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Sontra (Werra-Meißner-Kreis)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Sontra bestand eine jüdische
Gemeinde bis 1938/40. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 17./18. Jahrhunderts
zurück. Jedoch lebten bereits im Mittelalter einige Juden in dem 1368
zur Stadt erhobenen Sontra. 1367 wohnte ein jüdischer Geldhändler am Ort. Ein nach Sontra
benannter Jude wird 1378 in Gelnhausen
genannt. Vor 1513 zog eine jüdische Frau nach der Konversion ihres Mannes von
Deutz zu. Zu weiteren Niederlassungen jüdischer Familien kam es im 16./17.
Jahrhundert (1564 eine Familie, 1622 zwei Familien, 1668 drei
Familien)
Im 18. Jahrhundert nahm die Zahl der jüdischen Einwohner zu: 1700 5
jüdische Familien, 1704 9, 1730 9, 1744 14 Familien (mit ca. 70 Personen), 1750
61 jüdische Einwohner.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1827 70 jüdische Einwohner (4,5 % von insgesamt 1.569 Einwohnern), 1861
73 (4,4 % von 1.662), 1871 61 (3,7 % von 1,633), 1885 114 (5,9 % von 1.945),
1905 96 (4,7 % von 2.056). Die am häufigsten vorkommenden Familiennamen
waren Heilbrunn, Aschenbrandt, Katz, Levinstein und Rothschild. Die jüdischen
Haushaltsvorsteher verdienten ihren Lebensunterhalt als Textil-, Vieh- und
Pferdehändler; Mitte des 19. Jahrhunderts gab es mehrere jüdische Handwerker:
drei Metzger, zwei Schuhmacher und einen Buchbinder.
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine jüdische Schule (Jüdische
Volksschule mit Lehrerwohnung in der Schulgasse 2 von der Mitte des 19.
Jahrhunderts bis 1932), ein rituelles Bad (im Schulhaus) und ein Friedhof. Zur Besorgung religiöser
Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und
Schochet tätig war. An Lehrern waren vor allem tätig: um 1866 M. Müller
(Quelle;
Lehrer Müller war ein Onkel von Louis Rosenthal aus Niedermeiser
und wird in dessen Erinnerungen aus der Kindheit einmal erwähnt),
von 1880 bis 1925 Jacob Spier (siehe Berichte unten). Die Gemeinde gehörte innerhalb des Kreises Rotenburg an
der Fulda zum Rabbinatsbezirk Niederhessen mit Sitz in
Kassel.
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde Moritz
Aschenbrandt (geb. 12.4.1887 in Sontra, gef. 25.9.1918), Isidor Heilbrunn (geb.
18.11.1888 in Frankfurt am Main, gef. 27.4.1915), Willy Heilbrunn (geb. 7.5.1891
in Sontra, gef. 25.9.1914), Ludwig Levinstein (geb. 20.12.1888 in Sontra, gef.
25.6.1916) und Ludwig Spier (geb. 17.6.1895 in Sontra, gef. 23.4.1916).
Außerdem sind gefallen: Maximilian (Milian) Katz (geb. 1.7.1893 in Sontra, vor
1914 in Bremen wohnhaft, gef. 8.7.1915) und Sally Katz (geb. 8.12.1882 in
Sontra, gef. 15.7.1918).
Um 1924, als noch 94 jüdische Personen in der Stadt lebten (4,1 % von
insgesamt 2.273 Einwohnern), waren die Vorsteher der Gemeinde der Kaufmann Baruch Löbenstein
und der Viehhändler Hermann Katz I. Als Kantor und Lehrer war noch der bereits genannte
Jakob
Spier tätig. Er unterrichtete im Schuljahr 1923/24 11 Kinder an der Jüdischen
Volksschule (Lehrer Spier erkrankte 1924, trat in den Ruhestand 1925 und starb 1926, siehe Bericht unten). 1932
waren (seit den Vorstandswahlen 1926, siehe Bericht unten) die Gemeindevorsteher
der Buchdruckereibesitzer Simon Heilbrunn (1. Vors.) und der Viehhändler Ferdinand Heilbrunn
(2. Vors.). Als Lehrer war 1931 Sally Wiesenfelder aus Breitenbach a.H. tätig
(unterrichtete 10 Kinder); nach ihm (1932) Manfred Rabenstein aus Tann. Im Schuljahr 1931/32 hatte er zehn jüdische Kinder zu unterrichten. Im
Mai 1932 wurde die Jüdische Volksschule aufgelöst (vgl. Bericht).
1933 lebten noch 72 jüdische Personen in Sontra (3,5 % von 2.359
Einwohnern). In
den folgenden Jahren sind die meisten von ihnen auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts,
der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. Dennoch glaubte man noch
1935 an eine Zukunft der Gemeinde, indem nochmals die Stelle des Vorbeters und
Religionslehrers ausgeschrieben wurde (siehe Anzeige unten). Insgesamt sind von
den 1933 in Sontra wohnhaften jüdischen Personen 22 in die USA emigriert, 8
nach Ost- beziehungsweise Südafrika, 9 nach Holland, 3 nach Palästina. Die
übrigen verzogen in andere Städte in Deutschland. Bereits in der Nacht vom
7. auf den 8. November 1938 kam es zu brutalen Überfällen auf jüdische
Wohnungen in der Stadt, die mehrere der Familien zum fluchtartigen Verlassen
Sontras veranlassten.
1939 wurden noch 13
jüdische Einwohner gezählt, von denen fast alle 1942 deportiert wurden und
umgekommen sind.
Von den in Sontra geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Frieda Adler geb. Katz
(1908), Milian Aschenbrandt (1892), Berta Beer geb. Katz (1887), Frieda Briske
geb. Spier (1903), Alfred L. Freimark (1923), Henriette Freimark geb. Spier
(1891), Minel Freund geb. Löwenstein (1896), Nanny Katz (1884), Jenny
Katzenstein (1888), Paula Katzenstein (1891), Helene Kohn geb. Aschenbrandt
(1888), Minna Lange geb. Heinemann (1853), Adele Levinstein geb. Hahn (1885),
Hermann Levinstein (1885), Isidor Levinstein (1879), Käthe Levinstein (1918),
Moritz Levinstein (1884, war langjähriger Lehrer in Themar), Simon Levinstein (1857), Helene Levy geb. Levinstein
(1881), Frieda Lewin geb. Löbenstein (1896), Arthur Löbenstein (1901), Gerda
Plaut geb. Katzenstein (1910), Heinz Plaut (1936), Joachim Plaut (1932), Ludwig
Plaut (1907), Meinhard Hans Plaut (1935), Marianne Rauner geb. Rothschild
(1882), Hermann Rothschild (1880), Meta Rothschild geb. Heilbrunn (1885),
Marianne Spangenthal geb. Schönemann (1883).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibung der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters
1935
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. Juni 1935: "Vorbeter
und Religionslehrer, seminaristisch gebildet, per sofort gesucht.
Dienstwohnung mit Hausgarten steht zur Verfügung. Synagogengemeinde
Sontra, Bezirk Kassel." |
Zum Tod von Lehrer Jakob Spier (1926)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. Mai 1926: "Sontra,
9. Mai (1926). Ein schmerzlicher Verlust hat die hiesige Gemeinde
betroffen. Lehrer i.R. Jakob Spier ist an den Folgen eines schweren
Leidens im Alter von 66 Jahren verstorben. Er hat 45 Jahre in hiesiger
Gemeinde in vorbildlicher Weise gewirkt und erfreute sich seines
freundlichen und hilfsbereiten Wesens wegen in allen Kreisen der größten
Wertschätzung." |
Zweiter Jahrestag des Todes von Lehrer Jakob Spier
(1928)
Artikel
in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Hessen und
Waldeck" vom 17. Februar 1928: "Sontra. Dem Andenken des
Lehrers Jakob Spier zu Sontra. Am 17. Ijar jährt sich zum zweitenmal
der Tag, an welchem Jakob Spier sein müdes Auge schloss. Fast 45 Jahre
hatte er treu und erfolgreich im Dienste der Schule und Gemeinde
gestanden. Warum ich dessen heute gedenke. Es gilt, etwas Versäumtes
nachzuholen, aber auch weil ein persönliches Erlebnis mit hineinspielt.
Es war im August 1883, am Beginn der eigenen Amtstätigkeit. Ich machte
den pflichtschuldigen Antrittsbesuch bei dem Kreisschulinspektor Metropolitan
Schminke in Sontra. Was mir damals der alte, gütige Herr als Mahnung
mit auf den Lebensweg gab, als Nachruf will ich's dem Freunde hierhersetzen:
'Sie treten ein schweres Amt an. Schule, Gotteshaus und Gemeinde sind in
Ihre Obhut gestellt. Wann und wo Sie Rat gebrauchen, ich stehe immer zu
Ihrer Verfügung, am besten aber, Sie halten sich an meinen Freund Spier.
An dem können Sie viel lernen! Der wird sicher einmal eine Zierde des
israelitischen Lehrerstandes!' Der würdige, alte Herr hatte richtig
geschaut. Jakob Spier wurde in der Tat eine Zierde des hessischen
Lehrerstandes und des jüdischen insbesondere. Er erwarb sich als Lehrer
einen ausgesprochenen Ruf, besonders auf dem Gebiet des fremdsprachlichen
Unterrichts. Wer am Orte oder in den Nachbardörfern seine Kinder für die
höhere Lehranstalt vorbereiten lassen wollte, er ging kaum an Spier
vorüber. Sein Chasunus (sc. Tätigkeit als Kantor) war ein
ästhetischer Genuss, sein zarter lyrischer Tenor war getragen von seinem
musikalischen Empfinden und religiöser Weihe. War in der Gemeinde jemand
krank, erst wurde Lehrer Spier gerufen, dann erst der Arzt. Dabei ein
schlichter Mann und doch ein Aristokrat, ein frommes Gemüt, ein Jude
strengster Observanz. W'jaakauv, holach l'darken, wajilgu wau malache
elikom. Das war der Lebensgang Jakob Spiers, Engel des Friedens und
des Segens waren seine Boten. B. Rosenstein, Rotenburg an der Fulda."
|
Aus dem jüdischen Gemeindeleben
Nachwahlen im Gemeindevorstand (1926)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. April 1926: "Sontra,
18. April (1926). Anstelle des von seinem Amte als Gemeindeältester
zurückgetretenen Viehhändlers Hermann Katz I wurde Buchdruckereibesitzer
Simon Heilbrunn von der Gemeindeversammlung einstimmig gewählt und
landratsamtlich bestätigt. Nachdem der seit 20 Jahren das Amt eines 1.
Gemeindeältesten bekleidende Kaufmann B. Löbenstein nach Osnabrück
verzogen ist, wurde für ihn Viehhändler Ferdinand Heilbrunn
gewählt." |
Vortrag von Kreisrabbiner Dr. Baßfreund in Sontra
(1927)
Artikel
in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Hessen und
Waldeck" vom 11. Februar 1927: "Sontra. Auf
vielseitigen Wunsch hin sprach am Sonntagabend in unserer Gemeinde Herr Kreisrabbiner
Dr. Baßfreund (Eschwege) über
das Thema: Die Völkerbundidee in der Bibel. Referent wies auf diese Idee
bei den ältesten Völkern, sowie bei den Völkern der Gegenwart hin, im
Gegensatz zu den Gedanken, wie sie uns aus dem Munde der Propheten entgegentönen.
Besonders unterschied der Redner zwischen dem Militarismus und dem
Heroismus der Bibel, um dann seine Ausführungen in den bekannten Wunsch
ausklingen zu lassen: Wejousa chulom agudas achas! Lebhafter
Beifall wurde dem Redner für seine klaren Ausführungen zuteil. Eine
lebhafte Diskussion hielt die aufmerksamen Zuhörer noch lange zusammen. Lehrer
Wiesenfelder dankte Herrn Dr. Baßfreund für sein bereitwilliges
Referat und schloss die Bitte daran an, den Redner noch recht oft bei den
regelmäßigen Unterhaltungsabenden als Gast zu sehen." |
Berichte zu
einzelnen Personen aus der Gemeinde
Zum Tod des Metzgers Perez Heilbrunn (1879)
(Anmerkung: der Nachname wird im Artikel immer "Heilbronn"
statt "Heilbrunn" geschrieben)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. Juni 1879: "Nachruf!
Sontra, den 17. Siwan 5639 (= 8. Juni 1879). Mittwoch, den 13.
Siwan (= 4. Juni 1879), verschied hier nach längerem schmerzlichen
Leiden, im Alter von 82 Jahren, der Metzger Perez Heilbrunn.
In ihm verliert die hiesige Gemeinde einen treuen Anhänger unseres
Glaubens, einen echten Jehudi im edelsten Sinne des Wortes. Der
Verblichene war in jeder Hinsicht ein Ehrenmann, der wegen seiner
Gewissenhaftigkeit, Redlichkeit, seiner unermüdlichen Tätigkeit im
Geschäfte sich nicht minder der Achtung und Liebe seiner christlichen
Mitbürger als der seiner Glaubensgenossen zu erfreuen hatte.
Von dieser Sympathie legte die zahlreiche Beteiligung an seinem
Leichenbegängnisse ein glänzendes Zeugnis ab.
Perez Heilbrunn war nicht von schweren Schicksalsschlägen verschont
geblieben; vor 16 Jahren verlor er seine Gattin, mit der er in
glücklichster Ehe gelebt hatte; eine in der Nähe verheiratete Tochter
wurde ihm in der Blüte des Lebens entrissen; doch so schmerzlich die
Wunde seinem Herzen war, sein fester Glaube, sein inniges Gottvertrauen
hielten ihn inmitten aller Stürme aufrecht. Mit welcher Ergebenheit
ertrug er ein körperliches Leiden. Gefasst unterzog sich der Greis einer
zweimaligen, höchst schmerzhaften Operation am Arme, den er neun Monate
lang in einer Binde tragen musste, was ihn selbstverständlich zu
gänzlicher Untätigkeit zwang.
Für den arbeitsamen Mann, mit dem regen Geiste, möchte dies nicht die
leichteste Prüfung gewesen sein. Sein oft geäußerter Wunsch, er möchte
am Freitage beerdigt werden, hatte bei Gott Erhörung gefunden. Möge Gott
seine Hinterbliebenen trösten und es nie an glaubensstarken Männern in
Israel fehlen lassen! Amen! Der Vorstand der israelitischen Gemeinde
Levinstein." |
Dr. Fritz Loebenstein wird mit dem Eisernen
Kreuz ausgezeichnet (1915)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. März 1915: "Sontra
(Bezirk Kassel), 9. März (1915). Das Eiserne Kreuz erhielt der Sohn des
Kaufmanns und Gemeindeältesten der hiesigen Synagogengemeinde, Baruch
Loebenstein, der Unterarzt Dr. Fritz Loebenstein, welcher bei der Ostarmee
steht; es stehen außer ihm noch zwei Söhne des Herrn Baruch Loebenstein
im Felde." |
Goldene Hochzeit von Wolf Katz und Röschen geb. Levinstein
(1922)
Mitteilung
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. November 1922: Sontra,
20. Oktober (1922). Herr Wolf Katz und Frau Röschen geb. Levinstein zu
Sontra, feiern den 11. November dieses Jahres die goldene
Hochzeit." |
Zum Tod von Ruben Bachrach
(1926)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. April 1926: "Sontra,
18. April (1926). Hier starb das älteste Mitglied der jüdischen
Gemeinde, Händler Ruben Bachrach im 85. Lebensjahre, einer der ältesten
Feldzugsteilnehmer von 1870/71." |
Zum Tod von Sara Braunschweiger und erster Einsatz des
neuen Leichenwagens (1927)
Artikel
in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Hessen und
Waldeck" vom 4. Februar 1927: "Sontra. Hier verstarb
nach schwerem Leiden die Witwe Sara Braunschweiger im Alter von 47
Jahren. Ein großes Trauergefolge geleitete die irdische Hülle zur
letzten Ruhestätte. Hierbei konnte zum erstenmal der von Herrn Hermann
Heilbrunn (Brooklyn) in hochherziger Weise gestiftete Leichenwagen zur
Anwendung kommen. Herr Heilbrunn hat sich durch diese edle Stiftung in
seiner Heimatgemeinde ein bleibendes Denkmal geschaffen und gleichzeitig
einem großen Übelstand abgeholfen. W." |
75. Geburtstag von M. Lewinstein (1927)
Artikel
in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Hessen und
Waldeck" vom 11. März 1927: "Sontra. Seinen 75.
Geburtstag begeht am 13. März Herr M. Levinstein im Hause M.
Levinstein Söhne. Jeden Tag geht der betagte Greis seiner gewohnten,
bereits liebgewordenen Beschäftigung nach und geht oft stundenweit über
Land. Trotz schwerer Schicksalsschläge steht Herr Levinstein frisch an
Geist und ungebrochen an Kraft da und erfreut seine Umgebung durch seinen
köstlichen Humor. Ad meoh weesrim schonoh (alles Gute bis 120 Jahre)."
|
70. Geburtstag von Cäcilie verw. Heilbrunn
(1927)
Artikel
in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Hessen und
Waldeck" vom 11. März 1927: "Sontra. Am 18.
März begeht Frau Cäcilie verw. Heilbrunn hier ihren 70.
Geburtstag. In Warburg (Westfalen) geboren, wo sie ihre Jugend verbrachte,
verheiratete sie sich, kaum zwanzigjährig, mit dem hiesigen
Getreidehändler Herrn Maier Heilbrunn. Bereits einige Jahre nach
ihrer Verheiratung gründete sie, im Besitze eines umfangreichen Wissens
und hoher kaufmännischer Fähigkeiten, die ihr innewohnten, ein
Textilgeschäft, das aus verhältnismäßig kleinen Anfängen heraus in
Verbindung mit dem Getreidegeschäft sich zu einem der größten und
führendsten Häuser hier am Platze entwickelt hat. Ihre unermüdliche
Kraft, ihr unerschütterlicher Wille, getragen von einem ausgeprägten
Intellekt, zeigt sie uns heute noch in seltener körperlicher und geistiger
Frische, an allen, was im Geschäft, das von zwei ihrer Söhne erfolgreich
betrieben wird, vor sich geht, stark interessiert. Aber nicht hiermit
allein war ihr bisheriges Leben aufgefüllt. Nur wenigen Menschen in
diesem Alter war es möglich, sich auf unsere heutige Zeit umzustellen.
Sie gehörte zu ihnen. Wie sie auf der einen Seite ihren Söhnen noch heute
mit rat und Tat zur Seite steht, zeigt sie andererseits an allen
weltlichen Geschehen großes Interesse. Unentbehrlich sind für sie die
Zeitung, das Buch, denen sie sich noch täglich einige Stunden bei
verschlossener Tür, um nicht gestört zu werden, widmet. Als Mutter von
acht Kindern, von denen ein Sohn und eine Tochter in Afrika und ein Sohn
in Amerika leben, war ihr Leben mit Arbeit, Mühe und Sorge aufgefüllt,
da ihr Manns schon sehr früh starb. Jeden Schicksalsschlag still
ertragend, allem, was sich zur Verwirklichung und Furchführung ihrer
Ideen und Ideale hemmend in den weg stellte, trotzend die Stirn bietend,
jedem ratend und helfend zur Seite, hat sie sich zu einem Menschen, der
weit über den Durchschnitt unserer heutigen Mitmenschen steht,
durchgerungen. Möge ihr Lebensabend mit steter Zufriedenheit ausgefüllt
sein." |
70. Geburtstag von Simon Levinstein (1927)
Artikel
in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Hessen und
Waldeck" vom 18. Februar 1927: "Sontra. Am 20.
Februar feiert Herr Simon Leinstein seinen 70. Geburtstag.
Trotz seines hohen Alters leitet er noch heute mit rühriger Hand das von
seinem Vater übernommene, 1830 gegründete Geschäft. Sein schlichtes,
einfaches Wesen lenkte besonders die Aufmerksamkeit der nichtjüdischen
Kreise auf ihn. So betraute man ihn mit Vormundschaften ohne Unterschied
der Konfession. Das besondere Vertrauen der Behörde zeigte sich in der
Berufung des Herrn Levinstein als Mitglied zum Einkommensteuerausschuss
durch das Landesfinanzamt Kassel. Seit vorigem Jahre ist er auch zum
Gewerbe- und Sonderausschuss bestellt. Diese Tätigkeit nimmt den
Siebzigjährigen ganz besonders in Anspruch. Seine Leistungen sind
besonders bewundernswert, da ihm das Leben schon manche bittere
Enttäuschung brachte. Zwei hoffnungsvolle Söhne, die das väterliche
Erbe übernehmen sollten, hat er dem Vaterlande geopfert. Nur seinem
Pflichteifer, seiner Energie hat er es zu verdanken, dass er erneut zur
Arbeit greifen konnte und seinem Geschäft unter dem bekannten Namen M.
Levinstein Söhne zu einem guten Rufe weit und breit zu verhelfen.
Möge dem Siebzigjährigen ein goldener Lebensabend beschieden
sein!" |
80. Geburtstag von Regina Rothschild geb. Stern (1928)
Meldung
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 26. April 1928: "Sontra,
22. April (1928). Ihren 80. Geburtstag beging Frau Regina Rothschild geb.
Stern in bester Frische." |
Goldene Hochzeit von Israel Heilbrunn und seiner Frau geb. Weinberg
(1928)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. Mai 1928:
"Sontra, 8. Mai (1928): Die goldene Hochzeit beging heute in
körperlicher Rüstigkeit und geistiger Frische Herr Israel Heilbrunn
und Ehefrau geb. Weinberg." |
75. Geburtstag von Israel Heilbrunn (1928)
Meldung
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. August 1928: "Sontra,
8. August (1928). Seinen 75. Geburtstag beging in größter Frische Herr
Israel Heilbrunn." |
75. Geburtstag von Math. Schönemann geb. Heilbrunn (1929)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. Juli 1929: "Sontra,
15. Juli (1929). Ihren 75. Geburtstag beging gestern in bester Rüstigkeit
und geistiger Frische Frau Math. Schönemann geb. Heilbrunn." |
25-jähriges Amtsjubiläum von Ferdinand Heilbrunn,
Vorsteher des Wohltätigkeitsvereins Chewroh Gemilus Chesed (1931)
Artikel
in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Hessen und
Waldeck" vom 8. Mai 1931: "Sontra. Am Sonntag, dem
10. Mai, feierte die hiesige Chewroh 'Gemilus Chesed' das 25-jährige Amtsjubiläum
ihres Vorstehers Herrn Ferdinand Heilbrunn. Zu diesem Zwecke versammelten
sich die Mitglieder der Chewroh in der Wohnung ihres Jubilars. Lehrer
Wiesenfelder würdigte in einer Ansprache die Verdienste des Jubilars und
schloss mit den besten Wünschen für Herrn Heilbrunn. Als äußeres
Zeichen der Dankbarkeit wurde dem Vorsteher der Chewroh ein kleines
Ehrengeschenk gewidmet." |
|
Artikel
in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Hessen und
Waldeck" vom 5. Juni 1931: "Sontra. Sein 25-jähriges
Vorstandsjubiläum feierte der Vorsitzende des hiesigen Israelitischen
Wohltätigkeitsvereins, Viehhändler Ferdinand Heilbrunn. Die
Vereinsmitglieder ehrten den Jubilar durch ein Ehrengeschenk. Lehrer
Wiesenfelder würdigte in einer Ansprache die Verdienste Heilbrunns um den
Verein." |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Anzeigen der Buchbinderei und Buchdruckerei H.
Heilbrunn (1887 / 1905)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 31. Oktober 1887:
"Ein Buchbindergehilfe mit bescheidenen Gehaltsansprüchen,
sowie ein Lehrling finden per sofort Stellung in meinem an Schabbat
und Feiertag streng geschlossenen Buchbindergeschäft. Kost und
Logis im Hause. H. Heilbrunn, Sontra in Hessen." |
|
Anzeige
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 26. Mai 1905:
"Suche per sofort einen Lehrling
für Buchbinderei und
Buchdruckerei. Schabbos und Jontof (Feiertag) geschlossen. H. Heilbrunn,
Sontra in Hessen." |
Anzeige des Manufaktur- und Modenwarengeschäfts K. Löbenstein (1900)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 31. Mai 1900: "Für
mein Schabbat und Feiertag geschlossenes Manufaktur- und
Modewarengeschäft suche per sofort oder 1. Juli einen tüchtigen
jungen Mann, für die Reise.
K. Löbenstein, Sontra." |
|
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 9. Juli 1903: "Für mein Manufaktur- und gemischtes
Warengeschäft, welches samstags und Feiertage geschlossen ist, suche
per sofort oder auch später einen tüchtigen
jungen Mann
für die Reise. K. Löbenstein, Sontra." |
Anzeige von Moritz Löbenstein (1903)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. April 1903:
"Manufakturist als Detail-Reisender
mit gut eingeführter Tour für sofort oder später gesucht.
Samstag und Feiertag streng geschlossen. Ausführliche Offerten mit
Zeugnis-Abschriften, Photographie und Gehaltsanspruch erbeten.
Moritz Löbenstein, Sontra." |
Heiratsanzeige von David Wahlhaus und Therese geb. Katz (1923)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. Juni 1923: "David
Wahlhaus - Therese Wahlhaus geb. Katz.
- Vermählte - Gersfeld - Sontra.
Trauung: Sonntag, 7. Juni, Deutsches Haus, Fulda." |
Anzeigen der Firma Alfred Haas (1925)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. Juni 1925:
"Rasieren ohne Messer mit Depilo "der führenden Marke".
Prompte Wirkung angenehmer Geruch, elegante Ausstattung. Sparsamer,
bequemer Verbrauch. Ohne Konkurrenz. Zu beziehen durch Aptheken,
Drogerien, Israel. Buchh. Parfümerien etc. eventuell direkt ab Fabrik
Alfred Haas, Sontra, Bezirk Kassel. Große Blechbüchse Mark 2.50." |
|
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. November
1925: Text wie oben. |
Sonstiges
Erinnerungen an die Auswanderungen im 19. Jahrhundert: Grabstein in New York für Wolf
Aschenbrand aus Sontra (1835-1893)
Anmerkung: das Grab befindet sich in einem jüdischen Friedhof in NY-Brooklyn;
mit "Sundra" kann - auch auf Grund des Familiennamens Aschenbrand nur
Sontra gemeint sein.
|
Grabstein
für
"Wolf, beloved Husband of Sarah Aschenbrand
Born in Sundra, Germany
February 2, 1835
Died December 16, 1893,
Age 58 Years 10 Months and 14 Days". |
Zur Geschichte der Synagoge
Mindestens seit 1721
war eine "Judenschule" (Synagoge) in Sontra vorhanden.
In den Jahren zwischen 1850 und 1859 wurde eine neue Synagoge erstellt.
Beim Synagogengebäude handelt es sich um ein zweigeschossiges Fachwerkhaus mit
Satteldach, giebelseitig zum Hauptstraßenzug.
Gottesdienste fanden in der Synagoge in Sontra
bis 1937 statt. Beim Novemberpogrom 1938 blieb das Synagogengebäude
nach den vorliegenden Berichten von einer Demolierung oder Zerstörung
verschont. Die rituellen Gegenstände waren bereits zuvor nach Rotenburg
gebracht worden. Dort sind sie jedoch beim Novemberpogrom 1938 zerstört
worden.
Nach 1945 wurde die ehemalige Synagoge zu einem Wohnhaus umgebaut. Das
Gebäude zeigt äußerlich nichts, das an die Vergangenheit als eines früheren
jüdischen Gotteshauses erinnert. Im Dezember 1995 wurde schräg gegenüber der
ehemaligen Synagoge eine Gedenktafel angebracht, jedoch ohne klaren Hinweis auf
das frühere Synagogengebäude, an dem keine Hinweistafel angebracht ist.
Adresse/Standort der Synagoge: Mühlenweg
2 / Ecke Fuldaer Straße
Fotos
(Quelle: neuere Fotos: Hahn, Aufnahmedatum
8.4.2009)
Links und Literatur
Links:
Quellen:
Literatur:
| Germania Judaica III,2 S. 1381. |
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. II S. 261-263. |
| Ilse Gromes: Spuren einer Minderheit. Juden in
Sontra 1367-1942. Beiträge zur Geschichte der Stadt Sontra. Nr. 7. 1981. |
| dies.: Beiträge zur Geschichte der Stadt Sontra
(Ergänzung zu Nr. 7). 1984. |
| Thea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit
1945? 1988 S. 78. |
| dies.: Das jüdische Rituelle Tauchbad und: Synagogen in
Hessen. Was geschah seit 1945 Teil II. 1994. S. 68 (keine weiteren
Informationen). |
| Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.):
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der
Verfolgung 1933-1945. Hessen II Regierungsbezirke Gießen und Kassel. 1995 S.
234-236. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. 485-486. |
| Ludger Arnold: Anmerkungen zur Geschichte der
jüdischen Minderheit in Sontra und zur Entstehung einer Erinnerungskultur.
In: Eschweger Geschichtsblätter 31/2020, S.87-96.
Online zugänglich
(pdf-Datei). |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Sontra
Hesse-Nassau. Jews first lived there in 1367, but a permanent community was not
established until about 1710. Its members, small traders and peddlers, were
religiously observant and their high birthrate expanded the community to 114 (6
% of the population) in 1885. Affiliated with Kassel's rabbinate, they
maintained an elementary school and a synagogue, but their number declined to 72
in 1933. On 8 November 1938 Jews were attacked and by 1939 most had left, 40
emigrating (25 to the United States). At least 17 perished in Nazi camps.
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