine Eltern setzen ließ, entpuppte sich ein auffällig großer
Sandstein auf dem jüdischen Friedhof Euerbach. Die Sondheimerin Elisabeth
Böhrer beschäftigte sich mit der Geschichte des Steines.
Artikel von Silvia Eidel vom 19. November 2009 in der "Mainpost"
(Artikel):
"Euerbach. Erinnern und nicht vergessen.
Der Gang zum Friedhof gehört im Monat November dazu: Allerheiligen, Allerseelen, Volkstrauertag und der kommende Ewigkeits- oder Totensonntag erinnern die katholischen und evangelischen Christen an ihre Verstorbenen. Ein besonderes Gedenken an verstorbene Angehörige birgt auch der jüdische Friedhof in Euerbach: Einen auffällig großen Stein, den einst ein Sohn für seine Eltern dort setzen ließ.
Schon beim Hinaufgehen zum jüdischen Friedhof unterhalb des Waldes fällt der helle Stein auf: Er überragt alle anderen Grabsteine, die hier, meist schon in die Erde eingesunken, im ältesten Teil der Begräbnisstätte aus dem Jahr 1672 stehen. Dreimal so groß und breit ist er, nicht abgerundet wie die kleinen Nachbarn, sondern zugespitzt. Auf seinem Scheitel trug der Sandstein wohl noch eine Verzierung, wie ein herausragender Metallstift vermuten lässt. Eine Rosette schmückte den Stein, eingemeißelte und erhabene Säulen begrenzen das hebräische Schriftbild.
Mehrmals erweitert. Dass dies kein Grabstein ist wie die andern, erfuhr der Betreuer des jüdischen Friedhofes, Harri Winter, bereits vor vielen Jahren von einem Besucher aus Israel.
'Auf der Seite Richtung Osten sind Gebete eingemeißelt, die die Juden beim Betreten eines Friedhofes gesprochen
haben', hat Winter sich die hebräische Schrift erklären lassen. 'Gelobt seist du, Ewiger, unser Gott, König der
Welt...'. Ob deshalb an dieser Stelle einst der Eingang zum alten Friedhof war, ist ungewiss. Fest steht nur, dass die Begräbnisstätte aus dem 17. Jahrhundert mehrmals erweitert wurde. Schließlich fanden hier Juden aus Euerbach, Obbach, Geldersheim, Kützberg und Niederwerrn, zeitweise auch aus Schweinfurt, ihre letzte Ruhe.
Aus der Nachbargemeinde Niederwerrn stammte auch das Ehepaar Hohna und Erele Theilhaber, dem der auffällige Gedenkstein 1866 von seinem Sohn Nathan gewidmet wurde. Das hat Elisabeth Böhrer herausgefunden, die als Gästeführerin in Schweinfurt seit Jahren Interessierten das jüdische Leben in der Stadt und den dortigen jüdischen Friedhof näher bringt. Und die aus vielen Forschungstätigkeiten immer wieder Berührungspunkte zum jüdischen Leben in Euerbach und Obbach findet.
Elisabeth Böhrer nahm die Hilfe des Ehepaares Raaya und Ithzak Nadel beim Übersetzen der ebenfalls hebräisch geschriebenen Steinseite Richtung Westen in Anspruch. Nadel, der aus Israel stammt und im jüdischen Kurheim Eden-Park in Bad Kissingen zuständig für die Einhaltung religiöser Rituale ist, kannte Böhrer bereits von Forschungsarbeiten um den in der Rhön gebürtigen Joseph Sachs, Vater des amerikanischen Bankhausmitbesitzers Goldmann Sachs.
Dreimal war das Ehepaar Nadel mit der geschichtsinteressierten Fachfrau zum Euerbacher Judenfriedhof gekommen, hatte den von Flechten und Moosen überzogenen Sandstein gesäubert und die Inschrift nachgezogen. Aufgefallen war dabei, dass manche Worte nicht ganz korrekt geschrieben waren. Was allerdings nicht verwundert, zumal
'der Text zum Beispiel von einem Rabbi dem christlichen Steinmetz gegeben wurde. Und der konnte in der Regel ja kein hebräisch', erklärt Böhrer.
Anhand des jüdischen Standesregisters, das von den Ortsgeistlichen bis 1875 geführt werden musste und Geburts-, Ehe- und Sterbefälle beinhaltet, machte die Sondheimerin im Staatsarchiv Würzburg die Personen um diesen Gedenkstein ausfindig: Hohna Theilhaber war am 7. Dezember 1865 gestorben,
'19. Kislev 5626', wie es auf dem Gedenkstein heißt. Seine 'tugendhafte Frau
Erele', war bereits am 'heiligen Schabbat, der heilige Schabbat von Abschnitt Zav, 8. Nissan
5623', umgerechnet am 28. März 1863 gestorben.
Ihr Sohn Nathan Theilhaber, als 'Bewohner der Hauptstadt Paris' betitelt, hatte etwa drei Monate nach dem Tod des Vaters den Stein zur Erinnerung auf dem jüdischen Friedhof setzen lassen. Dort fand Elisabeth Böhrer unter Thuja-Bäumen auch das Doppelgrab des Niederwerrner Ehepaares, das aus einer alteingesessenen, gelehrten und wohltätigen Familie kam, wie die Grabinschrift verrät.
Nachkommen dieser Theilhabers waren von der Juden-Deportation während des Hitler-Reiches betroffen, weiß die Forscherin,
'aber viele von ihnen haben es auch geschafft'. Einer kam beispielsweise nach dem Krieg nach Deutschland zurück, er starb mittlerweile in Frankfurt. Und ausgerechnet mit dessen Familie hatte die Gedenkstein-Übersetzerin Raaya Nadel als Kind Kontakt, als sie selbst mit ihren Eltern von Israel nach Frankfurt übersiedelt war. Der jüdische Gedenkstein hält nicht nur für die Betroffenen Erinnerungen wach." |
Links und Literatur
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Literatur:
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