Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Friedrichroda (Kreis Gotha, Thüringen)
Jüdische Geschichte / Hotel-Synagoge

Übersicht:

bulletZur jüdischen Geschichte in Friedrichroda  
bulletBerichte aus der jüdischen Geschichte in Friedrichroda   
Aus dem jüdischen Leben vor Ort 
Anzeigen jüdischer Pensionen/Hotels 
Weitere Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen 
Anzeigen nichtjüdischer Hotels aus Friedrichroda in jüdischen Zeitschriften  
bulletFotos  
bulletErinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte   
bulletLinks und Literatur   

   

Zur jüdischen Geschichte in Friedrichroda             
    
In Friedrichroda lebten seit Mitte des 19. Jahrhunderts wenige jüdische Familien, ohne dass es zur Gründung einer jüdischen Gemeinde gekommen ist. Mit der Entwicklung Friedrichrodas zu einem viel besuchten Luftkurort wurden in der Stadt nach 1890 auch mehrere jüdische Pensionen und Kureinrichtungen betrieben.
 
Das erste, streng rituell geführte Restaurant wurde 1891 in der Marktstraße neben der bis heute erhaltenen Hof-Apotheke von J. Weil's Witwe eröffnet (aus Barchfeld, hatte zuvor ein Restaurant in Bad Liebenstein). 1893 erstellte sie in der Lindenstraße ein Hotel, in dem auch eine Synagoge eingerichtet war. Das Hotel wurde einige Jahre später (1899) von Siegfried Charig übernommen (siehe Anzeigen und Berichte unten zwischen 1891 und 1924). Spätestens ab 1907 erscheint als Adresse des Hotels von Siegfried Charig mit der "Villa Wilhelm" der Herzogsweg gegenüber dem Grand Hotel. - 1895 eröffnete L. Hermann in der "Villa Bieder" in der Tabarzerstraße ein "Israelitisches Speisehaus & Pension" (siehe Anzeige unten). Wie lange es bestand, ist nicht bekannt. - J. Rosenthal aus Kassel eröffnete 1897 ein weiteres, rituell geführtes Hotel in Friedrichroda (Anzeigen unten). Er verlegte es jedoch zwei Jahre später nach Suderode im Harz.      
   
Die in Friedrichroda lebenden jüdischen Personen gehörten zur jüdischen Gemeinde in Gotha.           
   
Nach Ende der 1920er-Jahre handelte es sich um sechs jüdische Familien/Haushaltungen mit etwa 20 Personen: 
    
Bettina Brenner geb. Pfeffer (geb. 1877 in Breslau als Tochter von Simon Pfeffer und der Rosa geb. Bielski), gehörte seit 1916 zum Vorstand des Jüdischen Frauenbundes (JFB), 1922 Erste Vorsitzende der Leipziger JFB-Gruppe, 1924 bis 1934 Vorsitzende des JFB-Gesamtverbandes, seit 1931 Inhaberin eines jüdischen Fremdenheimes in Friedrichroda im Schreibersweg 3; zum Haushalt gehörte die Mutter von Frau Brenner, Rosa geb. Bielski (1851-1939). Die beiden konnten gemeinsam mit ihrer Hausdame Helene Misch (1894) nach der Enteignung und "Arisierung" ihres Hauses in der NS-Zeit nach Chile emigrieren, wo Mutter Rosa am 28. Juli 1939 verstarb. Seit März 2017 erinnern "Stolpersteine" vor dem Haus Schreibersweg 3 an die drei Personen.  
Margarete Schubert geb. Zweig (geb. 1881 in Breslau), lebte mit ihrem (nichtjüdischen) Ehemann, einem Hotelbesitzer (Hotel Schauenburg Wilhelmstraße), seit Ende der 1920er-Jahre in Friedrichroda in der Wilhelmstraße 1. Nach Erkrankung des Ehemannes, der Einweisung in ein Pflegeheim und seinem Tod war sie gezwungen, im September 1933 das Hotel zu verkaufen. In der Kriegszeit wurde sie zur Zwangsarbeit verpflichtet und im Januar 1944 in das Ghetto Theresienstadt deportiert, das sie überlebte. Sie kehrte nach Friedrichroda zurück, wo sie jedoch an den Folgen der Haftzeit im Oktober 1946 verstorben ist. Ein "Stolperstein" erinnert an sie in der Wilhelmstraße 1. 
Dr. Leonie Cohn geb. Kawalek (geb. 1892) war bereits in den 1920er-Jahren in Friedrichroda Leiterin und Besitzerin eines Jugendkurheimes für Knaben und Mädchen (vgl. Artikel von 1928 unten). Standort war Am Gottlob 7. Nach 1933 wurde das Jugendkurheim umgewandelt in ein Sanatorium für jüdische Patienten für Diät- und Erholungskuren sowie für die Behandlung von Herz-, Gefäß-, Nerven, Stoffwechsel-, Zucker-, Galle-, Magen-, Darm- und Frauenleiden. Das Sanatorium war neben den Räumen der Erfurter Synagogengemeinde in der Friedrichstraße 13 in Erfurt die einzige Möglichkeit, wo in der NS-Zeit jüdische Patienten aus Thüringen versorgt werden konnten. Nachdem Dr. Leonie Cohn 1939 selbst schwer erkrankte, wurde ihr die notwendige medizinische Behandlung im Krankenhaus Waltershausen verweigert. Sie wohnte zuletzt in einem "Judenhaus" in Erfurt und starb am 7. Februar 1942 im Krankenhaus ebd.. Ein "Stolperstein" erinnert an sie seit Oktober 2015 vor dem Haus Finsterberger Weg 5.  
Ernst Kahn (1878) mit Frau Maria Kahn geb. Wolff (1881) und ihren drei Söhnen Werner (1918), Richard (1908) und Walter Max (1911) in der Rosenau 8. Familie Kahn war seit den 1920er-Jahren in Friedrichroda wohnhaft. Ernst Kahn starb am 17. November 1938; er hatte die Inhaftierung seines Sohnes Werner im KZ Buchenwald nicht verkraftet. 1939 konnten die verbliebenen Familienmitglieder in die Niederlande emigrieren, wo Maria Kahn verstarb. Die Söhne Werner, Walter und Richard (sowie dessen Frau Klara Kahn-Hermann, geb. 1910 und die zweijährige Tochter Ruth, geb. 1940) wurden von den Niederlanden aus über Westerbork in Mauthausen beziehungsweise in Auschwitz ermordet. "Stolpersteine" erinnern vor dem Haus Rosenau 8.  
Heinrich Brandes (1875) mit Frau Gertrud Brandes geb. Cerf (1884) und ihren Kindern Herbert (1908), Edwin (1911) und Margarete (geb. 1909) zogen 1927 oder 1928 von Berlin nach Friedrichroda, wo Heinrich Brandes seinen Ruhestand verbringen wollte. Die Familie wohnte im Haus Alexandrinenstraße 31. 1937 musste er unter Zwang sein Berliner Mietshaus verkaufen, von dessen Mieteinnahmen die Familie bislang gelebt hatte. 1938 zogen die Kinder Margarete und Edwin zurück nach Berlin. Das Haus der Familie Brandes wurde in Friedrichsroda zum "Judenhaus" ernannt. Heinrich Brandes wurde im September zusammen mit seiner Frau in das Ghetto Theresienstadt deportiert, wo er im März 1943 umgekommen ist. Seine Frau Gertrud wurde 1944 weiter nach Auschwitz deportiert und ermordet. Sohn Edwin war zunächst untergetaucht, doch Anfang 1944 nach Auschwitz verschleppt und ermordet. Herbert Brandes, der bereits 1933 verhaftet und ins KZ Sachsenhausen verbracht worden war, überlebte Arbeitslager und die NS-Zeit. Er starb 1964 in Friedrichroda.
Quelle: https://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/ueber-den-bezirk/geschichte/stolpersteine/artikel.295836.php (Informationen zum "'Stolperstein" für Margarete Brandes in der Bleibtreustraße 17 in Berlin).  https://www.geni.com/people/Heinrich-Brandes/6000000045666541886
Emmy Levy (1874), Hauswirtschafterin bei Familie Brandes im Haus Alexandrinenstraße 31 (vgl. unten die Anzeige der Familie Brandes von 1938).
     
     
In den Jahren nach 1933 ist ein Teil der jüdischen Einwohner auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts, der zunehmenden Entrechtung und der Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. Beim Novemberpogrom 1938 wurde das Fremdenheim von Bettina Brenner von Nationalsozialisten überfallen. Im Zusammenhang mit dem Pogrom wurden Ernst und Werner Kahn verhaftet und in das KZ Buchenwald verschleppt. Vater Ernst Kahn wurde zwar freigelassen, doch starb er bereits am 17. November 1938. 1939 konnte Frau Brenner mit ihrer Mutter und ihrer Hausdame Helen Misch nach Chile emigrieren. Frau Dr. Cohn zog 1939 - inzwischen schwer erkrankt - in ein "Judenhaus" nach Erfurt, nachdem das Krankenhaus in Waltershausen ihre Behandlung verweigert hatte. Sie starb am 7. Februar 1942 im Alter von 50 Jahren im Krankenhaus Erfurt. 1942 wurden aus dem zum "Judenhaus" bestimmten Haus der Familie Brandes Alexandrinenstraße 31 das Ehepaar Heinrich und Gertrud Brandes sowie Emmy Levy in das KZ Theresienstadt deportiert. Sie sind - wie auch die Kinder Edwin und Margarete - ermordet worden. Nur der Sohn Herbert Brandes (geb. 1908) überlebte die Lagerzeit.      
  
Von den in Friedrichroda geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Edwin Brandes (1912), Gertrud Brandes geb. Cerf (1884), Heinrich Brandes (1875), Margarete Brandes (1909), Rosa Callmann (1894), Fanny Charig geb. Weil (1868), Siegfried Charig (1862), Rita Fichtmann geb. Gottfeld (1909), Werner Wolf Gottfeld (1905), Richard Kahn (1908), Walter Max Kahn (1911), Werner Kahn (1918), Günther Max Lamm (1922), Emmy (Emilie) Levy (1874).  
   
Im Stadtpark erinnert seit 1949 ein Mahnmal an die "Opfer des Faschismus".
Zu den "Stolpersteinen" vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_im_Landkreis_und_in_der_Stadt_Gotha      
   
   
   
Berichte aus der jüdischen Geschichte in Friedrichroda      
    
Aus dem jüdischen Leben vor Ort    
 
Mitteilungen zur Stimmung gegenüber Juden in Friedrichroda (Berichte von 1885 und 1925)  
Vgl. unten die Mitteilungen zu den Hotels am Ort, in denen jüdische Gäste unerwünscht waren. 1885 wurde offenbar von außen eine antisemitische Stimmung in Friedrichroda zu schüren versucht. Die "Restaurant-Hotel-Revue. Kosmopolitische Wochenschrift für Gäste, Wirte, Hotel und Restaurantpersonal. Offizielles Organ des deutschen Kellner-Bundes" erschien 1885 im 8. Jahrgang in Leipzig.

Artikel in der Zeitschrift "Jeschurun" vom 12. November 1885: "Aus Thüringen, 10. November. Antisemitismus und kein Ende! Selbst die auf kosmopolitische Anschaffungen hingewiesenen Hoteliers gehen unter die Antisemiten. Da schreibt die in Leipzig erscheinende 'Restaurant-Hotel-Revue' in ihrer Nr. 41 über das liebliche Bad Friedrichroda also: 'Die letzte Saison wird als allgemein ungünstig bezeichnet. Man klagt über Verjudung des Platzes und kasernenartige Neubauten. In Gastwirtskreisen plant man einen Aufschlag von 25 Prozent für Juden - allerdings ein drastisches Mittel, durch das man diese unliebsamen Gäste abzuhalten hofft - .' Übrigens teilen die Friedrichsrodaer keineswegs diese judenfeindliche Gesinnung, das dortige Bade-Komitee und die sämtlichen Gastgeber daselbst sehen sich vielmehr veranlasst, öffentlich energisch gegen diese Mitteilungen der 'Revue' zu protestieren. Es heißt in dieser Abwehr unter anderem: 'Erlogen ist zunächst, 'dass eine Verjudung des Platzes zu beklagen sei'. Die Kurgäste überhaupt nach der Religion klassifizieren und nur je nach Verhältnis des Bekenntnisses zulassen zu wollen, fällt Niemandem in Friedrichroda, ebenso wenig in größeren Badeorten ein. Jeder, der sich anständig beträgt und die üblichen Beiträge zahlt - mag er Heide, Israelit, Christ, Mohammedaner oder ein Andersgläubiger sein - ist dem Komitee und unzweifelhaft der Gesamtbevölkerung von Friedrichroda auch fernerhin willkommen!"   
 
Mitteilung in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des "Central-Vereins") vom 8. Mai 1925: "Friedrichroda im Thüringer Wald. Wie fast überall hat sich auch hier die antisemitische Stimmung gelegt, so dass der Besuch dieses herrlichen Badeortes wieder zu empfehlen ist. Durch die mannigfachen geplanten Veranstaltungen wird sich auch der verwöhnteste Gast wohlfühlen können. Der Inhaber des Kurhauses, das von jeher der Treffpunkt für alle Gäste ist, bittet uns um Veröffentlichung dieser Mitteilung."      

   
Tod des jüdischen Kurgastes Dr. Paul Gronau (1901) und des Rechtsanwaltes Georg Poppelauer (1905)  
Zu Dr. Paul Gronau liegen keine weiteren Informationen vor.  
Bei Georg Poppelauer handelt es sich um diese Person (geb. 1858 als Sohn von Philipp Poppelauer und seiner Frau Johanna, gest. 9. August 1905 in Friedrichroda): https://www.geni.com/people/Georg-Poppelauer/6000000082505524882   

Mitteilung in "Der Gemeindebote" vom 26. Juli 1901: "Während seines Badeaufenthalts in Friedrichroda ist Rechtsanwalt Dr. Paul Gronau nach kurzem Leiden gestorben."       
 
Mitteilung in "Der Gemeindebote" vom 18. August 1905: "Am 9. dieses Monats ist in Friedrichroda der hiesige Rechtsanwalt Georg Poppelauer im 48. Lebensjahre gestorben. Derselbe war früher in Breslau und Gleiwitz tätig."  

       
Zum Tod von Maximilian Horwitz - noch 1917 Kurgast in Friedrichroda (1917)   
Dr. Maximilian Horwitz (geb. 26. November 1855 in Berlin, gest. 13. Oktober 1917 in Berlin) war Rechtsanwalt in Berlin und von 1894 bis zu seinem Tod 1917 Vorsitzender des C.V. ("Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens", der 1893 als Abwehrverein gegen den Antisemitismus gegründet wurde). Noch im Sommer vor seinem Tod 1917 war er Kurgast in Friedrichroda.    
Links: https://centralverein.net/geschichte-des-c-v/vorsitzende-und-syndizi/   
Hinweis: der Bericht trägt nur wenig aus zur jüdischen Geschichte in Friedrichrode. Er weist jedoch - ähnlich wie die obigen Mitteilungen zu Tod der Rechtsanwälte Dr. Gronau und Georg Poppelauer darauf hin, dass "besser situierte" jüdischen Personen in Friedrichsroda Kuraufenthalte machten.  

    Artikel in den "KC-Blättern" 1917: "Maximilian Horwitz - ein deutscher Jude.
darin ist zu lesen: "Er erhoffte von seinem diesjährigen Sommeraufenthalt in Friedrichroda Erholung, um weiterarbeiten zu können. Sie war ihm nicht beschieden. Nach dem jähen Tode der Tochter kam der Heldentod des einziges Sohnes, um die in ihm ruhenden Keime der Vernichtung zu wecken und zu seinem jähen Ende zu führen..." 
Bei Interesse: zum weiteren Lesen bitte Textabbildungen anklicken.
  

   
Vortragsabend des "Centralvereins" in Friedrichroda (1922)      
Anmerkung: zu den Aktivitäten und Zielen des "Central-Vereins" siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Central-Verein_deutscher_Staatsbürger_jüdischen_Glaubens   

Artikel in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des "Central-Vereins") vom 24. August 1922: "Bäderversammlungen. In den letzten beiden Monaten fanden in einer großen Anzahl von Badeorten Versammlungen der Kurgäste und Ortsansässigen statt. So sprachen in Friedrichroda und Oberhof Dr. Ismar Freund, in Harzburg, Stolberg, Polzin, Swinemünde Rabbiner Dr. Solomonski, in Norderney Dr. Ludwig Holländer, in Kissingen Dr. Alfred Wiener. Die Versammlungen, die durchweg gut besucht waren, sollten unsere Freunde über die Lage aufklären und dem C.V. neue Freunde gewinnen. Beide Aufgaben sind erfüllt worden. In einigen Versammlungen wurden in Erkenntnis der ernsten Lage und der Wichtigkeit unserer Arbeit auf Wunsch der Anwesenden Sammlungen vorgenommen."   

      
Über koschere und nichtkoschere jüdische Hotels (Artikel von 1934)    
Anmerkung: der Artikel wurde in der orthodox-konservativen Zeitung "Der Israelit" veröffentlicht. Für konservative Juden war es selbstverständlich, dass jüdische Erholungssuchende nur in koscher geführten, jüdischen Hotels Urlaub machen sollten. Liberal eingestellte Juden und damit auch die liberale jüdische Presse hatten damit keine so großen Probleme. Bis zu Beginn der NS-Zeit gab es auch jüdische Familien, die "unauffällig" in nichtjüdischen Hotels Urlaub machen und sich nicht von vornherein als Juden zeigen wollten. In diesem Kontakt erschien der Artikel und kritisierte, dass eine jüdische Zeitung auch nichtjüdische Hotels einlud, in ihrer Zeitung zu inserieren. Wenig später war dies in der NS-Zeit sowieso nicht mehr möglich.
Zum Begriff "neukoscher": nachdem in der NS-Zeit das rituelle schlachten (Schächten) verboten wurde, verwendeten viele jüdische Familien und jüdische Restaurants nichtkoscher geschlachtetes Fleisch aus "normalen" Metzgereien, vermieden dabei jedoch gewöhnlich Schweinefleisch und andere vom jüdischen Gesetz verbotene Fleischsorten.        

Artikel in "Der Israelit" vom 8. November 1934: "Koscher, Neukoscher und Inseratenfang.
Eine viel verbreitete jüdische Zeitung in Deutschland unterhält eine Auskunftei für jüdische Erholungsbedürftige, um diese zu beraten, wo sie ohne Störung und Zurücksetzung ihre Erholungswochen verbringen können. Sie stuft ihre Empfehlungen, nach ihrem eigenen Eingeständnis in einem uns vorliegenden Briefe der Zeitung an einen angesehenen jüdischen Hotelier in Thüringen, wie folgt ab:
Sie empfiehlt a) rituelle Hotels, die im Speisehausverzeichnis (gemeint: das Hamburger Vereins zur Förderung ritueller Speisehäuser) oder in den Anzeigen ihres Blattes vertreten sind, b) 'neukoschere' Hotelhäuser die ihr durch anzeigen in ihrem Platte bekannt sind, c) nicht-jüdische Hotels und Pensionen, die durch Anzeigen in der jüdischen Presse (also in ihrem Blatte) dokumentiert haben, dass ihnen an jüdischen Besuche gelegen ist; mit einem Worte: durch Insertion in dem Blatte, das diese Auskunftei unterhält, 'gekaschert' (sc. koscher gemacht) sind.
Neben dieser famosen Auskunft der Auskunftei über die Art ihrer Auskunfterteilung liegen uns noch ein paar Dokumente vor, die noch ungleich mehr besagen:
Auf einem bekannten Kurplatz erhielt die Inhaberin einer nicht-jüdischen Pension eine Karte von der Redaktion besagter Zeitung, in der ihr mitgeteilt wird, dass ihr Haus von einem jüdischen Kurgaste empfohlen wurde. Die gedruckte Karte zeugt für den Massenabsatz solcher Avise, die zu Dankbarkeit - und Insertion verpflichten sollen. In diesem Falle biss aber die Dame nicht an, sondern brachte die Anzeige - in der ehrlichen Absicht, eine aus dem Rahmen gefallene Angelegenheit wieder einzurenken - dem Wirte des am Platze befindlichen jüdischen Hotels. Er schrieb an den Gast, der Gast kam mit seiner Frau und sprach sich über den Aufenthalt höchst zufrieden aus, wunderte sich nur, dass die betreffende Zeitung ihm nicht von vornherein das jüdische Haus empfohlen hatte. Wir wundern uns nicht!
Ein kleines Verzeichnis dieser famosen Auskunftei empfiehlt uns in Oberhof neben dem bekannten 'Hotel Blum' noch drei andere Häuser, die in nichtjüdischem Besitze sind und unrituell geführt werden; in Friedrichroda zwei Pensionen, die 'neukoscher' und ein nichtjüdisches Hotel, dass volltrefa (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Treif)  geführt wird. Auf Vereinfachung und Übersichtlichkeit der Auskünfte wird gesehen: was mit einem Sternchen versehen ist, ist rituell, zwei Sternchen bedeuten 'neukoscher'; wo gar kein Sternlein leuchtet, handelt es sich um ein nichtjüdisches Haus, dessen einziger Koscherzettel das Inserat in einer jüdischen Zeitung, präziser: in dem Blatt, dass solchermaßen Auskunft erteilt, ist.
Ein Kuriosum? Aber damit ist das Ungeheuerliche dieses 'Dienstes am Publikum' nicht gezeichnet. Das gleiche Blatt spricht im Leitartikel seiner letzten Nummer von der gesteigerten Verantwortung der jüdischen Presse, die mit ihren großen Zwecken gewachsen sei. Wo bleibt die Verantwortung, wenn man es mit seinem Gewissen zu vereinbaren glaubt, ahnungslose Fragesteller vom gutjüdischen Hotel und der Not seines Besitzers weg in die unseligen Neukoscher-Stätten zu verweisen, oder - was das Gleiche ist - in nichtjüdische Betriebe, wo sie bestenfalls vom Wirte, keineswegs auch von den Gästen gern gesehen werden?"  

   
   
Anzeigen jüdischer Pensionen/Hotels   
  
Anzeigen des Restaurants / Pension / Hotel von J. Weil Witwe, ab 1899 Siegfried Charig (Anzeigen zwischen 1891 und 1924)
 
J. Weil (aus Barchfeld) betrieb mindestens seit 1881, nach seinem um 1883 seine Witwe betrieben zunächst ein streng koscheres Restaurant in Bad Liebenstein. Witwe Weil erlegte dieses 1891 nach Friedrichroda. Zunächst betrieb sie unter dem Namen "Villa Merkur" eine Pension in der Marktstraße neben der Hofapotheke. 1893 erfolgte ein Hotelneubau in der Lindenstraße. 1899 übernahm ihr Schwiegersohn Siegfried Charig das "Hotel und Pension Lindenhof".
Das Restaurant und das Hotel wurden streng koscher geführt und standen unter rabbinischer Aufsicht. Ein Betsaal im Haus (Synagoge) war vorhanden.
1910 eröffnete Siegfried Charig am Herzogsweg die "Villa Wilhelm".
Siegfried Charig ist am 23. September 1862 in Cottbus geboren. Er war verheiratet mit Fanny geb. Weil aus Barchfeld. Nach seiner Zeit in Friedrichroda verzogen Siegfried und Fanny Charig nach Erfurt. Im Zusammenhang mit dem Novemberpogrom 1938 wurde Siegfried Charig in das KZ Buchenwald verschleppt, wo er am 13. Dezember 1938 gestorben ist. Seine Frau Fanny (geb. 1868 in Barchfeld) wurde im September 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert, wo sie am 17. Oktober 1942 umgekommen ist. https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1004748 
Zu Siegfried Charig: https://www.geni.com/people/Siegfried-Charig/6000000045667236233?through=6000000045667616821       

Barchfeld Israelit 11051891.jpg (29427 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. Mai 1891: "Bad Liebenstein. Eröffnung meines streng koscheren Restaurants, den 15. Juni dieses Jahres. J. Weil's Witwe, Barchfeld a.d. Werra."
 
Barchfeld Israelit 28051891.jpg (40259 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. Mai 1891: "Bad Friedrichroda (Thüringen). Mein streng koscheres Restaurant befindet sich nicht mehr in Bad Liebenstein, sondern in Bad Friedrichroda, Villa Merkur, Marktstraße neben der Hofapotheke, Eröffnung 15. Juni dieses Jahres. J. Weil's Witwe, Barchfeld a.d. Werra." 
 
Anzeige in "Der Israelit" vom 4. April 1892: "Friedrichroda in Thüringen.
Villa Merkur. Eröffnung meines streng koscher-Restaurant Mitte Juni. Witwe Weil.
Jede nähere Auskunft erteilt Rosenthals Restaurant, Erfurt, Futterstraße 7. " 
 
Anzeige in "Der Israelit" vom 27. März 1893: "Friedrichroda in Thüringen.
Koscher Eröffnung Koscher
des neuerbauten Hotels Ende Mai dieses Jahres. Großartiger Speisesaal, Veranden, Synagoge, Badeanstalt im Hause. Prächtige Aussicht. Referenzen erster Autoritäten. Auskunft erteilt Restaurateur Rosenthal, Erfurt. J. Weil's Witwe. "
       
Anzeige in "Der Israelit" vom 12. Mai 1899: "Bad Friedrichroda
koscher in Thüringen koscher
Hotel und Pension Lindenhof,
Lindenstraße, 5 Minuten vom Bahnhof. Streng rituell unter Aufsicht, komfortabel eingerichtet.
Siegfried Charig,
früher Witwe Weil. "   

Links: historische Ansichtskarte der "Gaststätte Lindenhof" in der Lindenstraße in Friedrichroda.
     
  
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. März 1901: 
"Hochzeiten, streng rituell, werden in sachgemäßer Weise ausgeführt. Allerbeste Referenzen. 
S. Charig, vorm. J. Weil Witwe, Friedrichroda
in Thüringen".      
  
Anzeige in "Der Israelit" vom 14. Mai 1903: "Streng koscher Bad Friedrichroda in Thüringen streng koscher
Restaurant und Pension Merkur: Besitzer S. Charig.
Anerkannt vorzügliche Küche. Schattiger Garten.
Referenz: Verein zur Förderung ritueller Speisehäuser in Hamburg. "   
    
Anzeige in :"Der Israelit" vom 10. März 1904: "Kochlernende
findet zur Sommersaison in meinem streng koscher-Restaurant gewissenhafte Ausbildung.
S. Charig,
Bad Friedrichroda (Thüringen). "     
 
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. April 1904: "Schaumer und Schochet 
von streng orthodoxen Rabbinern empfohlen, suche ich für die Sommersaison unter günstigen Bedingungen. Gefällige Offerten an 
S. Charig, Bad Friedrichroda in Thüringen".          
 
Anzeige in "Der Israelit" vom 2. Mai 1907: "Bad Friedrichroda in Thüringen.
Hotel und Pension Siegfried Charig; am Herzogsweg.
Bevorzugte, vornehmste ruhige Lage, direkt am Wald.

Anerkannte vorzügliche Küche. Schattiger Garten; Wasserspülung."    
 
Anzeige in "Die Welt" vom 24. Juni 1910: "Bad Friedrichroda in Thüringen.
 Streng koscher - neu eröffnet
Hotel und Pension ersten Ranges 'Villa Wilhelm' Inhaber: S. Charig, Herzogsweg gegenüber dem Grand Hotel. Ausgesucht herrlichste, vornehmste Lage direkt am Walde.
Anerkannt vorzügliche Küche, für Diabetiker besonders. Elektrisches Licht; Bäder im Hause; Wasserspülung. Großer parkartiger Garten mit Lawn-Tennisplatz am herzoglichen Park."   
 
Anzeige in "Die Welt" vom 17. Juni 1910: "In Bad Friedrichroda in Thüringen, bekannt durch seine prächtigen Nadelwälder mit ihrem stärkenden Tannenduft, ist das seit vielen Jahren bekannte, unter Aufsicht stehende Hotel und Pensionshaus S. Charig in der Villa Wilhelm am Herzogsweg, direkt am Wald und in ausgesucht schönster und vornehmster Lage, angrenzend an den herzoglichen Park, neu eröffnet worden. das Haus ist neuzeitlich eingerichtet, besitzt parkartigen Garten mit Tennisplatz; aus diesem Grunde und nicht zuletzt durch seine anerkannt vorzügliche Verpflegung wird es sich zweifelsohne weitere Anhänger erwerben."  
 
Anzeige in "Der Gemeindebote" vom 5. Juni 1914:
"Bad Friedrichroda in Thüringen
streng koscher
Pensionshaus I. Ranges. Bevorzugte Waldlage mit Garten Menagen.
Moderner Komfort Tel. 162. S. Charig."     
 
Anzeige in der "Jüdischen Volkszeitung" vom 7. Juli 1916:
"Koscher Friedrichroda in Thüringen Koscher
Pensionshaus 'Villa Clara'' S. Charig
.
Bekannt erstklassiges Haus in vornehmster Kurlage unter Aufsicht des Hamburger Vereins. Tel. 162."  
 
Anzeige in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des "Central-Vereins") vom 10. Juli 1924:
"Bad Friedrichroda in Thüringen. Pension S. Charig
Tel. 36.
Streng koscher unter Aufsicht eines orthodoxen Schochet und Schomer."  

     
Über das Israelitische Speisehaus & Pension K. Herrmann (Villa Bieder, 1895)        

Anzeige in "Der Israelit" vom 20. Mai 1895: "Bad Friedrichroda.
Israelitisches Speisehaus & Pension.

Eröffnung am 2. Juni, streng rituell, Aufschnitt und alle Sorten Wurstwaren eigener Fabrikate. L. Hermann, 'Villa Bieder' Tabarzerstraße."    

   
Über das Hotel Rosenthal (1897 / 1899)    

Anzeige in "Der Israelit" vom 10. Mai 1897: "Friedrichroda.
Eröffnung meines Hotels koscher 25. Mai.

J. Rosenthal, Kassel, Luther Straße 9. "    
 
Anzeige in "Der Israelit" vom 4. August 1898: "Hotel Rosenthal.
Friedrichroda in Thüringen.
Haus I. Ranges. Pension von 6 Mark an.
"    
 
Anzeige in "Der Israelit" vom 29. Dezember 1898: "Koscher Pension Rosenthal Koscher 
früher in Kassel, befindet sich jetzt in Hannover, Goethestraße 45.
Hochachtungsvoll  J. Rosenthal, Besitzer des Hotel Rosenthal in Bad Friedrichroda."   
 
Anzeige in "Der Israelit" vom 1. Mai 1899: "Suderode im Harz.
Rosenthal's Pensionshaus
koscher
von diesem Jahre ab koscher
bin ich nicht mehr in Friedrichroda, sondern nur in Suderode.
koscher Eröffnung Ende Mai dieses Jahres koscher. "

   
Über das Jugendkurheim, später die Privatkrankenanstalt der Ärztin Dr. Leonie Cohn geb. Kawalek (1928 / 1938)    

Artikel im "Mitteilungsblatt des Landesverbandes der israelitischen Religionsgemeinden in Hessen" vom Juni 1928: "Das Jugendkurheim in Bad Friedrichroda (410-700 m Höhenlage, rituell geführt, ganzjährig geöffnet) dient erholungsbedürftigen Schwächlingen und Rekonvaleszenten als angenehmer Aufenthalt und verfolgt den Zweck, die das Heim Aufsuchenden gekräftigt und vollständig erholt ihren Angehörigen wieder zuzuführen. - Zur Aufnahme gelangen Knaben im Alter von 10-14 Jahren, Mädchen von zehn Jahren im Alter nach oben unbeschränkt. Ausgeschlossen von der Aufnahme sind mit ansteckenden Krankheiten Behaftete. - Unter fachkundiger Leitung kann folgender Sport ausgeübt werden: Reiten, Schwimmen, Rudern, Tennis. Für Wintersport kommen in Betracht: Bobfahren, Rodeln, Ski. - Zur Unterhaltung: täglich Konzerte der Kurkapelle, Freilichtbühne, Kino und so weiter. Auf Wunsch der Eltern ist den Schützlingen Gelegenheit geboten, Privatunterricht von geschulten Kräften zu erhalten. - Das aus 18 großen Zimmern, 6 verglasten und 3 offenen Veranden bestehende Haus liegt am Waldesrand, in sonniger, ruhiger Lage, vollständig stabfrei, kein Autoverkehr und durch nur 3 Minuten von der Hauptstraße entfernt. Außer einem Vorgarten ist eine große sonnige Liegewiese 1 Minute vom Hause. Die Einrichtung des Heimes ist einheitlich, weiße Betten, fließendes Wasser, modern eingerichteter Baderaum, sämtliche medizinischen Bäder, natürliche Eisenmoorbäder, natürliche Jodsolbäder im Hause, allen hygienischen Anforderungen entsprechend. W.C., elektrisches Licht, Gas, Telefon. Das Heim steht unter meiner ständigen ärztlichen Leitung, mein Wohnsitz ist eben das selbst. Referenzen auf Wunsch!
Leiterin und Besitzerin Dr. med. Kawalek-Cohn, praktische Ärztin, Bad Friedrichroda (Thüringer Wald)."      
  
Das Kinderheim von Frau Dr. Kawalek in der Liste der Heime der Kinder-Erholungsfürsorge des Schwesternverbandes der U.O.B.B.-Loge:
vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/B'nai-B'rith-Schwesternverbände   und https://de.wikipedia.org/wiki/B'nai_B'rith       

Artikel in der "Monatsschrift der Berliner Logen UOBB" vom Juli 1928: "Kinder-Erholungsfürsorge des Schwesternverbandes der U.O.B.B.-Logen.
Die Erholungsfürsorge für unsere Logenkinder hat eingesetzt. In der Vor- und Nachsaison sind die Preise bedeutend ermäßigt. Sämtliche Meldungen sind schriftlich an die Vorsitzende der Schwesternvereinigung, an den Präsidenten der Loge oder an Schwester Else Schwabe, Charlottenburg, Mommsenstraße 52 zu richten....  Else Schwabe, Vorsitzende.
An folgenden Orten stehen uns Heime zur Verfügung: 
...
Friedrichroda/Thüringen: Kinderheim Frau Dr. med. Kawalek, auch für größere Kinder geeignet, ganzjährig geöffnet..." 
 
Anzeige in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des "Central-Vereins") vom 20. Mai 1937: "Friedrichroda (Thüringen).
Privatkrankenanstalt Dr. med. Leonie-Cohn geborene Kakalek, Ärztin
. Fernruf 234.
Kuranstalt für Herz-, Gefäße-, Nerven-, Stoffwechsel-, Galle-, Magen-, Darm- und Frauenleiden. Alle Diät und Erholungskuren."  
 
Anzeige in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des "Central-Vereins" vom 26. Mai 1938: "Friedrichroda (Thüringen)
Dr. med. Leonie Cohn geborene Kawalek. Ärztin.
Friedrichroda/Thüringen.
Fernsprecher 234 konzessioniertes ärztlich geleitetes modern eingerichtetes Haus für: Herz - Gefäß - Nerven - Stoffwechsel - Zucker - Galle - Magen - Darm - Frauenleiden. Alle Diät- und Erholungskuren. Zentralheizung. Fließend warmes und kaltes Wasser." 
 
Anzeige in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des "Central-Vereins") vom 3. November 1938: "Friedrichroda/Thüringen.
Sanatorium Dr. med. Cohn geb. Kawalek

Friedrichroda/Thüringen. Fernsprecher 234.
Modern eingerichtetes Haus für Herz-, Gefäß-, Nerven-, Stoffwechsel-, Zucker-, Galle-, Magen-, Darm-, Frauenleiden. Alle Diät- und Erholungskuren. Zentralheizung, fließend warmes und kaltes Wasser. Zur Behandlung jüdischer Patienten zugelassen."   

   
Konditormeister Heß (Friedrichroda) eröffnet in Kassel eine Konditorei mit Café (1929)      

Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und Waldeck" vom 10. Mai 1929: "Ein neues Café. Der vielen Kasselanern aus seiner Tätigkeit in Friedrichroda rühmlich bekannte Konditormeister Heß hat in der Hohenzollernstraße, Ecke Kronprinzenstraße, eine moderne großstädtische Konditorei nebst Café eröffnet. Das Lokal wurde von dem Architekten Schmidtmann geschmackvoll umgebaut. Der von der Spezialfirma Christ und Cwark in Gotha entworfene und ausgeführte Innenraum wird von großen Fenstern in helles Licht getaucht und zeigt in der hellen Untertäfelung mit einheimischen und fremden Hölzern und dem blassen Zinober der Wandbekleidung ruhige, vornehme Linien. Modernste Möbel und geschmackvolle Kronleuchter geben dem Café eine aparte Note."         

   
Über das Fremdenheim von Bettina Brenner (1932-1933)       
Links: https://www.leipzig.de/jugend-familie-und-soziales/frauen/1000-jahre-leipzig-100-frauenportraets/detailseite-frauenportraets/projekt/brenner-bettina/  
Jüdischer Frauenbund: https://de.wikipedia.org/wiki/Jüdischer_Frauenbund     Bertha Pappenheim: https://de.wikipedia.org/wiki/Bertha_Pappenheim   
Bettina Brenner geb. Pfeffer ist 1877 in Breslau geboren und 1948 in Vina del Mar in Chile gestorben. Sie war in der Nachfolge von Bertha Pappenheim von 1924 bis 1934 Vorstandsvorsitzende des Jüdischen Frauenbundes Deutschlands sowie Vorstandsmitglied des Bundes Deutscher Frauen. 1929 wählte sie der Weltkongress jüdischer Frauen zu einer der Vizepräsidentinnen und zum Exekutivmitglied des von ihr mitinitiierten Weltbundes jüdischer Frauen.
Seit 1931 betrieb Bettina Brenner eine jüdische Pension in Friedrichroda, die dem Novemberpogrom 1938 demoliert wurde. Nach der Enteignung und "Arisierung" ihres Hauses emigrierte Bettina Brenner und ihre Mutter 1939 nach Santiago de Chile, wo auch einige ihrer Geschwister Zuflucht fanden.
Vgl. Peter Reinicke: Jüdische Wohlfahrt im Spiegel von Biographien. Frankfurt am Main. Fachhochschulverlag. 2006 S. 114-123.  

Anzeige in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des "Central-Vereins") vom 1. Juli 1932: "Frau Bettina Brenner hat in Friedrichroda in Thüringen eine Diätpension eröffnet, in der die Gäste jegliche Art Verpflegung, vegetarisch usw. erhalten können, so dass auch rituell lebende Leute hier gut untergebracht sind. Jüdische Gäste sind in Friedrichroda gern gesehen und finden hier freundliche Aufnahme."
 
Mitteilung in "Blätter des Jüdischen Frauenbundes" vom Mai 1933: "Adressen des engeren Vorstandes (sc. des Jüdischen Frauenbundes):
Frau Bettina Brenner, Friedrichroda in Thüringen. Schreibersweg 3, 1. Vorsitzende."     
 
Anzeige in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des "Central-Vereins") vom 14. September 1933 : "Haus Brenner
Friedrichroda in Thüringen Fernruf 358
bietet, in ruhiger geschützter Lage am Walde, für Spätsommer und Herbst (durchgehend geöffnet) angenehmsten Aufenthalt. Jeder Komfort. Zentralheizung. Behaglich Gesellschaftsräume. Für Dauermieter günstige Bedingungen.
Auskunft durch Bettina Brenner. " 

  
Weitere Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen         
Anzeige des jüdischen Geschäftes (Putzartikel) von L. Neumann (1899)   

Anzeige in "Der Israelit" vom 3. Juli 1899: "Perfekte Putzmacherin
sucht per August Stellung in orthodoxen, jüdischen Geschäfte. Offerten an
L. Neumann, Friedrichroda, Thüringen."     

   
Ernst Kahn verkauft eine Pensionsvilla (1928)    

Anzeige in "Der Israelit" vom 11. Oktober 1928: "Friedrichroda (Thüringen).
In der besten vornehmsten Lage, nahe am Wald und Kurhaus, herrliche, elegante
Pensionsvilla
mit 21 Zimmern, Speisesaal, vielen Nebenräumen, aller Komfort, Zentralheizung, großer Garten, gutes komplettes Inventar
bald zu verkaufen

Anzahlung Reichsmark 25.000.
Prima Existenz, da rituelle Pension fehlt. Näheres durch Ernst Kahn, Friedrichroda."     

 
Anzeigen der Familie Brandes (1937 / 1938)      

Anzeige in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des "Central-Vereins" vom 25. März 1937:
"Biete Ehepaar, Herrn oder Dame 
Ersatz für Eigenheim
 
Nicht rituell. - Solider Preis.
Brandes, Friedrichroda." 
 
Anzeige in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des "Central-Vereins") vom 20. Oktober 1938: "Hausgehilfe (in)
jüdisch, für 2-Personen-Haushalt zum 1. November gesucht.
Bildangebote an Brandes, Friedrichroda/Thüringen."     

          
          
Über judenunfreundlich eingestellte Pensionen in Friedrichroda    
Anmerkung: es handelte sich im Wesentlichen um die seit 1922 mehrfach genannte Villa Charlotte in der Alexanderstraße 22 (gemeint Alexandrinenstraße 22), deren Besitzerin "auf deutschnationalem Boden" steht sowie um das seit 1928 genannte "Haus Allendorf", die sich "deutschvölkische Pension" nannte. Bei den 'christlichen Häusern" muss von einer "judenfeindlichen" Einstellung nicht von vornherein ausgegangen werden. In solchen Häusern gab es allerdings gewöhnlich christliche Gebräuche, die auch jüdischerseits nicht willkommen waren (z.B. christliche Morgen- und Abendandachten, Tischgebete, christliche Symbolik wie Kreuze, Bibeln in den Räumen und Zimmern des Hauses usw.).  

Mitteilung in der Zeitschrift "Im deutschen Reich" von Januar 1922: "Zum Wintersport.
Auf zahlreich geäußerte Wünsche bringen wir nachstehend für die Zeit des Wintersports eine Liste antisemitische Hotels und Pensionen an Wintersportplätzen, denen jüdischer Besuch unerwünscht ist...
Friedrichroda, Villa Charlotte, Alexanderstraße 22."  
 
Mitteilung in der Zeitschrift "Im deutschen Reich" vom März 1922: " Es wird uns mitgeteilt, dass dem Hotel Gerth in Friedrichroda jeder anständige Gast, ob Christ oder Jude, willkommen ist. Das Gerücht, dass jüdische Gäste dort unerwünscht sind, beruht auf einer Verwechslung mit einem anderen Hotel. "   
 
Artikel in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des "Central-Vereins" vom 11. Mai 1922: "Hotels und Pensionen, die judenfeindlich sind oder denen als ausgesprochen 'christlichen Häusern' jüdischer Besuch nicht willkommen ist. ...
Friedrichroda
(Villa Charlotte, Alexanderstraße 22; Hotel Lange, Besitzer O. Lück). "        
  
Mitteilung in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des "Central-Vereins") vom 10. Juli 1925: Berichtigung. Die Besitzer der folgenden Hotels legen Wert auf die Feststellung, dass sie zu Unrecht in unserem in der Nr. 24 der 'C.V. Zeitung' veröffentlichen Verzeichnis der judenfeindlichen Erholungsorte, Hotels und Pensionen aufgenommen worden sind, da sie nicht judenfeindlich gesinnt seien, sondern augenblicklich wie alle Jahre, jüdische Gäste beherbergen: ... 
Ferner sind aufgrund neuer Ermittlungen von unserer Liste judenfeindlicher Erholungsorte, Hotels und Pensionen die folgenden Hotels in Friedrichroda zu streichen: Hotel Lange, Hotel Viktoria, Hotel Herzog Alfred, Besitzer Lück. "  
  
Mitteilung in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des "Central-Vereins") vom 8. April 1927 in der Liste der Hotels und Pensionen, in denen Juden nicht erwünscht sind: ... ""Friedrichroda. 'Villa Charlotte', Alexanderstraße 22, 'Fremdenheim Buse' (christliches Haus), Haus 'Schönau' (christliches Haus), 'Villa Lorenz' (christliches Haus)." 
  
Mitteilung in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des "Central-Vereins") vom 1. Juni 1928: "Kurorte und Gasthäuser, deren Besuch unseren Freunden nicht anempfohlen werden kann. Ohne Gewähr. Abgeschlossen am 30. Mai 1928. Auch teilweise Nacht und nur mit Quellenangabe gestartet...
Friedrichroda (Thüringen): Villa Charlotte. Die Besitzerin steht auf deutschnationalem Boden, schließt aber anständige jüdische Gäste nicht aus. Haus Schönau, Villa Lorenz nennen sich christliche Häuser. Haus Allendorf nennt sich deutschvölkische Pension."     

     
Anzeigen nichtjüdischer Hotels aus Friedrichroda in jüdischen Zeitschriften      
Über das Hotel Lange (1926/1928) und das Hotel Viktoria (1926)  
    
Anmerkung: die beiden Hotels gehörten wohl zu den von jüdischen Personen gerne besuchten, aber nicht rituell geführten Hotels am Ort (vgl. kritischer Artikel in "Der Israelit" von 1934, siehe oben). 1925 standen das Hotel Lange sowie das Hotel Viktoria und das Hotel Herzog Alfred (siehe unten) sogar vorübergehend (aus Versehen?) in der Liste der gegenüber Juden unfreundlichen Hotels (siehe Mitteilung - "Berichtigung - vom Juli 1925 oben). 1928 war das Hotel Lange dann "wie früher" ein "Treffpunkt der jüdischen Gesellschaftskreise".     

Anzeige in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des "Central-Vereins" vom 8. September 1926: " Friedrichroda in Thüringen - Hotel Lange
Das ganze Jahr geöffnet. Zentralheizung. Zimmer mit fließendem Wasser. Vorzügliche Küche. Mäßige Preise. Fernruf 11. Neuer Inhaber: K. Zorn. "      
 
Anzeige in "Der Israelit" vom 15. Juli 1926: "Friedrichroda in Thüringen. Hotel Lange und Hotel Victoria Häuser ersten Ranges Zimmer Mark 3,50 - Frühstück Mark 1,25 - Garagen - Fliesendes Wasser. Besitzer Hermann Lück. "
 
Anzeige in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des "Central-Vereins") vom 10. Februar 1928: "Friedrichroda  Telephon 19, nach Schluss des Ortsverkehrs über Eisenach angeschlossen. Das ganze Jahr geöffnet. Mittelpunkt der gesellschaftlichen und sportlichen Veranstaltungen. Jazzkonzert und Sinfonieorchester.
Hotel Lange.
Zimmer mit fließendem kalten und warmen Wasser von Mark 3,50 an. /  Pension (erstklassige Verpflegung von Mark 7,50 an) preiswerte Wochenendpension. Eigentümer: W. P. Zimmermann." 
 
Mitteilung in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des "Central-Vereins") vom 10. Februar 1928: "Hotel Lange. Bad Friedrichroda in Thüringen. Dieses Hotel, das seit einem Jahr in den Besitz des Herrn W. P. Zimmermann überging, ist jetzt wie früher Treffpunkt der jüdischen Gesellschaftskreise geworden."  

  
Weitere Anzeigen nichtjüdischer Einrichtungen in jüdischen Periodika (1924-1930)    

Anzeige in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des "Central-Vereins") vom 10. Juli 1924: "Hotel Kurhaus
Friedrichroda, Thüringen.
 
Beste Südlage, fast alle Zimmer mit Balkon, Bäder, Fahrstuhl.
Fr. Eckardt und Söhne. Fernruf 1 und 2 - Fernruf 1 und 2. "      
   
Anzeige in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des "Central-Vereins") vom 14. April 1927:
"Hotel Herzog Alfred Friedrichroda in Thüringen.

Haus ersten Ranges. Pension Mark 7.- ab. Tel. 12.
Direktion: Kurt Wagner, früher 'Esplanade', Oberhof." 
 
Anzeige in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des "Central-Vereins") vom 30. Mai 1930: "Und unsere Sommererholung?
Friedrichroda
  - des Thüringer Waldes führender Kurort.
Jetzt ermäßigte Tageskurtaxe. Werbeschrift von der Kurverwaltung oder Reisebüro."  

    
   
    
Fotos 

Es sind noch keine Fotos zur jüdischen Geschichte in Friedrichroda vorhanden  
     
Andernorts entdeckt  Sinsheim Friedhof 20120308.jpg (101158 Byte)   
   Grabstein für Simon Ehrmann aus
 Friedrichroda (gest. 1927 ?) im 
jüdischen Friedhof in Sinsheim
 
     

       
       
Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte   

März 2017: Elfte "Stolpersteine"-Verlegung im Kreis Gotha 
Anmerkung: "Stolpersteine" wurden verlegt: u.a. in Friedrichroda im Schreibersweg 3 vor dem ehemaligen Fremdenheim Brenner für Bettina Brenner, Rosa Brenner und Helene Misch .   
Artikel von Julia Löffler in der "Thüringer Allgemeinen" vom 18. März 2017: "Gedenken an Opfer der Nazizeit. Stolperstein erinnert an Gothaer Fotografen
Kreis Gotha. Zum elften Mal wurden am Freitag Stolpersteine im Landkreis Gotha verlegt. Sie erinnern an Opfer des Nationalsozialismus, also an ermordete und vertriebene Juden, Sinti und Roma, politisch Verfolgte und Opfer der Euthanasie.
Die hinzu gekommenen Gedenksteine am Neumarkt 9 in Gotha erinnern an den Fotografen Isidor Neuwirth und seinen Sohn Harry Neuwirth. Der Vater wurde im Februar 1945 nach Theresienstadt deportiert und überlebte den Holocaust. Sein Sohn Harry flüchtete 1939 ins Ausland. Wohin, ist unbekannt. Seine Spur verlor sich. Spender der zwei Gedenksteine ist unter anderem der Verein für Stadtgeschichte Gotha...   
In Friedrichroda verlegte man drei Stolpersteine. Diese sind im Schreibersweg 3 vor dem ehemaligen Fremdenheim Brenner zu sehen. Mit ihnen soll der ehemaligen Inhaberin, Bettina Brenner, ihrer Mutter, Rosa Brenner, und deren Hausdame, Helene Misch, gedacht werden. Alle drei emigrierten nach der Enteignung und Arisierung des Heims durch die Nazis nach Chile. Abiturienten des Perthes-Gymnasiums forschten in einer Seminarfacharbeit über die jüdische Geschichte Friedrichrodas von 1933 bis 1945. Sie sind die Paten der Messingsteine. Auch der Lions-Club Ohrdruf beteiligte sich mit einer Spende.
Weitere Stolpersteine sollen folgen, beispielsweise in Waltershausen. Hier wird in der Bremerstraße 1 ein Stein verlegt, zu Ehren Wolfgang Levys, der 1944 im Vernichtungslager Auschwitz ermordet wurde. Mike Raimann aus Waltershausen spendete diesen Stein." 
Link zum Artikel     
Weiterer Artikel in der "Thüringer Allgemeinen" vom 21. März 2017: "Lions Club lobt zwei Jungen..."  
Link zum Artikel       

  


      
Links und Literatur

Links:  

bullet

Website der Stadt Friedrichroda  

Literatur:  

bulletHeimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933-1945. Band 8 Thüringen. Frankfurt 2003. S. 84.  

  
    

                   
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