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Gladenbach (Kreis
Marburg-Biedenkopf)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Gladenbach bestand eine jüdische
Gemeinde bis 1938/40. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 17./18. Jahrhunderts
zurück. 1610 wird eine erste jüdische Familie in der Stadt genannt, 1629 waren
es zwei Familien, 1770 bereits 16 Familien. Zu den ältesten
Familien gehörte die Familie Schlesinger, deren Vorfahren aus dem Osten (Polen)
zugewandert waren. Die meisten jüdischen Familien lebten zunächst in der
"Judengasse" (heutige Burgstraße).
1646 erhielt ein Jude aus Gladenbach die Erlaubnis, sich in Herborn
niederzulassen.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1830 104 jüdische Einwohner, 135 (13,2 % von insgesamt 1.024 Einwohnern), 1861 160 (12,9 % von 1.236), 1871 127
(11,4 % von 1.119), 1885 146 (11,4 % von 1.280), 1895 178 (12,7 % von 1.398),
1905 184 (12,0 % von 1.533). Jüdischen Familien gehörten seit Mitte des 19.
Jahrhunderts mehrere, für die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt wichtige
Gewerbebetriebe. Noch bis in die
1930er-Jahre gab es mehrere Vieh- und Pferdehandlungen sowie Textilhandlungen. Es bestanden zwei
Getreidehandlungen und eine Baumaterialienhandlung, dazu die
Branntwein-Brennerei Schiff. Die jüdischen Geschäfte entstanden seit Ende
des 19. Jahrhunderts an der Gießener Straße, Bahnhofstraße und
Wilhelmstraße.
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine jüdische Schule
(1811-1834 Israelitische Elementarschule), ein rituelles Bad und ein Friedhof
(bzw. zwei Friedhöfe). Zur
Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Religionslehrer (bis 1834
Elementarlehrer) angestellt,
der zugleich als Vorbeter und Schochet fungierte (vgl. Ausschreibungen der
Stelle unten). An Lehrern sind u.a. bekannt: im 18. Jahrhundert Josef
Feibelmann von 1738-1755, nach 1778 Salomon David (der seit 1781 als Rabbi für
Gladenbach und Umgebung und als Beschneider tätig war); im 19./20. Jahrhundert:
1811-1823 Simon Lederer, 1823-1826 Abraham Lazarus, 1826/27 Meier Simon, nach
1827 Moses Thalheimer aus Reichenberg,
nach 1834 Lehrer Krailsheimer, dann Gabriel Landauer, Lehrer Haas, Salomon Spiro,
Moses Oppenheimer, 1848-1852 Isaak Schönhof aus Vöhl, 1854-1860 Abraham
Grünstein, S. Levor, 1876 Emanuel Kaufmann (s.u. Anzeige von 1876), David
Blumenthal, schließlich als dauerhafteste Besetzung von 1881 bis zu seiner
Zurruhesetzung 1919 Isidor Rosenzweig (siehe Berichte unten, gest. 1923).
Nach Rosenzweig folgten noch mehrere Lehrer (ein Lehrer Hatz kommt 1925 aus
Gladenbach nach Mansbach), bis 1934 die jüdische
Religionsschule Gladenbach aufgelöst wurde. Die Gemeinde gehörte zum Rabbinat Gießen
(siehe Ausschreibung der Lehrerstelle 1862), später zum Provinzialrabbinat Marburg
(siehe Ausschreibung der Lehrerstelle 1875).
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde Julius Isidor (Isi)
Jonas (geb. 2.7.1888 in Gladenbach, gef. 3.5.1916),
Siegfried Schiff (geb. 20.3.1891 in Gladenbach, gef. 22.6.1915), Karl Hecht
(geb. 1.6.1877 in Rüdenberg, gest. an der Kriegsverletzung 22.7.1919) und Jakob
Hattenbach (geb. 4.10.1884 in Kassel, vor 1914 in Kassel wohnhaft, gef.
11.11.1914). Außerdem ist gefallen: Adolf Lehmann (geb. 2.1.1884 in
Gladenbach, vor 1914 in Eldagsen wohnhaft, gef. 7.8.1917).
Um 1924, als zur Gemeinde 121 Personen gehörten (7,5 % von insgesamt
1.616 Einwohnern), waren die Gemeindevorsteher Hermann Jonas, Z. Levi und J.
Jonas. Die Lehrerstelle war nach dem Tod von Lehrer Rosenzweig noch vakant. Der
Religionsunterricht wurde vertretungsweise durch Lehrer Salomon Pfifferling aus
Marburg erteilt; er hatte damals zehn jüdische Kinder aus der Gemeinde zu
unterrichten. Die Schechita übernahm vertretungsweise das
Gemeindemitglied Benjamin Michel. An jüdischen Vereinen bestanden der
Wohltätigkeitsverein Chewra Kadischa (1924 unter Leitung von Hermann
Mayer I, 1932 unter Leitung von Isack Jonas, Zweck und Arbeitsgebiet:
Unterstützung Hilfsbedürftiger) und der Israelitische Frauenverein
(1924 unter Leitung der Frau von Hermann Mayer I, 1932 unter Leitung von Berta
Heldenmuth, Zweck und Arbeitsgebiet. Unterstützung Hilfsbedürftiger). 1932
waren die Gemeindevorsteher Hermann Jonas (1. Vors.), Liebmann Levi (2. Vors.)
und Siegfried Stern (3. Vors.). Als Lehrer, Kantor und Schochet war inzwischen
J. Tempelhof angestellt. Er hatte im Schuljahr 1931/32 12 schulpflichtigen
jüdischen Kindern den Unterricht in Religion zu erteilen. Bis 1933 waren
die jüdischen Einwohner fest im wirtschaftlichen, politischen und
gesellschaftlichen Leben der Stadt integriert. Noch am 12. März 1933 wurden die
beiden jüdischen Bürger Max Schiff und Karl Lehr in den Gemeinderat gewählt,
am 22. März 1933 jedoch durch Verordnung des Preußischen Innenministers
Göring jedoch ihrer Ämter enthoben.
1933 lebten noch 103 jüdische Personen in Gladenbach (5,7 % von 1.860
Einwohnern).
Letzter Gemeindevorsteher war der Kaufmann Liebmann Levi. Aktionen
gegen jüdische Einwohner setzten bereits 1933 durch SA-Leute ein: im Juni
und Juli 1933 wurden alle "politisch verdächtigen Personen"
abgeholt, darunter die jüdischen Gemeindeglieder Adolf und Felix Adler, Julius
Michel, Fritz Stern, Max Schiff, Ernst Michel, Martin Löwenstein, August
Schiff, Willi und Ludwig Heldenmuth, Max Jonas und Albert Strauß. Nach einigen
Tagen wurden sie wieder aus der Haft entlassen, bis auf den Inhaber der Firma
Adler, der noch in Wetzlar in Haft kam (vermutlich in das Lager Jäcksburg, ein
provisorisches KZ). Er wurde jedoch wieder freigelassen, weil ihm keine staatsgefährdenden
Handlungen nachgewiesen werden könnten. Im August 1935 kam es zu
mehreren Pogromaktionen in der Stadt (vgl. Bericht unten). So wurden an einem
der Tage nach einer Hetzrede des SA-Sturmbannführers L. die Fenster jüdischer
Häuser eingeworfen, die Wohnung der Familie Grünstein überfallen. Der Pogrom
war vermutlich inszeniert worden, da SA-Leute im Verdacht standen, heimlich Vieh
an Juden zu verkaufen. Bevor dies als "Skandal" an die Öffentlichkeit
dringen konnte, wurden die Aktionen initiiert. Den jüdischen Kindern war nach
diesen Vorfällen der Besuch der örtlichen Schulen nicht mehr möglich. In
den folgenden Wochen sind die meisten der
jüdischen Gemeindeglieder aus Angst vor weiteren Pogromen weggezogen beziehungsweise
ausgewandert. Am 14. Oktober 1935 hatten alle jüdischen Familien die Stadt
verlassen, doch kehrten bis 1937 wieder sechs Familien zurück. Am 1. Januar
1938 wurden 27 jüdische Einwohner gezählt, am 8. November 1938 noch 13 überwiegend
ältere jüdische Personen. Unter denen, die
emigrieren konnten, sind zwei Personen nach Argentinien, fünf nach Luxemburg,
fünf in die USA; die meisten verzogen innerhalb von Deutschland, insbesondere
nach Frankfurt am Main.
Beim Novemberpogrom
1938 wurden die Fenster der Synagoge eingeworfen und in das Gebäude
eingebrochen (s.u.). Im
Frühjahr 1939 waren nur noch fünf jüdische Personen in Gladenbach Eheleute
Heldenmuth mit Adolf Stern und seine Schwestern Minna und Johanna, die im Haus
des 1938 verstorbenen Metzgers Salomon Stern in der Marktstraße lebten).
Bis Mitte 1940 hatten alle den Ort
verlassen.
Von den in Gladenbach geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Hedwig Abraham geb.
Schiff (1874), Amalie Adler geb. Stern (1882), Felix Bauer (1897), Theo Bauer
(1904), Max Berg (1880), Hilda Borngässer geb. Michel (1876), Therese
Gernsheimer geb. Levi (1909), Jenny Goldberg geb. Schiff (1888), Paula Hecht
geb. Krämer (1879), Berta Heldenmuth geb. Michel (1883), Willy Heldenmuth
(1874), Bella Hirsch geb. Levi (1902), Jenny Hirsch geb. Stern (1880), Irmgard
Italiaander geb. Hattenbach (1915), Blanka Jonas (1894), Helene Jonas (1900),
Rosa Jonas (1900), Ida Kahn geb. Simon (1885), Irma Levi (1905), Liebmann Levi
(1870), Liebmann Levi (1870), Bella Lindenbaum geb. Schiff (1893), Emma
Löwenstein geb. Stamm-Goldschmidt (1907), Manfred Löwenstein (1935), Martin
Löwenstein (1902), Paula Löwenthal geb. Lederer (1897), Thekla Mayer geb.
Lehmann (1889), Gertrud Mayer geb. Bauer (1895), Hermann Mayer (1871), Siegfried
Mayer (1900), Rosa Meier geb. Michel (1892), Inge Michel (1930), Isidor Michel
(1892), Siegmund Michel (1885), Wolf Benjamin Michel (1862), Recha Philipp geb.
Michel (1888), Tilly Rosenthal geb. Grünstein (1894), Berthold Rosenzweig
(1877), Wilhelm Schiff (1875), Alfred Stamm (1883), Isidor Stamm (1882), Adolf
Stern (1873), Ferdinand Stern (1878), Johanna Stern (1871), Karoline Stern geb.
Stern (1845), Lina Stern (1872), Minna Stern (1864), Rosa Stern geb. Appel
(1879), Sara Stern geb. Stern (1873), Selma Stern (1902), Johanna Strauss geb.
Simon (1889).
Nach Kriegsende kehrten nur die Überlebenden Albert Bauer und Ludwig
Heldenmuth nach Gladenbach zurück. Bauer zog später nach Bad
Vilbel, wo er 1977 verstarb. Heldenmuth blieb in Gladenbach, wo er 1983 verstarb.
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1862 /
1984 / 1876 / 1878 sowie Ausschreibung einer Hilfsvorbeter-Auftrages 1893
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 20. Mai 1862:
"Konkurrenz-Eröffnung. Seit dem 1. April dieses Jahres ist
die Stelle eines Religionslehrers und Vorbeters bei der hiesigen
Religionsgemeinde vakant. Verbunden mit einem fixen Jahresgehalt von 300
Gulden, 3 Stecken Buchenscheitholz zur Heizung des Schullokals, freier
Wohnung und einem Bett, bietet diese Stelle noch außerdem Gelegenheit zu
einem Nebenverdienst von 60 bis 80 Gulden pro Jahr. Konkurrenzfähige
Bewerber wollen sich innerhalb 6 Wochen unter Anschluss ihrer Zeugnisse
portofrei an den Unterzeichneten melden.
Gladenbach (im Großherzogtum Hessen), den 4. Mai 1862.
Der Vorstand der israelitischen Religionsgemeinde daselbst." |
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Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 11. November 1862: "Für einen braven, tüchtigen Religionslehrer
und Vorsänger ist eine empfehlenswerte Stelle in meinem Rabbinate zu Gladenbach,
dem Sitze eines Landgerichts, 3 Stunden von der Main-Weserbahn gelegen,
offen mit 400 Gulden fixem Gehalt, freier Wohnung, Bett und 3 Stecken
Buchen-Scheitholz zur Heizung des Schul-Lokals. Kenntnis fremder Sprachen
findet da auch reichlich Gelegenheit zu Privatunterricht. Portofreie
Bewerbungen nehme ich binnen 4 Wochen gern entgegen.
Gießen, den 2. November 1862. Dr. Levi, Großherzoglicher
Rabbiner der Provinz Oberhessen." |
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Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 18. August 1874: "Die hiesige Lehrer- und Vorbeterstelle
soll bis zum 1. Januar 1875 anderweitig besetzt werden. Fixer Gehalt 260
Thaler, freie Wohnung und Holz. Darauf Reflektierende wollen sich bei dem
unterzeichneten Kultusvorstand unter Einsendung ihrer Zeugnisse
melden.
Gladenbach in Oberhessen, den 7. August 1874. Der Vorstand Simon
Bauer." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. September 1876:
"In der hiesigen Gemeinde wird bis zum 15. Oktober dieses Jahres die
Stelle eines Religionslehrers und Vorbeters mit einem fixen Gehalte von
1036 Mark vakant. Meldungen unter Beifügung der Zeugnisse nimmt entgegen
der Kultusvorstand.
Gladenbach (Oberhessen), den 10. September 1876. Schiff.
Die hiesige Stelle kann ich jedem Kollegen aufs Beste empfehlen. Die
Gemeinde ist in jeder Beziehung dem Lehrer sehr gewogen und stehen einem tüchtigen
strebsamen Manne viele Nebenverdienste in Aussicht. Mein
Einkommen belief sich pro Jahr inklusive aller Nebenverdienste auf 1.750
Mark. Für einen unverheirateten Lehrer ist eine sehr schöne
Dienstwohnung vorhanden.
Emanuel Kaufmann, Lehrer." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20. November 1878:
"Die israelitische Gemeinde zu Gladenbach sucht einen unverheirateten
Religionslehrer, der zugleich die Funktionen eines Vorbeters und Schochet
übernimmt. Fixierten Gehalt 600 Mark nebst freier Wohnung und Feuerung,
die Schechita trägt ferner 400 Mark ein. Reflektanten belieben
ihre Bewerbungen nebst Zeugnissen baldigst einzusenden an
Dr. Munk, Provinzialrabbiner. Marburg, im November 1878." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. August 1893:
"Die israelitische Gemeinde Gladenbach sucht für bevorstehenden Jom
Kippur einen Hilfschasan, welcher Schacharit (Morgengebet) und Mincha
(Mittagsgebet) vorzubeten hat. Diejenigen, welche ein schönes Organ
haben, wollen sich unter Angabe ihrer Ansprüche an den I. Vorsteher Jonas
wenden." |
Gerichtsprozess in antisemitischen Zeiten gegen
Handelsmann Simon Gerson (1889)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 21. März 1889: "Marburg, 10. März
(1889). Ist der Name 'Böckel' ein Schimpfwort oder nicht? Diese Frage
fand der 'Oberhessischen Zeitung' zufolge in einer vor einigen Tagen vor
der Strafkammer verhandelten Beleidigungsklage ihre Antwort in bejahendem
Sinne. Der Klage lag folgender Sachverhalt zu Grunde. Am 27. August
vorigen Jahres kam der Handelsmann Simon Gerson aus Gladenbach mit einem
Rind auf den Johann Schmidt'schen Hof in Weitershausen und antwortete auf
die von letzterem an ihn gerichtete Frage, was er mit dem Rind wollte:
'Das will ich Dir Böckel verkaufen.' Nach dem Verlassen des Hofes
äußerte Gerson dann noch zu einem anderen Manne, der ihn vor dem als
Antisemitenanführer in Weitershausen bekannten Müllers Hann (der
Ortsname des Schmidt) warnte: 'den habe ich vorhin selbst Böckler
genannt, dem fehlen nur noch ein paar Hörner am Kopfe.' Schmidt
strengte in Folge dieser Äußerungen einen Beleidigungsprozess gegen
Gerson an und hatte die Genugtuung, dass letzterer von dem Amtsgerichte
Gladenbach zu einer dreitägigen Haftstrafe verurteilt wurde. In der
Begründung dieses Urteiles wurde ausgeführt, 'dass der von dem Angeklagten
dem Privatkläger gegenüber gebraucht Ausdruck Böckel eine Beleidigung
enthielt, weil Privatkläger dadurch dem Träger dieses Namens, Dr. Otto
Böckel in Marburg gleichgestellt werden, der es sich, wie allgemein
bekannt sei, zur Aufgabe gemacht habe, Hass und Verachtung gegen die Juden
zu erregen und deshalb von den Juden - Angeklagter sein Israelit - auf das
Tiefste gehasst werde. - Auch in der zweiten Äußerung des Angeklagten
habe das Gericht eine Beleidigung erblickt, weil die Äußerung den Sinn
hatte, dass Privatkläger ein dummer beschränkter Mann sei. Mit
Rücksicht auf die schwere Ehrenkränkung sei Angeklagter mit Haft zu bestrafen.'
Auf die von letzterem eingelegte Berufung erging heute das
zweitinstanzierte Urteil der Strafkammer dahin, dass das erste Urteil der
Erregung, in welcher sich die Juden in Folge der heutigen antisemitischen
Agitation befinden, nicht Rechnung getragen habe und werde dieselbe die dreitägige
Haftstraße in eine Geldstrafe von 9 Mark
umgewandelt." |
25. Dienstjubiläum von Lehrer und Kantor Isidor Rosenzweig (1909)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. Januar 1909: "Gladenbach
(bei Marburg), 2. Januar (1909). Herr Lehrer und Kantor Rosenzweig dahier
hatte heute sein 25. Dienstjahr vollendet. Das zu Ehren des Jubilars
veranstaltete Fest war ein äußerst gelungenes. Der Festgottesdienst am Schabbat
nahm einen feierlichen Verlauf. Nachdem der Vorstand in einer kurzen
Ansprache die erfolgreiche Tätigkeit des Jubilars lobend hervorgehoben
hatte, bestieg letzterer die Kanzel und sprach zunächst der Gemeinde für
das ihm allezeit entgegengebrachte Vertrauen seinen wärmsten Dank aus, um
dann in eindrucksvoller Predigt an Hand vieler Bibel- und Talmudsprüche
einen Rückblick auf seine 25jährige Wirksamkeit zu geben. Am Abend fand
die Feier ihre Fortsetzung in einer geselligen Zusammenkunft, die
eingeleitet durch eine Anrede des ältesten Sohnes des Lehrers einen
animierten Verlauf nahm." |
Zum Tod von Lehrer Isidor Rosenzweig (1923)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. September 1923: "Gladenbach
(bei Marburg), 3. September 1923. Schon wieder ist der Besten einer aus
unserem Stande dahingegangen. Lehrer Rosenzweig in Gladenbach bei Marburg
wurde am Schabbat Ki Tawo (= Schabbat mit der Toralesung Ki Tawo,
d.i. 5. Mose 26,1 - 29,8, das war am Schabbat, 1. September 1923), als er
im Begriff war, sich zum Freitagabend-Gottesdienst zu begeben, durch einen
raschen, sanften Tod im gesegneten Alter von 76 Jahren seiner Familie,
seiner Gemeinde entrissen. 53 Jahre hatte er sich seinem Berufe gewidmet,
darunter 40 Jahre in Gladenbach. Ein bleibendes Denkmal hat er sich in
seiner Gemeinde dadurch gesetzt. dass er den Umbau der alten Synagoge zu
einem prächtigen Gotteshause bewerkstelligte, dessen Kosten durch ihn in
mühevoller Werbearbeit aufgebracht wurden. Mehrere Generationen saßen zu
seinen Füßen, wurden durch ihn in der Gotteslehre unterwiesen. Ein
gottbegnadeter Sänger - Schüler des von ihm begeistert verehrten
Altmeisters Sulzer - hat er durch seinen würdevollen, formvollendeten
Vortrag seine Gemeinde zur Andacht gestimmt. In seinen von tiefstem
Verständnis der talmudischen Wissenschaft zeugenden Lehrvorträgen zeigte
er sich als ein Meister des Wortes. Den Armen war er ein Helfer, den
Trauernden ein Tröster, den Witwen und Waisen ein Annehmer. Ein großes
Leichenbegängnis zeugte von seiner Beliebtheit und Wertschätzung, die er
in allen Kreisen der Bevölkerung genoss. An der Bahre sprachen Herr
Provinzialrabbiner Dr. Cohn, Marburg, dann Herr Lehrer Isaak, Limburg -
der Schwiegersohn des Verstorbenen - im Namen der Familie und Herr Dr.
med. Artur Grünstein für die ehemaligen Schüler ergreifende Worte der
Dankbarkeit und Liebe. So lange es eine jüdische Gemeinde Gladenbach
gibt, so lange wird der Name Lehrer Rosenzweig unvergessen bleiben. Das
Andenken an den Gerechten ist zum Segen." |
Zum Tod von Rosa Rosenzweig, Witwe von Lehrer Isidor
Rosenzweig (1934)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. Februar 1934: "Gladenbach,
29. Januar (1934). Am Samstag, den 20. Januar verschied Frau Rosa
Rosenzweig in Limburg, wohin
sie vor einem Jahr zu ihren Kindern übersiedelt war, nach kurzem
Krankenlager in ihrem 75. Lebensjahre. Sie war die Gattin des vor zehn
Jahren zur ewigen Ruhe heimgegangenen Lehrers und Kantors J. Rosenzweig,
dessen 40-jährige Wirksamkeit in unserer Gemeinde heute noch unvergessen
ist. Auf ihren Wunsch wurden ihre sterblichen Überreste in der Heimaterde
an der Seite ihres Gatten zur letzten Ruhe bestattet. Herr Provinzialrabbiner
Dr. Cohn, Marburg, widmete der Verstorbenen einen Nachruf, in dem die
Vorzüge dieser edlen Frau in lebenswahrer Darstellung geschildert wurden.
Im Namen der Familie rief der Schwiegersohn der Verblichenen Worte des
Dankes und der Liebe ihr nach. Das Andenken der Verstorbenen wird in der
Gemeinde Gladenbach unvergessen bleiben." |
Berichte aus dem
jüdischen Gemeindeleben
Vier christliche Ärzte werden "Gevatter" eines
jüdischen Jungen (1840)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit des 19. Jahrhunderts" vom 4.
Oktober 1840: "Aus Gladenbach, im Großherzogtum Hessen, wird
uns folgender merkwürdige Vorfall gemeldet:
Die Stunde der Entbindung schien für die kränkliche Ehefrau des dortigen
israelitischen Einwohners O. die Stunde des Todes zu werden, als vier
wackere Ärzte herbeigeeilt kamen und durch den Kaiserschnitt Mutter samt
Kind retteten. Letztere, von heißem Dank erfüllt, trug denselben (welche
zum christlichen Glauben sich bekennen) Gevatterstelle an, was diese mit
Bereitwilligkeit annahmen. In festlichem Anzuge erschienen sie am
Beschneidungstag in der von Juden und Christen angefüllten Synagoge,
wurden mit dem Zuruf: 'Willkommen im Namen des Herrn!' begrüßt und
nahmen nach dem Beschneidungsakte den Knaben abwechselnd auf den Arm, der
auch, was unter den Israeliten nicht gewöhnlich ist, den Namen seiner
vier Gevatter erhielt. Zum Schlusse ward für das Wohl der Mutter, des
Kindes und der vier Gevatter ein Gebet in deutscher Sprache gesprochen. So
hat denn auch hier die an dem Gefühl der Dankbarkeit sich erhobene humane
Regung des Gemütes den Sieg über beengende kirchliche Bestimmungen davon
getragen! (Bekanntlich darf, was die Allgemeine Kirchenzeitung erst
kürzlich wieder zu beweisen suchte, kein Israelit Patenstelle bei einem
christlichen Kinde versehen, und dass die streng orthodoxe Ansicht im
Judentum dieses umgekehrt ebenfalls nicht zulässt, dürfen unsere Leser
mit Recht voraussetzen.)" |
|
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 7. November 1840:
"Aus Hessen. Wir wollen unsern Lesern folgende
charakteristische Anekdote nicht vorenthalten. Aus Gladenbach, im
Großherzogtum Hessen, wird folgender bemerkenswerte Vorfall gemeldet: es
folgt derselbe Bericht wie oben." |
Spendenaufruf (1870)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. Juni 1870: "Bitte.
Hier in Gladenbach, (Provinz Hessen) lebt eine Jüdin, welche mit Christen
mehrere Kinder zeugte und von der Tochter dieser Frau ist ein Kind da,
ebenfalls unehelich mit einem Christen erzeugt, beschnitten und so viel
als tunlich jüdische erzogen. Die Mutter dieses Jungen, welcher eben acht
Jahre zählt, und noch wenig Schulunterricht genossen hat, ist schon
mehrere Jahre tot und hat die Großmutter, welche nahe an 70 Jahre und
schlecht beleumundet ist, diesen Jungen zur Erziehung bei sich. Der
Rettungsverein für verwahrloste Kinder hat sich des Knaben angenommen;
aber alle Mühe, welche sich der Präsident dieses Vereins gegeben, um den
Jungen außerhalb Gladenbach gegen eine Vergütung von 40 Gulden
jährlich, bei Juden anzubringen, war vergeblich. Hier in Gladenbach soll
und kann der Junge nicht bleiben, da die Alte im Wege steht und ist mir
deshalb als Vorstand der hiesigen israelitischen Religionsgemeinde
aufgegeben worden, sobald als tunlich einen geeigneten Platz bei Juden
auszumachen, so der Junge körperlich und geistig gepflegt und zu einem
tüchtigen Menschen herangebildet wird. Sollte ich nicht imstande sein,
dieses auszuführen, so wird der Verein den Jungen in eine christliche
Erziehungsanstalt tun, wo er selbstverständlich aufhört, Jude zu sein.
Die politische und jüdische Gemeinde hier sind nicht imstande, einen
Beitrag zu leisten, weshalb ich mich an die geehrten Leser dieses Blattes
wende. Vielleicht findet sich jemand, der den Jungen nimmt, ihn erzieht
und einen tüchtigen Menschen und Juden aus ihm macht.
Gladenbach, 29. Mai 1870. Mitteilungen sieht entgegen M.
Schiff." |
Die Maul- und Klauenseuche macht den Viehhändlern zu schaffen (1912)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 12. Januar
1912: Gladenbach. Die in großer Zahl hier wohnhaften jüdischen
Viehhändler sind, so schreibt der 'Nassauer Anzeiger an der Lahn',
durch das Auftreten der Maul- und Klauenseuche in einer bedrängte
Geschäftslage geraten. Ihr Handelsbetrieb, der sich einesteils auf
den Zwischenhandel in den Dörfern des südlichen und mittleren
Hinterlandes erstreckt und zum anderen seinen Hauptstützpunkt in den
aufgehobenen großen Viehmärkten zu Gießen fand, ist fast lahmgelegt.
Während man sonst frühmorgens, besonders in den ersten Wochentagen,
viele Dutzende von Handelsleuten nach allen Richtungen der Windrose aus
unserem Städtchen hinausziehen sag, ist diese Zahl bis auf einige
Viehmakler zusammengeschrumpft, deren Tätigkeit sich lediglich auf
Verkaufsvermittelung innerhalb der nicht ins Sperrgebiet fallenden Ortschaften
geschränkt." |
Aus der NS-Zeit: Bestrafung von Nationalsozialisten
wegen nicht genehmigter Ausschreitungen gegen Juden (1935)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. September 1935: "Bestrafung
wegen Ausschreitungen. Frankfurt am Main, 13. September (1935). Die
'Oberhessische Zeitung' in Marburg a.d.L. berichtet u.a.: 'Vor einiger
Zeit war es in Gladenbach zu groben Ausschreitungen gegen einige jüdische
Einwohner gekommen, sodass die staatliche Behörde und die
Staatsanwaltschaft einschreiten mussten. Die herausfordernden Anmaßungen
der jüdischen Bevölkerung in der letzten Zeit hatten dazu geführt, dass
in Gladenbach eine große Erregung entstanden war. Am 12. und 14. August
kam der Volkswille zum Ausbruch. An den fraglichen Tagen rottete sich eine
große Menschenmasse zur nächtlichen Stunde in den Straßen zusammen und
begann Einzelaktionen gegen einige jüdische Häuser.
Die Zeitung berichtet sodann über die Verhandlung vor dem Schnellschöffengericht
Marburg gegen drei Männer und ein junges Mädchen. Nach der Anklage
sollen sie in die Wohnhäuser der Juden eingedrungen beziehungsweise die
Fenster mit Steinen eingeworfen haben. Wegen Gefährdung der
Staatssicherheit wurde die Öffentlichkeit von der Verhandlung
ausgeschlossen. Den Vertretern der Behörden und der Standarte 88 sowie
der Presse wurde die Anwesenheit gestattet. - Oberstaatsanwalt Heintzmann
betonte in seiner Anklagerede, dass die Ausschreitungen höchst
bedauerlich seien und nur das Ansehen des Staates und der Partei
schädigten. Es sei seit langer Zeit bekannt, dass der Führer jede
Einzelaktion verboten hat. Auch der Gauleiter Streicher habe erklärt, wer
sich an Juden vergreift ist niemals ein Nationalsozialist gewesen. Auch
die Führer in Gladenbach haben sich wiederholt in diesem Sinne
ausgesprochen. Nach kurzer Beratung verkündete das Gericht folgendes
Urteil: Das Verfahren gegen den Hauptangeklagten wird abgetrennt und dem
ordentlichen Gericht überwiesen. Die beiden anderen Angeklagten werden
wegen Mittäterschaft bei den Sachbeschädigungen zu je einem Monat
Gefängnis verurteilt, das Mädchen erhält wegen versuchter und
vollendeter Sachbeschädigung eine Woche Gefängnis. In der Begründung
tadelte der Vorsitzende das Verhalten der Angeklagten. Der Kampf gegen das
Judentum sei eine weltanschauliche Aktion und könne nicht in
Einzelaktionen durchgeführt werden. Bei der Bekämpfung der Juden muss
jeder deutsche Volksgenossen mithelfen. Das tue man am besten, wenn man
ihn meide und nicht bei ihm kaufe. Jede Einzelaktion schade nicht dem
Juden, sondern dem Staat, der Bewegung und uns selbst (ITA)." |
Berichte zu einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde
Carl Simon verwaltet die Ortskrankenkasse im Bezirk (1903)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 10. Juli 1903:
"Gladenbach. Seit Bestehen der Ortskrankenkasse hat der
Vorsteher der hiesigen jüdischen Gemeinde Herr Carl Simon die Verwaltung
des hiesigen Bezirks inne. Es ist dieses in den heutigen Zeiten
bemerkenswert." |
Über Albrecht Jonas (1915 - 1998)
Rechts: Albrecht Jonas
als junger Lehrer in Esslingen |
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Links: Albrecht Jonas und
seine Frau Rosel bei einem Besuch in Esslingen 1987 |
Albrecht Jonas ist am 26.
Februar 1915 in Gladenbach als Sohn des Kaufmanns Julius Jonas und
der Berta Ehrenreich geb. Zeller geboren. Er absolvierte das Realgymnasium
in Nürnberg und besuchte von 1934 bis 1936 die Israelitische
Lehrerbildungsanstalt in Würzburg. 1936 bis 1938 war er Lehrer und
Erzieher am Israelitischen Waisenhaus "Wilhelmspflege" in Esslingen
und gemeinsam mit einem anderen Lehrer Vorbeter in der dortigen
Stadtsynagoge. Beim Novemberpogrom 1938 wurde er schwer misshandelt und
danach in das KZ Dachau verschleppt. Im Februar 1939 konnte er nach
Schweden emigrieren, wo er in Göteborg eine Stelle als Kantor und
Religionslehrer erhielt, die er 40 Jahre bis zu seiner Zurruhesetzung
innehatte (Jüdische Gemeinde
Göteborg). Mehrfach war er in Deutschland zu Besuch, um seinen
Heimatort Gladenbach und auch seine Wirkungsstätte in Esslingen zu
besuchen. Er war seit 1951 verheiratet (Frau Rosel aus Pforzheim; Kinder
Daniel und Naoni Bettina). 1988 hielt Albrecht Jonas bei einem
Ökumenischen Gottesdienst in der Esslinger Stadtkirche St. Dionys zum
50jährigen Gedenken an die Pogromnacht eine Ansprache. Er starb 1998 in
Göteborg.
Literatur (und Quelle der Fotos): Joachim Hahn: Jüdisches Leben in
Esslingen. 1994. |
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
(Quelle: J. Runzheimer s.Lit. Bd. I 40.42.44.45)
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Anzeige des Leinen-, Wäsche-
und Aussteuergeschäftes
Carl Grünstein |
Anzeige des Spezialhauses für
Damen- und Herren-Moden
W. Stamm |
Anzeige der Branntwein- und
Likörfabrik usw.
W. Schiff Sohn |
Anzeige der Baumaterialien-
handlung A. Stamm
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Anzeigen des Manufakturwarengeschäftes usw. W. Schiff Sohn
(1900 / 1904)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. November 1900: "Junger
Mann zum sofortigen Eintritt gesucht.
W. Schiff Sohn, Manufakturwaren, Gladenbach." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. März 1904: "Suche
per Ostern jüngeren Commis als Lehrling. Station im Hause,
Samstags geschlossen. M. Schiff Witwe, Inhaber: August Schiff, Getreide,
Mehl, Futterartikel, Düngemittel, Manufakturwaren, Konfektion,
Kolonialwaren, Gladenbach". |
Anzeige von L. Levi (1902)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. August 1902:
"Suche
für meinen streng religiösen Haushalt ein junges
Mädchen,
aus
guter Familie, zur Stütze der Hausfrau. Bin bereit, Vergütung zu
gewähren.
L. Levi, Gladenbach (Hessen-Nassau)." |
Anzeige des Landesproduktengeschäftes L.
Levi (1914)
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 27. März 1914:
"Für mein am Schabbat und Feiertag streng
geschlossenes Landesproduktengeschäft suche per 1. Mai einen
Lehrling
oder angehenden Kommis bei freier Station im Hause.
L. Levi, Gladenbach, Hessen-Nassau". |
Hochzeitsanzeige von Dr. Ludwig Krämer und Erna geb.
Grünstein (1928)
Anzeige
in der "CV-Zeitung" vom 7. September 1928: "Statt
Karten!
Rechtsanwalt Dr. Ludwig Krämer - Erna Krämer geb. Grünstein.
Vermählte. Friedberg (Hessen) - Gladenbach". |
Zur Geschichte der Synagoge
Zunächst war ein Betraum in einem der jüdischen Häuser
vorhanden. 1809 wurde eine Stiftung zur Finanzierung einer Synagoge
gegründet. 1813/14 konnte die Synagoge erbaut werden. Sie kostete 2.464
Gulden. Es handelte sich um ein einfaches Fachwerkgebäude, das sich von anderen
Häusern kaum unterschied. Im Dezember 1842 brannte es im Schulraum der
Synagoge, doch konnte das Gebäude wieder renoviert werden.
Seit 1885 gab es Bemühungen, eine neue Synagoge an Stelle der alten zu
erbauten. Man entschied sich - vermutlich auch aus Kostengründen - nicht zu
einem völligen Neubau, sondern zu einem "Umbau der alten Synagoge zu
einem prächtigen Gotteshause" (Zitat aus dem Bericht zum Tod von
Lehrer Rosenzweig s.o.). Am 18. September 1891 wurde die Synagoge mit
einem großen Fest der gesamten Stadt neu eingeweiht.
Nach 1933 kam es auf Grund der zahlreichen antijüdischen Pogromaktionen
in der Stadt zum schnellen Wegzug der jüdischen Familien. Bald schon war nicht
mehr die für den Gottesdienst notwendige Zehnzahl der jüdischen Männer zu
erreichen. Im November 1938 erfolgte der Verkauf des Synagogengebäudes an die
Stadt. Beim Novemberpogrom 1938 wurden die Fenster durch ein
Randalekommando vermutlich auswärtiger Nationalsozialisten eingeworfen und in
das Haus eingedrungen. Die Inneneinrichtung wurde teilweise zerstört. Da in
diesen Tagen bereits Verhandlungen mit der Stadt über eine Übertragung des
Gebäudes an die Stadt stattfanden, waren die Kultgegenstände bereits aus dem
Gebäude genommen worden (eine Torarolle kam 1979 in das jüdische Museum in der
Synagoge in Michelstadt).
Am 11. November 1938 übernahm die Stadt Gladenbach das demolierte Gebäude. Es
sollte als eine soziale Einrichtung genutzt werden, doch erlaubte der offenbar
baufällige Zustand keine entsprechende Neunutzung. In den folgenden Jahren
wurde die Synagoge abgebrochen. Nach 1949 kam nach Klärung des
Restitutionsverfahrens das Grundstück in den Besitz der
Stadt.
Ein Gedenkstein befindet sich auf dem Vorgarten zum Grundstück der ehemaligen
Synagoge an der Burgstraße. Er wurde auf Beschluss des Magistrates der Stadt im
September 1982 gesetzt. Der Gedenkstein trägt die Inschrift "Oh Erde decke
mein Blut nicht zu - mein Schreien findet keine Ruhestatt" (aus dem
biblischen Buch Hiob). 2014 wurde auf Initiative des Gladenbachers Rudolf H.
Schneider die Gedenkstätte durch die Stadt neu gestaltet. Anfang April 2015
wurde eine zusätzliche Informationstafel zur Geschichte der jüdischen
Gemeinde am Synagogenplatz aufgestellt.
Adresse/Standort der Synagoge: Burgstraße
11
Fotos
(Plan und historische Fotos - Quelle: J. Runzheimer s.Lit.
Bd. II S. 225.239-230; neuere Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 28.3.2008)
Plan und historische
Aufnahme |
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Plan mit Eintragung der Lage
der Synagoge
an der Burggasse (ehemalige Judengasse) |
Im Hintergrund dieser Aufnahmen
aus den 1920er-Jahren ist die Synagoge zu sehen. |
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Synagogengrundstück
im
März 2008 |
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Vorgarten
(zwischen den beiden Häusern) vor dem dahinterliegenden Grundstück der
ehemaligen Synagoge (vgl. Plan oben) mit Gedenkstein. Inschrift: "Oh Erde, decke mein
Blut
nicht zu, mein Schreien finde keine Ruhestatt. Zum Gedenken an unsere
jüdischen Mitbürger.
Hier stand die Synagoge der jüdischen Gemeinde
Gladenbach." |
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Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
2014/15:
Neugestaltung der Gedenkstätte mit zusätzlicher
Informationstafel |
Artikel von Michael Tietz im
"Hinterländer Anzeiger" (mittelhessen.de) vom 3. April 2015:
"Zeichen gegen Rassismus setzen. EINWEIHUNG Gedenktafel erinnert an die jüdische Gemeinde in Gladenbach
Gladenbach. Ein deutliches Zeichen gegen Rassismus und Faschismus setzen - das will Rudolf H. Schneider. Der Gladenbacher hat sich deshalb für die Neugestaltung der Gedenkstätte am Aufgang zur ehemaligen Synagoge der jüdischen Gemeinde stark gemacht. Am
'Erinnerungsplatz' in der Burgstraße enthüllte Schneider am Donnerstag gemeinsam mit Bürgermeister Peter Kremer auch eine Gedenktafel.
'Die Tafel soll vor allem jungen Menschen zur Information und zum Nachdenken
dienen', sagte Schneider während der kleinen Einweihungsfeier. Der Initiator erinnerte an den März 1945, als auch das Hinterland mit dem Einmarsch der Amerikaner von der nationalsozialistischen Herrschaft befreit wurde. Damals gab es keine jüdische Gemeinde mehr in Gladenbach.
Deren über 300-jährige Geschichte will Schneider nun mit einem von ihm verfassten Text für die Tafel wach halten...."
Link
zum Artikel |
Links und Literatur
Links:
Quellen:
Hinweis
auf online einsehbare Familienregister der jüdischen Gemeinde Gladenbach |
In der Website des Hessischen Hauptstaatsarchivs
(innerhalb Arcinsys Hessen) sind die erhaltenen Familienregister aus
hessischen jüdischen Gemeinden einsehbar:
Link zur Übersicht (nach Ortsalphabet) https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/llist?nodeid=g186590&page=1&reload=true&sorting=41
Zu Gladenbach sind vorhanden (auf der jeweiligen Unterseite zur
Einsichtnahme weiter über "Digitalisate anzeigen"):
HHStAW 365,913 Sterberegister der Juden von Gladenbach 1839 -
1874; enthält Verordnungen zur Führung der jüdischen
Personenstandsregister, Alphabetisches Namensverzeichnis zum
Sterberegister von Breidenbach, Jüdisches Sterberegister https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v3946048
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Literatur:
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. I S. 265-267. |
| Hans-Christian Mika: Materialien zur Geschichte der
Juden in Gladenbach. Gladenbach 1980. |
| Keine Artikel bei Thea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit
1945? 1988 und dies.: Das jüdische Rituelle Tauchbad und: Synagogen in
Hessen. Was geschah seit 1945 Teil II. 1994, da von der Synagoge nichts
erhalten blieb. |
| Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.):
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der
Verfolgung 1933-1945. Hessen II Regierungsbezirk Gießen und Kassel. 1995 S.
148-149. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. 408-409. |
| Jürgen
Runzheimer: Abgemeldet zur Auswanderung. Die Geschichte der Juden im
ehemaligen Landkreis Biedenkopf. Bd. 1 Biedenkopf 1992. Bd. II 1999
(Beiträge zur Geschichte des Hinterlandes Bd. III und Bd. VII.
Hinterländer Geschichtsverein e.V.). |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Gladenbach
Hesse-Nassau. Established before 1770, the community numbered 160 (13 % of the
total) in 1861 and 184 (12 %) in 1905. A new synagogue was dedicated in 1891.
Although anti-semitic propaganda increased from 1885, Jews were elected to the
village council. Affiliated with the rabbinate of Marburg and numbering 103 (6
%) in 1933, the community fell victim to Nazi aggression. By November 1938, only
11 elderly Jews remained. The synagogue, partly destroyed on Kristallnacht
(9-10 November 1938), was demolished three months later. By mid-1940 all the
Jews had left.
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