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Ober-Mockstadt mit
Ranstadt (Gemeinde
Ranstadt, Wetteraukreis)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Ober-Mockstadt bestand eine jüdische
Gemeinde bis Anfang der 1930er-Jahre. Ihre Entstehung geht mindestens bis in das 18.
Jahrhundert zurück. Im benachbarten Ranstadt (Fürstlich Stollbergsche
Lande) wurden Juden erstmals 1548 genannt (Fürstlich Stollbergsches Archiv
Ortenberg X,48).
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1828 34 jüdische Einwohner, 1861 43 (6,0 % von insgesamt 712
Einwohnern), 1880 41 (6,3 % von 654), 1897 40 (in elf Familien), 1899 37, 1900 34 (5,1 % von 661), 1910 35 (5,4 %
von 643). Zur Gemeinde gehörten seit 1849 auch die in Ranstadt
lebenden jüdischen Einwohner (1830 21 jüdische Einwohner, um 1898 25, 1905 18), die bis
dahin zur Gemeinde in Nieder-Mockstadt
gehört hatten.
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine jüdische Schule,
ein rituelles Bad und ein Friedhof.
Einen eigenen Lehrer hatte die Gemeinde nur in der zweiten Hälfte des 19.
Jahrhunderts (bis 1899 Lehrer Freienstein). Nach Wegzug der Familie Oppenheimer
konnte sich die Gemeinde keinen Lehrer mehr leisten. Um 1897 gab es noch 12
jüdische Kinder, die Religionsunterricht erhielten. Ein paar Jahre später gab es
zeitweise keine
schulpflichtigen jüdischen Kinder mehr am Ort (z.B. 1905). Ansonsten wurde den
Kindern der Gemeinde der Religionsunterricht durch auswärtige Lehrer erteilt.
Die Gemeinde gehörte zum orthodoxen Provinzialrabbinat Oberhessen mit Sitz in
Gießen.
Von den Gemeindevorstehern wird genannt: um 1897 S. Halberstadt, L.
Halberstadt und J. Kaufmann.
Im Ersten Weltkrieg wurde Moritz Siesel für seine Kriegsteilnahme bereits
1915 mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet. Im Jahr darauf erhielt der
Feldunterarzt Siegfried Meier das Eiserne Kreuz.
Um 1924, als zur Gemeinde noch 21 Personen gehörten (in sieben Familien;
3,3 % von insgesamt 638 Einwohnern, dazu 14 jüdische Personen in vier Familien
aus Ranstadt), war Gemeindevorsteher Moritz Siesel. Die damals zwei
schulpflichtigen jüdischen Kinder der Gemeinde erhielten ihren
Religionsunterricht durch Lehrer Jung. 1932 war Gemeindevorsteher
weiterhin Moritz Siesel.
1933 lebten 27 jüdische Personen in Ober-Mockstadt (4,3 % von insgesamt 632
Einwohnern). In
den folgenden Jahren sind alle von ihnen auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts,
der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. Bis 1938 sind neun
Personen aus Ober-Mockstadt verzogen (davon eine Person nach Palästina
emigriert, eine nach Straßburg verzogen). 1938 war die Gemeinde bereits
offiziell aufgelöst. Im Februar 1939 wurden keine jüdischen Einwohner
mehr am Ort gezählt.
Von den in Ober-Mockstadt geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Kathinka (Käthe) Cohn
geb. Meier (1891), Franziska Guttman geb. Siesel (1873), Sophie Oppenheimer geb.
Strauss (1897), Isidor Reichenberg (1877).
Aus Ranstadt sind umgekommen: Max Heß (1887), Karl (Carl) Kahn (1878),
Moritz Kahn (1873), Irene Krämer geb. Hess
(1888).
Zum Gedenken an die jüdischen Familien Reichenberg, Maier, Blumhof und Siesel
wurde im November 2013 ein Gedenkstein (Basaltfindling) auf dem Platz vor
dem Alten Rathaus enthüllt (siehe Pressebericht unten). Auf der Plakette ist zu
lesen: "In mahnender Erinnerung an die nationalsozialistische
Gewaltherrschaft zwischen 1933 und 1945".
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Berichte zu einzelnen
Personen aus der Gemeinde
70. Geburtstag von Meier Siesel II. (1912)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 1. Dezember
1912: "Obermockstadt bei Friedberg. Meier Siesel II., Veteran
der Kriege von 1866 und 1870/71 und einer der geachtetsten Bürger unseres
Ortes, feiert dieser Tage seinen 70. Geburtstag." |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Einzelpersonen
Anzeige von Anschel Siesel (1894)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. März 1894: "Für meine Tochter, die
noch nicht gedient, jedoch in jeder Arbeit bewandert ist, suche Stellung bei
ordentlicher Familie. Näheres bei
Anschel Siesel in Ober-Mockstadt bei Friedberg." |
Stellensuche von Jakob Kahn in
Ranstadt für seine Tochter (1899)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. Februar 1899: "Suche per sofort in
einem kleinen Haushalt ein ordentliches Mädchen, welches alle
Hausarbeit versteht, gegen guten Lohn.
Jakob Kahn, Ranstadt, Ober-Hessen." |
Stellensuche von Isidor Reichenberg
für seinen Sohn (1925)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. Februar 1920: "Suche für meinen Sohn
eine Lehrstelle in einem Manufakturwarengeschäft. Derselbe besitzt gute
Schulkenntnisse. Erwünscht wird Sabbat und Jonteff (sc. Feiertag)
geschlossen und Kost und Logis im Hause. Gefällige Anfragen erbittet
Isidor Reichenberg, Ober-Mockstadt bei Nidda (Oberhessen)." |
Verlobungsanzeige von Toni Strauss
und Ludwig Leopold (1926)
Anzeige
in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des "Central-Vereins") vom 7. Januar 1927:
"Toni Strauss - Ludwig Leopold. Verlobte.
Ober-Mockstadt -
Bleichenbach (Oberhessen) Dezember 1926.". |
Zur Geschichte der Synagoge
Eine
Synagoge (Betraum)
wurde um 1800 eingerichtet. Über ihre Geschichte liegen noch keine weiteren
Informationen vor. Beim Gebäude handelte sich um ein Fachwerkhaus. Bereits um
1925 wurden keine Gottesdienste mehr am Ort abgehalten; es wurden die
Gottesdienste in Friedberg besucht.
Über die weitere Geschichte der Synagoge beziehungsweise des Gebäudes mit dem
Betraum ist nicht bekannt.
Bitte weitere Informationen gegebenenfalls an den Webmaster senden; Adresse
siehe Eingangsseite.
Adresse/Standort der Synagoge: Untergasse
Fotos
Zur jüdischen
Geschichte in Ober-Mockstadt liegen noch keine Fotos oder Darstellungen
vor;
über Hinweise oder Zusendungen freut sich der Webmaster der
"Alemannia Judaica";
Adresse siehe Eingangsseite. |
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Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
November 2013:
Erinnerungstafel zum Gedenken an die
Ober-Mockstädter jüdischen Familien eingeweiht |
Artikel im "Kreis-Anzeiger" vom
11. November 2013: "Ranstadt.
FEIERSTUNDE. Stein mit Gedenktafel auf Platz vor dem Alten Rathaus erinnert an vier jüdische Familien
OBER-MOCKSTADT - (rin). Zum Gedenken der Familien Reichenberg, Maier, Blumhof und Siesel, die Opfer der Nationalsozialisten wurden, fand in Ober-Mockstadt eine Feier statt. Ortsvorsteherin Liane Becker enthüllte mit Pfarrer Manuel Eibach, dem stellvertretenden Ortsvorsteher Dieter Mickel-Grundy und dem Historiker Erich Harth eine Gedenktafel auf dem Platz vor dem Alten Rathaus.
‚In mahnender Erinnerung an die nationalsozialistische Gewaltherrschaft
zwischen 1933 und 1945‘, steht auf der Plakette, die, angebracht auf einem
Basaltfindling aus dem Steinbruch Bergheim, an die Opfer der Nazis in
Ober-Mockstadt erinnern soll...
'Über eine Million Menschen fanden den Tod, die zerstörten Synagogen und die Gewalttaten waren nur eine Station auf dem Weg zur massenhaften Vernichtung der
Juden', betonte Pfarrer Eibach in seiner Ansprache. In den Kirchen habe damals jedoch mehrheitlich Schweigen, Wegschauen bis hin zur offenen Zustimmung geherrscht. Die Frage nach dem Warum bedränge die Christen noch heute. Nach dem Anzünden von vier Kerzen für die jüdischen Familien sprach Eibach ein Gebet für die Opfer, das bei jüdischen Trauerfeiern gesprochen wird. Die feierliche Stunde beendete der Volkschor mit dem Lied
'Stumm schläft der Sänger' von Friedrich Silcher." |
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Juni 2024:
Erinnerung an Pfarrer Ludwig
Kientz, Pfarrer in Ober-Mockstadt von 1933 bis 1957 |
In einer Broschüre haben Herr Dr. Gerd
Cramer und Pfarrer i.R. Werner Wendeberg ausführlich den Lebensweg von
Ludwig Kientz (1888-1972) nachgezeichnet als Burschenschaftler, Soldat,
Diplomingenieur, Pfarrer. Ein ungewöhnlicher, aber sehr beeindruckender
Lebensweg:
Bereits 1933 hat Pfarrer Kientz sich schon bei Dienstbeginn als
Gemeindepfarrer in Ober-Mockstadt scharf gegen die
nationalsozialistisch-rassistische Ideologie der Deutschen Christen
gewendet. In seiner Gemeinde war er geschätzt und standhaft bei
Auseinandersetzungen mit den Nationalsozialisten auch vor Ort. In der
Pogromnacht 1938 kam er dazu, wie angesehene Bürger seiner Gemeinde die
jüdischen Wohnungen demolierten, Juden misshandelten und einsperrten. Er ist
machtlos diesem Mob gegenüber. Die Rädelsführer seiner Gemeinde sind
angesehene Bürger, der Nazi-Bürgermeister, Bauern, ein Revierförster, ein
Metzgermeister, ein Schlosser und andere. Als sie ihn sehen, versuchen sie,
ihn zu beschwichtigen, die jüdischen Frauen würden verschont.
Bei dem Prozess gegen zehn der ermittelten Täter vom Abend des 9. November
1938 vor dem Landgericht Gießen am 13. November 1947 (und 29. November 1948)
werden acht dieser Männer wegen Körperverletzung, schwerem Landfriedensbruch
und Freiheitsberaubung zu Gefängnisstrafen zwischen fünf und 18 Monaten
verurteilt. Auch Pfarrer Kientz wurde als Zeuge gehört, ohne jegliche
Vorwürfe ihm gegenüber. Das Gericht bescheinigte nach sorgfältiger
Rekonstruktion der Geschehnisse: 'Was den Zeugen Pfarrer Ludwig Kientz
anlangt, so steht die Glaubwürdigkeit seiner unter Eid gemachten Bekundungen
völlig außer jedem Zweifel. Der Zeuge hat mit einer so vorbildlichen
Gewissenhaftigkeit seine Aussagen gemacht, dass darüber kein Wort zu
verlieren ist.'"
Zum Beitrag: Gerd Cramer: Ludwig Kientz. Lebensbild Ludwig Kientz (1888-1972).
Burschenschaftler - Soldat - Diplomingenieur - Pfarrer. Beitrag von 2024. 20
S.
Eingestellt als pdf-Datei. |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. II S. 153-154. |
| Keine Abschnitte zu Ober-Mockstadt bei Thea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit
1945? 1988 und dies.: Das jüdische Rituelle Tauchbad und: Synagogen in
Hessen. Was geschah seit 1945 Teil II. 1994 und Neubearbeitung der beiden
Bände. 2007. |
| Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.):
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der
Verfolgung 1933-1945. Hessen I Regierungsbezirk Darmstadt. 1995 S.
332. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. 45. |
| Michael
Strecker: Warum war die Hitlerbewegung in unseren Dörfern bei freien
Wahlen so erfolgreich? Ranstadt, Dauernheim und Ober-Mockstadt von 1918 bis
1933. Wetterauer
Geschichtsblätter Band 60/2011. Hrsg. von Lutz Schneider im Auftrag des
Friedberger Geschichtsvereins. ISBN 978-3-87076-113-4. 14,80 €. |
| Beitrag über den in der
NS-Zeit in Ober-Mockstadt tätigen evangelischen Pfarrer Ludwig Kientz (Zeuge
der Ereignisse beim November-Pogrom 1938, siehe oben):
Gerd Cramer: Ludwig Kientz. Lebensbild Ludwig Kientz (1888-1972).
Burschenschaftler - Soldat - Diplomingenieur - Pfarrer. Beitrag von 2024. 20
S.
Eingestellt als pdf-Datei. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Ober-Mockstadt
Hesse. The community numbered 43 (6 % of the total) in 1861 and 27 in 1933.
Thirteen Jews left before Kristallnacht (9-10 November 1938) and by February
1939 none remained.
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