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Odenwaldkreis"
Michelstadt (Odenwaldkreis,
Hessen)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Michelstadt bestand eine jüdische Gemeinde bis 1938. Ihre Entstehung geht in
die Zeit des 17. Jahrhunderts zurück. Um 1650 lebten zwei jüdische
Familien in der Stadt, 1786 waren es 18 Familien, 1791 104 jüdische Einwohner.
Große Bedeutung erlangte Michelstadt in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts
durch das Wirken von Rabbi Seckel Löb Wormser (1768-1847), der
Wundermann ("Baal Schem" von Michelstadt. Bevor er
als Rabbiner wirken durfte, gründete er eine Talmudschule, die weltbekannt
wurde und in der er um 1800 bis zu 70 Schüler unterrichtete. Seit 1811
nahm er Rabbinatsfunktionen in Beerfelden,
Reichelsheim,
Fränkisch
Crumbach und (Bad) König
wahr, 1823 bemühte er sich um eine feste Anstellung in der Grafschaft Erbach.
Neben ihm war - vor allem auch in Michelstadt selbst - der Vorsänger und
Schochet Wolf Muhr als Rabbiner tätig. Nach dem Tod der beiden 1846 und 1847
wurde der Rabbinatsbezirk Michelstadt aufgelöst und dem Rabbinat Darmstadt
zugeteilt. Pläne um 1895, das Rabbinat wieder zu errichten (siehe Artikel
unten) blieben erfolglos.
Die Zahl der jüdischen Einwohner entwickelte sich im 19. Jahrhundert
in Michelstadt wie folgt: 1828 177 jüdische Einwohner, 1861 192 (6,2 % von
insgesamt 3.098 Einwohnern), 1871 194 (6,0 % von 3.247), 1880 175 (5,3 % von
3.296), 1900 124 (3,8 % von 3.224), 1910 126 (3,5 % von 3.630).
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine jüdische Schule,
ein rituelles Bad und ein Friedhof.
Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war zur Zeit des Rabbiners
Wormser der bereits genannte Rabbiner, Vorsänger und Schochet Wolf Muhr am Ort.
Später war ein Lehrer angestellt, der auch als Vorbeter und als Schochet
tätig war (vgl. Ausschreibungen der Stelle unten). Als Lehrer waren tätig:
nach dem Tod der beiden Rabbiner Wolf Muhr (1846) und Sechel Löb Wormser (1847)
zunächst Lehrer Hirsch Levi (1845-1865), danach Lehrer Baruch Plaut (1865-1875), Lehrer
Jakob Gottschall (1875-1900), Lehrer Abraham Fröhlich (1900-1911), Lehrer Arno
Bick (1912-1922), dann vermutlich der Höchster Lehrer Hermann Kahn (1922-1924),
Lehrer Leo Grünfeld (1924-1925), Frank (1925-1926), dann wieder Hermann Kahn aus
Höchst (1927), Lehrer Salomon Neumann (1928-1929), Lehrer Max Moddel
(1929-1930), Lehrer Leopold Strauß (1930-1937).
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde: Abraham Fleischer
(geb. 3.9.1892 in Mülbach, gef. 22.3.1915) und Ludwig Strauß (geb. 11.3.1893
in Trebur, gef. 25.10.1918).
Um 1924, als noch 99 jüdische Einwohner gezählt wurden (2,5 % von 3.013
Einwohnern), waren die Gemeindevorsteher Heinrich Oppenheimer, Otto
Reichardt und S. Hecht. Als Lehrer, Kantor und Schochet war Leo Grünfeld tätig.
Er erteilte auch fünf jüdischen Kindern in Bad
König den Religionsunterricht. In Michelstadt hatte er damals 19 Kinder zu
unterrichten. 1932 waren die Gemeindevorsteher Emil Straus (1. Vors.),
Otto Reichardt (2. Vors.); als Schatzmeister ist Hugo Katz eingetragen. Als
Lehrer war nun Leo (Leopold) Strauss tätig. Er unterrichtete im Schuljahr 1931/32 13 jüdische
Kinder. An jüdischen Vereinen gab es insbesondere die beiden Chewroth:
Frauenchewra und Männerchewra.
1933 lebten 91 jüdische Personen in der Stadt, von denen in den
folgenden Jahren noch 48 emigrieren konnten. Die letzten der verbliebenen
Gemeindeglieder (14 Personen) wurden aus Michelstadt im März und September 1942
ab Darmstadt - wie alle im Kreis Erbach und Dieburg verbliebenen - deportiert.
1943 wurde noch Lizzi Wassum geb. Ascher deportiert und in Auschwitz ermordet
(sie war getaufte Jüdin).
Von den in Michelstadt geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften
jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den
Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den
Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Erna
Bertha Bacharach geb. Strauss (1899), Luise Cohn geb. Haas (1880), Sara Feilmann
geb. Plaut (1871), Albert Haas (1874), Anna Haas geb. Kayem (1892), Isabella
(Bella) Haas geb. Strauss (1897), Fred Haas (), Karl Haas (1874), Leopold Haas
(1882), Margerit (Margrit, Marquitta) Haas (1924), Werner Josef Haas (1926),
Hedwig Jakobi geb. Joseph (1870), Auguste Kahn (1867), Emanuel Kahn (1870),
Laura Kahn geb. Rais (1897), Paula Kahn (1902), Rosa Kander geb. Menges (1883),
Doris Katz (1924), Hugo Katz (1882, siehe Kennkarte unten), Lina Katz geb. Reichhardt (1882), Martha
Katzenstein geb. Speyer (1899), Flora Krieg geb. Dreifuss (1883), Hedwig
Ladenburger geb. Ettlinger (1899), Sidonie (Sydonia) Löbmann geb. Marx (1888),
Alfred Lorch (1899), Franziska Lorch geb. Oppenheimer (1903), Anna Lesem geb.
Speyer
(1897, oder Losem), Gertrude Meier geb. Speyer (1903), Johanna Morgenthau
(1875), Ludwig Neu (1886), Meta Neu (1882), Moses Neu (1884), Adolf Neumann
(1880), Babette Oppenheimer geb. Speyer (1873), Heinrich Oppenheimer (1875),
Leopold Oppenheimer (1871), Mathilde Oppenheimer geb. Ettlinger (1904), Dr.
Michael Friedrich Oppenheimer (1904), Emilie Reichhardt geb. Jonas (1885),
Gertrud Reichhardt (1929), Lotte Reichhardt (1921), Otto Reichhardt (1878), Edgar G. Rothschild (1929),
Meta Rothschild geb. Levi (1897), Moritz Rothschild (1890), Adolf Straus (1869),
Emil Straus (1879), Frieda Straus geb. Nebel (1884), Rosa Straus geb. Hirsch (1872), Aron Strauss (1873), David Strauss (1930),
Emanuel Strauss (1868), Herbert Strauss (1932), Jenny Strauss geb. Spier (1885), Johanna Strauss geb.
Mayer (1866), Lina Strauss geb. Lindheimer (1873), Max Strauss (1870), Max
Strauss (1896), Max Strauss (1907), Michael Strauss (1933), Mina Strauss (1900),
Uri M. Strauss (1933), Wilhelm Strauss (1902), Lizzi Wassum geb. Ascher
(1888), Rosi (Rosa) Weber geb. Rais (1893.
Hinweis: für viele der genannten Opfer der Verfolgungszeit wurden in
Michelstadt "Stolpersteine" verlegt, vgl.
Berichte zur
Erinnerungsarbeit vor Ort unten und die Zusammenstellung
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Michelstadt
für die aus Michelstadt stammende Paula Kahn (1897-1964) liegt ein
"Stolperstein" in Ravensburg.
Nach 1945: Eine neue jüdische Gemeinde hat sich
durch die Zuwanderung einiger jüdischer Familien aus den Ländern der
ehemaligen Sowjetunion in den 1990er-Jahren gebildet.
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer und der Schule
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1865 /
1875 / 1876 / 1900 / 1911 / 1922 / 1925
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. Juni 1865: "Die
Stelle eines Lehrers und Vorbeters der israelitischen Gemeinde Michelstadt
ist neu zu besetzen. – Hierauf Reflektierende belieben sich wegen des
Näheren unter genauer Angabe ihrer bisherigen Wirksamkeit an den
Unterzeichneten zu wenden. Michelstadt. Der Vorstand der israelitischen
Gemeinde Albert Strauß." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. Oktober 1875: "Gesuch.
Bei der hiesigen israelitischen Gemeinde ist die Stelle eines Lehrers,
Vorbeters und Schächters alsbald zu besetzen. Seminaristisch gebildete
Lehrer erhalten den Vorzug. Jährliches Einkommen circa 1.200 Mark ohne
Nebenverdienst. Bewerbungen sind nebst Zeugnissen baldmöglichst
einzureichen. Michelstadt, den 8. Oktober 1875. Der Vorstand des
israelitischen Gemeinde: Lyon." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. August 1876: "Lehrer-,
Kantor- und Schächterstelle sofort zu besetzen. Gehalt fix 900 Mark
nebst den nicht unbedeutenden Schächtgebühren. Durch die hiesige
Realschule ist reichliche Gelegenheit zur Erteilung von Privatunterricht
geboten. Qualifizierte Bewerber wollen sich baldigst an Unterzeichneten
wenden. Michelstadt, den 17. August 1876. Der Vorstand der israelitischen
Gemeinde. Lyon." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. August 1876: "Vorbeter,
zugleich Baal Tokea, für die ernsthaften Tage gesucht.
Michelstadt, den 17. August 1876. Der Vorstand der israelitischen
Gemeinde. Lyon." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. August 1900: "Lehrergesuch!
Nachdem Herr Lehrer Gottschall seines hohen Alters wegen, die schon, seit
24 Jahren innehabende Stelle als: Religionslehrer, Vorbeter, Schochet und
Friedhofskommissär zu allgemeinem bedauern gekündigt hat, wird solche
hiermit zur Neubesetzung ausgeschrieben. Geeignete seminaristisch
gebildete Bewerber wollen Ihre Offerten mit genauer Personalbeschreibung,
nebst Zeugnisabschriften alsbald an unterfertigte Stelle einreichen.
Bemerkt wird, dass die Stelle mit Nebeneinkünften ca. Mark 1.800
einträgt. Michelstadt, hessischer Odenwald, 14. August 1900. Der
Vorstand der israelitischen Religionsgemeinde Michelstadt:
Speyer." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. September 1911:
"In unserer Gemeinde ist die Stelle eines seminaristisch gebildeten Religionslehrers,
Kantors und Schochets baldigst zu besetzen. Gehalt nebst festem
Nebeneinkommen ca. 2.600 Mark sowie Pensionsberechtigung. Bewerber wollen
sofort ihre Gesuche nebst Zeugnisabschriften und Lebenslauf an
Unterzeichneten einreich. Der Vorstand der israelitischen Gemeinde
Michelstadt Theodor Strauß." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. März 1922:
"Wegen Übergang des bisherigen Lehrers in den Staatsdienst ist die
hiesige Religionslehrerstelle möglichst bald zu besetzen. Mit
derselben ist das Amt des Vorbeters und Schochets verbunden. Die Rechnungsführung
für die israelitische Gemeinde, sowie die 'Speyer'sche Stiftung' und
Friedhofsverband werden bei eventueller Übernahme extra honoriert.
Oberrealschule, höhere Töchterschule und staatliche Gewerbeschule am
Platz. Bewerber belieben Gesuche mit Gehaltsangabe an den Unterzeichneten
zu richten. Ledige Bewerber erhalten den Vorzug.
Michelstadt, den 20. März 1922. Der Vorstand der israelitischen
Gemeinde. Theodor Strauß." |
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Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 26. Oktober 1922:
"Wir suchen per sofort einen seminaristisch geprüften, orthodoxen Lehrer,
der auch als Schochet und Chasan (Vorsänger) zu fungieren
hat. Fixum 100 mille. Erhebliche Nebeneinkommen. Einkommen in der staatlichen
Pensionskasse. 2. Lehrerprüfung erwünscht. Sofortige Verwendung an
landwirtschaftlicher Winterschule und staatlicher Gewerbeschule mit ca. 20
Wochenstunden bei zeitgemäßer Besoldung möglich, für Mathematik, Deutsch
etc.). Wohnungsbeschaffung vorläufig nur für ledigen Herrn möglich.
Angeh. Bewerbungen unter Beifügung von Referenzen und Zeugnisabschriften
erbeten an den
Vorstand der Israelitischen Gemeinde Michelstadt: Theodor
Strauß." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. Februar 1925:
"In hiesiger Gemeinde ist die Stelle eines Religionslehrers,
Kantors und Schochets per 1. Juni eventuell früher zu besetzen. Die
Besoldung erfolgt nach staatlichen Grundsätzen. Bewerber wollen
ausführliche Angebote mit Zeugnisabschriften und Lebenslauf einreichen.
Israelitische Gemeinde Michelstadt in Hessen. Der Vorsteher: Heinrich
Oppenheimer." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. Oktober 1925:
"Wir suchen per sofort oder 1. Januar 1926 Religionslehrer, Kantor
und Schauchet. Gehalt nach staatlicher Besoldung und Möglichkeit zu
guten Nebenverdiensten. Bewerber (Reichsdeutsche) mit nur Ia Zeugnissen
und Empfehlungen belieben sich zu melden
Vorstand der israelitischen Gemeinde Michelstadt (Hessen). Heinrich
Oppenheimer." |
Zum Wegzug von Lehrer Hirsch Levi nach Frankfurt (1865)
Anmerkung: es handelt sich um Lehrer Hirsch Seligmann Levi
(geb. 19. März 1817 in Freudental als
Sohn von Seligmann Joseph Levi und seiner Frau Babette geb. Maier). Dieser
studierte 1833 bis 1836 am Lehrerseminar in Esslingen (Hahn, Jüdisches Leben in
Esslingen S. 461) und war
seit 1851 (in Darmstadt) verheiratet mit Jette geb. Rosenbaum
(geb. 21. Juni 1817 in Baiertal als Tochter der
Esther Ermann (Ehrmann) aus Nußloch, Vater unbekannt).
Als Lehrer war er vermutlich zunächst in den württembergischen Gemeinden
Ernsbach und Weikersheim tätig (Hahn ebd.), seit ca. 1845 (vgl. Bericht von
1865 unten: "seit mehr als zwanzig Jahren") in Michelstadt. In
Michelstadt sind vier Kinder des Ehepaares geboren (ein frühverstorbenes Kind
1852, die Tochter Bertha geb. 1853, die Tochter Pauline geb. 1855 und die
Tochter Emilie geb. 1858). Quelle: Familienregister
Freudental 925,133.
Über die weitere Geschichte von Lehrer Hirsch Levi nach Wegzug nach Frankfurt
1865 liegen noch keine Informationen vor.
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. Juni 1865: "Michelstadt.
Unserem schlichten Städtchen, das sich so selten der Erwähnung in einem
öffentlichen Blatt erfreut, umso mehr aber im Munde des Volkes durch
seinen dahingegangenen Rabbinen HaRaw HaGadol Raw Sekel Lew – seligen
Andenkens – einen guten Klang hat, steht ein bedeutender Verlust
bevor. – Unser hoch geehrter Herr Lehrer Levi, der schon seit mehr als
zwanzig Jahren die hiesige Lehrer- und Predigerstelle zur allgemeinen
Zufriedenheit bekleidete, wird schon dieser Tage unsere Gemeinde verlassen
und in Frankfurt eine bessere Stelle antreten. Die dankerfüllten Schüler
dieses Mannes fühlen diesen herben Verlust wohl am meisten, da unser Herr
Lehrer nicht nur durch seine lebendige, ansprechende Unterrichtsweise,
sondern auch durch sein freundlich herzliches Entgegenkommen unsere Herzen
gewann. Aber auch in das Gemüt eines jeden Einzelnen schlägt das
Scheiden dieses jahrelangen Leiters unserer Gemeinde eine tiefe Wunde;
denn abgesehen davon, dass es schwer fallen wird, unter gleichen
Bedingungen einen würdigen Nachfolger zu finden, der, wie sein
Vorgänger, sein ganzes wohl der Ausübung seiner Amtspflichten opfert, so
wird man auch das wohlwollende Wesen, mit welchem er Jedem durch Rat und
Tat an die Hand ging, empfindlich vermissen. Möge diesen biederen
Ehrenmann auch ferner Gottes sichtbarlicher Segen begleiten, und dessen
zukünftiges Wirken von ebenso glücklichen Erfolgen gekrönt sein, als
dies bei uns der Fall war! Möge es aber andererseits auch unserer
Gemeinde gelingen, einen Mann heranzuziehen, der das schwierige Amt eines
Lehrers so handhabt, wie es, vom jüdischen Standpunkt betrachtet,
erforderlich ist! E." |
Neujahrsgrüße von Lehrer Jakob Gottschall und Frau (1898)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. September 1898:
"Herzlichste Glückwünsche zum neuen Jahre 'Einschreibung und
gute Besiegelung"
senden wir hierdurch allen lieben Freunden und Bekannten
Lehrer J. Gottschall und Frau, Michelstadt im
Odenwald." |
Auszeichnung für Lehrer Jakob Gottschall (1900)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. Dezember 1900: "Michelstadt,
10. Dezember (1900). Eine seltene Auszeichnung wurde dem seit Ende Oktober
in den Ruhestand getretenen Herrn Lehrer Gottschall dahier zuteil. In
ehrender Anerkennung seiner langjährigen pflichtgetreuen Dienste wurde
ihm am Geburtstage Seiner Königlichen Hoheit, des Großherzogs von
Hessen, der Verdienstorden 'Philipp des Großmütigen' verliehen.
Möge der Orden noch lange Jahre die Brust des wackeren Jugenderziehers
schmücken." |
Zum Tod von Lehrer Jakob Gottschall (1903)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. Dezember 1903:
"Höchst i.O., 4. Dezember. Ein großer Trauergefolge bewegte sich
vergangenen Sonntag nach dem israelitischen Friedhofe Michelstadt. Galt
es doch, dem nach 55jähriger, ersprießlicher Tätigkeit als
Religionslehrer und Jugendbildner, in die ewige Heimat abberufenen Herrn
Jakob Gottschall die letzte Ehre zu erweisen. Seine Ehrwürdigen Herr
Landesrabbiner Dr. Marx aus Darmstadt widmete dem Entschlafenen in der
Friedhofshalle einen überaus ehrenden Nachruf. Unter Zugrundlegung der
Textwort: 'und Jakob ging weg aus Beer Sheba und er ging nach Haran'
verglich Redner den von uns Hinweggegangenen Jakob Gottschall mit unserem Stammvater
Jakob unserem Vater. Wie bei dem Wegzuge unseres Patriarchen Jakob der
Glanz, das Licht und der Ruhm von seiner Heimat schwand, so sei auch
mit dem Wegzuge dieses Mannes der Ruhm, |
der
Glanz und das Licht der israelitischen Gemeinde Michelstadts erloschen.
Weiter entwickelte der Herr Rabbiner ein ergreifendes Lebensbild des
Entschlafenen in Bezug auf seine dreifache Tätigkeit als Familienvater,
als Lehrer einer Religionsgemeinde und als ein, seiner Verpflichtungen
gegen die Allgemeinheit sich bewusster Mensch. Auch ihm würden sich, wie
unseren Frommen, drei Engel vom Gottesthrone nahen und ihm zurufen:
'Friede mit Dir! Lohn wird Dir werden für Deine aufopfernde Liebe und
Treue Deinen Angehörigen gegenüber, Lohn wirst Du empfangen für die
Saat, die Du in langen Jahren hingebendester Tätigkeit in die
empfänglichen Kinderherzen gestreut hast, Lohn wirst Du erhalten für
Deine allumfassende Menschenliebe, die auch dem sorgenvollsten, sich Dir
nahenden, einen Lichtblick gewährte.' Wohl sei der Stand der jüdischen
Kultusbeamten nicht auf Rosen gebettet und auch der Dahingeschiedene
hätte die Not des Lebens gelernt; aber diejenigen, die mit Tränen säen,
tröstete der Landesrabbiner, würden in hellem Jubel die Früchte ihrer Tätigkeit
vor dem Throne des allmächtigen Vaters im Himmel einst ernten und
genießen. Nach der fast einstündigen Rede des Herrn Rabbiners ergriff
der Vorsitzende des israelitischen Lehrervereins in Hessen, Herr
Wertheimer, Heldenbergen, das Wort, um in kurzer, markiger Rede Abschied
zu nehmen von dem teuren Freunde, dem gewissenhaften Kollegen, dem erst
arbeitenden Vereinsmitgliede, und ihm Dank zu sagen für seine selbstlose
Tätigkeit im Interesse der sozialen Besserstellung der israelitischen
Lehrer Hessens. Der Nachfolger des Entschlafenen, Herr Fröhlich -
Michelstadt, hob in seiner Ansprache insbesondere hervor, dass auch unser
allverehrter Landesfürst, Seine königliche Hoheit Großherzog Ernst
Ludwig, die Verdienste Gottschalls anerkannte, indem er ihm den Orden
Philipps des Großmütigen verlieh; dass der Gesangverein 'Liederkranz' es
sich nicht nehmen ließ, seinem früheren Dirigenten vor dem Sterbehause
einen Abschiedsgesang zu widmen und dass auch Direktion und Lehrkörper
der Großherzoglichen Realschule, dem langjährigen Religionslehrer dieser
Anstalt, das Ehrengeleite gaben. Weiter betonte Herr Fröhlich das Sterben
des Seligen nach Vervollkommnung, sein Sehnen, durch peinlichste
Gewissenhaftigkeit alle seine Schüler zu tüchtigen, ehrenvollen Menschen
zu machen und seinen süßesten Lohn, seine Lehren, in die Tat umgesetzt
zu sehen. Von der Friedhofshalle aus, in welcher Gottschall so oft und so
herzlich Vielen Trost zugesprochen, wurden dann die sterblichen Überreste
dieses Großen in Israel - der mit den Kronen der Gelehrsamkeit und des
guten Namens geschmückt war - der kalten Erde übergeben. Sein Geist aber
lebt weiter in unserer Mitte und wird uns ein Ansporn sein, ihm ähnlich
zu werden. 'Zum ewigen Gedenken sei der Fromme!' Nach
erfolgter Beerdigung statteten die Lehrer des Odenwaldbezirks dem Herrn
Landesrabbiner einen Besuch ab und baten ihn, bei einem alle vier Wochen
zu veranstaltenden Lernen in Mischna und Dinim
(Religionsgesetzen) den Vorsitz zu übernehmen. Hoch erfreut über diesen
Lerneifer willigte Herr Dr. Marx ein und bestimmte die erste Zusammenkunft
für Sonntag, den 6. Dezember nach Reinheim. Möge dieses Beispiel auch
Andre aneifern, immer mehr und mehr sich dem Studium unserer heiligen
Lehre zu widmen. H.K." |
|
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 22. Januar 1904: "Michelstadt,
im Januar (1904). Am 26. vorigen Monats stark plötzlich infolge eines
Herzschlages der pensionierte Lehrer Jacob Gottschall im Alter von 78
Jahren. Er fungierte als Religionslehrer und Kantor in Schornsheim
(Rheinhessen), Viernheim und
Michelstadt i.O., in letzterer Gemeinde ca. 25 Jahre. Hier wurde er auch
an der großherzoglichen Realschule sofort als israelitischer
Religionslehrer angestellt. Die verschiedenen Dirigenten der Schule
schätzten ihn hoch und anerkannten seine unterrichtlichen Erfolge. Vor
ca. 2 Jahren, als er in Pension trat, legte er auch dieses Amt
krankheitshalber nieder. Seine musikalische Befähigung wurde in
Michelstadt bald bekannt, und der Gesangverein 'Liederkranz', dem die
besseren Elemente der Stadt angehören, wählte ihn zu seinem Dirigenten.
Er wurde mit der Zeit Freunde und Berater und Helfer vieler Familien der
Stadt; er diente Arm wie Reich in gleicher Liebe und Hingebung. So kam es,
dass er von allen wieder geliebt wurde, was sich deutlich bei seinem
Leichenbegängnisse zeigte. Am Grabe entwarf Rabbiner Dr. Marx-Darmstadt
ein getreues Lebensbild des verdienten Lehrers, des sorgenden Gatten und
Vaters, des treuen Freundes und Kollegen, das Herzen rührte und vielen
Tränen in die Augen lockte. Darnach ergriff Lehrer Wertheimer –
Heldenbergen als Vorsitzender des israelitischen Lehrervereins im
Großherzogtum Hessen das Wort, um dem Heimgegangenen, der seit Gründung
des Vereines eines seiner eifrigsten Mitglieder war, warme Worte des
Nachrufes zu widmen. Er betonte, dass er der Stolz des Vereines war, zu
dem alle Mitglieder mit Hochachtung und Verehrung aufblickten. Er blieb
bis zum Ende der treue, aufopfernde Lehrer. Nebst verschiedenen
Remunerationen seitens der großherzoglichen Staatsregierung verlieh ihm
der Großherzog das silberne Kreuz des Verdienstordens Philipps des
Großmütigen." |
Suche eines Hilfsvorbeters für die hohen Feiertage (1915)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. August 1915: "Wir
suchen für die hohen Feiertage einen Hilfsvorbeter.
Offerten nebst Gehaltsansprüche umgehend erbeten.
Der Vorstand der Israelitischen Gemeinde Michelstadt. Theodor Strauß." |
Regelung der Lehrerbesoldung (in der Inflationszeit 1922)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. Juli 1922: "Darmstadt, 27.
Juni. Die 'Arbeitsgemeinschaft' schreibt: Nach gütlichem
Übereinkommen mit der Verwaltung der israelitischen Gemeinde Michelstadt
hat diese dem neu anzustellenden Lehrer und Kantor ein festes Gehalt von
40.000 Mark sowie Einkauf in die Fürsorgekasse für Gemeindebeamte
bewilligt. Wir empfehlen die Stelle der allgemeinen Bewerbung und
bemerken, dass tüchtigen Kollegen neben der Schechitoh noch
reichlich Gelegenheit zu Nebenverdiensten durch Privatstunden namentlich
in den Handelsfächern und der Musik geboten ist." |
Erinnerungen an Lehrer Leopold Strauss (bis 1937
Lehrer, Kantor und Schochet der jüdischen Gemeinde Michelstadt; im November 1937
nach Frankfurt gezogen)
Vgl. Website einer Enkelin von Leopold Strauss https://anneinpt.wordpress.com/family-history/
Aus der Geschichte des Rabbinates in
Michelstadt
Bilder von Rabbiner Wormser sowie zwei Dokumente aus dem Staatsarchiv Darmstadt
zur Beantragung seiner festen Anstellung 1823
(übernommen aus Arnsberg, Bilder s.Lit. S. 151)
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Rabbiner Seckel
Löb Wormser, der "Baalschem" von Michelstadt |
Der alte,
nicht mehr vorhandene Grabstein für S. K. Wormser |
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Gesuch
von Isaac Löw Mathes Wörmser zu Michelstadt vom 24. Juni 1823:
'Seiner hochgräflichen Erlaucht, dem regierenden Herrn Grafen Albert zu
Erbach, Herrn zu Breuberg und Rothenberg; untertänigste Bitte des Isac
Löw Matthes Wormser, zu Michelstadt (um) Gnädigste Anstellung als Rabbi
in dem Umfange der Grafschaft Erbach..." |
|
Auszugsweise
Zitat: "Erlauchtester Graf, Gnädigster Graf und Herr... Vor einigen
Tagen wurden die hiesige Judenschaft sowohl, als die übrigen
Judenschaften der gesamten Grafschaft Erbach von der Regierung durch den
Landrat aufgefordert, zu erklären, ob sie wünschen, in
Rabbiner-Angelegenheiten künftig unter dem Oberrabbi zu Darmstadt zu
stehen, oder ob es ihr Wunsch sei, einen eigenen Rabbi zu haben. Die
Meinung der Deputation der hiesigen Gemeinde sprach sich für einen
eigenen Rabbi aus. Nun, Gnädigster Graf und Herr, bin ich ein Landeskind,
ohne alles Vermögen im Besitze einer sehr zahlreichen Familie, studiere
seit vierzig Jahren als Rabbi, habe dreifach als Rabbi promoviert, ...
seit 1811 ist mir von der Gräflichen Regierung die Erlaubnis erteilt, in
den Distrikten Beerfelden, Reichelsheim, Fränkisch Crumbach und König,
auf Verlangen, die Verrichtungen eines Rabbi auszuüben, und wünsche
jetzt eine feste Versorgung. Ich erlaube mir daher zur hohen Gnade Eurer
Hochgräflichen Erlaucht, die untertänigste Bitte zu erlassen: um
gnädigste Anstellung als Rabbi in dem Umfange der Grafschaft
Erbach-Fürstenau. In tiefster Ehrfurcht ersterbend, Erlauchtester Graf,
Gnädigster Graf und Herr! Eurer Hochgräflichen Erlaucht untertänigster
Isak Löw Matthes Wormser." |
Rabbi Sekel Wormser aus Michelstadt hilft der Gemeinde Neckarsulm
um 1830 in einer Notlage (1931)
Artikel in der "Gemeinde-Zeitung für die Israelitischen Gemeinden
Württembergs" vom 16. September 1931:
"Der Rabbi als Arzt. Von Oberlehrer Kulb, Öhringen.
Es dürften etwa hundert Jahre her sein, als der in weiten Kreisen und
über seine engere Heimat hinaus berühmte Rabbi Sekel Wormser seligen
Angedenkens - genannt Baal Schem von Michelstadt - geehrt
und geachtet und in hohem Ansehen stehend, segensreich wirkte. Nicht nur
in religiösen Fragen wandte man sich an den gelehrten und frommen Mann,
sondern auch in Dingen, deren Beurteilung man von Ärzten erhoffte. So
geschah es, dass in der Gemeinde Neckarsulm
die Knaben - und es waren deren mehrere - nacheinander in den besten
Kindesjahren vom Tode hinweggerafft wurden, während die Mädchen am Leben
blieben. Man wusste lange Zeit keinen Rat, um so mehr die befragten Ärzte
vor einem Rätsel standen. In ihrer Not wandte sich eine Familie an den
berühmten Rabbi in Michelstadt im Odenwald mit der Frage, was zu
tun sei, um ein inzwischen geborenes Knäblein am Leben zu erhalten.
Man bat nicht vergebens: die Antwort des großen Rabbi lautete, dass man
den Knaben bis zu seiner Barmizwah nur in weiße Gewänder kleiden solle.
Die Eltern freuten sich über den Bescheid, befolgten den Rat des weisen
Rabbi und waren ihrem Gotte und dem gelehrten Manne überaus
dankbar.
Der Knabe wuchs zur Freude seiner Eltern zum Manne heran. Er übte als
wahrer Menschenfreund viel Gutes und segnete nach Beendigung des
Weltkrieges, geachtet und geehrt als langjähriger Vorsteher, das
Zeitliche. Sein Name - Julius Reinganum - lebt in der Geschichte Göppingens
in ehrendem Andenken
weiter." |
Zum Tod von Rabbi Isaak Löb (Seckel Löb) Wormser (1847)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 18. Oktober 1847:
"Michelstadt
(auf dem Odenwalde, im Großherzogtum Hessen), 29. September (1847). Eine
Trauerfeier seltener Art bewegte am 16. dieses Monats unsere Stadt. Der
berühmte und würdige Rabbi Isaak Löb Wormser ist heimgegangen zu seinen
Vätern. Schon längere Zeit mit den beschwerden des Alters kämpfend, ist
er am 13. dieses Monats gegen Abend gottergeben und noch mit sterbender
Stimme seinen Herrn preisend, zur Ewigkeit eingegangen, im 76. Jahre
seines Lebens. Tiefe und aufrichtige Trauer erregt sein Tod nicht nur bei
seinen Hinterlassenen, die nun durch diesen harten Schicksalsschlag aller
Stütze und Versorgung beraubt, der bittersten Armut und dem größten
Elend preisgegeben sind, sondern auch bei seinen zahllosen Gönnern,
Verehrern und Freunden in dem ganzen Rabbinatsbezirke und weit hin über
die Grenzen Deutschlands, Europas, ja selbst über den Ozean wird sein
Hingang von gläubigen Herzen beklagt und betrauert werden. So einfach und
geräuschlos sein Leben und Wirken in unserer Mitte war, so berühmt und
allgemein bekannt und hoch geschätzt war er durch seine Frömmigkeit,
seine tiefe Lehrweisheit, seine felsenfeste Treue am Gotte Israelis und
seine unbegrenzte Wohltätigkeit bei Israeliten und Nichtisraeliten. Sein
ganzes Leben, das in Entbehrungen, Entsagungen und Aufopferungen bestand,
war nur der Beglückung seiner Mitmenschen ohne Unterschied des Glaubens
gewidmet, viele Tränen der Armut und des Unglücks trocknete er, manches
wunde Herz hat er geheilt und manchen Kummer als Freund und Tröster
brüderlich geteilt und gelindert. In welch allgemeiner Verehrung und
Liebe er hier und in der Umgegend gestanden war, bewies sein
Leichenbegängnis, bei welchem eine gewiss sehr seltene Teilnahme
betätigt wurde, denn über achthundert verschiedener Konfessionen
Angehörige schlossen sich dem Leichenzuge an. Schon abends vorher und mit
kommendem Tagesanbruch sah man von allen Seiten, zum Teil aus
beträchtlicher Ferne, Freunde und Verehrer des Verstorbenen in Menge
herbeiströmen. Gegen 10 Uhr bewegte sich der Zug in der musterhaftesten
Ordnung durch die Stadt, wie folgt: Dem Sarge, getragen von den
Vorständen des Rabbinatsbezirks, folgten drei israelitische Lehrer,
welche große in Flor gehüllte Folianten, die geschriebenen talmudischen
Abhandlungen des Verstorbenen, trugen. Den hierauf folgenden Angehörigen
des Verstorbenen hatte sich die israelitische Schuljugend angeschlossen
und dieser folgte Herr Rabbiner Dr. Auerbach von Darmstadt, welcher
gekommen war, seinem greisen Kollegen die letzte Ehre zu erweisen,
begleitet von Herrn Levi, Lehrer und Vorsänger der |
hiesigen
israelitischen Gemeinde und Herrn Fromm, dem Privatlehrer des
Verstorbenen. Hierauf folgten zwei hiesige evangelische Geistliche, die
Geistlichen von Erbach, viele auswärtige israelitische Lehrer und die
Lehrer der hiesigen Real- und Stadtschulen. Auch Seine Erlacht, der
regierende Graf zu Erbach-Fürstenau hatten die Gnade, Seine Achtung dem
Verblichenen durch eine Deputation zu bezeugen, welcher sich nun der
Landrat des Bezirks, der hiesige Beigeordnete und Gemeinderäte
anschlossen. Sodann folgten zahlreiche Beamte und Bürger, und eine
unabsehbare Reihe israelitischer Glaubensgenossen beiderlei Geschlechts
– die zum Rabbinatsbezirk gehörenden Orte nach alphabetischer
Rangordnung eingeteilt – beschloss endlich den Zug. Erst vor der Stadt
begann der Wechsel der Leichenträger, welcher sich nun oft wiederholen
musste, um es auch den übrigen zum Rabbinatsbezirke gehörigen Gemeinden
möglich zu machen, ihren verehrten Rabbiner zur Ruhestätte bringen zu
können. Alles dies ist aber in so großer Ordnung vor sich gegangen, dass
der Zug fast nicht die mindeste Unterbrechung erlitt. Auf dem Friedhofe
angekommen, hatten sich schon zahlreiche Zuhörer daselbst versammelt, und
nachdem die üblichen Gebete und Gebräuche verrichtet waren, hielt Herr
Dr. Auerbach die erste Rede; nach diesem trat der eine evangelische
Geistliche, Herr Mitprediger Bauer, auf, an dessen Rede sich noch zwei
andere reihten, gehalten von Herrn Fromm und Herrn Levi. Hierauf folgten
nun die Schlussworte, gesprochen von Herrn Stadtpfarrer Hessig. Sämtliche
Redner hoben in höchst ansprechender Weise die Tugenden und Verdienste
des Seligen hervor und zeigten, welche Stütze des Judentums mit ihm
gebrochen, welche Hoffnung mit ihm hinabsank, wie seine ganze Kraft seinem
wichtigen und heiligen berufe gewidmet war, und wie Wohl tun gegen
Jedermann, ohne Unterschied des Glaubens, der Grundzug seines biederen
Charakters gewesen, wodurch er sich ein bleibendes Gedächtnis bei
Israeliten und Christen gestiftet hat; besonders ergreifend war die Rede
des Herrn Mitprediger Bauer und die sehr gehaltvollen Schlussworte des
Herrn Stadtpfarrer Hessig, welche gewiss in den Herzen aller Anwesenden
den tiefsten Eindruck gemacht, und selbst die Orthodoxesten, welche einen
so seltenen Fall, evangelische Geistliche am Sarge eines Israeliten reden
zu hören, noch nicht erlebt hatten, verließen dankbar gerührt den
Friedhof. Diese Leichenfeier, obgleich vom Wetter nicht begünstigt, war
eine wahrhaft erhebende und gewährte ein erfreuliches Bild der Humanität
und Toleranz. Gewiss kann es nur von guter Nachwirkung sein, dass die
evangelische Geistlichkeit, mit gutem Beispiele vorangehend, den
Biedermann ehret, wo sie ihn findet, und die Scheidewand fallen lässt,
die nur zu oft Christen und Juden trennet!
Schließlich erlaubt sich Einsender dieses zu bemerken, dass zur
Versorgung der nun armen und hilflosen Familie des Verstorbenen ein
Komitee zur Errichtung eines Fonds sich hier gebildet hat, welches zur
Erreichung eines solch heiligen Zweckes, durch einen demnächst ergehenden
öffentlichen Aufruf, die kräftige Unterstützung aller edlen
Menschenfreunde erbitten wird. L." |
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Derselbe Bericht erschien in
der
Zeitschrift "Der treue Zionswächter"
vom 12. Oktober 1847 |
|
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Spendenaufruf für die Familie des verstorbenen
Rabbiners Isaak Löb Wormser (1847)
Spendenaufruf
in der Zeitschrift "Der treue Zionswächter" vom 19. Oktober
1847: "Bitte an Menschenfreunde.
Am 13. September dieses Jahres verschied der, wegen seiner aufopfernden
Menschenliebe, ohne Unterschied des Glaubens allgemein geachtete, und
wegen seiner Gottesfurcht und Gelehrsamkeit bei seinen Glaubensgenossen
hochverehrte Isaac Löw Wormser, Rabbiner zu Michelstadt. Durch
seinen Tod ist seine unglückliche Witwe mit ihren drei unversorgten
Kindern der drückendsten Armut preisgegeben, da der Verstorbene fremdes Elend
lindert, die Seinigen nicht bedenkend. Möchte seine Menschenliebe an
seinen Hinterlassenen vergolten werden! Darum bittet unterzeichnetes
Komitee alle Menschenfreunde, insbesondere seine vielen Verehrer und
Freunde nah und ferne.
Michelstadt, den 8. Oktober 1847.
Dr. Scharfenberg, Gr. Hess. Physikatsarzt, Gräfl. Erb.
Fürstenau'scher Leibmedikus.
L. Bauer, Mitprediger S. Joseph israel.
Vorstand Loev Lion. H. Levy Religionslehrer.
Die Redaktion dieses Blattes ist besonders noch ersucht worden,
obbenanntem edlen Zwecke nach besten Kräften förderlich zu sein. Es
hätte indes dieser Aufforderung kaum bedurft, so wie es unsererseits
überflüssig sein dürfte, zur Empfehlung an das Publikum noch ein
Ferneres hinzuzufügen. Die aufopfernde Liebe des edlen Dahingeschiedenen,
die uneigennützige Unterstützung, die er jedem Hilfesuchenden weit über
seine Kräfte hinaus angedeihen ließ, die liebreichen Tröstungen, die er
selbst denen spendete, für die er andere Hilfe nicht hatte, seine
musterhafte Frömmigkeit, seine mehr als aufopfernde Hingebung, diese und
noch viele andere Tugenden geben den Hinterbliebenen, denen er nichts
hinterließ, als das Anrecht auf seinen geachteten Namen, vollen Anspruch
auf die Mildtätigkeit, auf die großmütige Unterstützung der frommen
Glaubensbrüder. Und sie werden nicht zögern. Wo es gilt, eine derartige
Schuld zu tilgen, sind wir noch immer jene 'Barmherzigen' der jüdischen
Urzeit her, und dass 'unsere' Juden zu spenden wissen, haben sie häufig
und in jüngster Zeit noch so glänzend bewiesen. Deshalb Ihr, denen diese
Zeilen zu Gesichte kommen, übet Mitleiden und Erbarmen gegen die Witwe
und Waisen eines der frömmsten Rabbinen, einer Zierde des orthodoxen
Judentums. Unsere Vermittlung bieten wir natürlich gerne an, und soll die
kleinste Gabe willkommen durch uns an das betreffende Komitee baldigst versorgt,
sowie die Namen der gütigen Geber durch diese Blätter veröffentlicht
werden. Mögen deren recht viele sein. Die Redaktion des Zionswächters." |
Anregung von Rabbiner Dr. Formstecher (Offenbach) nach
dem Tod von Seckel Löb Wormser: Bildung einer Unterstützungskasse für Witwen
israelitischer Geistlicher (1848)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 1. Januar
1848: "Offenbach, 19. Dezember 1847. Aufruf zur Bildung einer
Unterstützungskasse für Witwen israelitischer Geistlichen.
Lange schon nähre ich den Plan, gleichgesinnte Amtsgenossen zu
veranlassen, die zerstreuten Kräfte zu Bildung einer überschriftlich
bezeichneten Unterstützungskasse zu vereinen. Auch würde ich bei der
diesjährigen Rabbinerversammlung bestimmt Teilnehmer an meinem Streben
gewonnen haben, wenn diese selbst nciht auf ein Jahr hätte verschoben
werden müssen. - Nun aber sehe ich mich durch ein mich schmerzlich
berührendes Ereignis veranlasst, meinen Vorschlag auf diesem Wege meinen
Amtsbrüdern zur Prüfung und zur Beherzigung vorzulegen. Zu Michelstadt
im Großherzogtum Hessen starb am 13. September dieses Jahres der dortige,
in gewinnen Kreisen sehr berühmte Rabbiner Is. Löw Wormser nach
vieljähriger Amtsverwaltung in seiner solchen Dürftigkeit, dass für
die, durch seinen Tod brotlos gewordene Witwe und deren drei unversorgte
Kinder sich ein Unterstützungskomité bilden musste, welches durch
öffentliche Aufforderungen und Rundschreiben so viel aufzubringen sich
bemühet, um die armen Verlassenen vor dem bittersten Mangel zu schützen.
- Es ist dieses zwar nicht das erste und nicht das alleinstehende
Beispiel, dass für die dürftigen Hinterlassenen eines Rabbiners
gebettelt werden muss, und dennoch kann das teilnehmende Herz eines tiefen
Schmerzes sich nicht erwehren, so oft solch ein düsteres Bild in seiner
furchtbaren Wirklichkeit vor unsere Augen tritt..." |
Der
weitere Abschnitt wird nicht ausgeschrieben, da er zu weit über die
Thematik der jüdischen Geschichte in Michelstadt hinausgeht; bei
Interesse bitte anklicken. |
Listen über eingegangene Beiträge zur Unterstützung der Familie von
Rabbiner Löw Wormser (1848)
Vermietung von Wohnungen im Haus des verstorbenen
Rabbiners Wormser (1848)
(Anzeige erhalten von Hans Peter Trautmann)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Odenwälder" vom 17. November 1848: "Wohnung
zu vermieten. Die obere oder untere Wohnung in dem Hause des
verstorbenen Rabbiner Wormser dahier, bestehend in vier ineinander
gehenden Zimmern, nebst Küche, Waschküche, Keller, Boden und Garten, kann
vermietet und sogleich bezogen werden.
Nähere Auskunft erteilt Löw Lyon dahier." |
Zum Tod von Rabbi Wolf Wormser, Sohn von Seckel Löb
Wormser (1892)
Anmerkung: Rabbi Seckel Löb Wormser hatte aus zwei Ehen zusammen 15
Kinder. Der nachstehend genannte Wolf Raphael Wormser war das zweitjüngste Kind aus der zweiten Ehe mit Johanna geb. Benzinger, aus der
insgesamt 10 Kinder hervorgingen.
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. April 1892: "Michelstadt im
Odenwald, 28. März (1892). Am verflossenen Mittwoch, dem 24. Adar, starb
der unverheiratete 67 Jahre alte Rabbi Wolf Wormser, der zweitjüngste und
noch allein hier lebende Sohn des im Jahre 1847 dahier verstorbenen,
weltberühmten Rabbiners, des HaGaon Hagadol, unser Lehrer, der Herr,
Herr Sekel Löw Wormser – das Andenken an den Gerechten und Heiligen ist
zum Segen -. Der Verstorbene hatte sich zur Lebensaufgabe gemacht zu
lernen und zu lehren um zu beachten und zu tun alle Worte des Talmud, der
Tora Gottes in Liebe; dabei war er ein großer Menschenfreund, übte
Wohltätigkeit im höchsten Grade und opferte Alles, was er verdiente,
für die Armen und Bedürftigen ohne Unterschied des Glaubens. – Wo es
edlen Zwecken halt, gab er mit vollen Händen. – Daher die zahlreiche
Beteiligung der jüdischen und Nichtjüdischen Bevölkerung, und
auswärtiger Glaubensgenossen – bei seinem Leichenbegängnisse. – Auf
telegraphische Nachricht war Rabbiner Dr. Marx aus Darmstadt hierher
geeilt, welcher auf dem Friedhof eine ergreifende, von Herzen kommende und
zu Herzen gehende Leichenrede hielt, die den tiefsten Eindruck machte und
hinterließ. – Redner entwarf mit Rücksicht auf die Abstammung des
Hingeschiedenen, auf seine Bescheidenheit und Anspruchslosigkeit, sein
edles Wirken und seinen musterhaften Lebenswandel und besonders auf seine
Torakenntnis ein sehr treffliches, wahrheitsgetreues Charakterbild desselben.
J. Gottschall, Lehrer." |
Überlegungen, das Rabbinat Michelstadt wieder zu
errichten (1895)
Anmerkung: 1895 wurde das Rabbinat Darmstadt in ein liberales und ein
orthodoxes Rabbinat geteilt. Damals stimmten in Michelstadt 19
Gemeindemitglieder für die liberale Richtung; die übrigen Gemeindemitglieder
waren gegen eine Trennung des Rabbinats und wollten wieder ein eigenes Rabbinat
in Michelstadt.
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. Juni 1895: "In Bensheim, so
schreibt man der 'Laubhütte' fand eine Gemeindeversammlung statt, in
welcher darüber beraten wurde, ob man der Errichtung eines Rabbinates
Bensheim zustimmen solle. Nach eingehender Beratung wurde beschlossen,
diesen Antrag abzulehnen. Der Vorstand der israelitischen
Religionsgemeinde Bensheim gehört zu den persönlichen Anhängern des
Herrn Dr. Marx in Darmstadt und wünscht deshalb den Anschluss an dessen
Religionsgesellschaft und Rabbinat. Es sind noch einige Gemeinden in der
Bergstraße, die ebenso gesinnt sind. Es werden äußerst wenig Gemeinden
vorhanden sein, welche für den Anschluss an den Rabbiner der 'liberalen'
Gemeinde, Herrn Dr. Selver in Darmstadt stimmen. In Michelstadt fand eine
Versammlung statt, von welcher ich Ihnen berichten kann, dass die Gemeinde
einstimmig beschlossen hat, den Antrag zu stellen, dass das Rabbinat
Michelstadt wieder errichtet werde." |
Gedenktafel für Rabbi Seckel Löb Wormser (1909)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. Dezember 1908: "Michelstadt,
22. Dezember (1908). Der Gemeinderat beschloss, wie das 'Erbacher
Kreisblatt' meldet, zu Ehren des 1847 verstorbenen weltberühmten Rabbis
Seckel Löb Wormser, der als Gelehrter und Menschenfreund seiner
Vaterstadt viele Wohltaten und Ehren erwiesen hatte, eine Gedenktafel an
dem hause, in dem er zuletzt wohnte, gegenüber dem Amtsgericht, anbringen
zu lassen. Ein Komitee, das sich teils aus dem Gemeinderat, teils aus der
Bürgerschaft rekrutiert, soll das hierzu Nötige in die Wege leiten.
Durch die im 'Israelit' vor zwei Jahren erschienene Erzählung, deren
Held Rabbi Seckel Löb Wormser ist, wurde die Aufmerksamkeit der
Michelstädter Bürgerschaft erneut auf Rabbi Seckel Löb Wormser gelenkt,
ein Interesse, das jetzt zu dem erwähnten Beschluss geführt hat." |
|
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. Februar 1909: "Michelstadt
im Odenwald, 12. Februar (1909). Unter dem Vorsitze des Herrn
Bürgermeisters Hieronymus beriet vorgestern ein Komitee über die
Ausführung der vom Gemeinderat beschlossenen Ehrung des berühmten Rabbi
Seckel Löb Wormser. Es wurde beschlossen, eine Sammlung zu veranlassen,
deren Erträge teils zu einer Gedenktafel an seinem ehemaligen Wohnhaus
benutzt, teils zu einer Stiftung festgelegt werden sollen, die seinen
Namen tragen und deren Zinsen im Geiste des großen Rabbi zu wohltätigen
Zwecken ohne Unterschied der Konfession Verwendung finden sollen." |
Zum Tod von Samuel Straus (1843-1904), Enkel des Baal Schem von
Michelstadt (1904)
und von Justizrat Dr. Elias Straus in München,
Urenkel des Baal Schem von Michelstadt (1933)
Anmerkung: eine der drei Töchter des Rabbi Seckel Löw Wormser hieß
Gertrude (Gnendel, geb. 1800, gest. 1878). Sie war in Michelstadt verheiratet
mit dem früh verstorbenen Elias Straus. Ihr Sohn Samuel Straus gelangte
später in Karlsruhe als Bankier zu Ansehen und Reichtum und war ein bedeutender
Philanthrop (gest. 1904). Seine Söhne waren der nachstehende Dr. Elias (Eli)
Straus in München, und der Historiker Rafael Straus.
Beim Familiennamen der Familie begegnet neben "Straus" häufig auch
"Strauss".
Zum Tod von Samuel
Straus (1904) |
Artikel in der Zeitschrift "Der
Israelit" vom 3. März 1904: "Jerusalem. Der in Karlsruhe
verstorbene Philanthrop Samuel Straus war ein besonders großer
Wohltäter und Gönner der hiesigen Institutionen. Sein Tod hat daher in
allen Kreisen der heiligen Stadt tiefste Trauer hervorgerufen, und die
Klage um ihn war eine allgemeine. Er hatte ein großes Haus angekauft zu
Freiwohnungen für Talmudgelehrte, das mit der Einrichtung an 70.000
Francs kostete. Dortselbst eröffnete er eine Knabenschule nach den
Angaben seiner Freundes Rabbi Simchah Süßel für das Torastudium: die
Unterhaltung der Schule bestritt er aus eigenen Mitteln. Für die
Pilgerwohnungen und das Hospital 'Schaare Zedek' war er mit großem Eifer
und großem Erfolge tätig.
Sein Tod wurde dahier in verschiedenen Hespedim (Trauerreden)
beklagt, so von Rabbi Hirsch Lewiton in der von dem Verstorbenen
gegründeten Jeschiboh Or Chadosch, von Rabbi Sonnenfeld und Rabbi
Mordechai Zwi in der Synagoge der Pilgerwohnungen, und vom Leiter der
Jeschiboh Meoh Scheorim (= Mea Schearim)." |
|
Zum Tod von Dr.
Elias Straus (1933) |
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. Juni 1933:
"München, 20. Juni (1933). Am Sonntag wurde unter außergewöhnlich
großer Teilnahme der ganzen jüdischen Bevölkerung Justizrat Dr. Elias
Straus, der zweite Vorsitzende der Kultusgemeinde München, zu Grabe
getragen. Dr. Straus war der älteste Sohn von Samuel Straus – das Andenken an der Gerechten
ist zum Segen – in Karlsruhe, ein Urenkel des Baal Schem von
Michelstadt. Mit hohen Geistesgaben ausgestattet und von starkem
jüdischen Arbeitswillen erfüllt, hat er in München eine umfassende
sozial-philanthropische Tätigkeit entfaltet, das Wohlfahrtswesen der
Gemeinde München sowie darüber hinaus dasjenige des Bayerischen
Gemeindeverbandes mustergültig organisiert und dabei mit seinem goldenen
Herzen als wahrer Fürsprecher und Helfer der Armen und Bedrückten ohne
Unterschied der Herkunft durch persönliches Eingreifen manche Träne
getrocknet. Der zionistischen Bewegung von Anfang an tatkräftig
hingegeben, trat er dennoch überall im öffentlichen leben für die
Interessen der Orthodoxie ein und hat auch in seiner persönlichen
Lebensführung den religiösen Traditionen seines Vaterhauses pietätvoll
die Treue gewahrt. Seine Sehnsucht galt dem heiligen Lande; in dem
schweren Leid seines monatelangen Krankenlagers traf er die
Vorbereitungen, dorthin überzusiedeln, sobald es sein Gesundheitszustand
gestatten werde.
An der Bahre zeichnete Rabbiner Dr. Ehrentreu in bewegten Worten die
menschlich-jüdischen Wesenszüge des Heimgegangenen, worauf
Oberlandesgerichtsrat Dr. Neumeyer dem unersetzlichen Verluste Worte lieh,
den die Gemeinde München und er selbst durch das frühe Ende der
gesegneten Wirksamkeit des Freundes erlitten habe. Ferner sprachen
Rabbiner Dr. Bärwald, für die Ostjuden besonders herzlich Rabbiner
Wiesner, für die zionistische Ortsgruppe Justizrat Dr. Fränkel. Dem
Schmerze der Familie verlieh Herr Jacob Rosenheim aus Frankfurt in einigen
Abschiedsorten Ausdruck, die die seelischen Wurzeln aufzuzeigen suchten,
aus denen das Wesen des Heimgegangenen emporgewachsen sei. Seine Seele sei
eingebunden in den Bund des Lebens." |
Justizrat Dr. Straus hatte auch noch manche
Erinnerungsstücke an Seckel Löb Wormser in seinem
Besitz: |
Aus
einem Artikel in der "Bayerischen Israelitischen
Gemeindezeitung" vom 19. September 1927 (in dem Artikel geht es um
Ritualien, hier um Kidduschbecher): "Dass solche Becher nicht
einmaliges Erzeugnis waren, beweist u.a. auch ein etwas älteres Stück
nahezu gleicher Ausführung im Besitz des Justizrates Dr. E. Straus
(München). Dieser besitzt auch einen ebenfalls dem 18. Jahrhundert
entstammenden Becher Warschauer Herkunft, der eine besonders lebhafte
Formenfreude zeigt. Mehr historischen Charakter trägt ein Familienstück
im gleichen Besitz, ein dem sogenannten 'Baalschem von Michelstadt', Rabbi
Seckel Löb Wormser von der Gemeinde Beerfelden
gespendeter Pokal..." |
Zwei Beiträge nach 1945
(auch eingestellt in der Seite zum
jüdischen Friedhof in Michelstadt, da es hier vor allem um die in der
NS-Zeit zerstörte Grabstätte des Baal Schem geht)
|
|
Oben: Beitrag
von Dr. L. Neuhaus (Detroit): Baal Schem von Michelstadt. In:
Jüdische Welt. Aufbau XIII,38 vom 19. September 1947 S. 15. Auf dem
Foto ist der neue Grabstein zu sehen, der auf Veranlassung von Fritz
Dreifuss (Urenkel des Baal Schem) und unter Mitwirkung des Rabbiners Dr.
Neuhaus im Juni 1946 in Michelstadt wiedererrichtet wurde. Nach dem
Bericht wurde die Grabstätte im Jahr 1940 zerstört. |
Oben
Beitrag von W. Stern: Der Baal Schem von Michelstadt. Ergänzende Notizen.
Artikel in der Jüdischen Allgemeinen vom 30. November 1973. Bei W. Stern
handelte es sich um den 1995 verstorbenen Rabbiner Dr. William Stern. Er arbeitete als Lehrer in Manchester, später in London.
Auch Stern sagt, dass das Grab des Baal
Schem nicht beim Novemberpogrom zerstört wurde, sondern erst später. |
Zum Verfasser Dr.
Leopold Neuhaus siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Leopold_Neuhaus |
|
Weitere Meldungen aus der Gemeinde
Bezirkstagung der 'Freien Vereinigung' in Michelstadt (1931)
mit dem Höhepunkt des Besuches des Grabes von Rabbi Seckel Löw
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. Juli 1931: "Die
Bezirkstagung der 'Freien Vereinigung' in Michelstadt. Michelstadt,
lieblich eingebettet zwischen den Hügelketten und herrlichen Wäldern des
Odenwaldes, heute noch eine stattliche jüdische Landegemeinde, hat eine
stolze jüdische Vergangenheit. An einem alten Bau prangt eine Tafel, von
der Stadt gewidmet ihrem großen Sohn, Rabbi Seckel Löb, der in diesem
Haus gewohnt und gewirkt und Michelstadt einen kleinen Weltruhm gesichert
hat. Draußen erhebt sich auf welligem Boden terrassenförmig ein
Friedhof, wie man ihn malerischer und idyllischer kaum sonst in der Welt
sehen kann. Am äußersten Ostrande ragt der gut gepflegte weiße
Sandstein mit der Krone aus dem Grabhügel des Baal Schem, Rabbi Jizchok
Arje, genannt Seckel Löb, heraus. Unten aber, nur durch eine ganz schmale
Fahrstraße getrennt, ist das Stadion angelegt, das größte in der
Gegend, das Stadion mit seiner Arena für Boxkämpfe und Meisterspiele,
mit seinem Familienbade, mit allem, was zu einem Olympus der Zeit gehört.
Grabstätte und Spielplatz sind so nahe und so gern voneinander, wie Tod
und Leben… Wer stört wen? Von unten dröhnt das losgelassene Getöse
des heiteren, leichten Lebens vielleicht zu einer einsamen Frau hinaus,
die sich oben mit ihrer Not und dem Kummer ihres Herzens auf das Grab des
großen Wundermannes geworfen hat … Möglicherweise sieht aber auch
manch einer unten mitten im Spiel und frohen Lachen auf, zu den erhobenen
steinernen Fingern oben, die an eine allem rauschenden Leben gesetzte
Grenze gemahnen, mahnen, dass tosende Hemmungslosigkeit vielleicht nicht
ungestraft die heilige Ruhe großer Toten stören darf … Man empfindet
eine gewisse Disharmonie, man wird sie im gleichen Maße oben wie unten
empfinden…
Unser Weg und unser Blick gehen nach oben.
In der Glut des Sommernachmittags fahren wir in dem schon fast
traditionellen gelben Postautobus gegen 3 Uhr in Michelstadt ein. Einige
und 30 Plätze hat der Wagen, annähernd 50 Menschen, auch einige 'blinde
Passagiere' fahren mit. Sachte Fahrt durch herrliche Waldungen und
froher Worte in bester Gesellschaft trösten über Ende und sengende
Sonnenglut hinweg. Die Jugend ist vorausgefahren und empfängt uns dort
mit freudigem Hallo.
Agudas Jisroel-Jugendgruppe, Esra und Schülergruppen sind schon seit
Stunden ganz heimisch im Städtchen des Baal Schem, fiebern vor Aufregung.
Alles ist in Spannung und froher Erwartung. Der ganze jüdische Odenwald
scheint sich ein Stelldichein zu geben. Das Darmstädter Auto, vollbesetzt
wie unseres, folgt uns auf dem Fuße. Von allen Seiten strömen Menschen,
Bekannte und Unbekannte. Eine Huldigung des Baal Schem von Michelstadt.
Und weil so gar kein äußerer Anlass vorliegt, kein Geburtstag und kein
Todestag, so ist diese Ehrung, spontan aus dankbarem Herzen einer Nachwelt
geboren, wie das plötzliche Erwachen eines Schulgefühles. Dankesschuld
abtragen an einen Mann, der seiner Zeit und seiner Gegend den Stempel
seines Geistes, wie es scheint, für Jahrhunderte aufgedrückt hat. Es
durfte nur eines Rufes der 'Freien Vereinigung', sie gab den Rahmen,
die Menschen, die Herzen und Seelen, waren da, als hätten sie nur darauf
gewartet. …
Über den Verlauf der Tagung geht uns folgender Bericht zu: Gegen 4 Uhr
beginnt die Versammlung im Saalbau, einem auch nach städtischen Begriffen
schönen und geräumigen Festsaale. Die Teilnehmer, die die Reihen
füllen, zählen nach vielen Hunderten. Herr Realschullehrer Bick richtet
an die Versammlung ein kräftiges und äußerst wirksames Grußwort. Die
Stadt habe vom Lande so viel an Menschen und geistigen Werten erhalten,
dass es schon längst an der Zeit gewesen wäre, dass sie in irgendeiner
Weise ihre Dankesschuld an die Nährmutter abträgt. Die Stadt hatte aber
das Land vergessen und es gewähren lassen, dass dort eine geistige Öde
eintrat, eine Landgemeinde nach der anderen starb und verdarb. Nun kommt
die Stadt, und die Beteiligung und das Interesse zeigen, wie sehr man
dieses Weckrufes gewartet hatte. Er dankt der Freien Vereinigung und
muntert die Jugend auf, in die Reihen des Agudas Jisroel zu treten. Die
Freie Vereinigung verdiene wärmste Unterstützung bei all denen, die an
der Erhaltung des Judentums auf dem Lande ein Interesse haben.
Herr Dr. Ehrmann übernimmt den Vorsitz und begrüßt die Versammlung. Er
verliest ein äußerst herzlich gehaltenes Begrüßungsschreiben des
orthodoxen 'Hessischen Landesverbandes' und gedenkt mit warmen,
ehrenden Worten des plötzlich heimgegangenen Dr. Gustav Stiegel seligen
Andenkens, der stets ein treuer Freund und verständnisvoller Mitarbeiter
der 'Freien Vereinigung' war. Die Versammlung erhebt sich zu seinen
Ehren von den Plätzen.
Der erste Referent ist Herr Rabbiner Dr. Merzbach, Darmstadt. In
Erklärung des Wortes … spricht er von den verschiedenen Tönen – und
Misstönen – die heute das jüdische Leben beherrschen. Aber der
jüdische Ton bleibt doch im jüdischen Leben vorherrschend. Und es ist
ein Dreiklang: Agudas |
Jisroel, Freier Vereinigung und die orthodoxen Landesverbände. In
ergreifenden, tief zu Herzen gehenden Worten spricht er von der Not der
Zeit und dem, was der wahre Jehudi von jeher dieser Notwelle
entgegenzusetzen hat: dem unverwüstlichen Bitochaun
(Gottvertrauen). Haben wir Anspruch auf mehr Freiheit, mehr Glück, lehr
Wohlstand als unsere Väter im Ghetto, unsere Brüder in anderen Ländern?
Das Glück, seine Toten bestatten zu dürfen, quittierte jüdische
Dankbarkeit in alten Zeiten mit dem Segensspruch hatow uhametiw,
der heute noch ein Bestandteil unseres Tischgebetes ist. So anspruchslos
und dankbar waren die Alten. Zum Schluss hat Redner ein paar eindringliche
Worte über das Kapitel Reinheit der Familie, den Quell unserer
Volkskraft, der heute getrübt und gefährdet ist. Die formschöne und
inhaltsreiche Rede wird mit lebhaftem Beifall aufgenommen.
Michelstädter Schulkinder tragen einen Prolog sowie jüdische
Deklamationen vor und führen auch ein kleines Theaterstück auf, das
Elijahu und Elisa zu Helden hat. Dann ergreift Herr Emil H. Lehmann das
Wort zu einem sachlichen Berichte über die Tätigkeit der Freien
Vereinigung in den letzten Jahrzehnten. Ausgehend von den Schlussworten
der Haftora asot mischpat usw. legt er das Programm der
Freien Vereinigung fest: Wahrung des religiösen Rechtes nach außen,
Werke der Liebe und Wohlfahrt, Förderung aller Institutionen, die der
Jüdischkeit und dem Zniusideal (Mikwo) dienen. Nach einer kurzen Pause
erfolgt das mit Spannung erwartete Referat des Herrn Red. S. Schachnowitz
über das Thema 'Wahrheit und Dichtung über den Baalschem von
Michelstadt'.
Schon rein äußerlich zeigte die lautlose Stille, welche während des
fast einstündigen Vortrages herrschte, wie sehr Referent es verstand,
seine Zuhörer in den Bann dieser eigenartigen Studie zu ziehen. Der
gewissenhafte Historiker, der sich auch nicht scheut. Liebgewordene
Vorstellungen zu zerstören, wenn sie nicht den Tatsachen entsprechen,
vereinigte sich mit dem verständnisvollen Hüter und Pfleger alles
Wertvollen, was die jüdische Volksseele an lebendigen Impulsen aus der
Vergangenheit sich in die Gegenwart gerettet hat und ließ ein Gemälde
entstehen, welches zunächst den bewegten Hintergrund jener Zeit
aufzeichnete, in welcher Baal Schem der Welt geschenkt wurde. Aber nicht
nur Persönlichkeiten wie der Begründer des Chassidismus der Baal schem
tauw in Polen, Rabbi Nathan Adler, Frankfurt, der junge Chasam Sofer und
das damalige Frankfurter Judenghetto wurden plastisch gezeichnet, Redner
verstand es auch in meisterhafter Weise, den Unterschiede zwischen einem
unjüdischen lebensfremden Mystizismus und der echt jüdischen
Wissenschaft der Kabbala, welche ein 'unschätzbares Repositorium des
Geistes von T'nach und Schaß' (Bibel und Talmud, Neunzehn
Briefe) darstellt, so herauszumeißeln, dass jeder Hörer Verständnis
für die Welt bekam, in welcher Baalschem lebte. In eindrucksvoller Weise
schilderte Referent die Judenzeit im Bes Hamidrasch (Lehrhaus) von Rabbi
Nathan Adler, das Verkanntsein in der eigenen Heimat und die schließlich
Anerkennung nach einem kurzen Aufenthalt in Mannheim, die Gründung der
Michelstädter Jeschiwa mit ihren 70 Bachurim, der allmählich wachsende
Zustrom von mit Schicksal und Sünde Beladenen, welche in das kleine
Städtchen im Odenwald pilgerten, um dort Rat, seelische und körperliche
Heilung zu suchen und zu finden. Zu dichterischem Schwung erhob sich der
Referent, als er die Verschwommenheit der Grenzlinien aufwies zwischen
dem, was Menschen natürlich und übernatürlich nennen, und an Hand der
geschichtlichen Tatsache, dass Baalschem selbst es entschieden ablehnte,
als 'Wundertäter' im üblichen Sinne zu gelten, den Nachweis
erbrachte, dass eine ganze Fülle der überlieferten Erzählungen über
den Baalschem sich rationell deuten lassen, wenn man eben daran denkt,
dass hier eine Persönlichkeit von außerordentlich suggestiver kraft
diese Kraft dazu verwandte, um allen Suchenden den Weg zu ihrer von Gott
gezeichneten Pflicht finden zu lassen. Ein verständnisvolles Eingehen auf
die einschlägige Literatur und speziell auf den 'Baalschem von
Michelstadt' von Judäus gab dem Referenten Gelegenheit, unbewusst und
ungewollt eine Charakteristik jener Geschichtsdarstellung zu geben, die
für ihn selber zutrifft. Eine Geschichtsdarstellung nämlich, die nicht
bloß zum Kopfe und Gedächtnis spricht, sondern zum jüdischen Herzen und
bei peinlicher Berücksichtigung des Tatsachenmaterials doch Ansporn zum
Erringen jüdischer Persönlichkeitswerte im reichsten Maße vermittelt.
Impulsiver, sich immer wiederholender Beifall beschloss diese Weihestunde,
welche eine würdige Introduktion des Besuches der Grabstätte vom
Baalschem gab.
Es ist zu hoffen, dass Gelegenheit gegeben wird, das Referat durch Druck
einer größeren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Nunmehr führte
eine Frankfurter Esragruppe (Leitung Erich Weil) in bereits bewährter
Weise, das Theaterstück 'Barkamza', nach dem bekannten Texte im
Talmud Gittin, vor einem aufmerksamen und dankbaren Auditorium auf. Es
folgt noch ein kurzes Referat des Gemeindelehrers, Herrn Strauß, über
die 'Pflichten der Eltern den Kindern gegenüber'. Er entwirft ein
trübes Bild von der geistigen Öde auf dem Lande und den Gefahren für
die Zukunft. Retten könne nur das lebendige Beispiel der Eltern, die die
Kinder von jüngster Kindheit auf in einer Atmosphäre der praktischen
Mizwotat (Handeln nach den jüdischen Weisungen) erziehen. |
Nun
pilgerten die Hunderte auf den 'guten Ort' zum Grab des Mannes, der die
ganze Veranstaltung beseelt und sie wie mit unsichtbarer Hand geleitet
hatte. Mit einem Minchogebete in der Halle traf man die Weihe und
Vorbereitung für den heiligen Gang. Herr Rabbiner Dr. Merzbach sprach
noch ein paar Worte über die tiefere Bedeutung eines solchen
Gräberbesuches und das wahre Leben, das aus heiliger Erde zu uns spricht.
Dann standen wir am 'Kewer' (Grab), jeder in seine Gedanken versunken,
jeder in seine eigenen Gebete vertieft. Jedermann hat heute manches auf
dem Herzen, das er wie Ballast hier zu Füßen des heiligen Mannes
abwerfen möchte. Es geht eine Beruhigung aus diesem von Käfern
umsummten, von wilden Pflanzen umrankten und Erdbeerstauden umkränzten
Grab aus. man tritt frisch und aufgerichtet den Heimweg an.
Und diese Stimmung hält an während der ganzen frohen Rückfahrt, der
untergehenden Sonne entgegen. Links die schwarzen Wände der Wälder,
rechts das schönste Abendrot am Horizont. Es war ein Ausflug eigener Art,
an dem Stadt und Land, soweit sie dabei waren, noch lange zehren werden.
Agudas Jisroel Jugendgruppe in Michelstadt. Im Anschluss an die Tagung der
Freien Vereinigung am letzten Sonntag hat die Frankfurter Agudas Jisroel
Jugendgruppe Verhandlungen mit den anwesenden Jugendlichen von Michelstadt
und Umgegend aufgenommen, mit dem Ziele, eine gemeinsame Arbeit im Rahmen
der Agudas Jisroel Jugendorganisation herbeizuführen. Herr
Realschullehrer Bick, der schon auf der Tagung die Jugendgruppe begrüßt
und darauf hingewiesen hatte, dass die Agudo die einzige Organisation sei,
die aufgebaut ist auf der Grundlage der Tauro (Tora), begrüßte und
leitete auch diese Besprechungen." |
Der "Eulbacher Markt" in Erbach wird als
"judenfreier Markt" abgehalten (1936)
Anmerkung: Der bis heute in Erbach stattfindende "Erbacher
Wiesenmarkt" hieß bis in die 1960er-Jahre "Eulbacher
Markt"
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7.
August 1936: "Frankfurt am Main. Nach einem Bericht des
'Frankfurter Volksblattes' wird der Eulbacher Markt in Erbach, der
bedeutendste Markt im Odenwald, wieder als judenfreier Markt abgehalten
werden". |
Berichte zu einzelnen
Personen aus der Gemeinde
Nathan Oppenheimer wird als Vorsteher der israelitischen
Religionsgemeinde gewählt (1848)
(Anzeige erhalten von Hans Peter Trautmann)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Odenwälder" vom 19. Dezember 1848: "Bekanntmachung.
Man bringt hiermit zur öffentlichen Kenntnis, dass Nathan Oppenheimer
von Steinbach als Vorsteher bei der israelitischen Religionsgemeinde
zu Michelstadt gewählt und höheren Ortes bestätigt worden ist.
Michelstadt, den 15. Dezember 1848. Der Großherzogliche
Bürgermeister: Hieronymus." |
Der erste Gemeindevorstand Koppel Wiesbader wird in seinem
Amt bestätigt (1849)
(Anzeige erhalten von Hans Peter Trautmann)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Odenwälder" vom 24. März 1849: "Bekanntmachung.
Man bringt hiermit zur öffentlichen Kenntnis, dass der bisherige erste
Vorstand, Koppel Wiesbader, bei der israelitischen Religionsgemeinde
Michelstadt als Solcher wieder gewählt und nach der Bestätigung höheren Orts
heute in sein Amt eingewiesen worden ist.
Michelstadt, den 23. März 1849. Der Bürgermeister: Hieronymus."
|
Zum Tod von Babette Joseph (1898)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. Dezember 1898: "Michelstadt
i.O., 12. Dezember. In der Nacht vom Sonntag, den 4. auf Montag, den 5.
dieses Monats, 21. Kislew, verschied hier nach etwa fünfwöchigem
Krankenlager eine Frau, die es nach ihrem sittlich-religiösen leben
verdient, in diesen geschätzten Blättern einen ehrenden Nachruf zu
erhalten. Frau Babette Joseph, 64 Jahre alt, Witwe des nun vor fünf
Jahren heimgegangenen seligen Herrn Abraham L. Joseph IV. dahier hat das
Zeitliche gesegnet. Sie war das Muster eines echt-jüdischen Weibes, die
treue Gattin, die liebende, bildende, schaffende und ordnende Mutter.
Dabei war die Beobachtung der göttlichen Gebote das Hauptziel ihres
Strebens, die religiöse Erziehung ihrer Kinder die Hauptaufgabe ihres
Wirkens. Die Heilighaltung der Sabbate und Feiertage war ihr eifrigstes
Bemühen; meistens betrat sie an solchen Tagen das Gotteshaus schon vor
Beginn des Gottesdienstes, um sich auf denselben in würdiger und
andächtiger Weise vorbereiten zu können. Sehr gerne unterstützte sie
die Armen und speiste die bedürftigen Hungrigen; 'sie breitet ihre
Hände aus zu dem Armen und reicht ihre Hand dem Bedürftigen'
(Sprüche 31,20). Was aber ihrem Lebenswandel die Krone aufsetzte, war
ihre Liebe zum Frieden, den sie mit allen Menschen, sowohl mit ihren
Glaubensgenossen, als auch mit Andersgläubigen, stets aufrecht zu
erhalten suchte; dies zeigte sich denn auch deutlich bei der ungemein
zahlreichen Beteiligung bei ihrem am Mittwoch, dem 7. dieses Monats, dem 23.
Kislew, stattgehabten Leichenbegängnisse; auch eine große Menge
Nichtjuden nahm teil. Auf dem Friedhof sprach Herr Lehrer Gottschall
dahier tief empfundene Worte. Ihre Seele sei eingebunden in den Bund des
Lebens." |
Unteroffizier Leo Frank wird mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet
(1915)
Mitteilung
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. August 1915: "Michelstadt,
10. August (1915). Dem Unteroffizier Leo Frank von Michelstadt wurde am 7.
August das Eiserne Kreuz verliehen." |
Zum Tod von Emanuel Frank (1923)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. April 1923: "Michelstadt
(Hessen), 19. März. In hohem und gesegnetem Alter verschied unser
ältestes Gemeindemitglied Emanuel Frank, der der Tora so gerne
huldigte, in Ausübung von Gottesdienst und Wohltätigkeit
den Inhalt seines Lebens suchte. In einem riesigen Trauergefolge hatten
sich Juden und Christen aus Nah und Ferne vereint, um dem allseits
beliebten Manne die letzte Ehre zu erweisen. – Emanuel Frank war wohl
der letzte Lebende, der dem 'Baalschem von Michelstadt' als junger
Schüler zu Füßen saß. Mit seinem Heimgang ist – wie am Grabe
hervorgehoben wurde – die starke Säule eingestürzt, die das jüdische
Leben unserer Gemeinde viele Jahrzehnte hindurch trug. Er war Seele und
Rückgrat aller unserer Chewraus (Vereine). Einem strahlenden
Gestirne gleich prangte er am Firmamente des Judentums; seine Sonne
erhellte die Kehillo (Gemeinde), mit deren Schicksal er seit mehr
als zwei Generationen aufs innigste verknüpft war. Unsagbar groß war die
Verehrung aller für ihn, denen er Führer und Berater war, unersetzlich
scheint der Verlust, tief und aufrichtig ist die Trauer um ihn. – Am
Grabe sprach Herr Rabbiner Dr. Marx aus Darmstadt im Namen der Familie,
dem Schmerze der jüdischen Gemeinde gab Herr Lehrer Bick Ausdruck. Seine
Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens." |
Zum Tod von Aron Straus (1932)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. Februar 1932:
"Michelstadt
(Hessen), 25. Februar (1932). Am Freitag, den 12. Februar hauchte das
älteste Mitglied unserer Gemeinde, Aron Straus, im 80. Lebensjahre seine
reine Seele aus. Tiefe Trauer zog in jedes jüdische Haus der Kehilloh
(Gemeinde) ein und erschütterte jeden Einzelnen ob der Größe des
erlittenen Verlustes. Der Name Aron Straus bedeutete für unsere Gemeinde
seit vielen Jahrzehnten ein unerschütterliches Programm und zwar das des
gesetzestreuen Judentums, einen Wegweiser, der in die Pfade der Tora
hineinführte, einen Leitstern, der jedem den Weg zur Emunoh, zur
Wahrheit, zur Rechtschaffenheit und zum Frieden wies. Der Verstorbene
fühlte die starke Verpflichtung in sich, das Erbe eines Baalschem mit
ganzer Kraft zu hüten und über der von ihm geliebten und geleiteten Kehilloh
(Gemeinde) den Geist von Tauroh (Tora) und Awaudoh
(Gottesdienst) schweben zu lassen. Kein Zweiter glich ihm an Vornehmheit,
an Adel der Gesinnung, an Größe der Seele, an Liebe zu Tauroh
(Tora). Ein Thorawort konnte ihn jederzeit beglücken; nach Maßgabe
seines bei jüdischen Altmeistern erworbenen Wissens forschte er
unablässig in unseren heiligen Büchern; Gebete und Taurohworte
stammelten seine Lippen, bis in Gott dem Erdendasein entführte.
Herzensgüte, Freundlichkeit und Liebenswürdigkeit leuchteten aus dem
edlen Antlitz des auch an Gestalt besonders bevorzugten Mannes, jedem
Ehrfurcht und Bewunderung abnötigend. Herr Rabbiner Dr. Merzbach aus
Darmstadt und Herr Lehrer i.R. Bravmann von hier zeichneten am Grabe in
tief zu Herzen gehenden Worten ein Bild von dem segensreichen und
verdienstvollen Leben des Verklärten. Eine unübersehbare Menschenmenge umstand
die irdische Hüllte des teuren Mannes und bekundete durch eine sichtlich
tiefe Ergriffenheit, wie sehr der Schmerz um den Heimgang des allseits
hoch geachteten Mannes von der gesamten Bevölkerung empfunden wird. Seine
Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens." |
Zum Tod von Sophie Straus geb. Marx (1935)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. Februar 1935: "Michelstadt,
12. Februar (1935). Am 6. Februar wurde Frau Sophie Straus geb. Marx,
Gattin des unvergesslichen Aron Straus seligen Andenkens zu Grabe
getragen. Eine unübersehbare Menschenmenge aus nah und fern, Juden und
Nichtjuden, gaben dieser edlen Frau das Geleite. In streng frommen
Elternhause in Strümpfelbrunn erzogen, hatte sie den Geist von Thora und
G'ttesfurcht frühzeitig eingezogen und gleich ihren Geschwistern –
von denen Prof. Rabbiner Dr. Marx – das Andenken an den Gerechten ist
zum Segen – eine besondere Zierde war – in treuer Anhänglichkeit an G'ttes
Wort und Tradition gelebt und gewirkt. Selbst in einer für eine Frau
ungewöhnliche Weise kundig des Schriftwortes und seiner Ausdeutung war
sie beglückt, an der Seite ihres frommen Mannes die im Elternhaus
erworbenen heiligen geistigen Güter erhalten und bereichern zu können.
Sanftmut und Bescheidenheit, Freundlichkeit, Friedensliebe und
Wohltätigkeit zierten diese überaus vornehme Frau. Man bewunderte ihre
hohen Geistesgaben, ihren köstlichen Mutterwitz ebenso wie ihren edlen
Charakter. – Da die Verstorbene sich einen Nachruf am Grabe verbeten
hatte, so zeichnete Herr Rabbiner Dr. Merzbach im Trauerhause die hehre
Gestalt und das geweihte Leben der Verklärten. Ihre Seele sei
eingebunden in den Bund des Lebens." |
Ausschreibungen der Hoffaktor Speyer'schen Stiftung
für bedürftige Mädchen
aus den Jahren 1889 / 1891 / 1803 / 1907
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. Februar 1889: "Aufforderung.
Aus der hiesigen Stiftung des verlebten Hoffaktors Moses Emanuel Speyer
und dessen gleichfalls verlebten Ehefrau Gütel geb. Enoch, soll für das
Jahr 1889 an ein bedürftiges Mädchen, das mit den Stiftern verwandt ist,
ein Brautlegat von 1.028,57 Pfg. vergeben werden. Diejenigen, welche
hierauf Anspruch machen wollen, haben sich innerhalb sechs Wochen unter
Einreichung ihrer Verwandtschafts- und Armutszeugnisse an den
Unterzeichneten zu wenden. Michelstadt i.O., Januar 1889:
Der Vorstand der Hoffaktor Speyer'schen Stiftung. Straus."
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. Januar 1891: Aufforderung.
Aus der hiesigen Stiftung des verlebten Hoffaktors Moses Emanuel Speyer
und dessen gleichfalls verlebten Ehefrau Gütel geb. Enoch, soll für das
Jahr 1891 an ein bedürftiges Mädchen, das mit den Stiftern verwandt ist,
ein Brautlegat von 1.028 Mark 57 Pfennig vergeben werden. Diejenigen,
welche hierauf Anspruch machen wollen, haben sich innerhalb sechs Wochen
unter Einreichung ihrer Verwandtschafts- und Armutszeugnisse an den
Unterzeichneten zu wenden. Michelstadt i.O., 9. Januar 1891.
Der Vorstand der Hoffaktor Speyer'schen Stiftung: Strauß." |
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Anzeige von 1893 |
Anzeige von 1907 |
Anzeige von 1915 |
Anzeigen
Anzeige von Uhrmacher L. Morgenthau (1848)
(Anzeige erhalten von Hans Peter
Trautmann)
Anzeige
in "Der Odenwälder" vom 5. Dezember 1848: "Uhren-Verkauf.
Der Unterzeichnete bringt hiermit seine stete Auswahl an neuen,
wie auch schon getragenen Taschen-Uhren, für deren Güte ein Jahr
garantiert wird, zu den billigsten Preisen, in gefällige Erinnerung.
Michelstadt, den 25. November 1848
L. Morgenthau, Uhrmacher." |
Anzeigen von Isaac Straus und
Putzmacherin Adelheid Straus (1849)
(Anzeigen erhalten von Hans Peter Trautmann, zum Lesen bitte anklicken)
Anzeige
in "Der Ordenwälder" vom 2. April 1849. |
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Anzeige
in "Der Odenwälder" vom 17. März 1849. |
Lieferung von Matzenmehl (1849)
(Anzeige erhalten von Hans Peter Trautmann)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Odenwälder" vom 6. Januar 1849: "Lieferung
des Matzenmehls. Die Lieferung des Matzenmehls für 1849, ca. 100
Zentner, wird bis künftigen Montag, den 8. Januar Vormittags 10 Uhr in der
Behausung des Unterzeichneten vergeben.
Michelstadt, den 4. Januar 1849. Der Vorstand: K. Wiesbader."
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Die Eisenhandlung Joseph & Lyon schließt - das
Kolonialwarengeschäft von Löw Lyon wird eröffnet (1849)
(Anzeige erhalten von Hans Peter Trautmann)
Anzeigen
in der Zeitschrift "Der Odenwälder" vom28. Dezember 1849: "Aufforderung.
Da wir die unter der Firma Joseph & Lyon betriebene Eisenhandlung
aufgelöst haben, so fordern wir hiermit alle diejenigen auf, welche
Forderung oder Gegenrechnung an uns haben, solche innerhalb vier Wochen an
uns einzureichen und ihre Zahlung oder Abrechnung entgegen zu nehmen, indem
spätere Anforderungen von uns nicht mehr berücksichtigt werden können.
Hierbei fordern wir diejenigen, welche fällige Zahlungen an uns zu leisten
haben, auf, innerhalb vier Wochen solche zu leisten, indem die Säumigen
alsdann es sich selbst zuzuschreiben haben, wenn ihnen Kosten entstehen.
Zugleich geben wir die Nachricht, dass ein Jeder von uns das Eisengeschäft
auf eigene Rechnung in seiner Behausung betreibt und empfehlen uns hiermit
Michelstadt, den 20. Dezember 1849 Löser Joseph, Löw Lyon.
Geschäftseröffnung und Empfehlung. Am heutigen habe ich ein
Geschäft in
Colonialwaren en Gros et en Detail
eröffnet. Durch vorteilhafte Einkäufe an den ersten Plätzen bin ich in
den Stand gesetzt, meine verehrlichen Abnehmer zu den billigsten Preisen
bedienen zu können.
Michelstadt, den 29. November 1849. Löw Lyon."
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Lehrer Arno Bick wirbt für das Odenwald-Pensionat
(1925)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. Juni 1925: "Odenwald-Pensionat
in Michelstadt. Nach Fertigstellung meines Neubaues im Herbste dieses
Jahres - große Villa in Waldesnähe, ausgedehnte Gärten mit Spiel- und
Turnplatz, offene und gedeckte Veranden, fließendes Wasser, warm und
kalt, Zentralheizung - können noch 3-4 Knaben aufgenommen werden.
Vorzügliche Verpflegung, gew. Nachhilfe in allen Fächern einschließlich
Fremdsprachen, strenge Beaufsichtigung, liebevolle individuelle Behandlung
(nur 10 Knaben insgesamt). Prachtvolle Höhenlage in waldreicher Umgebung.
Regelmäßiger gemeinsamer Spaziergang. Für blutarme, nervenschwache
Kinder v. bed. Kinder- und Nervenärzten speziell empfohlen. Streng
rituell. Erstklassige Referenz. Nachweislich beste Erfolge. Alle besseren Schulen
am Platze. Anfragen schon jetzt erbeten. Arno Bick, staatlicher Lehrer an Intelligenzklassen." |
Bar Mizwa von Albrecht Valk aus Frankfurt (1925)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. Oktober 1925:
"Die Bar Mizwa unseres Sohnes Albrecht findet - so Gott
will - am Schabbat Paraschat Lech Lecha* - 31. Oktober / 13. Marcheschwan
in Michaelstadt im Odenwald statt.
Moses Valk und Frau Klara geb. Emmerich. Frankfurt am Main, Gwinnerstraße
14 II." |
*) Schabbat mit der Toralesung Lech Lecha
= 1. Mose 12,1 - 27,27, das war am Schabbat, 31. Oktober 1925. |
Heiratsanzeige von Dr. Fritz Oppenheimer und Hannah
geb. Lieblich (1934)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20. Dezember 1934:
"Dr. phil. Fritz Oppenheimer - Hannah Oppenheimer geb. Lieblich.
Vermählte.
Michelstadt/Odenwald Essen-Steele
Köln/Rhein, Weinsbergstraße 177,III.
Trauung: Sonntag, 23. Dezember, um 2 Uhr in der
Aula des jüdischen Reformrealgymnasiums Jawne. Köln. St. Apernstraße
29/31." |
Sonstiges
Erinnerungen an die Auswanderungen im 19. Jahrhundert:
Grabstein in New York für Dorothea Joseph aus Eberstadt (1824-1897) und
Joseph Joseph aus Michelstadt (1830-1917)
Anmerkung: das Grab befindet sich in einem jüdischen Friedhof in NY-Brooklyn.
Der Geburtsname von Dorothea Joseph wird nicht mitgeteilt.
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Grabstein für
"my beloved Wife and our dear Mother
Dorothea Joseph
Born in Eberstadt Darmstadt
Germany December 28, 1824
Died June 10, 1897" und für
"our dear Father
Joseph Joseph
Born in Michelstadt Darmstadt Germany May 20, 1830,
Died April 23, 1917". |
Postkarte
von Emil Straus aus Michelstadt
an die Weinhandlung Leo Bondi
in Mainz (1920)
(aus der Sammlung von
Peter Karl Müller, Kirchheim /Ries) |
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Die Postkarte aus Michelstadt wurde an die Weinhandlung Leo Bondi in Mainz
versandt am 3. Januar 1920 mit einem Bahnpoststempel " Eberbach - Hanau " - Zug 472 -
3.1.20. Als Absender zeichnet ein Vetter von Leo Bondi: Emil Straus aus
Michelstadt. Dieser war 1932 der 1. Vorsitzende des Gemeindevorstands der israelitischen Gemeinde von Michelstadt.
Text der Karte: Lieber Leo. Sei so lieb und schicke uns 10 Flaschen Weißwein und 10 Flaschen Rotwein, das Beste was Du besitzt.
Er ist für m. Eltern und darfs nur starker Wein sein. Keiner der sich trübt, wenn die
Flasche nicht auf einmal geleert wird. Also ich wiederhole nur 1a, sonst lieber keinen.
Viele Grüße an l. Frau und Kinder, besonders an d. Braut von deinem Vetter Emil Straus.
Michelstadt - 30.1.20". |
Kennkarten
aus der NS-Zeit |
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Am 23. Juli 1938 wurde
durch den Reichsminister des Innern für bestimmte Gruppen von
Staatsangehörigen des Deutschen Reiches die Kennkartenpflicht
eingeführt. Die Kennkarten jüdischer Personen waren mit einem großen
Buchstaben "J" gekennzeichnet. Wer als "jüdisch"
galt, hatte das Reichsgesetzblatt vom 14. November 1935 ("Erste
Verordnung zum Reichsbürgergesetz") bestimmt.
Hinweis: für die nachfolgenden Kennkarten ist die Quelle: Zentralarchiv
zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland: Bestände:
Personenstandsregister: Archivaliensammlung Frankfurt: Abteilung IV:
Kennkarten, Mainz 1939" http://www.uni-heidelberg.de/institute/sonst/aj/STANDREG/FFM1/117-152.htm.
Anfragen bitte gegebenenfalls an zentralarchiv@uni-hd.de |
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Kennkarten
des in Michelstadt
wohnhaften Hugo Katz und der zeitweise
hier wohnhaften Hilde Rothschild geb. Rapp |
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Kennkarte (Erbach 1939)
für Hugo Katz (geb. 3. Februar 1882 in Laubach), Kaufmann,
wohnhaft seit 1920 in Michelstadt, zuletzt in Mainz, am 25. März 1942 deportiert ab
Mainz -
Darmstadt in das Ghetto Piaski, umgekommen
Zur Geschichte von ihm und seiner Familie http://www.blz.bayern.de/blz/eup/01_10/5.asp:
Beitrag von Brigitte Diersch: 'Und dann war sie weg...' Das kurze Leben
der Doris Katz. |
KK (Erbach
1939) für Hilde Rothschild geb. Rapp
(geb. 17. Oktober 1891 in Groß-Umstadt),
wohnhaft in Michelstadt und Frankfurt, am
22. November 1941 deportiert ab Frankfurt
nach Kowno (Kauen, Fort IX), umgekommen |
Zur Geschichte der Synagoge
Die 1791 erbaute Synagoge
wurde auf dem Platz eines bäuerlichen Anwesens in der Mauerstraße unmittelbar
neben der zweiten Stadtbefestigung erbaut (Anmerkung: nach früherer
Auffassung wurde die Synagoge am Platz einer älteren Synagoge erstellt, was nach
neueren Recherchen nicht korrekt ist: nach diesen wurde die Synagoge auf der
früheren Hofstätte des Sattlers Christoph Gottwald [1741-1815] erbaut, siehe
Wilhelm Hartmann: Michelstadt - seine Familien und ihre Häuser Teil I.
Michelstadt 1993² S.200, zitiert in Brigitte Diersch: Aus de Klappergass... "gelurt"
2011 S. 195-196 Anm.23). Hier wirkte von 1822 bis 1847 Seckel Löb Wormser. Zu
seiner Erinnerung wurde später eine Gedenktafel angebracht mit dem Text:
"Der Mensch verleiht seinem Platz Ehre. An dieser Stelle stand im Gebet
vor seinem Schöpfer der Raw, der groß war in der Tora und in der reinen
Gottesfurcht. Heilig wird er genannt, Morenu und Rabbenu (unser Lehrer und
Rabbiner). Jizchak Arje, genannt Rabbi Seckel Löb Wormser, der in jedermanns
Mund genannt war: Der Baalschem von Michelstadt. Das Andenken an den Gerechten
ist zum Segen".
1856 plante die Israelitische Religionsgemeinde einen Umbau beziehungsweise eine Renovierung der
Synagoge. 1911 beantragte man eine Anleihe für die Synagogenrenovierung
bei der Hoffaktor Speyer'schen Stiftung.
Beim
Novemberpogrom 1938 wurden die Eingangstüre der Synagoge, die Fenster und
die Inneneinrichtung verwüstet beziehungsweise zerstört. Nach der Nutzung als
Lager wurde das Synagogengebäude wiederhergestellt und darin 1979
das Landesrabbiner Dr.-Lichtigfeld-Museum untergebracht. Eine aus der
Synagoge in Gladenbach stammende Torarolle
wurde mit Zustimmung des Frankfurter Landesrabbiners dem jüdischen Museum
überlassen.
Seitdem eine neue jüdische Gemeinde in der Stadt und Umgebung entstanden ist, werden in der
Synagoge auch wieder regelmäßig Gottesdienste abgehalten.
Um 2015 fand einmal im Monat Gottesdienst statt, in der
Regel am letzten Sabbat des Monats: Freitagabends sowie Samstag um 10 Uhr.
Stand 2024: Die Synagoge ist hochgesichert, ein Zugang nur durch eine
Sicherheitsschleuse möglich. Das Dach wurde neu gedeckt. Die Fenster wurden
gestrichen.
Das Lichtigfeld-Museum bleibt geschlossen. Es steht noch nicht fest, wo die
Stadt es wieder eröffnen kann.
Fotos / Darstellungen
Die
Synagoge nach der Demolierung
beim Novemberpogrom 1938
(Quelle: Odenwälder Journal 1.10.2015;
Foto aus der Sammlung von Frieda Weyrauch) |
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Fotos vor der
Restaurierung
(aufgenommen um 1970; Quelle: Arnsberg Bilder S. 149) |
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Inschriftentafel für S. L.
Wormser
im Inneren der Synagoge |
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Fotos vom Juni
2006:
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 18.6.2006)
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Die Synagoge in Michelstadt |
Südseite der Synagoge mit
Eingang |
Über dem Eingangsportal
/ Portalinschriften |
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Die Ostseite mit der Apsis
des
Toraschreines |
Der Grundstein
von 1791 |
Portalinschrift aus 4. Mose
24,5: "Wie lieblich
sind deine Hütten, Jakob, und deine
Wohnungen, Israel" |
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Alter Toravorhang (Parochet) |
Vitrinen des
Dr.-Lichtigfels-Museums in der Synagoge |
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Fenster über dem
Eingangsportal |
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Unweit der Synagoge: die
"Jerusalem-Boutique" |
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Haus des Baal
Schem von Michelstadt mit Gedenktafel |
Vermutlich ehemalige
Laubhüttenkonstruktion
im Garten;
s.u. Lit. Beitrag von H. Teubner |
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Fotos
vom Mai 2011
(Fotos von Michael Ohmsen, aufgenommen im Mai 2001;
siehe Foto-Seite von M. Ohmsen mit Fotos
zu Michelstadt) |
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Blick auf die
Synagoge |
Über dem
Eingangsportal / Portalinschriften |
Hinweistafel |
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Hinweis
zur Gedenktafel am Haus des Baal Schem (unten): Am Haus war 1910
eine einfache Gedenktafel angebracht worden mit dem Text: "In
diesem Hause wohnte der Menschenfreund S. L. Wormser vom Jahre 1826 bis zu
seinem Tode 1849. Gewidmet von seiner Vaterstadt Michelstadt 1910".
Die Tafel wurde 1938 heruntergeschlagen. 1947 wurde eine Kopie der ersten
Tafel angebracht; diese Kopie ist bis zur Gegenwart zu sehen. Der Text
blieb unverändert, als wenn in der NS-Zeit nichts geschehen
wäre. Vgl. Brigitte Diersch: Sag mir wo die Steine sind. In: "gelurt"
2012 S. 180. |
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Das Sterbehaus des
"Baal Schem" von Michelstadt in der
Erbacher Straße 12, historisches Foto links von Eginhard Wassum
(zwischen 1938 und 1947, da ohne Gedenktafel) |
Tafel zur
Erinnerung an den
"Baal Schem" - Seckel Löb Wormser
|
Laubhüttenkonstruktion
im Garten hinter Haus Erbacher Str. 12
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Laubhüttenkonstruktion
im Garten |
Ehemalige Sukka
(Laubhütte)
von Herz Bamberger Haus Neutorstr. 3
(1814 erbaut, bis 1982 auf
hölzernen Freipfosten) |
Bemalter
Stromkasten
(Motiv: Synagoge) |
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Fotos vom Juni
2020
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 19.6.2020) |
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Wegzeiger
zur Synagoge |
Auf dem Weg
zur Synagoge |
"Stolpersteine"
vor der Synagoge |
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Das
Gebäude der Synagoge |
Durchgang
zur Synagoge von der Stadtmauer |
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Das Gebäude
der Synagoge |
Eingang mit
Portalinschriften |
Hinweistafel
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Hinweise am
Eingang |
Mesusa am
Eingang |
Die nahe
"Jerusalem-Boutique" |
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Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
Februar 2009:
"Stolpersteine"
am Ort geplant |
Artikel von Heidi Haag am 20. Februar 2009
in "Darmstädter Echo" - Echo online (Artikel):
Erinnerung auf Schritt und Tritt - Stolpersteine zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus erreichen Michelstadt.
MICHELSTADT. Wortwörtlich auf Schritt und Tritt will Michelstadt an jene seiner Einwohner erinnern, die während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft von 1933 bis 1945 ermordet worden sind. Dazu schließt sich die Stadt als 369.
Kommune der "Stolpersteine"-Bewegung an..." |
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Dezember 2009:
Über eine nach Seckel Löb Wormser benannte
Birnensorte |
Artikel von Martina Wirthwein in der "Wormser Zeitung" vom
10. Dezember 2009 (Artikel):
"Für Marmelade und Most
WORMS. BIRNBAUM Besondere Sorte Seckel-Löb wächst jetzt im Erlebnisgarten.
Bäume werden oft und an vielen Orten gepflanzt. Am Dienstagvormittag jedoch durfte Umweltdezernent Hans-Joachim Kosubek im Wormser Erlebnisgarten auf Initiative der Wormser Gästeführer (IWG) ein ganz besonderes Bäumchen in die Erde setzen: die sehr seltene und alte Birnensorte "Seckel-Löb". Namensgeber ist der einst in Michelstadt lebende Rabbiner Seckel-Löb-Wormser. Das Bäumchen fand seinen Weg nach Worms durch die im Jahr 2000 in Steinbach im Odenwald gegründete "Agenda-Gruppe Ortsbild", die es sich zum Ziel gesetzt hat, die Art zu erhalten..."
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Januar 2010:
Am 13. März
2010 werden die ersten "Stolpersteine" verlegt |
Artikel von Manfred Giebenhain in "Echo-online.de"
vom 14. Januar 2010 (Artikel;
Artikel
als pdf-Datei):
"Stolpersteine erinnern an Opfer der Nazis.
Gedenken: Michelstadt markiert Häuser jüdischer Mitbürger, die - im Krieg deportiert - meist in Lagern den Tod fanden.
MICHELSTADT. Bislang spielte der 22. Oktober 1941 in der Geschichte von Michelstadt keine Rolle. Das Datum wird zwar auch in Zukunft kaum jemand beachten, aber auf eine bescheidene stille Weise gleich drei Mal öffentlich in Erscheinung treten. Es war der Tag, an dem mit Otto und Emilie Reichhardt sowie deren Tochter Lotte die gewaltsame Verschleppung der einstigen jüdischen Mitbürger der Stadt durch die Gestapo begonnen hat. Zum Gedenken an die über 60 Opfer sollen sogenannte Stolpersteine in der Stadt gesetzt werden; und zwar genau dort, wo sie einst gewohnt haben und von den Nazischergen verhaftet worden sind..."
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März 2010:
Erste "Stolpersteine" werden
verlegt |
Artikel von in "Echo-online.de" vom 12. März 2010 (Artikel):
"Morgen wird erster Stolperstein gelegt
Erinnerung an Naziopfer: Überlebende begleiten die Zeremonie in Michelstadt
MICHELSTADT. Wenn morgen der erste Stolperstein vor dem Haus in der Großen Gasse 20 in Michelstadt gesetzt wird, schauen auch von weit her angereiste Gäste zu: Marianne Cobb und ihr Sohn Jonathan (London) sowie Professor Walter Zwi Bacharach (Tel Aviv) und dessen Gattin begleiten den feierlichen Akt zum
'Tag des Erinnerns' an verfolgte jüdische Bürger der Stadt..."
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Artikel in "Echo-online.de" vom
15. März 2010 (Artikel):
"Welchen ermordeten Juden die Stadt nun gedenkt.
Michelstadt. Die am Samstag verlegten Stolpersteine ergeben noch kein komplettes Bild von der Verfolgung der Juden in Michelstadt. Ihre Reihe soll vielmehr je nach Ergebnisstand der Forschungen und Spendenstand ergänzt werden..."
Mit Tafeln erinnert wird nun in Höhe der Braunstraße 14 an Otto Reichhardt
(1878-1941). |
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Juni 2010: Weitere
"Stolpersteine" werden im September 2010 verlegt
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Artikel in "Echo-online.de" vom 28. Juni 2010 (Artikel): "Neue Stolpersteine werden im September verlegt
Gedenken: Die Aktion erinnert an 59 Michelstädter Bürger jüdischen Glaubens, die Opfer des Nationalsozialismus wurden.
MICHELSTADT. Namen wie Katz, Neu oder Oppenheimer sucht man im Telefonbuch von Michelstadt von heute vergeblich. Anders verhält es sich bei einem Blick auf die Liste der Opfer des nationalsozialistischen Terrors, zu deren Gedenken in einem zweiten Durchgang so genannte Stolpersteine gesetzt werden sollen. Allein die genannten Familiennamen sind mehr als 20 Mal unter den insgesamt 38 Namen vertreten, die ein gemeinsames Schicksal verbindet. Wegen ihres jüdischen Glaubens wurden sie zwischen 1940 und 1943 aus ihren Häusern vertrieben, verhaftet, misshandelt und in Konzentrationslager verschleppt, wo die meisten ermordet wurden..."
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August/September
2010: Hinweis auf eine neue
Publikation zum Ba'al Schem von Michelstadt |
Karl Erich Grözinger:
Der Ba'al Schem von Michelstadt
Ein deutsch-jüdisches Heiligenleben zwischen Legende und Wirklichkeit
Erschien im August 2010 im Campus-Verlag Frankfurt - New York. 375
Seiten, ca. 20 Abb. 24,90 €. EAN 9783593392820.
Ein Ba'al Schem ist ein jüdischer Wundermann, der mithilfe von praktischer Kabbala heilt und Wunder wirkt. Über 40 davon gab es seit dem Mittelalter im aschkenasischen Judentum. Der letzte Ba'al Schem in Westeuropa war Seckel Löb Wormser aus Michelstadt. Das Grab des im Jahre 1847 Verstorbenen ist heute ein viel besuchter Wallfahrtsort. Karl E. Grözinger schildert Leben und Wirken dieses europaweit bekannten Mannes und zieht einen einmaligen Vergleich zwischen Legende und Wirklichkeit. Das Buch enthält außerdem einen Neuabdruck der Legendensammlung vom Leben des Ba'al Schem sowie eine Vielzahl deutscher und hebräischer historischer Dokumente.
Über den Autor: Karl Erich Grözinger war bis 2007 Professor für Religionswissenschaft und Jüdische Studien an der Universität Potsdam. Er ist Autor des Standardwerks "Jüdisches Denken", dessen vierter und letzter Band in Vorbereitung ist.
Weitere Informationen und Bestellmöglichkeit auf einer Seite
des Campus-Verlages. Hier auch eine Leseprobe
(pdf-Datei). |
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November 2010:
Die letzten "Stolpersteine" werden
verlegt |
Artikel in echo-online.de vom 11. November 2010 (Artikel):
"Letzte Stolpersteine verlegt
Gedenken: Verlegung der letzten 38 Stolpersteine in der Michelstädter Innenstadt - Einzelne stellvertretend für Viele
MICHELSTADT. Auch die Verlegung der restlichen 38 Stolpersteine zum Gedenken an die von den Nationalsozialisten verschleppten und ermordeten ehemaligen Mitbürger der Stadt stieß am Dienstag auf großes Interesse bei der Bevölkerung: Zur späten Nachmittagsstunde fanden sich rund 150 Einwohner und Besucher an der ersten von fünf ausgewählten Punkten in der Frankfurter Straße 21 ein, um dem würdevollen Rahmenprogramm beizuwohnen..."
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Oktober 2011:
Eine neue Publikation ist
geplant |
Artikel in "Echo online" vom 16.
Oktober 2011: "Michelstädter Stolpersteinen soll ein Buch folgen.
Jüdische Mitbürger: Bürgeraktion hat Kräfte freigelegt - Korrespondenz
in fast alle Erdteile - Rück- und Ausblick.
Michelstadt. Bald ist es ein Jahr her, dass die letzten der insgesamt
59 Stolpersteine zum Gedenken an die Opfer jüdischen Glaubens unter der
Naziherrschaft in Michelstadt verlegt worden sind..."
Link
zum Artikel. |
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Mai 2013:
Das Buch zur Vernichtung der Michelstädter Juden
ist erschienen |
Artikel von Manfred Giebenhain in "Echo
online" vom 10. Mai 2013: "Kraftakt der Aufarbeitung des Bösen
Stadtkunde – Heinz-Otto Haag stellt das Buch vor, mit dem er die Vernichtung der Michelstädter Juden dokumentiert
Zumindest literarisch ist das dunkelste Kapitel der Stadtgeschichte nun aufgearbeitet: Mit Heinz-Otto Haags Buch
'Ich geben ihnen einen Namen' liegt eine Historie des Vernichtungswerks der Nazi-Gesellschaft an den Michelstädter Juden vor..."
Link zum Artikel: Kraftakt der Aufarbeitung des Bösen (veröffentlicht am 10.05.2013 16:12 auf echo-online.de)
Anmerkung: das Buch "Ich gebe ihnen einen Namen - Stolpersteine in
Michelstadt" ist beim Gästeinfo am Marktplatz in Michelstadt
beziehungsweise im Buchhandel erhältlich. Preis: 20 €. |
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April 2014:
Nachkommen früherer Michelstädter
Juden zu Besuch |
Artikel in "Echo online" vom 23.
Februar 2014: "Juden besuchen die Stadt ihrer Vorfahren
Begegnung – Erstes Zusammentreffen in dieser Form in Michelstadt
Für acht Tage kommen vom 3. bis 10. April Gäste nach Michelstadt, wie es in dieser Zusammensetzung noch nie vorgekommen ist. 22 Personen jüdischen Glaubens haben die Einladung angenommen, um die Heimatstadt ihrer Vorväter und -mütter aufzusuchen..."
Link zum Artikel: Juden besuchen die Stadt ihrer Vorfahren (veröffentlicht am 23.02.2014 16:02 auf echo-online.de) |
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Mai
2015: Nachkommen früherer
Michelstädter Juden zu Besuch |
Link zum Artikel: Nachfahren von Michelstädter Juden zu Gast (veröffentlicht am 13.05.2015 10:43 auf echo-online.de) |
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Oktober
2015: Aufruf zur Ausstellung "Legalisierter
Raub" |
Artikel
im "Odenwälder Journal" vom 1. Oktober 2015: "Ein
brauner Umschlag und ein Foto. Aufruf zur Ausstellung 'Legalisierter Raub'..."
Anmerkung: in diesem Artikel ist u.a. die Rede von einem in Michelstadt
aufgefundenen Foto "Synagoge am Abend des 9. XI. 38" die Rede.
Dazu wird aufgerufen: 'Wie Friedel Weyrauch besitzen vermutlich auch
andere Bürger Zeugnisse, die von der Verfolgung der jüdischen
Bevölkerung im Odenwaldkreis erzählen: Briefe oder Fotografien,
vielleicht auch Gegenstände, die jüdische Familien vor ihrer
Auswanderung oder Deportation bei ihren Nachbarn zur Aufbewahrung
abgegeben haben. Es wird gebeten, diese für die Ausstellung zur
Verfügung zu stellen..." |
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Januar
2016: Über das Schicksal von Lizzie
Wassum geb. Ascher und ihrer Familie |
Artikel von Joachim Baier in der
"Rhein-Neckar-Zeitung" vom 27. Januar 2016: "Michelstädter gedenkt Auschwitz-Opfer:
'Das mit der Mutter vergisst man nicht'.
Der 89-jährige Sohn einer Frau, die im Vernichtungslager von Auschwitz ermordet wurde, hütet weiter seine Erinnerungen.
Michelstadt. Die im deutschen Vernichtungslager Auschwitz ausgestellte Sterbeurkunde datiert den Tod von Lizzie Wassum auf den 13. Juli 1943. Ihr Sohn, der heute 89 Jahre alte Lothar Wassum aus Michelstadt im Odenwald, hütet Erinnerungen an seine von den Nazis ermordete Mutter. Sie war als Jüdin zum evangelischen Glauben gewechselt, für die Nazis war sie nach deren Definition aber eine
'Volljüdin'..."
Link
zum Artikel |
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April 2016:
Nachkommen von Seckel Löb Wormser besuchen Michelstadt
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Artikel von Manfred Giebenhain
in "Echo online" vom 20. April 2016: "Besuch aus der Wunderrabbi-Familie
MICHELSTADT - Auf ihrer Suche nach Nachkommen von Mitgliedern der
ursprünglichen jüdischen Gemeinde Michelstadts ist die
Stolperstein-Initiative zuletzt in Rio de Janeiro fündig geworden. Die
Nachfahrin von Wunderrabbi Seckel Löb Wormser kam nun nach Michelstadt. Für
die Stolperstein-Initiative um Heidi und Heinz-Otto Haag, die schon häufiger
jüdischen Gästen die Heimatstadt ihrer Vorfahren gezeigt haben, war der
jüngste Besuch etwas Besonderes. Denn in Michelstadt weilte Eleonora Gomma
de Azevedo und damit eine Nachfahrin des bekanntesten Juden der Stadt: Die
Brasilianerin stammt von Seckel Löb Wormser, dem Baal Schem oder
Wunderrabbi, ab. Auf ihrer Odenwaldreise begleitet wurde Gomma de Azevedo
von Ehemann Antonio Carlos sowie ihrem Bruder Claudio Gomma und dessen
Ehefrau Luiza. Es waren zugleich die letzten Gäste, für die eine aus dem
Spendenerlös der Stolperstein-Initiative finanzierte Einladung ausgesprochen
werden konnte. Alle Begegnungen beruhen auf Nachforschungen von Heinz-Otto
Haag, deren Ergebnisse er 2013 in der Rathaus- und Museumsreihe der Stadt
Michelstadt unter dem Titel 'Ich gebe ihnen einen Namen – Stolpersteine in
Michelstadt' veröffentlicht hat. Das Buch hat jenen 59 Menschen und ihren
Familien ein Gesicht gegeben, zu deren Erinnerung 2010 Stolpersteine im
Pflaster vor deren früheren Häusern eingelassen wurden. Allesamt waren sie
jüdischen Glaubens, was unter der Nazidiktatur Denunziation, Entrechtung,
Enteignung, Verschleppung und schließlich für die allermeisten qualvoller
Tod bedeutete.
Eleonora Gomma de Azevedo war nicht zum ersten Mal in Michelstadt zu Besuch.
Im Gespräch mit dem ECHO erzählte sie von einer privaten Reise, die sie 1995
zusammen mit ihrer Mutter unternahm. 'Heute erfahren wir die Heimatstadt
meiner Vorfahren viel lebendiger und sind überglücklich über diese
Einladung', fasste sie ihre ersten Eindrücke zusammen.
Familiengeschichte vor Veröffentlichung. Vor elf Jahren hat Gomma de
Azevedo begonnen, die Geschichte ihrer Familie aufzuschreiben; ihr Werk
steht kurz vor der Veröffentlichung. Ihre Urgroßmutter hieß Karoline
Dreifuss geborene Wormser und eine Enkeltochter des Michelstädter
Wunderrabbis. Sie stand bis zur Machtübernahme der NSDAP in gutem Kontakt zu
ihrer Heimatstadt, was in der Michelstädter Zeitung vom 2. September 1930
nachzulesen ist. In einem Artikel wurde der rüstigen Dame aus Berlin zur
besten Gesundheit anlässlich ihres 83. Geburtstag gratuliert und erwähnt,
dass ihre Tochter Adele Schultz in Michelstadt zur Kur weilte.
Über die letzten Jahre ist nicht nur ein reger Kontakt mit den Eheleuten
Haag entstanden, sondern auch mit Annemarie Volkmer. Schon der erste Kontakt
ging auf die Mitarbeiterin des Stadtarchivs zurück, die Haags bei der
Spurensuche unterstützte. Zu den Höhepunkten im Besuchsprogramm der
jüdischen Gäste zählten eine Stadtführung mit dem Besuch der Synagoge, die
Besichtigung der Einhardsbasilika in Steinbach und ein Empfang im
historischen Rathaus mit dem Eintrag ins Goldene Buch der Stadt. Als
besonders eindrucksvoll erlebten alle Beteiligten die Besichtigung der
Nikolaus-Matz-Bibliothek. Für die Gäste war es ein besonderer Moment, als
Erwin Müller neben der Vielzahl der in Latein verfassten Bücher auch eine
Bibel mit hebräischen Schriftzeichen aufschlug, die 1709 in Kiel gedruckt
wurde. Das Werk wurde mit einem entsprechenden Vermerk 1911 von der Familie
Ettlinger der Kirchenbibliothek vermacht. Erwin Müller ging auf den
Lebensweg des um 1443 in Michelstadt geborenen Nikolaus Matz ein, der nach
einem Studium der freien Künste und der Theologie in Wien mit dem Aufbau der
Bibliothek der neu gegründeten Universität von Freiburg beauftragt wurde.
Matz stiftete seine Privatsammlung von 117 Büchern seiner Heimatstadt. Die
Kirchenbibliothek ist inzwischen auf knapp 3000 Bände angewachsen, unter
denen sich rund 170 Inkunabeln befinden."
Link zum Artikel |
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November 2016:
Erinnerung an die jüdischen Opfer
der NS-Zeit am Beispiel von Doris Katz |
Artikel von Manfred Giebenhain
in "Echo online" vom 16. November 2016: "Der Tod von Doris Katz als
trauriges Beispiel
MICHELSTADT - Die Erinnerung bleibt wach in Michelstadt. Denn auch im
sechsten Jahr nach der Verlegung der letzten von insgesamt 59 Gedenksteinen
zur Erinnerung an die jüdischen Opfer der Nazi-Diktatur haben sich Bürger
jedes Alters im Gedenkmonat November zu deren Plätzen aufgemacht. Mit dieser
Form des Bekenntnisses zum dunkelsten Kapitel der eigenen Geschichte hat
sich Michelstadt vor Jahren der Initiative des Kölner Künstlers Gunter
Demnig angeschlossen, der die Mahnmale unter dem Namen Stolpersteine bekannt
gemacht hat. Die Pogromnacht von 1938 gibt den Zeitraum für den Gedenktag
vor. In diesem Jahr wurde die Stolperstein-Initiative auf ihrem Rundgang
durch die Innenstadt von Schülern des Gymnasiums, Vertretern aus dem
politischen und öffentlichen Leben und Passanten begleitet. An allen
angelaufenen Stellen legten Schüler zum Gedenken an die Toten Rosen als
christliches und Kieselsteine als jüdisches Symbol auf die beschrifteten
Messingplatten, die zur Erinnerung an die Opfer vor den ehemaligen
Wohnhäusern eingelassen wurden. Eröffnet haben die geschichtsbewussten
Einwohner die Veranstaltung auf dem Marktplatz, um von dort die Große Gasse,
Schulstraße, Bahnhofstraße und Braunstraße aufzusuchen sowie die Mauerstraße
auf der Höhe der Synagoge. Für die Stolperstein-Initiative, die sowohl die
Erforschung der lokalen Judenverfolgung als auch die Verlegung der
Stolpersteine vorantrieb, begrüßte Heinz-Otto Haag die Anwesenden und
erinnerte anhand dieser 'etwas anderen Geschichtsstunde' an die Opfer der
Naziherrschaft, die es in Michelstadt zu beklagen gab.
In diesem Jahr widmete die Initiative ihr Augenmerk besonders jenen, die
bereits als Kind oder in jungen Jahren ihres Glaubens wegen ihr Leben lassen
mussten. Vor dem Haus in der Schulstraße 7 erinnern insgesamt sieben
Stolpersteine an Mitglieder der Familie Katz, die hier ein Ladengeschäft
besessen hatte. Stellvertretend verlas Studiendirektor Franz Bürkle den
Leidensweg des jüngsten Familienmitglieds Doris Katz, die gerade mal
18-jährig am 5. März 1943 ermordet wurde. Der Ermordung im Lager Sobibór
ging die Verschleppung zusammen mit über 1100 Deportierten in einem Zug
voraus, der von Westerbork in das deutsche Todeslager führte, das heute auf
polnischem Staatsgebiet liegt. Wie an allen Stationen reichten sich die
Anwesenden in Respekt vor den Ermordeten nach dem Verlesen der biografischen
Daten an den Händen, um gemeinsam auf Hebräisch und Deutsch die Worte 'Shalom
alejchem, Friede sei mit euch' zu sprechen. An den weiteren ausgewählten
Stationen verlasen wechselweise Schüler, welches Schicksal Edgar Gustav
Rothschild, Margarit, Werner Josef und Fred Haas, David, Herbert und Uri
Michael Strauss, Gertrude Reichhardt und Martin Lorch erfahren mussten, von
denen keiner älter als 17 Jahre wurde. Vertreter der katholischen,
evangelischen, jüdischen und alevitischen Religionsgemeinde bereicherten die
Gedenkstunde mit Friedensgebeten in ihren Sprachen."
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November
2017: Rundgang zu den
"Stolpersteinen" in Michelbach |
Artikel in "Echo
online" vom 6. November 2017: "Michelstadt. Rundgang zu den Stolpersteinen.
POGROMNACHT In Michelstadt wird am Donnerstag an die jüdischen NS-Opfer erinnert
MICHELSTADT - (jös). Im Gedenken an die Pogromnacht von 1938 organisiert die Michelstädter Stolperstein-Initiative bereits zum achten Mal einen Rundgang zu den 59 Mahnmalen mit den Namen jüdischer NS-Opfer in der Michelstädter Innenstadt. Beteiligt sind wieder zwei 10. Klassen der Theodor-Litt-Schule mit ihren Lehrerinnen Dominique Seip und Karin Ebert-Rolle sowie Eva Heldmann (Evangelisches Dekanat
Odenwald/TLS).
Der Rundgang beginnt am Donnerstag, 9. November, um 10 Uhr vor dem historischen Rathaus mit einer musikalischen Einleitung des TLS-Schulleiters Dieter Weis und Begrüßungsworten von Heinz-Otto Haag (Initiative). Die Stolpersteine halten die Erinnerung wach, geben den Opfern aber auch ihren Namen wieder, der ihnen bei ihrer Einlieferung in ein Konzentrationslager genommen und durch eine Nummer ersetzt wurde. Nicht zuletzt bieten die Stolpersteine Angehörigen einen Ort, an dem sie um ihre Toten trauern und für sie beten können, so die Organisatoren.
Zunächst wird in diesem Jahr berichtet über 'Die Kinder von Izieu', deren Schicksal Beate Klarsfeld in einem eindrucksvollen Buch und Reinhard Mey in einem Chanson dargestellt hat. 44 jüdische Kinder waren von der französischen Bevölkerung in einem früheren Waisenhaus in einem kleinen Alpendorf im Departement Ain versteckt, 1944 dann von der Gestapo entdeckt und in Auschwitz-Birkenau ermordet worden – darunter der 16-jährige Theodor Reis aus Pfaffen-Beerfurth.
Schüler der Theodor-Litt-Schule lesen vor dem Rathaus den Text des Chansons vor. Danach begeben sich die Versammelten auf einen Rundgang zur Synagoge und von dort durch die Mauerstraße, Große Gasse, Schulstraße, Waldstraße zur Bahnhofstraße. Der Rundgang endet gegen 11.30 Uhr an der Ecke Bahnhofstraße/Wiesenweg."
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zum Artikel |
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Mai 2018:
Broschüre zur jüdischen Geschichte
Michelstadts in spanischer Sprache |
Artikel von Manfred Giebenhain
in "Echo online" vom 17. Mai 2018: "Erinnern über Grenzen hinweg.
MICHELSTADT - Das Schicksal der Michelstädter Juden in der NS-Zeit hat
die örtliche Stolperstein-Initiative in dem 2013 erschienenen Buch 'ch gebe
ihnen einen Namen' aufgearbeitet, das die Stadt seinerzeit innerhalb der
'Gelben Reihe' zur Lokalgeschichte herausgegeben hat. Bereits im Jahr seines
Erscheinens hatte das Werk seinen Weg in zahlreiche deutsche und
ausländische Archive gefunden – und jetzt steht sogar eine Übersetzung ins
Spanische an, wie der Sprecher der Initiative und Autor, Heinz-Otto Haag,
mitteilt. Die Nachricht kommt aus Posadas in der Provinz Misiones in
Nordargentinien. In einer an Haag gerichteten E-Mail ist zu lesen, dass sich
dort eine Gruppe um den evangelischen Pastor und Schulleiter des Gymnasiums
Instituto Gutenberg, Ricardo Veira, intensiv mit der Übersetzung des Buchs
befasst. Veira selbst hatte 2016 mit einer Delegation Michelstadt besucht.
Er möchte mit der Übertragung die Texte nicht nur für die Nachfahren der
zahlreichen, während der NS-Zeit in das Spanisch sprechende Südamerika
geflüchteten Deutschen lesbar machen. Sie sollen auch den Schülern des
dortigen Gymnasiums als beispielhaftes Unterrichtsmaterial über den
Nationalsozialismus in Deutschland zugänglich gemacht werden. Der Kontakt
nach Nordargentinien wurde bereits vor vielen Jahren über die Nachfahren der
Michelstädter Familie Speyer geknüpft. Sie zählten zu dem Personenkreis, der
auf Einladung der Stadt im April 2014 den Ort ihrer Herkunft aufgesucht
hatte. Damals waren mehr als 20 Nachkommen früherer jüdischer Einwohner aus
Argentinien, Israel, Südafrika und den USA für eine Woche zu Gast im
Odenwald – ein Treffen, das nicht nur in Michelstadt in guter Erinnerung
geblieben ist. 'Natürlich freuen wir uns sehr, dass die Ergebnisse unserer
jahrelangen Recherchen weiterhin so interessiert aufgenommen und als
wichtiger Beitrag zur Aufarbeitung der Geschichte betrachtet werden', so
Haag. Seinerzeit wurde das Buch über die Stadtverwaltung auch an all jene
Nachfahren von ehemaligen jüdischen Michelstädtern in aller Welt versandt,
deren Anschriften nach so vielen Jahren des Verschweigens und Desinteresses
noch feststellbar waren. Dank dieses Vorgehens steht das Buch heute nicht
nur im Algemeen Rijksarchief in Brüssel oder in der jüdischen Gedenkstätte
Yad Vashem in Jerusalem, sondern es auch in private Bücherregalen in den
USA, Israel, Südafrika, Argentinien und Brasilien. In Michelstadt wartet die
Initiative jetzt mit großem Interesse darauf, Neuigkeiten über den Verlauf
der Übersetzungsarbeiten zu erfahren. In dem Buch 'Ich gebe ihnen einen
Namen' hat Haag das Leben und schmerzliche Schicksal der 59 von den Nazis
verschleppten jüdischen Michelstädtern festgehalten, an die im Stadtbild
auch die sogenannten Stolpersteine erinnern. Der Autor und seine Mitstreiter
hatten sich auf Spurensuche begeben, in Archiven in Wiesbaden, Hamburg,
Freiburg, Karlsruhe und anderen Städten geforscht, um mehr über das Leben
und die Schicksale der teils bereits im Kindesalter ermordeten Stadtbürger
in Erfahrung zu bringen. Das fast 300 Seiten starke Buch ist reichlich
bestückt mit Fotoaufnahmen aus dem Leben der Opfer, Ablichtungen von
Dokumenten und der Wohnhäuser, wie sie vor rund 70 Jahren ausgesehen haben.
Der Buchtitel, entliehen aus dem Alten Testament im Buch Jesaja, wurde
seinerzeit im Sinne einer Wiedergutmachung für die 'von den Nazis
systematisch betriebenen Entmenschlichungen' gewählt. So hätten KZ-Häftlinge
mit ihrer Einlieferung automatisch ihren Namen verloren und dafür eine
Häftlingsnummer erhalten. 'Mit dem Verlegen von Stolpersteinen geben wir den
Holocaust-Opfern also auch wieder ihren Namen zurück', erläuterte Autor
Haag."
Link zum Artikel |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinde in Hessen 1972. Bd. II,
76-89. |
| W. Stern: Der Baal Schem von Michelstadt. Ergänzende Notizen.
Artikel in der Jüdischen Allgemeinen vom 30. November 1973. Zum Lesen
bitte Textabbildung anklicken.
Bei W. Stern wird es sich um den 1995 verstorbenen Rabbiner Dr. William Stern gehandelt
haben. Er arbeitete als Lehrer in Manchester, später in London. |
| Thea Altaras: Synagogen in Hessen - Was geschah seit 1945.
Königstein im Taunus. 1988 S. 169.204.217. |
| Rudolf Wind: Michelstadt. Ein Führer durch die Stadt. |
| Judaeus
(Rabbi Herz Naftali Ehrmann): The Baal Shem Tov of
Michelstadt. New York— Jerusalem 1973.
Translated by M. F. Kuttner. Feldheim Publishers 2006. Über
das Leben des Rabbi Seckel Löb Wormser |
| Martin Schmall: Die Juden in Michelstadt 1650-1943. Michelstadt
1982. 5. erweiterte Auflage Michelstadt 1995. Rathaus- und Museumsreihe Band
5. |
| ders.: Die Juden in Michelstadt. Band 5 der Rathaus- und Museumsreihe.
Michelstadt 1988. |
| Heidi Banse: Michelstädter Juden im 19.
Jahrhundert. 24 S. Online
zugänglich oder über eingestellte
pdf-Datei. |
| Karl E. Grötzinger:
Der Ba'al Schem von Michelstadt und die Frankfurter Kabbalisten,
in: Menora - Jahrbuch für deutsch-jüdische Geschichte, 1996. S. 324-340. |
| ders.: Seckel Löw Wormser –
der Ba'al Schem von Michelstadt, Zum 150. Geburtstag, in: Aschkenas,
Zeitschrift für Geschichte und Kultur der Juden, Nr. 10 2000 S. 157-176.
|
| ders.:
Der Ba'al Schem von Michelstadt. Ein deutsch-jüdisches Heiligenleben zwischen Legende und Wirklichkeit.
Mit einem Neuabdruck der Legenden aus der Hand von Judaeus und Arthur Kahn. Campus-Verlag Frankfurt - New
York 2010. 375
Seiten, ca. 20 Abb. 24,90 €.
EAN 9783593392820.
|
| Hans Teubner:
Vergessene Bauwerke - "Laubhütten" in Hessen. Mit mehreren
Beispielen aus Michelstadt. Online
zugänglich |
| Brigitte Diersch:
Aus de Klappergass: Erinnerungen an das Gotteshaus in der Mauerstraße und
die israelitische Religionsgemeinde Michelstadt im 19. und 20. Jahrhundert.
In: "gelurt" - Odenwälder Jahrbuch für Kultur und Geschichte. 2011 (2010) S.
188-196. Online
zugänglich (pdf-Datei). |
| dies.: 'Und dann
war sie weg...'. Das kurze Leben der Doris Katz. In: "gelurt". Jahrbuch für
Kultur und Geschichte 2010. Hg. von Kreisarchiv des Odenwaldkreises. Erbach
2009. S. 197-217. Online zugänglich:
https://archive.is/LmKf4
Hinweis: Der Beitrag erschien auch als erweiterter Sonderdruck: "...wir
schaufeln ein Grab in den Lüften..." Das kurze Leben der Doris Katz
(2. November 1924 - 5. März 1943) Hessen - Holland - Sobibór. Erbach 2010
70 S. (siehe Abbildung links).
dies.: Doris Katz und ihre Familie auf der Flucht vor dem Holocaust, In: "gelurt".
Odenwälder Jahrbuch für Kultur und Geschichte 2020. Erbach/Odenwald 2019 S.
39-52.
Online zugänglich (pdf-Datei).
English: Brigitte Diersch: Doris Katz and her Family between
November-Pogrom 1938 and Emigration or Deportation. Translation into English
by the autor. December 2019. Supplement to: Das kurze Leben der Doris Katz.
Erbach 2010.
Eingestellt als pdf-Datei. Vgl. auch
https://www.dokin.nl/deceased_children/doris-katz-born-2-nov-1924/.
|
| dies.: Was uns die
Bienenmarkts-Pforte bei der Synagoge erzählt. Frauenbad, Judenschule und
Lichtigfeld-Museum in Michelstadt. In: "gelurt". Odenwälder
Jahrbuch für Kultur und Geschichte 2013. Hrsg. vom Kreisarchiv des
Odenwaldkreises. Erbach/Odw. 2012. S. 206-225. Online
zugänglich (pdf-Datei). |
| Johann Heinrich Kumpf:
Der Londoner Bankier Leopold Joseph und seine Odenwälder Wurzeln. In:
Odenwald-Heimat. Monatliche Beilage des Odenwälder Echo. Nr. 7 /
2013. Als pdf-Datei - mit freundlicher Genehmigung von Autor und
Verlag - eingestellt (Download).
Anmerkung des Autors zum Beitrag: die Hauptquelle für diesen Artikel,
das von Leopold Joseph 1912 in London veröffentlichte
"Denkblatt", ist in Deutschland offenbar nur in einem einzigen
Exemplar vorhanden: in der Deutschen Nationalbibliothek, Deutsches
Exilarchiv 1933-1934, Frankfurt am Main. |
| Heinz-Otto Haag:
Ich gebe ihnen einen Namen (Jes. 56,5) - Stolpersteine in Michelstadt.
Mit Beiträgen von: Manfred Giebenhain, Heidi Haag, Nikolaus Kelbert, Dr.
Peter Henning Röseler. Michelstadt 2013.
Rathaus- und Museumsreihe, Michelstadt, Band 26. ISBN-Nr.
3-924583-51-X. 20
€.
Bezug über die Stadt Michelstadt: Kulturamt. Marktplatz 1 64720
Michelstadt. Tel. 06061-97941-20 Mail: kulturamt@michelstadt.de
|
| Johann Heinrich Kumpf: Wohl die älteste Person des
Deutschen Reichs stammte aus Momart. Zur Geschichte der jüdischen Familien
Bergfeld in Momart und Michelstadt, May in Roßdorf sowie Aschenbrand in
Niederaula, Rimbach und Frankfurt am Mein. In: "gelurt". Odenwälder Jahrbuch
für Kultur und Geschichte 2022. Hrsg. vom Kreisarchiv des Odenwaldkreises.
Erbach/Odw. 2022. S. 99-116.
Online zugänglich (pdf-Datei).
|
| Brigitte Diersch: Wie Tochter und Vater. Die
Geschichte von Lilli Seibold und Isaac Jacob Weiller. - In: Odenwald-Heimat.
Monatliche Beilage des Odenwälder Echo aus Natur und Geschichte. 89.Jg.
Nr.2-4 2014.
Einzusehen über:
https://www.gymnasium-michelstadt.de/index.php/das-gymi/die-ehemaligen/ehemalige-berichten bzw.
eingestellt als pdf-Datei
|
Ergänzung zur Literatur:
Artikelserie in der "Jüdischen Wochenzeitung für
Kassel, Kurhessen und Waldeck" 1927/1928: "Der Baalschem von
Michelstadt. Kulturgeschichtliche Erzählung von Judaeus"
Hinweis: "Der Baalschem von Michelstadt" wurde von
Naftali Herz Ehrmann verfasst. Er erschien im Verlag des Israelit 1912/13 in
Frankfurt am Main (2. Auflage). Diese
Ausgabe ist auch online einsehbar. Er wird bis zur Gegenwart aufgelegt
(siehe auch die Ausgabe New York - Jerusalem 1973 / 2006 oben). Auf diese
Publikation geht ausführlich auch Karl E. Grötzinger in seinem o.g. Buch ein.
Die Erzählung von Ehrmann wurde auch in jüdischen Periodika veröffentlicht
wie in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" 1927/28:
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Teil 1: 28.11.1927 |
Teil 2: 2.12.1927 |
Teil 3: 9.12.1927 |
Teil 4: 16.12.1927 |
Teil 5: 23.12.1927 |
Teil 6: 30.12.1927 |
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noch
einzustellen |
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Teil 7: 6.1.1928 |
Teil 8: 13.1.1928 |
Teil 9: 20.1.1928 |
Teil 10: 27.1.1928 |
Teil 11: 3.2.1928 |
Teil 12: 10.2.1928 |
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Teil 13: 17.2.1928 |
Teil 14: 24.2.1928 |
Teil 15: 2.3.1928 |
Teil 16: 10.3.1928 |
Teil 17: 16.3.1928 |
Teil 18: 23.3.1928 |
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Teil 19: 30.3.1928 |
Teil 20: 20.4.1928 |
Teil 21: 27.4.1928 |
Teil 22: 4.5.1928 |
Teil 23: 11.5.1928 |
Teil 24: 28.5.1928 |
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Teil 25: 25.5.1928 |
Teil 26: 1.6.1928 |
Teil 27: 8.6.1928 |
Teil 28: 15.6.1928 |
Schlussteil 29:
22.6.1928 |
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Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Michelstadt Hesse, Germany. Established
around 1740, the community rebuilt its synagogue in 1791, when it comprised 18
families. Jewish life flourished in the first half of the 19th century, thanks
largely to R. Seckel Loeb Wormser (1768-1847), the "Ba'al Shem of
Michelstadt", who opened a yeshiva attended by 70 students in 1805. He
gained particular renown as a healer, devising treatments that combined herbal
remedies woth science and Kabbalah. Legends were woven around the "Ba'al
Shem" and pilgrimages were made to his grave, non-Jews maintaining this
practice in secret during the Nazi era. At its height, in 1871, the community
numbered 194 (6 % of the total). Its members, affiliated with the Orthodox
rabbinate of Darmstadt, were sheltered from antisemitism until the 1930s. On Kristallnacht
(9-10 Nov. 1938), however, the synagogue's interior was destroyed (although
Torah scrolls had been rescued in advance), Jewish stores were looted, and Jews
sent to the Buchenwald concentration camp. Of the 91 Jews living there in 1933,
48 emigrated (mostly to the U.S.) and 14 were deported in 1942-43. After
Worldwar II, the grave of the "Ba'al Shem" was restored and the newly
repaired synagogue was transformed into a Jewish historical museum".
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