Neustadtgödens (Gemeinde Sande, Landkreis Friesland, Niedersachsen)
Jüdische Geschichte / Synagoge
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der Website des Gröschler-Hauses Jever
(Zentrum für Jüdische Geschichte und Zeitgeschichte der Region Friesland /
Wilhelmshaven)
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Seit
der Zeit des Dreißigjährigen Krieges waren Juden in Neustadtgödens ansässig.
Im Einnahme-Register der Herrlichkeit Gödens von 1639 sind die Namen von
drei Juden verzeichnet (Jochim, Nathan und Moises). Ein erster Schutzbrief der
Freiherren von Fridag datiert von 1660, in dem inzwischen vier Juden genannt
werden: Joachim Lazarus, Nathan Jacobs, Sander Nathans und Moses Salomon. Von
diesen vier ersten Juden wurde 1661 Sander Nathans in die Webergilde als Meister
aufgenommen. Bis zum Ende des 17. Jahrhunderts nahm die Zahl der jüdischen
Familien kräftig zu: 1694 sind elf jüdische Haushaltsvorstände genannt.
Nach
den am Anfang des 18. Jahrhunderts ausgestellten Schutzbriefen durften die Juden
des Ortes Handel treiben, ihren Gottesdienst in der Synagoge und Schulunterricht
halten sowie ihre Toten auf eigenen Friedhöfen begraben. 1737 lebten insgesamt
46 jüdische Personen am Ort, davon 23 männlichen und 23 weiblichen
Geschlechts. Neun Juden verdienten ihren Lebensunterhalt mit Schlachten, vier
lebten vom Altkleiderhandel, weitere vier wurden als unvermögend bezeichnet.
Seit 1742 hatten die Familien zeitweise auch einen Rabbiner am Ort. 1749
umfasste die Zahl der jüdischen Einwohner mit 63 Personen genau 10 % der
Gesamteinwohnerschaft. 1753 gab es neun jüdische Hausbesitzer am Ort. Nach
einem Vermögensregister von 1756 handelten die wohlhabenderen Juden Moses Cohen
mit Kleidern, Israel Jonas mit Kleidern und Tee sowie Moses Victor mit Kleidern.
Die meisten Familien lebten allerdings in armseligen Verhältnissen. 1782 kam es
von Seiten der christlichen Bevölkerung zu einem Pogrom gegen die Judenschaft.
Dabei wurden u.a. die Fenster von jüdischen Häusern eingeworfen. Als Anlass
des Pogroms wurde die angebliche Verhöhnung der Kreuzigung Christi durch Juden
genannt. Da dieser Vorwurf aber völlig unbegründet war, mussten den jüdischen
Familien Entschädigungsgelder zur Reparatur ihrer Häuser gezahlt werden.
Die Zahl der
jüdischen Einwohner entwickelte sich im 19. Jahrhundert wie folgt: 1802
100 jüdische Einwohner, 1867 Höchstzahl mit 186 Personen, danach starker
Rückgang durch Aus- und Abwanderung: 1885 139, 1905 85 jüdische Einwohner. Die
jüdischen Familien verdienten ihren Lebensunterhalt weiterhin vor allem als
Händler mit Kleidern und Ellenwaren, als Schlachter und Viehhändler sowie als
Lederhändler. Auch ein jüdischer Vieharzt wird 1828 genannt.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine
Religionsschule, ein rituelles Bad und einen Friedhof. Zur Besorgung religiöser
Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer angestellt, der zugleich als
Vorbeter (beziehungsweise Prediger) und Schochet tätig war (siehe
Ausschreibungen der Stelle unten). Diese Stelle hatten u.a. inne: Prediger Dr. Hulisch
(1870 bis höchstens 1878; vermutlich = Dr. Israel Hulisch, bis 1870 in Neuss
als Prediger tätig), Dr. Berlin (bis 1881), Heinrich Reuß (ca. 1884-1896), Lehrer
Hermann Wolkowski
(1899-1907), Lehrer Seeliger (ab 1907-?). In den 1920er-Jahren gab es auf Grund
der zurückgegangenen Zahlen von Gemeindegliedern keinen von der Gemeinde
angestellten Lehrer und Vorbeter mehr. Die Gemeinde gehörte dem Rabbinatsbezirk
in Emden an.
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde Max Weinberg (geb.
1.5.1884 in Altgödenserhorn, gef. 9.3.1917).
Um 1924, als nur noch 28 Personen der
jüdischen Gemeinde angehörten (5,1 % von insgesamt etwa 550 Einwohnern), waren
die Vorsteher der Gemeinde S. de Taube, Richard Stein und L. Weinberg. Damals
erhielten noch vier jüdische Kinder Religionsunterricht durch Lehrer Hartog aus
Jever. Ein Frauenverein wurde von Rosa Stein geleitet. Anfang der 1930er-Jahre
wird nur noch Richard Stein als Gemeindevorsteher genannt.
1933
wurden noch 12 jüdische Einwohner gezählt. Auf Grund der zunehmenden
Repressionen und der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts verließen mehrere von
ihnen in der folgenden Jahren den Ort, einige wanderten aus. 1940 wurden
noch drei jüdische Einwohner gezählt.
Von den in Neustadtgödens geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Erna Aufrecht geb.
Taube (1891), Marianne Berliner geb. Cohen (1870), Arthur Cohen (1901), Bernhard Cohen (geb. 1917, vermutlich in Sobibor
ermordet), Emma Cohen (1863), Frieda Cohen (geb. 1915, vermutlich in Auschwitz ermordet),
Friedrich Cohen (1888), Heymann Cohen (1883), Irma Georgine Cohen (1900), John
Cohen (1875), Moritz Cohen (1890), Philipp Victor Cohen (1866), Wolf Cohen
(1903), Elise van Gelder geb. Cohen (geb. 1876,
in Sobibor ermordet), Bertha Goldschmidt (1892), Emilie Goldschmidt (1888),
Wilhelmine Goldschmidt geb. Sternberg (1891), Joseph Haas (1892), Regina Haas
(1865), Salomon Haas (1896), Clara Herz (1868), Julie Hestermann geb. Cohen
(1859), Carl Max Josephs (1870), Cäcilie Josephs (1877), Herbert
Josephs (geb. 1906, vermutlich in Auschwitz ermordet), Bertha Juchenheim (1859),
Ida Koppel geb. Josephs (1873), Georgine Knurr (1865, vermutlich in Auschwitz ermordet), Margarethe Lazarus geb. de Taube
(1893), Alma Levie geb. Josephs (1879), Melitta Neugarten geb. Cohn (1911),
Richard Stein (1885), Rosa Stein geb. Wertheim (1881), Fanny Strauch geb. de
Taube (1884), Conrad de Taube (1902), Ernst de Taube (1889), Frieda de Taube
(1877), Käthe de Taube (1899, vermutlich in Auschwitz ermordet), Salomon Taube
(1858), Betty Valk geb. de Taube (1860), Mary Wachsmann geb. Weinberg (1877),
Friederike Weinberg (1892), Röschen Wertheim geb. Stein (1877).
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 23. Februar 1869:
"Durch Pensionierung unseres jetzigen Lehrers ist in der hiesigen
israelitischen Gemeinde die Stelle eines Lehrers (unverheiratet), welcher
auch zugleich das Amt eines Vorbeters und nötigenfalls auch des
Schächters übernehmen muss, auf sofort oder März dieses Jahres zu
besetzen. Der Gehalt ist auf 250 bis 300 Taler, nebst freier Wohnung
exklusive Nebenakzidenzien fixiert. - Qualifizierte Bewerber werden
ersucht, ihre Zeugnisse portofrei an den unterzeichneten Vorstand gelangen
zu lassen.
Neustadt Gödens in Ostfriesland, 16. Februar 1869. Der
Vorstand der Synagogen-Gemeinde D. Cohen S. Büchler.
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 11. Juni 1878 und
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. Juni 1878: "Zum
1. August dieses Jahres suchen wir einen Elementar-Lehrer, der
gleichzeitig den Vorbeterdienst mit wahrnehmen muss. Der Gehalt beträgt
für beide Funktionen zusammen Mark 1.200 außer Emolumenten. Reflektanten
wollen sich gefälligst unter Einsendung ihrer Qualifikationszeugnisse bei
dem unterzeichneten Vorstande sobald als möglich melden. Neustadt-Gödens
in Ostfriesland, Provinz Hannover, den 3. Juni 1878. Der Vorstand der
Synagogen-Gemeinde: D. Cohen.
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom Februar 1882 und
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. Februar 1882: "Am
20. März wird die Stelle eines Religions- und Elementarlehrers und
Vorbeters in hiesiger Gemeinde frei und soll möglichst bald, spätestens
1. Mai, besetzt werden. Bereits amtierende Bewerber orthodoxer Richtung,
mit guten Zeugnissen und fähig, religiöse Vorträge zu halten, wollen
sich an Unterzeichneten wenden. - Gehalt 1.000 Mark fest und billige Wohnung,
Nebeneinkünfte reichlich und können durch Vertretung in der Schechito
bedeutende vermehrt werden. - Der bisherige Lehrer Herr Dr. Berlin erteilt
gern jede Auskunft.
Neustadtgödens in Hannover, Januar 1882. Dr. Cohen,
Vorsteher".
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. Juni 1907:
"Neustadtgödens, 30. Mai. Die durch die Berufung unseres bisherigen
Lehrers Wolkowski nach Königsberg vakant gewordene Stelle an der hiesigen
jüdischen Volksschule darf nach der Entscheidung des Herrn
Kultusministers wieder besetzt werden. Wegen geringer Schülerzahl war die
Wiederbesetzung von der Aufsichtsbehörde in Frage gestellt worden. Durch
eine an das Kultusministerium gerichtete eindringliche Vorstellung der
Herrn Landrabbiners Dr. Löb in Emden ist die günstige Entscheidung
erfolgt und der Fortbestand unserer öffentlichen jüdischen Volksschule
dadurch gesichert."
Lehrer Heinrich Reuß bietet seine Dienste an (1894)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. Februar 1894: "Pflege,
Erziehung, Unterricht!!
Knaben werden für höhere Schulen und für's Kaufmännische
vorbereitet.
H. Reuß, für Mittel- und höhere Töchterschulen geprüfter jüdischer
Lehrer in Neustadt-Gödens bei Wilhelmshaven."
Zum Tod von Heinrich Reuß, Lehrer in
Neustadtgödens ca. 1884-1896 (gest. 1924 in Berlin)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. Dezember 1924:
"Berlin, 28. November 1924: "Berlin, 28. November (1924). In
Berlin verstarb Heinrich Reuß, ein verdienter Pädagoge und durch seine
Artikel auch unseren Lesern wohl bekannt. Reuß ist in Oberlauringen
geboren, von wo er mit 12 Jahren nach Burgpreppach (Präparandie) und dann
nach Würzburg ins Lehrerseminar kam. Er war zuerst Religionslehrer in
Herborn und dann 12 Jahre Volksschullehrer und Prediger in Neustadt-Goedens.
Von dort kam er nach Aurich, wo er 14 Jahre als Hauptlehrer, Prediger und
Chasen segensreich wirkt. Seit 1908 lebte er in Berlin, wo er 14 Jahre
lang als Religionslehrer der Adaß und als Lehrer an der Talmud-Tora
Knesset-Jisroel wirkte. Er starb im Alter von 62 Jahren, wovon er 43 Jahre
als Lehrer eine Generation zur Tora und zu Weisheit erzog. Eine große
Reihe pädagogischer, religionsphilosophischer und belletristischer
Schriften sichert sein Andenken für alle Zeiten. Seine Seele sei
eingebunden in den Bund des Lebens."
Lehrer Wolkowsky verlässt Neustadt-Gödens - Neubesetzung mit Lehrer
Seeliger aus Bunde (1907)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. März 1907:
"Neustadtgödens, 21. März (1907). Der Lehrer der israelitischen
Volksschule hierselbst, Herr Wolkowski, ist auf seinen Antrag zum 1. Mai
dieses Jahres aus dem öffentlichen Volksschuldienste und damit auch aus
dem Schuldienste in Neustadtgödens entlassen worden."
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. Mai 1907:
"Neustadtgödens, 25. April (1907). Der Lehrer der israelitischen
Gemeinde, Herr Wolkowsky, welcher 8 Jahre lang hier gewirkt hat, ist nach
Königsberg verzogen, um dort die Stelle eines Religionslehrers zu
übernehmen. Die hiesige vakante Lehrerstelle wird durch Herrn Lehrer
Seeliger aus Bunde wieder besetzt werden."
Der katholische Pfarrer unterrichtet in der Kriegszeit die jüdischen Kinder
(1915)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. August 1915: "Hannover,
9. August (1915). Eine Seltenheit im Schulbetrieb hat der Krieg in dem
benachbarten Neustadt-Gödens zur Folge gehabt. Da dort der
israelitische Volksschullehrer zur Fahne einberufen und ein Vertreter
nicht vorhanden ist, unterrichtet der katholische Pfarrer des Ortes die
israelitischen Kinder. Unterweisung in der Religion erhalten sie durch
einen jüdischen Lehrer aus der
Nachbarschaft."
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. April 1891: "Neustadt-Gödens
(Ostfriesland), 12. April (1891). Einen wahrhaft glaubenstreuen Juden
haben wir Freitag, den 2. Nissan, zu Grabe getragen. Ein solches Gefolge
wurde noch nie hinter der Leiche eines bürgerlichen Menschen gesehen.
Glaubensgenossen aus Nah und Fern kamen nach dem nur 4 jüdische Familien
zählenden Westerstede. um dem im Alter von 73 Jahren verewigten Seckel
Frank die letzte Ehre zu erweisen. Der größere Teil der Anwesenden
aber war christlichen Glaubens, ihre Begleitung legte Zeugnis davon ab,
dass sie den Verstorbenen im Leben geliebt und verehrt hatten. Ehre eines
solchen Gegend, in der man keine Spur von Judenhass kennt und nur den Mann
nach Taten richtet. Noch mehr Ehre aber dem braven, geschiedenen
Glaubensbruder, der durch sein lauteres Leben solchen Anlass zu einer Heiligung
des Gottesnamens gegeben.
'Vater Frank' ward er weit und breit von den Christen genannt. Im
öffentlichen und geschäftlichen Leben war seine Meinung ausschlaggebend.
Das war die natürliche Folge seiner strengen Redlichkeit. Er war ein
treuer Jude. In seinem Hause richtete er sich eine Synagoge ein und
stattete diese aus. Er hielt Sabbat und Festtage streng, sodass er vor
Jahren deswegen in der Kirche von der Kanzel herab als Muster der
Sabbatheiligung gelobt wurde, auch legte er ein würdiges Beit
Hekewarot (Friedhof) an. Am meisten gerühmt war seine Wohltätigkeit.
In feiner Weise half er Dürftigen oder solchen, die nicht mehr auf
eigenen Füßen stehen konnten."
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 24. August 1869: "Gesucht. Ein gewandtes Dienstmädchen,
welches sowohl in der Küche als auch in sonstigen häuslichen Arbeiten
tüchtig erfahren.
Neustadt-Gödens in Ostfriesland. J. S. Herz."
Privatanzeigen: jeweils Lehrerin gesucht (1873, 1874 und 1878)
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 9. September
1873: "Gouvernante.
Für meine Tochter suche ich eine bewährte Lehrerin und Erzieherin, die
im Französischen, Englischen und Musik tüchtig ist. Der Antritt ist
sobald als möglich erwünscht.
L. M. Hardt, Neustadt-Gödens bei Oldenburg."
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 5. August 1873:
"Gouvernante.
Für ein dreizehnjähriges Mädchen einer hiesigen
Familie suche ich, womöglich von gleich ab, eine erfahrene pädagogisch
durchgebildete Lehrerin und Erzieherin. Tüchtigkeit in Musik,
Französisch und Englisch, Bedingung. Gefällige von Zeugnissen begleitete
Offerten nehme ich entgegen. Neustadt-Gödens (Ostfriesland). Dr. Hulisch."
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 3.
Juni 1873: "Gouvernante gesucht.
Für die vorteilhaft entwickelte dreizehnjährige Tochter einer hiesigen
sehr respektabeln Familie suche ich eine Lehrerin, die in Sprachen
(Französisch und Englisch) und Musik tüchtig ist. Antritt der Stelle:
laut Übereinkunft. Von Zeugnissen und Referenzen begleitete Offerten
nehme ich entgegen. Neustadt-Gödens (Ostfriesland). Dr. Hulisch".
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 14. April 1874:
"Für die 14jährige Tochter einer hiesigen Familie suche ich,
möglichst für sogleich, eine Lehrerin und Erzieherin, die besonders in
der Musik und den neueren Sprachen Tüchtiges leistet. Von Zeugnisse
begleitete Offerten nehme ich entgegen. Neustadt-Gödens (Provinz
Hannover). Prediger Dr. Hulisch."
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 5. März 1878:
"Ich suche auf sofort für eine zu errichtende Schule eine geprüfte
Lehrerin (respektive Lehrer), mosaischer Konfession, zum Unterricht in
fremden Sprachen, möglichst auch in der Musik. J. S. Herz.
Gödens-Neustadt in Ostfriesland, Provinz Hannover, 14. Februar
1878."
Weitere Anzeigen von Prediger Dr. Hulisch (1873)
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom
3. Juni 1873: "Wirtschafterin gesucht. Zur Stütze, respektive
zur Vertretung der Hausfrau suche ich für eine achtbare Familie eine
tüchtige Dame gesetzten Alters. Meldungen mit Zeugnissen und Referenzen
an Neustadt-Gödens (Ostfriesland) Dr. Hulisch."
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom
3. Juni 1873: "Haushälterin!
Der leidende Gesundheitszustand meiner Frau erfordert eine
Luftveränderung auf längere Zeit. Ich suche daher für sogleich oder den
1. Juli zur Führung des Haushalts und zur Erziehung meiner vier Kinder
(Alter: zwischen 2 und 6 Jahren) eine gebildete, in Küche und Haushalt
erfahrene, sehr tüchtige Dame gesetzten Alters. Reflektantinnen ersuche
ich um baldige Meldungen mit gefälliger Angabe maßgebender Referenzen
und der Gehaltsansprüche. Neustadt-Gödens bei Oldenburg. Prediger Dr. Hulisch."
Jüdisches Mädchen als Haushaltshilfe gesucht
(1901)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. März 1901:
"Gesucht zu Mitte oder Ende April ein erfahrenes, tüchtiges Mädchen
zur Stütze, welches kochen, bügeln, nähen und stopfen kann.
Offerten mit Gehaltsansprüchen.
Frau Samuel de Taube,
Neustadt-Gödens."
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. August 1901:
"Gesucht zum 1. Oktober oder etwas früher ein gebildetes, tüchtiges
und erfahrenes junges Mädchen als Stütze gegen hohen Lohn.
Offerten nebst Gehaltsangaben.
Frau Samuel de Taube,
Neustadt-Gödens bei Wilhelmshaven"
Anzeige der Frau von Simon
Cohen (1902)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 9. Oktober 1902:
"Suche für meine beiden Kinder im Alter von 4 und 2 Jahren,
ein
Fräulein,
welches auch leichte, häusliche Arbeiten verrichten muss. Zeugnisse und
Gehaltsansprüche zu richten an
Frau Simon Cohen, Neustadt-Gödens bei Wilhelmshaven."
Graf Burchard Philipp von Fridag erlaubte mit den Schutzbriefen zu Beginn des
18. Jahrhunderts die Einreichung einer Synagoge beziehungsweise eines Betsaales.
1752 wird erstmals eine Synagoge genannt. 1758 ist davon die Rede, dass die
Synagoge "auf herrschaftlichem Boden" stehe. Dabei wird es sich wohl
um das Gebäude handeln, das noch in einem Plan von 1830 als der
"Israeliten Kirch" bezeichnet wird.
1852 wurde das heute noch existierende Synagogengebäude im Stil einer
kleinen Stadtsynagoge erbaut. Die Ostseite mit dem Toraschrein wurde als
repräsentative Schauseite gestaltet, mit einer hebräischen Inschrift im
Giebelfenster und dem Davidstern auf dem Giebel. Die Männer betraten die
Synagoge über die Rückseite (von Westen), die Frauen gelangsten über eine
Tür auf der Südseite zur Frauenempore. Bis 1902 diente die Synagoge in
Neustadtgödens auch den in Wilhelmshaven lebenden jüdischen
Personen als Gotteshaus. Bis 1936 konnte die immer kleiner werdende jüdische Gemeinde
ihre Gottesdienste hier abhalten. Mit einer Abschiedsfeier am 15. März 1936 in
der Synagoge endete das religiöse Leben in dem Gebäude.
Abschiedsfeier in der Synagoge (1936)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 26. März 1936: "Neustadt-Gödens
(Ostfriesland), 18. März (1936). Am 15. März fand hier eine
Abschiedsfeier in der Synagoge statt. Die Gemeinde Neustadt-Gödens, die
älteste in Ostfriesland, ist auf einige Mitglieder zurückgegangen. Das
Gotteshaus, einstmals kaum die Zahl der Betenden fassend, ist baufällig
geworden und muss deswegen geschlossen werden. Zur letzten Feierstunde
hatten sich viele Freunde und ehemalige Gemeindeglieder eingefunden. Herr
Landrabbiner Dr. Blum, Emden, sprach in ergreifender Weise über das Thema
Psalm 43,5: 'Was bist du gebeugt, meine Seele, und was jammerst du in mir?
Harre auf Gott! Denn noch werde ich ihm danken, dem Heil meines Antlitzes
und meinem Gottes.' - Der Synagogenchor aus Jever unter Leitung des
Lehrers Hartog, Wilhelmshaven und unter Mitwirkung des Solisten Herr
Rudolf Gutentag, umrahmte mit seinen Gesängen die Feier. - Schofartöne
schlossen die ernste Feierstunde. Ha."
Am 27. Juni 1938 wurde das Synagogengebäude an einen
Privatmann aus Wilhelmshaven verkauft, später wurde das Synagogengebäude an
einen Privatmann veräußert, der darin ein Farben- und Lackenlager einrichtete. Dieser
Umstand sollte zumindest das Gebäude beim Novemberpogrom 1938 schützen. Aus
Angst vor einer größeren Explosion in der eng bebauten Kirchstraße
verzichteten die Nationalsozialisten auf das Niederbrennen. Die Synagoge überstand
als einzige Ostfrieslands.
Nach 1945 wurde das Gebäude als Wohngebäude verwendet, 1962 bis 1986
als Feuerwehrhaus. Von 1986 bis 1988 wurde das Gebäude von der Gemeinde
Sande mit öffentlichen Mitteln restauriert. Im Erdgeschoss war danach ein
Galerieraum für Künstlerausstellungen (1988 bis 2001: Galerie Schlieperder).
2002
wurde die ehemalige Synagoge erneut veräußert und kam in Privatbesitz.
Zunächst war neben der Nutzung als
Wohngebäude an die Einrichtung einer Ausstellung von antiquarischen Automobil- und Eisenbahn–Spielzeug
gedacht. Der Plan wurde jedoch nicht verwirklicht.
Am 9. Juli 2015 wurde die ehemalige Synagoge als Erinnerungsort im
Kreis Friesland wiedereröffnet. Seitdem kann das Erdgeschoss zu bestimmten
Terminen beziehungsweise im Rahmen von Führungen wieder besichtigt werden. Eine
Ausstellung zur jüdischen Geschichte und ihrer Synagoge vom Ende des 17.
Jahrhunderts bis zur Deportation und Ermordung der letzten jüdischen Einwohner
1941/42 wurde eingerichtet. Ein offenes Erinnerungsbuch gedenkt der jüdischen
Bürger, die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft wurden. Das
Obergeschoss ist als Ferienwohnung eingerichtet.
Zum jüdischen Schulhaus: 1812 kaufte die jüdische Gemeinde ein Wohnhaus
neben der Synagoge. Das alte Gebäude wurde abgebrochen und in dem Neubau eine
eigene Schule eingerichtet. 1903 zog die Schule in ein gegenüberliegendes
Wohnhaus um. Dort wurde bis 1922 unterrichtet.
Dezember 2009:
Anregung für neue Nutzung der ehemaligen
Synagoge
Artikel
im "Jeverschen Wochenblatt - Friesisches Tageblatt" vom 29.
Dezember 2009 (Artikel):
"Friesische Folklore sorgt für eine gelöste Stimmung - 'Laway' begeistert Zuschauer in evangelischen Kirche / Restlos ausverkauft.
Neustadtgödens/os – In Neustadtgödens hat 'Laway' sozusagen ein Heimspiel. Der Gründer und Motor der Gruppe Gerd
'Ballou' Brandt lebt hier nämlich seit etlichen Jahren Doch daran allein kann es nicht liegen, dass die evangelische Kirche am Abend des
'dritten Weihnachtstages' bis auf den wirklich allerletzten Platz besetzt ist. Die Leute kommen nämlich nicht nur aus dem kleinen Ort selber, sondern aus dem ganzen Jeverland. Am Ende des zweieinhalbstündigen Konzerts zeigt sich, dass sich auch längere Anreisen gelohnt haben, spontan gibt es lang anhaltende stehende Ovationen für die fünfköpfige Gruppe.
'Laway' ist auf 'Winterleed-Tour'. Seit Anfang Dezember sind die Musiker unterwegs, vornehmlich in den schönen alten Kirchen der Region und präsentieren hier ihre Lieder, allesamt auf plattdeutsch gesungen. Bis Ende Januar sind sie noch an vielen Orten zu hören und zu sehen. Am Sonntagabend war in der evangelischen Kirche in Neustadtgödens nicht einmal mehr ein wackliger Kappstuhl zu haben, so restlos voll war die Kirche. Die Musiker freute das sichtlich, zumal sie in der Woche zuvor bei richtig winterlichen Temperaturen und Schneefall andernorts in wesentlich kleinerer Runde gespielt hatten. Doch Freude macht ihnen ihre Musik wohl immer, das kommt ganz schnell beim Publikum an. So sprang auch am Sonntag der
'Funke' rasch über und Musiker und Publikum hatten einfach ein tolles gemeinsames Erlebnis. Neben
'Ballou', der sein Publikum neben Gesang und Gitarre auch mit vielen Erzählungen und Döntjes in plattdeutscher und hochdeutscher Sprache unterhielt, war diesmal auch sein Sohn Keno Brandt an den Tasteninstrumenten dabei. Petra Fuchs (Flöten, Percussion und Gesang) begeisterte mit furiosem Spiel und wunderbar warmer Stimme. Gerd Fröse und Tilo Helfensteller zeigten sich einmal mehr als musikalische Multitalente und setzten immer wieder brillante Akzente.
'Laway' zauberte mit friesischer Folkolore mit vielen Anleihen an die irische Volksmusik einfach gute Laune in die Herzen der Zuhörer. Darüber hinaus gab es oft auch nachdenkliche Stücke wie zum Beispiel
'Dusende van lütje Sterns', das an die Kinder erinnert, die im Holocaust umgekommen sind.
Grund für Gerd Brandt, die Synagoge in Neustadtgödens ins Visier zu nehmen. Unter dem spontanen Beifall der Zuhörer fordert er, dass das Gebäude, das einmal mit öffentlichen Mitteln saniert worden sei, endlich wieder einem sinnvollen Zweck diene. Er könne sich gut vorstellen, hier eine Art Gedenkstätte einzurichten, zum Beispiel für Menschen aus der Region, die den Holocaust nicht überlebt haben. Das Publikum denkt offenbar genau wie er.
'Laway singt von der Sinnlosigkeit des Krieges, aber auch von den Freuden der Weihnachtszeit, von der Plage des Winters, von den Wonnen der Liebe. Ganz einfach vom ganzen Auf und Ab des Lebens. Immer mit der Botschaft, nie den Mut zu verlieren und an einem besseren Morgen zu arbeiten. Diese Botschaft kommt an. Weitere Konzerte finden zum Beispiel am Freitag, 1. Januar in Carolinensiel, 17 Uhr Deichkirche und am Mittwoch, 6. Januar in Schortens, 19 Uhr Stephanus-Kirche statt."
Juli 2015:Die ehemalige Synagoge wurde mit einer
Ausstellung als Erinnerungsort wiedereröffnet
Enno Hegenscheid: Das Entstehen der Synagogengemeinde
Neustadtgödens und der Pogrom von 1782. In: Frisia Judaica. Beiträge zur Geschichte der Juden in Ostfriesland
(Hg. von Herbert Reyer und Martin Tielke). Aurich 1988 (=
Abhandlungen und Vorträge zur Geschichte Ostfrieslands. Bd. 67). S. 97-112.
Enno Hegenscheid/Achim Knöfel: Die Juden in Neustadtgödens.
Das Entstehen der Synagogengemeinde, ihr Leben und Wirken, der Aufstieg und
Untergang. Neustadtgödens 1988. 104 S.
dies.:
Die Synagoge in Neustadtgödens. In: Enno Mayer: Die Synagogen des
Oldenburger Landes. Oldenburg 1988 (Oldenburger Studien Bd. 29). S. 122-141.
Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinden in
Niedersachsen und Bremen (Hrsg. von Herbert Obenaus in Zusammenarbeit
mit David Bankier und Daniel Fraenkel). Bd. II Göttingen 2005 S.
1502-1510 (Abschnitt zu Neustadtgödens von Werner Vahlenkamp: S. 1099-1104; mit weiteren Literaturangaben).
Reise
ins jüdische Ostfriesland. Hrsg. von der Ostfriesischen Landschaft -
Kulturagentur Georgswall 1-5 26603 Aurich. Tel.
04941-179957 E-Mail:
kultur[et]ostfriesischelandschaft.de. Erschienen im Juli 2013. 67 S.
Kostenlos beziehbar.
Internet: www.ostfriesischelandschaft.de "Reise ins jüdische Ostfriesland" ist ein gemeinsames Projekt im Rahmen des dritten kulturtouristischen Themenjahres
"Land der Entdeckungen 2013". Am 9. November 2013 jährte sich zum 75. Mal die Pogromnacht von 1938 in Deutschland. Dies haben 17 Einrichtungen, davon neun Museen und fast alle ehemaligen Synagogengemeinden zum Anlass genommen, sich unter dem Titel
"Reise ins jüdische Ostfriesland" zusammenzuschließen. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten verschwand die jüdische Kultur im Vergleich zum übrigen Deutschland hier bemerkenswert schnell aus dem bis dahin gemeinsamen Alltagsleben von Juden und Nichtjuden.
"Reise ins jüdische Ostfriesland" will an das einst lebendige jüdische Leben in der Region erinnern.
Die Projekte zeigen in beeindruckender Weise, wie ein Thema aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet werden kann. Allen jedoch geht es insbesondere darum, dem vielfältigen jüdischen Leben in Ostfriesland bis zur Shoah und darüber hinaus wieder ein Gesicht zu geben. Denn Erinnerung ist ein Weg zur Heilung und damit zur Versöhnung.
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