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Rhina
(Gemeinde Haunetal, Kreis
Hersfeld-Rotenburg)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Rhina bestand eine große jüdische Gemeinde bis 1938/39. Es war die
bedeutendste jüdische Gemeinde der Region. Zeitweise lebten in Rhina mehr jüdische
als christliche Einwohner: 1860 bis 1905 war Rhina der
einzige Ort in Preußen, in dem Juden die Mehrheit der Ortsbevölkerung
ausmachten. Die Entstehung der Gemeinde geht in das 17. Jahrhundert
zurück. 1631 werden erstmals Juden in Rhina genannt. 1682 gab es eine
organisierte Gemeinde am Ort. Dieses Jahr wurde als Gründungsjahr der
festgehalten: 1932 wurde das 250jährige Jubiläum der Gemeinde gefeiert. Unter
den in Rhina zugezogenen jüdischen Familien dürfte einige aus dem Bistum Fulda
stammen, wo Juden 1671 ausgewiesen worden waren.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner
wie folgt: 1829 40 jüdische Familien mit 190 Personen, 1835 177 jüdische
Einwohner, 1855 68 jüdische Familien mit 322 Personen (171 männliche und 161
weibliche, davon 60 Schulkinder, 53 vorschulpflichtige Kinder), 1861 319 jüdische
Einwohner (52,2 % von insgesamt 611 Einwohnern), 1871 312 (52,4 % von 595), 1885
314 (55,8 % von 563), 1895 297 (52,2 % von 569), 1900 298, 1905 296 (50,7 % von
584), 1919: 59 Familien
mit 253 Personen, davon 44 Schulkindern.
An Einrichtungen bestanden insbesondere eine Synagoge (s.u.), eine jüdische
Volksschule (seit 1862, zuvor eine Talmud-Tora-Schule), ein rituelles Bad (im
Keller des Schulgebäudes) und (seit 1837) ein Friedhof.
Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde waren in der Gemeinde zeitweise
neben dem Elementar- und Religionslehrer auch ein Schochet und ein
Synagogendiener tätig. Unter
den Lehrern waren in der Gemeinde angestellt: Moses Jakob
Bishart (Frank s. Lit. nennt ihn Lisshardt - gest. 1824 im Alter von 70
Jahren, in der Haune ertrunken); Emanuel Fauerbach (auch Feuerbach; 1824
bis zu seinem Tod 1863; sein Sohn Isaak Fauerbach wurde Lehrer in
Eiterfeld); Isaak Emmerich
(geb. 1835 in Gudensberg,
erste Anstellung in Jesberg,
von 1862 bis 1902 in Rhina); Abraham Sonn (geb. 1873 in Mainstockheim,
zuvor Lehrer in Theilheim/Bayern,
von 1903 bis 1919 in Rhina, danach in Fulda),
Siegfried Oppenheim (geb. in Nentershausen,
zunächst Lehrer in Höringhausen
und Wehrda,
1919 bis 1938 in Rhina), 1938/39 noch Berthold Katz. Die
Gemeinde gehörte zum Rabbinatsbezirk Fulda.
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde: Salomon Bacharach
(geb. 9.10.1898 in Rhina, gef. 30.8.1918), Herrmann Buxbaum (geb. 25.12.1884 in
Rhina, gef. 28.5.1917), Joseph Geis (geb. 18.3.1897 in Rhina, gef. 26.9.1915),
David Katz (geb. 24.3.1877 in Rhina, gef. 29.4.1915), Gustav Katz (geb.
26.5.1899 in Rhina, gef. 10.1.1920), Joseph Katz (geb. 14.11.1884 in Rhina, gef.
15.7.1918), Leopold Katz (geb. 11.11.1896 in Rhina, gef. 2.12.1917), Marcus
Katzenstein (geb. 7.2.1891 in Rhina, gef. 20.8.1914), Gefreiter Sally
Katzenstein (geb. 26.5.1896 in Rhina, gef. 28.11.1917), Salomon Klebe (geb.
6.11.1890 in Rhina, gef. 12.4.1918), Samuel Klebe (geb. 18.6.1888 in Rhina, gef.
4.10.1918), Gefreiter Julius Viktor Pfifferling (geb. 5.9.1891 in Rhina, gef.
21.9.1917), Gefreiter Leopold Viktor (geb. 22.6.1892 in Rhina, gef. 12.10.1914).
Ihre Namen stehen auf einer Tafel an der Friedhofshalle auf dem christlichen
Friedhof. Viele andere jüdische Kriegsteilnehmer kamen mit hohen Auszeichnungen
von ihrem Kriegseinsatz zurück. Aus der Gemeinde Rhina sind außerdem gefallen:
Hermann Adler (geb. 1.6.1880 in Rhina, vor 1914 in Bad Kreuznach wohnhaft, gest.
1.7.1916), Adolf Adler (geb. 30.1.1884 in Rhina, vor 1914 in Düsseldorf
wohnhaft, gef. 18.8.1918), David Katzenstein (geb. 28.12.1877 in Rhina, vor 1914
in Aschaffenburg wohnhaft, gef. 10.7.1916).
Unter den jüdischen Gewerbetreibenden gab es zahlreiche Handelsleute
(Getreidehandel, Leder- und Viehhandel) und einige Handwerker (z.B.
Schuhmachermeister Salomon Simon, der ein Schuhgeschäft innehatte). Mehrere Läden,
Geschäfte, Gasthäuser am Ort waren in jüdischem Besitz. Moses Blumenthal, dem
eines der beiden jüdischen Gasthäuser gehörte, betrieb auch eine Mazzenfabrik
(siehe Anzeige unten). Viele jüdische Familien hatten im Nebenerwerb eine
kleine Landwirtschaft.
Um 1924, als zur jüdischen Gemeinde 225 Personen gehörten (42,6 %
von 528), waren die Gemeindevorsteher Josef Klebe III und Meier Wetterhahn. Als
Lehrer war weiterhin Siegfried Oppenheim tätig, als Schochet Samuel Buxbaum,
als Synagogendiener Leopold Metzger. Die jüdische Volksschule wurde von 34
Kindern besucht. An jüdischen Vereinen gab es einen Talmud-Tora-Verein
(1924/32 unter Leitung von Josef Katz I mit 15 Mitgliedern), den Israelitischen
Frauenverein (gegründet 1897, 1924/32 unter Leitung von Johanna Katzenstein
mit 54 beziehungsweise 48 Mitgliedern; Ziel: Krankenunterstützung, Altershilfe,
Waisenfürsorge), den Verein Matan B'seser (gegründet 1920; 1924/32
unter Leitung von Josef Katz I und 60 Mitgliedern, 1932 42 Mitglieder; Zweck und
Arbeitsgebiet: Unterstützung von in Not geratenen Gemeindemitgliedern), eine Agudas-Jisroel-Jugendgruppe
(1924 unter Leitung von Frl. Tea Katz mit 22 Mitgliedern, 1932 unter Leitung von
Lehrer Oppenheim); außerdem gab es sechs Lernvereine. 1932 waren die
Gemeindevorsteher Josef Klebe III (1. Vorsitzender), Josef Pfifferling (2.
Vorsitzender) und Schatzmeister Ferdinand Katzenstein. Lehrer Oppenheimer
unterrichtete im Schuljahr 1931/32 noch 22 Kinder.
1933 lebten noch 172 jüdische Personen in Rhina (Zählung im Juni
1933).
In
den folgenden Jahren ist der Großteil der jüdischen Gemeindeglieder auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts,
der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert: 1934 wurden 158 jüdische
Einwohner gezählt, am 1. Januar 1937 noch 121, am 1. Januar 1938 noch 87
jüdische Einwohner (22,1 % von 393 Einwohnern). Die Abwanderung wurde vor allem
durch Ausschreitungen und dem ständigen Terror von Nationalsozialisten
beschleunigt, der bereits 1935 bedrohliche Ausmaße angenommen hatte (s.u. bei
der Synagogengeschichte). Beim Novemberpogrom 1938 wurde das
Synagogengebäude mit der Schule durch Brand völlig zerstört (s.u.). Die
jüdischen Einwohner wurden in Haft genommen, 13 Männer wurden in den folgenden
Tagen in das KZ Buchenwald deportiert und dort mehrere Wochen festgehalten. Der Unterricht
der jüdischen Kinder wurde noch in einem Privathaus weiter erteilt, zuletzt
waren es nur noch zwei Kinder. Bis Februar 1939 sind fast alle jüdischen Einwohner
weggezogen. Am 1. März 1939 wurde kein jüdischer Einwohner mehr in
Rhina gezählt.
Von den in Rhina geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"; weitere Namen im Buch von
Elisabeth Sternberg-Siebert s.Lit. S. 245-252): Helene
Karoline Adler geb. Mansbach (1876), Lina Adler geb. Klebe (1898), Sally (Sußmann)
Adler (1880), Hermann Bacharach (1859), Levi Bacharach (1867), Levi Bacharach
(1901), Max Bacharach (1902), Jettchen Daniel geb. Katzenstein (1885), Hilda
Friedrich geb. Klebe (1892), Jenny (Henni) Goldschmidt geb. Katz (1887), Henle
Hahn (1863), Simon Hahn (1871), Amalie Hesse geb. Mansbach (1867), Gitta (Giedchen)
Höflich geb. Blumenthal (1888), Jettchen Jäckel geb. Katz (1876), Bernhard
(Baruch) Katz (1874), Bertha Katz geb. Stern (1889), Emma (Esther) Katz geb.
Plaut (1875), Frieda Katz (1899), Leopold Katz (1886), David Katzenstein (1880),
Gitta (Gietha) Katzenstein geb. Nussbaum (1891), Leo Katzenstein (1871), Moritz
Katzenstein (1897), David Klebe (1873), Helene Klebe (1880), Josef Klebe (1917),
Salomon Klebe (1877), Senta Klebe (1925), Lina (Lydia) Lehrberger geb. Vicktor
(1901), Bernhard Levi (1898), Jakob Levi (1883), Jenny Meir geb. Bacharach
(1900), Rosalie Meyer geb. Adler (1886), Helene Neuberger geb. Klebe (1894),
Meta Neuberger geb. Klebe (1896), Jette Neumann geb. Michelluft (1875), Paula
Neustädter (1896), Bella Nussbaum (1894), Benedix Nussbaum (1876), Hermann
(Hertz) Nussbaum (1867), Jenny Nussbaum geb. Katz (1894), Emanuel (Mendel)
Nussbaum (1881), Aron Oppenheim (1898), Else Oppenheim (1923), Emma Oppenheim
(1886), Jenny Oppenheim geb. Hahn (1882), Max Oppenheim (1893), Sali (Sally)
Oppenheim (1884), Samuel Oppenheim (1884), Selma Oppenheim (1893), Helene
Oppenheimer geb. Klebe (1855), David
Pfifferling (1893), Henny Pfifferling geb. Bacharach (1897), Josef Pfifferling
(1881), Julia (Julchen) Pfifferling geb. Wallach (1886), Natalia Pfifferling
(1924), Fanny Plaut geb. Katz (1871), Frieda Rosenberg geb. Katzenstein (1885),
Flora Rosenbusch geb. Katzenstein (1894), Bilha Schwarz (1941), Berta Stern geb.
Blumenthal (1907), Jettchen Stein geb. Hahn (1866), Delfine Stern geb.
Katzenstein (1888), Ida Stern geb. Wetterhahn (1906), Minna Stockhausen geb.
Nussbaum (1876), Jenny Strauß geb. Katz (1888), Jenny Straus geb. Levi (1893),
Gella Lina Strauss geb. Buxbaum (1872), Rosa Wiesenfelder geb. Klebe (1896),
Isak Würzburger (1900).
Eine Erinnerungstafel auf dem jüdischen Friedhof in Burghaun nennt die
Namen von 145 jüdischen Personen aus dem ehemaligen Kreis Hünfeld, die in der
NS-Zeit umgekommen sind, darunter auch viele Namen aus
Rhina.
Keinen Erfolg hatte eine 1984 von privater Seite initiierte Einladung an
ehemalige jüdische Einwohner aus Rhina (siehe unten
Literatur).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Allgemeine Berichte aus der
Gemeinde
Kurzer Gemeindebericht (1905)
Artikel
in der "Jüdischen Rundschau" vom 29. Dezember 1905: "Während es in
Russland und Österreich eine große Anzahl von Städten und Dörfern
gibt, in denen die Juden die Mehrheit der Einwohner bilden, dürfte ein
solcher Ort in Mitteldeutschland seltsam und deshalb der Erwähnung wert
sein. Es ist das Dorf Rhina in der Provinz Hessen-Nassau, das (nach der
Volkszählung vom 1. Dezember 1900) unter 569 Einwohnern 297 Juden zählte.
Der Grund für den hohen prozentualen Anteil der Juden dürfte darin zu
suchen sein, dass die Juden in Hessen früher nur ein örtlich sehr beschränktes
Wohnrecht hatten und dass gerade die Ritterschaft, zu der der Ort Rhina
gehörte, den Juden zum Wohnen freigegeben war. Die Mehrzahl der Juden in
Rhina beschäftigt sich mit Viehhandel: im Gemeinderate sind unter zwölf
Mitgliedern neun Juden." |
"Aus der Ritterschaft" von Lehrer Siegfried Oppenheim
(1927)
Anmerkung: der Beitrag erschien in der "Jüdischen
Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und Waldeck" im Juli 1927 und
beschäftigt sich mit der Geschichte vor allem der jüdischen Gemeinden Rhina,
Wehrda und Langenschwarz. Auf
dieser Seite zu Rhina wird der vollständige Beitrag von Siegfried Oppenheim
wiedergegeben, auf den Seiten zu Wehrda und Langenschwarz nur der gekürzte
Beitrag.
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Artikel
vom 1. Juli 1927 |
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Artikel
vom 8. Juli 1927 |
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Artikel
vom 15. Juli 1927 |
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Artikel
vom 22. Juli 1927 |
Text:
"Aus der Ritterschaft. Von Lehrer S. Oppenheim, Rhina. Weißt du, lieber Leser, wo
'die Ritterschaft' liegt? Es ist die Gegend, die heute den Kreis Hünfeld etwa umfasst. Wo die Hanne ihre Fluten durch ein enges Tal windet, wo die Rhön in zahllose Kuppeln und Kegel ausläuft, haben in früheren Jahrhunderten eine große Zahl von Rittern ihre Burgen erbaut. Vom Stoppelsberg schaute stolz und kühn die Stoppelsburg
('Schloss Hauneck') herab, von wo die Herren von Haune als 'Heckenreiter und Buschklopper' die friedlich ihres Weges ziehenden Kaufleute überfielen. Am schlimmsten trieb es der
'wilde Haune'. Da erhob sich die ganze Gegend gegen ihn. Auch des Landgraf von Hessen zog heran und belagerte ihn in seiner Burg. Er musste sich ergeben. Im Kerker zu Hersfeld starb er; seine Burg wurde zerstört.
Von ihrer Burg an der Haune aus (Burghaun) beherrschten die Herren von Burghaun die von Frankfurt nach Thüringen führende Straße. In nicht allzu großer Entfernung von Burghaun saßen die Ritter von
Langenschwarz, in Wehrda die Herren von Trümbach (ursprünglich von Trübenbach genannt), deren großer Waldbesitz heute der Familie von Kleydorff gehört. Der letzte Major von Trümbach starb 1905 als Badedirektor in Bad Soden bei Salmünster und wurde in Wehrda begraben. Die ebenfalls in
Wehrda ansässigen Herren von Stein zu Nord- und Ostheim sind vor etwa 250 Jahren durch Heirat nach Wehrda gekommen. Auch in
Buchenau waren zwei Adelsfamilien begütert: von Seckendorff, Gutend und von Schenk zu Schweinsberg. Die erstere existiert noch heute; der letzte Schenk machte vor einigen Jahren durch Erschießen seinem Leben ein Ende. Im Schenkschen Schloss ist ein (Lietzsches) Landerziehungsheim untergebracht. Und wo jetzt im
'Union-Gestüt' zu Mansbach Pferdezucht getrieben wird, saßen früher die Herren von Mansbach; in Holzheim die Herren von Romrod. (Von der in der Nähe von Rhina im Hauntale gelegenen Sinzigburg sind geschichtliche Daten nicht vorhanden; nur die Sage weiß von ihr zu berichten.) Wenn nun die Bewohner dieser
'Ritterschaft' das Sprüchlein prägten:
'Vor Mansbach, Wehrda, Buchenau Behüt' mich Gott und meine Frau,
Und dass ich nicht komm zu korz, Behüt mich auch vor Langenschworz',
dann wussten sie wohl auch 'ein Liedlein' von den Herren Rittern zu singen.
Die Bewohner der Ritterschaft waren den Rittern zu allerlei Diensten und Abgaben verpflichtet, deren Ursprung sich nur selten mit absoluter Sicherheit nachweisen lässt. Die Ritter nahmen gern
Juden in ihr Gebiet auf. Diese zahlten nicht nur Steuern, Leibzoll und andere Abgaben an die Ritter (worauf ich später noch zurückkomme), sondern sie versorgten auch deren Höfe mit allerlei Waren, die die Juden von ihren Handelsreisen mitbrachten. Jüdische Niederlassungen befanden sich in 1.
Langenschwarz, 2. Hechelmannskirchen, 3.
Burghaun, 4. Hünfeld, 5.
Mackenzell, 6. Steinbach, 7.
Mansbach, 8. Eiterfeld, 9.
Buchenau, 10. Erdmannrode, 11.
Rothenkirchen, 12. Rhina und 13.
Wehrda. In Nr. 2, 5, 6, 11 wohnen keine Juden mehr; in
Langenschwarz seit kurzem wieder eine Familie, in
Erdmannrode eine, Mansbach,
Eiterfeld und Wehrda sind bis auf wenige Familien zusammengeschmolzen. Nur Rhina und
Burghaun haben heute noch größere Gemeinden. Die Juden der Ritterschaft unterstanden dem Rabbiner zu
Fulda. Im Februar 1799 war Rabbiner Isaak Salomon Wormser in
Langenschwarz zur Vornahme von Amtshandlungen anwesend. Er hat in
Langenschwarz mehrere Protokolle unterfertigt. – Die Beschäftigung der Juden war in der Hauptsache der Handel. Sie kamen weit über die Grenzen des Heimatkreises hinaus bis auf die einzelnen Höfe in der
Hohen Rhön. (Auf einem solchen Hofe wurde im Februar 1878 der Handelsmann Maier Plaut von
Wehrda ermordet und beraubt.).
Vielen Beschränkungen und Belästigungen waren die Juden als Handelsleute unterworfen. Von einer solchen
'l'sikorann' (zur Erinnerung) niedergeschriebenen 'Verbietung' weiß Jausef bar Schimann aus
Langenschwarz zu berichten. Er schrieb am Sonntag, den 12. Nissan 5581:
'Will ich unsere Nachkemlungen zu wissen tun, dass eine Verbietung ist gewesen ist der Schlitzer Medineh (= Gegend um Schlitz) vom 16. August 1799, dass keiner hat derf in der Medineh handeln als Dienstag und Donnerstag bei 5 fl. Straf, welcher ist angetrofin worn hat missen 5 fl. zahlen und 40 Kronen Kosten. Alsdann hat es mich auch einmal betroffen , so hab ich mich gleich gewend nach Gießen und hab gleich rausbekommen, dass die Gesero mit Gottes Hilf botel ist und hob gleich meine 5 fl. wieder bekommen. Nach dieser Sach ist keiner gegangen als ich und Simel (Bronzell) – und der Mélitz von dieser Sach wahr der Oberinspektor Strach in Schlitz und in Gießen war der Mélitz mit Namen Meier. Solches habe ich
l'sikorann hier in Khalsbuch (Gemeindebuch) geschrieben. Josef bar
Schimann.'
Neben dem Handel beschäftigten die Juden sich auch mit Landwirtschaft – einzelne sogar im Hauptberuf, sodass sie als
'Bauer und Handelsmann' bezeichnet sind. Besonders von Wehrda ist mir bekannt, dass dort viele Familien großen Grundbesitz besaßen und selbst bestellten. (Wertheim, Katzenstein, Plaut, Lehrer Weinberg u.a.). Heute haben nur noch wenige Juden Land und dies in so geringem Maße, dass von Landwirtschaft nicht mehr die Rede sein kann. – Von
'zeitiger Not der Landgemeinden' wusste man ehemals in der Ritterschaft nichts. Von den dazu gehörigen 13 Gemeinden hatten 10 einen eigenen
Lehrer, die anderen Gemeinden lagen vom nächsten Synagogenort nur wenige Minuten entfernt, sodass die Kinder die
jüdische Schule des nächsten Ortes besuchen konnten. Da sie auch im
'T'chum schabbos' lagen, konnten die Alten Synagoge und Chewra besuchen. Heute sind
noch drei öffentliche und eine Religionslehrerstelle im Bezirk vorhanden. In zwei Gemeinden
(Wehrda und Mansbach) wird Religionsunterricht durch Lehrer der Nachbargemeinden erteilt. Aber ohne Religionsunterricht ist auch heute noch kein Kind. -
Der gemeinsame 'gute Ort´(Friedhof) für alle Juden der Ritterschaft war in
Burghaun. Nach und nach legten einzelne Gemeinden eigene Friedhöfe an. In
Langenschwarz kauften die Juden als
'Privatgesellschaft' am 16. Juli 1832 von Heinrich Schmidt einen Acker zum Totenhof. Ebenso erwarben die Juden
Rhinas am 9. Juli 1837 von David Levi Reif einen Acker zum gleichen Zweck. Die damals 26 Familien starke Gemeinde
Wehrda kaufte am 11. August 1853 von Abraham Weinberg aus
Mackenzell für 153 Taler im
'Hessengraben' den Friedhof, der aber 1860 erst in Gebrauch genommen wurde.
Wann sich die ersten Juden in der Ritterschaft niederließen, konnte ich bisher nicht feststellen, und es ist fraglich, ob es sich überhaupt mit Sicherheit ermitteln lässt. Vielleicht datierten die erste Ansiedlungen schon aus den Jahren 1349/50, als die raubgierigen Geißlerscharen und andere Elemente über die Juden Deutschlands sengend und brennend herfielen. Nach Buttes
'Judenverfolgungen und die Juden Hersfelds im Mittelalter' war 1347 die erste Judenniederlassung in
Hersfeld entstanden, die nach einer Urkunde vom 15. Juli 1350 des Abtes Johann von Eiben ein Opfer fanatisierter Volkswut
wurde. 1362 nahm Abt Johann wieder mehrere jüdische Familien auf, versprach ihnen, dass sie zu keinerlei Abgabe
gezwungen werden sollten, und dass er sie beschützen werde. Im Jahre 1365 macht Abt Johann sein Versprechen wahr, indem er seine Hersfelder Juden in Schutz nahm gegen einen durch ihre eigenen Glaubensgenossen in Erfurt gegen sie ausgesprochenen Bann. Die Juden von
Hersfeld werden 1371 erwähnt, als ihre Abgabe mit den übrigen Einkünften des Abtes vom kaiserlichen Hofgericht beschlagnahmt wird; wie auch 1348, als der Schöffe Brückenmüller die Bürger vor den Eichhof hinausführte und sie dort den Reinigungseid schwören ließ. Zuletzt traten daher drei Juden, Bürger zu Hersfeld, die Hände eingelegt
in ihr Buch, das sie nannten Moses Buch, und schwuren bei allen Stücken, nach ihrem jüdischen Gesetze, dass sie und jeder von ihnen aller der vorher aufgezählten Beschuldigungen des Abtes unschuldig zu
sein.' Auch in späteren Jahren fanden noch wiederholt Judenvertreibungen aus Hersfeld statt – Hersfeld galt stets als
'Geresch mokaum' – und es ist wahrscheinlich, dass die Vertriebenen Aufnahme und Schutz bei den in der Nähe Hersfelds ansässigen Rittern suchten und fanden. In einem Kirchenstandsverzeichnis des Kirchenbuches von Wehrda vom Jahre 1762 ist als Eigentümer des Kirchenstandes Nr. 61 der Jud Affrom und als Eigentümer von Nr. 74 der Jud Herz Levi genannt. Und im Kirchenbuch von
Langenschwarz unter
'Pfarrbesoldung im Jahre 1780, nämlich 19 Malter Korn' usw. erscheint unter den
'Hochadeligen Langenschwarz'schen Untertanen' neben vielen Hüttner usw. 'Jud Auscher modo cono Ellenberger', der
'1 Maß Haber' in Raßdorfer Gemäß zu entrichten hat.
Gemeinsame Gottesdienste hielten die Juden Wehrdas in dem noch stehenden Hause des Metzgers Plaut ab. Eine Stube in diesem Hause heißt noch heute die
'Schul'. Im Jahre 1804 ist die Synagoge erbaut und eingeweiht worden. Auf einem einfachen Brettchen, das sich über dem Haupteingang an der Außenwand befindet, ist noch zu lesen: Erbaut und eingeweiht Chanukka 5565. Das für die Synagoge benötigte Bauholz haben die Herren von Trümbach gespendet. Aus Dankbarkeit wurde über dem Oraun-hakaudesch (Toraschrein) das Trümbachsche Wappen angebracht: ein Wappenschild mit drei Rosen, das von zwei Löwen gehalten wird.
Für die Armen Wehrdas - sowohl für Juden als auch für Christen – hatte ein aus Wehrda stammender Jude eine
'Stiftung für Arme', insbesondere aber 'für arme Kranke' ins Leben gerufen. Der Vater des Gründers, Aron Moses, war in früher Jugend aus Wehrda ausgewandert. Als die Juden sich Familienzunamen zulegen mussten, behielt er seinen Vornamen Aron und seines Vaters Namen Moses bei und nannte sich Aron Moses Arensberg. Er verheiratete sich nach Alverdissen bei Detmold (Lippe). Sein Sohn Jakob Arensberg blieb – da er in seiner Jugend schwächlich war – unverheiratet. 1888 zog er von Alverdissen nach Detmold, wo er 1895 – 80 Jahre alt – starb. Seine zugunsten jüdischer und christlicher Armen Wehrdas errichtete Stiftung, deren Zinsen jährlich vom Synagogenältesten und Ortspfarrer verteilt wurden, ist durch die Inflation leider wertlos geworden. Als Religionslehrer wirkte in Wehrda bis 1837 Reb Elie Liebschütz. Von ihm geht noch heute das Wort von Mund zu Mund (wenn man sagen will, dass jemand oder etwas verloren sei):
''s es en pißche pesser, aber kapore es se doch!' Über die Entstehung dieses Wortes erzählt man sich in Wehrda: Reb Elies dritte Frau war sehr krank, Er ging zum Arzt nach Burghaun, Als er durch Rothenkirchen ging, wurde er von teilnehmenden Juden gefragt:
'Reb Elie, wie geht's eurer Frau?' 's es en pißche pesser, aber kapore es se
doch', gab Reb Elie zur Antwort.
Als erster staatlich angestellter Lehrer wirkte Josef Weinberg aus Mackenzell, der 1884 starb. Ihm folgten die Lehrer Samuel Löwenstein aus
Reichensachsen 1885-1901, Nathan Ehrenreich aus
Höchberg (Bayern) 1891-1901, der Schreiber dieses Aufsatzes aus
Nentershausen 1901-1919. Mit meiner Versetzung nach
Rhina wurde die staatliche Stelle wegen Mangel an Schülern aufgelöst. Heute hat
Wehrda noch sieben Familien und ein Schulkind. Religionsunterricht wird von Rhina aus erteilt.'
8. Juli 1927: "(Fortsetzung). Eine größere Gemeinde als Wehrda war Langenschwarz. Bereits am 27. Juni 1798 wurde der Bau einer
Synagoge beschlossen, zu der eine kleine Wohnung für den Lehrer und Vorsänger gehörte. Am 10. Mai 1855 genehmigte die Gemeinde die Aufnahme eines Darlehens zum Bau einer Schule und Lehrerwohnung. Der Beschluss ist von 29 Gemeindemitgliedern unterzeichnet. In der Zeit von 1850 bis 1870 sind viele jüdische Familien von Langenschwarz nach Amerika ausgewandert (Benjamin Greif, Jakob Gans und andere). Sie zahlten ein
'Abzugsgeld' und mussten der Gemeinde ihre Synagogenplätze, die Eigentum der Gemeindemitglieder waren, ohne Bezahlung zuschreiben. – Auch die Aufnahme von Gemeindemitgliedern war durch Statut auf Grund eines Ministerialerlasses vom 31.12.1839 und einer Regierungsverfügung vom 8.1.1840 (in ganz Hessen) geregelt. Es sollten zahlen: 1. Ein Ausländer 15 Taler (+ 2 Gulden Beitrittsgeld für den Friedhof, der kein Gemeindeeigentum war); 2. Eine Ausländerin 7 ½ aller (+ 2 Gulden Beitrittsgeld für den Friedhof); 3, ein Inländer 7 ½ Taler (+ 2 Gulden Beitrittsgeld für den Friedhof); 4. Eine Inländerin 3 ½ Taler (und ebenfalls 2 Gulden für den Totenhof). Außerdem hatte jeder für je 100 Gulden Vermögen oder
'Heiratsgut von seiner Frau' 15 Kreuzer zu zahlen. Nicht so billig kam Süßkind Rothschild weg, der 1833 seine Aufnahme beantragte:
'Heute dato ist bei der Israelitischen Gemeinde festgestellt worden, in dem Süßkind Rothschild seine Aufnahme habe will, hat er ihn mit der Bedingniß bekommen, dass er die alte Wittib Moses Sprinz lebenslänglich in allen Stücken und nötigen Bedürfnissen unterstützen und ernähren will. Süßkind Rothschild hat sich daher im Beisein des Synagogenältesten und mehrerer Mitglieder fest und verbindlich gemacht, dass er die gedachte Witwe Sprinz lebenslänglich, sowohl in Nahrung und Wohnung und all ihr nötiges beschaffen will, ohne dem dass er an der israelitische Gemeinde ein Anspruch um Beisteuer zu dessen Verpflegung machen darf. Geschehen Langenschwarz, den 23. Uni 1833. Nach Verlesung hat sich eigenhändig unterschrieben 0 0 0 (Handzeichen des Süßkind Rothschild, weil er nicht schreiben kann), Herz Stern Synagogenältester, Isac Stiebel als Zeuge. Elias Rothschild Lehrer als
Zeuge.' – Feist Wertheim und seine Frau Lea brauchten mein Einkaufsgeld zu zahlen, dafür musste sich Wertheim verpflichten, in den Jahren unentgeltlich Chassen (Vorbeter) zu sein, nämlich
'er gibt nichts und nehmt nichts!' Viele Gemeindeversammlungen beschäftigten sich mit der Schlichtung von Streitigkeiten zwischen den Gemeindemitgliedern. Das von Rabbiner Isac Salomon Wormser am 23.2.1799 geschriebene Protokoll beginnt:
'Auf wiederholter Bitte der hiesigen Judenschaft, die durch Ermahnungen und selbst des Zankes müde, nun endlich die Einigkeit lieben, und mich daher ersucht, ihnen alles gütlich in Ordnung zu
bringen…' Am 5. August 1821 beschäftigte Khal (Gemeindeversammlung) folgender
'Fall': 'Ist vor der israelitische Gemeinde allhier vorgebracht worden, als Vogel Greif und Mayer Grünenbaum den dritten dieses (Monats) ein Vermächtnis gemacht haben in der armen Gasse allhier, nämlich Erster behauptet, als er dem Zweiten eine Geise abgekauft habe, der Mayer Grünenbaum behauptet, als er dem Greif die Geise zu 6 Fl. 40 Kr. verkauft hätte, wen der Letztere, nämlich Mayer Grünenbaum beweist, als er dem Greif die Geise zu 6 Fl. 40 verkauft habe, so muss der Vogel Greif ein Pfund Wachs in der Armenkasse geben, nie nicht Er weisen soll, muss der Mayer Grünenbaum ein Pfund Wachs zahlen, es regel richtig vorgebracht, und bezahlt Einer von den zwei, der bezahlen muss. Die Zeugen, die dabei waren haben sich unterschrieben: Samuel Goldschmidt, Hertz Steyn. -
-' Wer von uns in Kleingemeinden gewohnt hat und noch wohnt, wo kein Bäcker ansässig ist, kennt die Sorgen, die das Berchesbacken den Hausfrauen und eventuell auch den Männern bereitet. Abgesehen davon, dass das
'Anhitzen' im Winter viel Holz kostet, war auch jedermann besorgt, dass außer Brot nichts mit den Berches zusammen in den Ofen kam. Es ist also zu begreifen, dass viele Tekonauß (Bestimmungen) das Berchesbacken betreffen. (4. April, 26. April 1823). Ein Beschluss soll wörtlich folgen:
'Geschehen Langenschwarz, den 2ten März 1856. Bei versammelter Gemeinde wurde der Vertrag im Betreff des Berchesbackens vom 4ten April 1823 erneuert und in Kraft gesetzt mit dem Hinzufügen, dass vor dem Berchesbacken keine Kuchen und Blätz gebacken werden dürfen, und der Synagogenälteste soll berechtig sein, jeden Übertretungsfall mit Ein Pfund Wachs zu bestrafen, welches in der Gemeindekasse fließt. Wer diesen Vertrag nicht unterschreibt, soll ausgeschlossen sein. Auch kein Kaffee, Gerste etc. darf nicht dabei geröstet
werden.' Folgen 22 Unterschriften. - Wie man den Besuch des Gottesdienstes, der wohl manchmal allerlei zu wünschen übrig gelassen hat, zu heben sucht, zeigen aus zwei Vereinbarungen vom 30.4.1848 und 22.6.1856. Es verpflichtet sich darin jeder Bli neder ubeli schewuoh, dass die Tekonauß (Bestimmungen), das Schulengehen betreffend, wieder in Kraft gesetzt werden. Danach soll 1. Jeder, der daheim ist und nicht zu Schachris (Morgengebet) und Maariv (Abendgebet) ins Beshakneses (Synagoge) kommt, 2. Kr. Strafe zahlen, 2. Niemand vor Kaddisch
d'rabbonim aus dem Beshakneses gehen. 3. 1/4jährlich Jaumkippurkoton sein. Im Winter wird ganz gefastet, wozu dich jeder verpflichtet. Wer nicht daheim bleibt, zahlt ¼ Pfund Wachs oder 12 Kr. Wenn aber Jaumkippurkoton aus einen Mittag fällt, soll er am Sonntag vorher gehalten werden. 4. Jeder Vater verpflichtet sein, dafür zu sorgen, dass die Knaben regelmäßig zum Beshakneses gehen. Wie wäre es, wenn wir in der
'Ritterschaft' jene Tekonauß (Bestimmungen), die das Synagogengehen betreffen, erneuern würden!? Es würde sich den Gemeinden eine gute Einnahmequelle öffnen!!'
15. Juli 1927: '(Fortsetzung). Als Lehrer und Vorsänger, sowie als 'Judenbeglaubigter' wird zu Anfang 1800 bis etwa 1818/19 Hirsch Lazarus erwähnt, der auch als Hirsch Fürth bezeichnet ist, wohl nach seinem Heimatort. Obwohl er am Mauzoe Schabbos P. Wajigasch 5581 Khal
'zu wissen tut', dass er bald abziehe, 'wonach Khal sich zu achten hat, dass sie sich nach einem anderen Chasan
umsehen', blieb er noch viele Jahre in Langenschwarz im Amt. Ihm folgte Lehrer Hecht und später Elias Rothschild, der 1830 zum ersten Mal erwähnt wird. Die staatliche Volksschule ging am 1.1.1887 mit der Pensionierung des Lehrers Windmüller ein. Windmüller starb im Mai 1889. Im Jahre 1902 wurde die Gemeinde aufgelöst und die Auflösung 1906 vom Minister genehmigt. Es blieben, nachdem die letzten Familien nach Schlitz verzogen waren, nur noch drei einzelne Männer in Langenschwarz zurück. Wolf Rothschild, der viele Jahre Botengänge zwischen
Langenschwarz - Wehrda
- Hersfeld besorgte, zog nach Frankfurt am Main, nachdem sein Schwager Baruch
Breitenbach das Zeitliche gesegnet hatte. Baruch Breitenbach war ein weithin bekannter
'Landstraßenveteran', dessen 'Arbeitsfeld' sich aber nicht weit über die Grenzen der Ritterschaft hinaus erstreckte. Er bot zwar
'Noodeln' (Nadeln) an, die er aber gewöhnlich behielt, wenn er seinen Obulus kassiert hatte. In den letzten Jahren kam er stets mit verbundenen Backen. Zum Schluss noch ein Wort der Erinnerung dem
'Meyerche von Langenschwarz'; Meyer Ehrenreich, der schon auf seinen 'Geschäftsreisen' durch ganz Hessen kam,
'Mein Name ist Ehrenreich – hätt'r was, so geht mers gleich', mit diesen Worten stellte er sich gewöhnlich vor, jahrelang kam er täglich nach Wehrda, wo er Kosttage aß. Gelbe Rüben wollte er nicht, denn
'die wachsen net off mei'm Acker', dagegen bestellte er sich oft 'Pucki' (Pudding).
Wenn ich hier auf die Abgaben zu sprechen komme, die von den Juden den
'Rittern' zu leisten waren, so geschieht dies aus folgendem Grunde: Die Juden von
Langenschwarz waren verpflichtet, an die Küche derer von Langenschwarz und später an die Landgräfliche bzw.
kurfürstliche Küche alle Zungen von geschlachtetem Rindvieh abzuliefern. Als am 11. Januar 1821 der allerdurchlauchtigste Fürst und Herr, Herr Wilhelm I., Kurfürst und souveräner Landgraf von Hessen, Großherzog von Fulda, Fürst zu Hersfeld, Hanau, Fritzlar und Ysenberg, Graf zu Katzenellenbogen-Dietz, Ziegenhain, Nidda und Schaumburg
etc.' der Judenschaft von Langenschwarz eine Parzelle des herrschaftlichen Obstgartens (Par.Lit.K. von 20 Ruten 70 Schuh) für 45 Gulden verkaufte, verlangten die Juden Aufhebung der
'Zungengabe'. Eine gütliche Einigung kam zunächst nicht zustande. Daher klagten die Juden zu Langenschwarz, Herz Stern und Genossen, gegen den Staatsanwalt der Provinz Fulda, namens der Kurfürstlichen Renterei zu Burghaun,
'wegen Aufhebung der Zungenabgabe von geschlachtetem Rindvieh'. Der Rechtsstreit beschäftigte lange Jahre die Gerichte. Am 9. November 1841 kam folgender Vergleich zustande, der vom Kurfürstlich-Hessischen Obergericht, Zivilsenat (Vorsitzender: Warnsdorff) bestätigt wurde. Er lautet:
Vergleich zwischen der Kurhessischen Staats-Finanzverwaltung – durch den Staatsanwalt der Provinz, Rath Zahn, ermächtigt durch Beschluss der Kurfürstlichen Oberfinanzverwaltung vom 29.X.C. Nr.23/382 und der
Israelitischen Gemeinde zu Langenschwarz – Herz Stern und Genossen in Akten genannt, durch deren Bevollmächtigten, Obergerichtsanwalt Wolf dahier, ist nachstehender Vergleich abgeschlossen worden:
§ 1. Der beim Kurfürstlichen Obergericht zwischen den kontrahierenden Teilen wegen Bezug der Zungen von geschlachtetem Rindvieh anhängige und dermalen durch Bescheid vom 11. August Nr. 48 J.P. bis zum Beweisverfahren gediehene Rechtsstreit wird beiderseits für beruhend erklärt, dagegen
§ 2 auf Seiten der Kurhessischen Staats-Finanzverwaltung von nun an auf die fragliche Zungenabgabe der israelitischen Gemeinde Langenschwarz hiermit Verzicht geleistet,
§ 3 bestimmt, dass jede Partei ihre Kosten selbst trägt, dass dagegen die Gerichtskosten geteilt werden sollen.
§ 4 fordert die obergerichtliche Bestätigung.
Geschehen Fulda, am 9.11.1841. gez. Rath Zahn; gez. Obergerichtsanwalt Wolf. Unterm 31.1.1842 bescheinigt der Obergericht-Pedell Brenzell, dass er dem p.H. Wolf und dem H. Zahn den
'vorstehend insinuierten Vergleich abschriftlich behändigt' habe, nachdem er am 12.1.1842 vom Obergericht (Warnsdorff) genehmigt sei.
Da Rhina ein Teil der Trümbachschen Besitzungen – ein Vorwerk von Wehrda – war, haben sich hier wohl zu gleicher Zeit wie in
Wehrda Juden niedergelassen. Wie alt diese Ansiedlung überhaupt sind, sieht man daraus, dass Rhina
('Rhinaha') bereits im Jahre 980 zum ersten Mal urkundlich erwähnt und 1336 als ein Teil der Trümbachschen Besitzungen bezeichnet wird. Die Rhinaer Juden waren den Herren von Trümbach und von Stein lehens- und zinspflichtig. Als am 26.8.1848 ein neues Lehensgesetz erschien, klagte
'Die Revenüen-Verwaltung der Gutsherrschaften von Trümbach und von Stein zu Wehrda (namens Ißbrücker, der im jetzigen Altmüllerschen (Wartmann) Hause zu Wehrda wohnte), als:
I. Die Witwe des Freiherrn Gustav von Trümbach, Maria, geb. Koppel zu Hersfeld, als Vormünderin ihrer minderjährigen Kinder: 1. Sophie Karoline Emilie, 2. Friedrich Wilhelm Siegmund.
II. Die Maria Charlotte, Mathilde von Trümbach zu Hersfeld.
III. Der Kammerherr, Freiherr Siegmund Christian von Stein zu Nord- und Ostheim als väterlicher Gewalthaber seiner Kinder: 2. Friedrich von Stein, 2. Fanny von Stein
IV. Die Freifrau Sophie von Doney, geb. von Trümbach zu Ludwigsburg Prokuranten gegen die israelitische Gemeinde zu Rhina, bestehend aus nachfolgenden Personen: 1. Aron Oppenheim, 2. Herz Katzenstein usw. und 48 Genossen (10 waren nicht mitverklagt, weil sie
'vergessen' waren), Provokaten auf Anerkennung eines Entschädigungskapitals für lehns- und gutsherrliche Abgaben und Eintrag der Forderungen innerhalb 14 Tage durch Kurfürstliches Justizamt Burghaun auf die betreffenden Grundstücke, denn
'diese waren uns, als Besitzern der ehemals dem kurhessischen Staate lehnbaren von Trümbachschen Rittergüter zu Wehrda, mit denen wir von dem Landesherrn belehnt worden sind, lehn- und zinsbar, und zwar das Haus zu zwei Drittel. Diese Lehn- und Zinsbarkeit äußerte sich darin, dass dem Haus bei Besitzveränderungen 5 Prozent des wahren resp. Kaufwertes als ein Lehngeld, - und außerdem 2 Gld. 30 Kr. Dienstgeld jährlich – von dem Acker ebenfalls bei Besitzveränderungen 5 Prozent Lehngeld, und alljährlich eine, unter dem Namen
'Grundzins' vorkommenden Abgabe von 20 Kr. entrichtet wurden.
Es beruhten diese Verhältnisse auf unvordenklicher Verjährung, Herkommen und Vertrag. Über Menschengedenken nämlich und ohne Erinnerung eines gegenteiligen Zustandes haben nämlich die Besitzer der fraglichen Immobilien alljährlich respektive so oft die Voraussetzungen eines Entrichtungsfalles vorlagen, die in Rede stehenden Leistungen mit Bewusstsein der rechtlichen Verbindlichkeit und das dieser korrespondierenden Rechts an uns und unseren Lehnvorfahren entrichtet hinsichtlich der ständigen Leistungen ist dies mindestens während 10, 20 und 30 Jahren der Fall gewesen.'
22. Juli 1927:
'Auch besteht zu Rhina ein Herkommen, wonach die Besitzer lehnbarer Immobilien bei Besitzveränderungen stets 5 Prozent des Wertes als Lehngeld und namentlich die Besitzer von Häusern alljährlich 2 Gld. 30 Kr. über Menschengedenken und ohne Erinnerung eines gegenteiligen Zustandes, mit dem Bewusstsein der Zwangsverbindlichkeit entrichtet haben.
Endlich hat die Israelitische Gemeinde zu Rhina, vertreten durch ihre Ältesten, die fraglichen Immobilien nach vorgängig von uns respektive unseren Vorfahren einbehaltenen lehnsherrlichen Konsense erworben, die Lehnbarkeit ausdrücklich anerkannt, und die Entrichtung der ständigen Leistungen versprochen. Nach Aufhebung des lehnsherrlichen und gutsherrlichen Verbandes sind an die Stelle unserer Rechte Entschädigungs-Ansprüche getreten, die sich wie folgt berechnen:
Für die ständigen Leistungen zu 1 Rth. 18 Sgr. ergibt sich ein Kapital von 32 Rth. 20 Sgr.
Die Grundstücke selbst sind nach Anlage B auf 440 Rth. geschätzt.
Dies ergibt, dass ein Grundstück zu zwei Drittel lehnbar, angenommen für einen Entrichtungsfall 15 Rth. 20 Sgr. nach Maßgabe des Lehngesetzes vom 26.8.1848 § 7 Satz A 1 und B 1a und D Schlusssatz 5 ½ Fälle für das Jahrhundert, demnach ein Kapital 16 Rth. 26 Sgr., wobei bemerkt wird, dass die Zinsen der ständigen Abgaben von Michaelis laufenden Jahres, die des Lehngeldes vom 1.10.1848 an zurückstehen, wonach unser Interesse über 50 Rth. beträgt.'
Am 2. Februar 1853 erging folgender Bescheid:
'Wird nachdem die Parteien sich vereinigt haben, der Betrag der von den Provokaten als Besitzer von einem zu Rhina gelegenen Haus, welches im oberen Stockwerk deren Synagoge und in dem unteren die Wohnung für den Schullehrer enthält, für die weggefallene Leistungen aus dem aufgehobenen Lehns- und gutsherrlichen Verband, als
1. ständige Abgabe 2 Rht. 30 Kr. jährlich Haus- und Dienstgeld
2. unständige Abgabe 5 Prozent Lehnsgelds von dem wahren Wert der Immobilien bei Besitzveränderungen zu entrichtenden Entschädigung auf 40 Rth. festgestellt mit der Auflage an die Prokuranten diesen Betrag nebst 5 Prozent Zinsen seit dem 1. Januar dieses Jahres bezahlen und den Prokuranten die Hälfte der Kosten zu ersetzen mit Vergleichung der übrigen.'
Die Gemeinde hatte die Zahlung verweigert und es auf einen Prozess ankommen lassen mit der Begründung, dass
'die Synagoge einschließlich eines Schulhauses im Jahre 1782 aus einen alten Schäferhause, welches der damaligen Lehnsherrschaft gehörte und in
Wehrda gestanden, für einen gewissen Kaufbetrag und gegen eine jährliche Abgabe von 2 Gld. 30 Kr. erbaut, welcher im Voraus wusste, dass dieser Bau, welcher zwar vor 19 Jahren etwas erweitert wurde, nie veräußert werde, mithin auch nie lehnbar werden kann, und was der Totenhof betrifft, so ist bei Erlangung des Konsensus zwischen der damaligen Lehnsherrschaft respektive dem damaligen Revenüenverwalter und dem Synagogenältesten Anschel Adler und Lehrer Fauerbach ausdrücklich vereinigt worden, dass, weil dieser Acker nie wieder lehnbar wird, die Gemeinde eine jährliche Grundzins von 20 Kr. zu
bezahlen.'
Die 'Aufnahme' in die Gemeinde Rhina war ähnlich geregelt wie in den anderen Gemeinden der Ritterschaft. Als sich 1851 P.B. wegen
'Nichtaufnahme' gegen den Synagogenältesten B.L. beschwerte, erwiderte L.:
'dass nach Mitteilung des Herrn Landrats vom 11. März 1851 laut Anlage von dem Synagogenältesten und Bürgermeister die Aufnahme gemeinschaftlich zu erteilen sei. Aus dem Grund, den Streit zu vermeiden unter den Gemeindegliedern, indem die Israeliten ihre Armen selbst unterstützt haben und der christlichen Gemeinde nicht zur Last gefallen sind, wodurch der Bürgermeister bei Aufnahme der Israeliten dem Synagogenältesten eingeräumt habe, und zwar aus dem Grunde, dass der Synagogenälteste den Israeliten ihre Geschäfte besser kennt, ob derselbe von seinem Geschäft eine Familie ernähren kann, und dass P.B. erklärte, er betreibe Vieh- und Fellhandel und mir bekannt ist, dass derselbe kein Vermögen besitzt und nach seiner eigenen Angabe von seinem Vater mein Vermögen angeben kann, sowie nicht von seiner Braut, weshalb ich demselben keine Aufnahme erteilen kann und bemerke, dass derselbe
nur einfach mit einer Kuh und einzelne Felle handelt, wovon er eine Frau nicht zu ernähren vermag und nicht eine eigene Wohnung besitzt, und dann die Gemeinde im Jahre 1829, dem 17. August, Statuten festgesetzt, wonach Jeder Einzug in die Israelitische Gemeinde zu zahlen hat, welche vom vorhinnigen Kreisamt am 3. Juli 1834 genehmigt worden, und die Gemeindemitglieder selbst einzeln darüber abgefragt, wo nach dem Vermögensverhältnis der Einzug in die Gemeinde bezahlt werden soll, und der Genannte sowohl von sich als von seiner Braut kein Vermögen angibt, und nach den Statuten denselben der diese Angabe macht, keine Angabe gebühret und bis jetzt nach den Statuten gehandelt worden ist, deshalb habe ich dem genannten P.B. die Aufnahme verweigert, indem solcher mit einem starken Vermögen von Vieh- und Fellhandel keine Familie ernähren kann, viel weniger mit einem geringeren Vermögen, und wird derselbe ohne Vermögen und ohne reelles Geschäft der Gemeinde zur Last
fallen.'
Das ''tolle Jahr' 1848, brachte auch in der Ritterschaft mehrfache Unruhen. In
Wehrda tat sich besonders
'Brenners Cost' als Unruhestifter hervor, Der Einwohner Schilderoth, der in der Schlossgasse zu Wehrda überfallen und übel zugerichtet worden war, konnte sein Leben nur dadurch retten, dass er sich zur Erde warf und sich tot stellte. – Die jüdischen Einwohner Rhinas sahen sich zur Errichtung einer Sicherheitswache vom abends 10 Uhr bis früh 2 Uhr veranlasst. Es mussten jede Nacht sechs Mann wachen. Die Gemeindemitglieder waren verpflichtet, die Wache selbst auszuführen oder
'einen annähmlichen Wächter' zu stellen, 'der wenigstens 20 Jahre alt
ist'. Zuwiderhandlungen sollte der Synagogenälteste mit 5 Sgl. bestrafen,
'wer sich ausschließt, soll in allen gemeinheitlichen Dingen ausgeschlossen
bleiben', und 'wer einen ausgeschlossenen Berches backt, den soll der Synagogenälteste mit 10 Sgl.
bestrafen.'
Zur Franzosenzeit 1812 gehörte der größte Teil der Ritterschaft zum Canton Holzheim (Departement und Distrikt Werra-Hersfeld). Der Syndikus des Cantons wohnte in Riena (Rhina). Nach
Horwitz, 'die Juden in Hessen' zählte der Canton Holzheim 113 jüdische Familien.
Eine kurze Statistik möge die Entwicklung der jüdischen Gemeinde Rhina zeigen. Es wohnten dahier im Jahre 1829 40 Familien mit 190 Seelen, im Jahre 1855 63 Familien mit 322 Seelen (171 männlich, 151 weiblich); davon waren 60 schulpflichtige und 53 vorschulpflichtige Kinder), im Jahre 1861 81 Zensiten, im Jahre 1919 59 Familien mit 253 Seelen, im Jahre 1927 52 Familien mit 211 Seelen.
1844 zählte die Religionsschule 63 Kinder. Seinen
'Ruhm', 'der einzige Ort Preußens mit überwiegend israelitischer Bevölkerung' zu sein, hat Rhina im Jahr 1923 verloren.
Bei dieser Gelegenheit dürfte ein Wort über die Entvölkerung der jüdischen Landsgemeinden zu reden sein. Als ich 1902 bis 1903 in der Schule zu Rhina vertreten musste, hatte die Schule 63 Kinder, als ich 1919 die Stelle übertragen bekam 44, und heute sind noch 25 schulpflichtige Kinder da. Für die kommenden sechs Jahre sind 22 bis 24 der Durchschnitt. Von den 42 Seelen, die es heute gegen 1919 weniger sind, entfallen allein 19 auf Kinder des schulpflichtigen Alters.
Der Geburtenrückgang hat auch auf dem Lande verheerend um sich gegriffen – und zwei Kinder pro Familie ist zur Regel geworden. Es ziehen auch meist jüngere Familien in die Städte, die einige Kinder mitnehmen (Seit 1919 von hier drei solche Familien). Die jungen Leute, soweit sie noch auf dem Lande – meist im Elternhaus – wohnen, ziehen bei ihrer Verheiratung in die Stadt. Daher bleiben in den Landgemeinden vielfach nur
'die Alten' zurück, mit deren Tod (oder weil sie im hohen Alter zu einem ihrer Kinder ziehen) die Familie erlischt. Auf diese Weise sank z.B. die Familienzahl in
Wehrda in einem Zeitraum von kaum 10 Jahren von 15 auf 7 Familien. Die gleiche Beobachtung mache ich auch hier, und nach menschlicher Voraussicht wird die Familienzahl Rhinas und auch vieler anderer mir bekannter Landgemeinden in den nächsten 10 bis 15 Jahren sich weiter stark verringern, wenn nicht eine unvorhergesehene
'Reaktion' eintritt.
Dass eine Sesshaftmachung der jüdischen Landbewohner durch Berufsumschichtung – Zuführung der Jugend zur Landwirtschaft und zum Handwerk, Einführung von Heimarbeit usw. – erreicht werden wird, halte ich auf Grund vieljähriger Erfahrung für aussichtslos. Außerdem handelt es sich nicht um einen Rückgang der Seelenzahl der Landgemeinden, sondern um eine Abnahme der jüdischen Bevölkerung überhaupt.
Wohnten ums Jahr 1800 in der Ritterschaft
'bei adligen Gütern 800 Juden', so ist heute die Zahl auf 508 gesunken. Die Ursachen des Rückgangs sind allgemein so bekannt, dass es sich erübrigt, an dieser Stelle noch weiter darüber zu sprechen.
Das im Jahre 1782 erworbene
'Schäferhaus', das der Israelitischen Gemeinde Rhina als Synagoge und
Lehrerwohnung diente, wurde durch Beschluss der Gemeinde 1829 vergrößert und umgebaut. Die Einweihung fand am 10.1.5594 statt. Infolge Zunahme der Gemeinde und der Schülerzahl wurde am 7.8.1855 ein Neubau beschlossen, obgleich in einer am 3.5.1855 stattgehabten Gemeindeversammlung sowohl der Neubau als auch die Anstellung eines zweiten Lehrers abgelehnt worden waren, indem
'5 Mann dagegen' stimmten und 'die übrigen alle Stillschweigen'. Der Neubau zögerte sich hin, und erst 1862 (statt 1826) war man soweit, dass man an Stelle der bisherigen Religionsschule eine
Volksschule errichtete, die am 1.11.1862 eröffnet wurde. Aus den ältesten Zeiten ist der Name des
Religionslehrers und Vorbeters Jakob Lißhart bekannt, der am 8.12.1824 im Alter von 70 Jahren in der Haune ertrunken ist, Ihm folgte Manuel (Emanuel) Fauerbach aus
Gelnhausen. Mit Eröffnung der Volksschule war
Lehrer Isaak Emmerich auf Jesberg (geb. zu
Gudensberg) nach hier berufen worden. Er wirkte mit Fauerbach bis zu dessen Tode – Dezember 1863 – gemeinsam als Lehrer und Vorbeter. Emmerich übernahm die Knabenklasse mit 40 Kindern, während Fauerbach 35 Mädchen zu unterrichten hatte. Emmerich ging am 1.9.1902 in Pension und nach siebenmonatlicher Vakanz folgte ihm Lehrer A. Sonn aus
Theilheim, dessen Nachfolger ich am 1.8.1919 wurde.
Damit schließe ich einstweilen meine Mitteilungen
'Aus der Ritterschaft'. Sollte im Leserkreise dieser Zeitung der Wunsch vorhanden sein, auch von anderen Gemeinden näheres zu erfahren, und es mir gelingen, weiteres Material – das mir in Aussicht gestellt ist – zu erlangen, dann Fortsetzung so Gott will, in nicht allzu ferner Zeit." |
"Berlin oder Rhina" von Bernhard
Traubenberg (1927)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 8. Juli 1927:
"Berlin oder Rhina? Von Bernhard Traubenberg.
Auf die Frage nach der größten jüdischen Gemeinde Deutschlands wird jeder zweifelsohne ohne langes Zögern und Besinnen Berlin zur Antwort geben.
Und doch kann eine andere Gemeinde mit starker Aussicht auf Erfolg um die Palme ringen. Die Gemeinde, die die Kühnheit besitzt, Berlin den Lorbeer streitig zu machen, und sich vermisst, an der Spitze der deutschen Judenheit zu marschieren, ist - - -
Rhina in Hessen-Nassau, Rabbinatsbezirk Fulda. Die meisten Leser werden zum ersten Mal in ihrem Leben den Ortsnamen Rhina vernehmen und begierig sein, die Beweise zu hören, auf Grund deren Rhina einen derartigen Anspruch rechtfertigen kann.
Nun, Rhina hat 269 Juden unter einer Einwohnerschaft, die sich insgesamt auf 540 beläuft. Der Prozentsatz der jüdischen Einwohner beträgt somit 49,8 und nur einer einzigen Seele bedarf es noch, um den Anteil der Juden auf 50 Prozent zu erhöhen. So gesehen,
die jüdische Bevölkerung an der allgemeinen gemessen, gebührt Rhina der Vorzug und nicht Berlin.
Berlin hat zwar rund eine Viertelmillion Juden, aber unter 4 ¼ Millionen machen sie erst den 17. Teil der Gesamtbevölkerung aus, während in Rhina schon jeder zweite Mensch ein Jude ist. Berlin hat 6 Prozent, Rhina jedoch 50 Prozent Juden. Rhina besitzt also – immer den prozentualen Maßstab angelegt – mehr als achtmal so viel Juden als Berlin.
Und dabei hat sich während der letzten 25 Jahre die Anzahl der Juden in Rhina ständig verringert. Damals zählte das Örtchen 332 Juden unter 563 Bewohnern, und die Juden bildeten statt der heutigen 50 Prozent sogar volle 60 Prozent, und damit die Mehrheit der Bevölkerung. Und diesen Zustand hat die Welt ertragen, sie ist dabei nicht untergegangen, und auch Rhina steht noch auf dem alten Fleck, ohne nach der Theorie des überängstlichen Verfassers der
'Weisen von Zion' unterminiert, mit Sprengstoff gefüllt und in die Luft geflogen zu sein.
Es wäre freilich recht interessant, etwas Genaueres über das Zusammenleben der Konfessionen in Rhina zu erfahren. Aber auch ohne eingehende Kenntnis dieser Verhältnisse wird man behaupten können, dass die bisherige jüdische Mehrheit und ihre Ortsvertretung sich gegenüber ihren andersgläubigen Mitbürgern keinerlei Übergriffe erlaubt hat. Wäre es anders, die antisemitischen Spatzen hätten es längst von allen Dächern gepfiffen. Man muss festhalten, dass Rhina der einzige Ort in Deutschland ist, an dem die Juden außer der politischen und juristischen auch noch die numerische Parität besitzen.
Bei dieser Gelegenheit sollen noch zwei andere jüdische Gemeinden namhaft gemacht werden, deren Anteil an der Gesamtbevölkerung den sonstigen Anteil erheblich überschreitet:
Gailingen, das unter 1800 Seelen 500 jüdische zählt, und
Haigerloch, wo sich 225 Juden unter 1400 Einwohnern befinden. Wie in Rhina ist auch in diesen Gemeinden der Stand der jüdischen Bevölkerung im letzten Vierteljahrhundert stark gesunken. Damals hatte
Gailingen noch 604 Juden unter 1740 Seelen und sie bildeten 38 Prozent, und
Haigerloch zählte 295 Juden unter 1250 Einwohnern, was einem prozentualen Anteil von 24 entspricht, während sie jetzt nur noch 16 Prozent ausmachen.
Das rapide Schwinden der Juden in Dörfern und Kleinstädten ist eine der bedenklichsten Erscheinungen im jüdischen Leben der Gegenwart und beschwört Gefahren heraus, deren Bekämpfung die besten Köpfe unter uns lebhaft beschäftigt. (Jüdisch liberale Zeitung)."
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"Mein Heimatbuch" von Lehrer Siegfried
Oppenheim (1931)
Anmerkung: das Original des Heimatbuches konnte von Siegfried
Oppenheim bei seiner Auswanderung nach Palästina mitgenommen und dadurch
gerettet werden. Später war es (nach Frank s. Lit. Abschnitt 8) im Besitz des
"in Haifa lebenden, inzwischen verstorbenen Walter Oppenheim".
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. März 1931: "Mein
Heimatbuch. Von Siegfried Oppenheim, Lehrer, Rhina
(Kreis Hünfeld).
'Die Heimat ist der Schlüssel zur Seele des Menschen'.
Soll unser Unterricht bodenständig sein, so muss er sich auf heimatlicher
Grundlage aufbauen. Darum bildet nach den 'Richtlinien' die
Heimatkunde auch einen wesentlichen Bestandteil des Unterrichts in der
Volksschule. Dabei ist allerdings Voraussetzung, dass der Lehrer die
Heimat selbst kennt. Den Stoff hierzu findet man wohl kaum in einem 'Lehrbuch' gesammelt. Die vorhandenen Heimatbücher sind immer für
einen größeren Bezirk (Kreis usw.) zugeschnitten. Sie bieten dem Lehrer
für seinen Ort nur wenig. Eine Heimatkunde in wirklichem Sinne
muss sich der Lehrer erst schaffen. Mit Hammer und Spaten, mit Lupe und
– klarem Blick muss er die ihn umgebende Heimat und Natur durchforschen.
Aus diesen Gedanken heraus ist mein Heimatbuch entstanden. Über
Heimatsagen, die heimatliche Flora und Fauna, über Boden- und
Gesteinsarten belehren Sagen- und Heimatbücher und unterrichtliche Ausgänge.
Letztere, von vielen Eltern als 'Spaziergänge' betrachtet, halte ich
für besonders wertvoll. Dort lernen unsere Kinder im Lesebuch des Lebens
blättern und lesen; sie sind – richtig ausgeführt –
Entdeckungsfahrten. Wie eine Mutter liebt, das sahen wir vor dem
Schulhaus, wo unter dem Dach Schwalbenmütter für ihre Jungen sorgten und
auf dem Hühnerhof, wo eine Henne ihre Küchlein verteidigte und unter
ihre schützenden Flügel barg. Eiche und Buche im Walde wurden zur Gaststätte,
wo Tiere und Vögel Nahrung und Wohnung fanden, der Apfelbaum an der
Landstraße zum freundlichen Wirt. Und dehnten wir unseren Unterrichtsgang
bis in die Gemarkung des nächsten Ortes aus, dann standen wir am 'Steinmal',
der uns Gerichts- und Opferstätten der Chatten (sc. germanischer
Volksstamm) wurde. An 'der alten Mauer' erstand vor unserem Auge
wieder das von einem tiefen Wassergraben umgebene Schloss derer von Trümbach,
denen einst unser Heimatort tribut- und zinspflichtig war. Eine für
einfache Schulverhältnisse ausreichende Steinsammlung haben wir bei den
Ausgängen zusammengetragen: Basalt und Schiefer, Kalk, Kies und Feldspat,
Sandsteine verschiedener Färbung und Körnung, Ton und Lehm lernten die
Kinder auf diese Weise kennen und unterscheiden. Und wertvolle Funde
brachten wir mit heim, wenn wir altes Gerümpel auf einem Hausboden
durchsuchen durften: eine alte Krämerwaage, ein Spinnrad mit allem Zubehör,
einen ledernen Hauseimer, eine Lichtputzschere, alte Laternen usw. Das
alles sind Fenster, durch die unser Blick in die Vergangenheit schaut. –
Schwerer wurde die Arbeit, als es um die Erforschung der Geschichte des
Heimatortes, die ich gern in Form von Geschichten kleide, sich handelte.
Woher ich da den Stoff erhielt? Überall habe ich gesucht – und auch überall
etwas gefunden. Zunächst las ich die alten Akten der Orts- und auch der
Synagogengemeinde. Überall stieß ich auf wertvolle Aufzeichnungen, die
mich zum Teil fast 1 ½ Jahrhunderte zurückführten. Aus alten
Rechnungen, Steuerkataster, Prozessakten usw. konnte ich die Geschichte
unserer Schule, der Synagoge und Lehrerwohnung bis 1782 verfolgen.
Flurkarten, Flurbuch und Flurnamen zeigten, welche Beschäftigung die
Bewohner des Heimatortes ehemals hatten, wo Wüstungen sich befinden. Auch
über die Bodenarten (ob Sumpf, Wald, Weide usw.) geben sie Auskunft. Im 'Illergarten' (iller-irden) wurden irdene Töpfe, Schüsseln, Krüge
gebrannt, die Rerwiesen (Rer = althochdeutsch risc = Binsen) sind mit
Binsen bestandene Sumpfwiesen und im Sinzig (althochdeutsch sinidi =
Viehweide) führte der Hirte sein Vieh zur Weide. An die Zeiten, wo in
jedem Bauernhause noch ein Webstuhl stand, erinnert der Hehrberg, (Hehr
oder her von haru = Lein) wo Lein (Flachs) gezogen wurde.
Mit Erlaubnis des Pfarrers konnte ich die Kirchenakten durchstöbern.
Da fand ich, dass bereits 1762 dem Jud Affrom der Kirchenstand Nr. 61 und
dem Jud Hertz Levi Stand Nr. 74 gehörte. Über die von den Juden zu
leistende Abgaben fanden sich viele Notizen.
Unsere Lokalpresse (Hersfelder und Fuldaer Zeitungen) bringt wöchentliche
beziehungsweise monatliche 'Heimat'—blätter. Im Orte werden natürlich
die verschiedensten Zeitungen gehalten. Die Kinder sammeln die
heimatlichen Beiladen für die Schule. Viel Wertvolles für unser
Heimatbuch fand sich darin. Ebenso gehören die in der engeren Heimat
(Regierungsbezirk) erscheinenden Heimatkalender bei mir zu den
Lehrmitteln. Geschichte und Sage, Schilderungen von kulturellem und kulturellem
Leben, von Sitten, Gebräuchen, Sprichwörtern und Redensarten,
Bauernregeln usw., aus Vergangenheit und Gegenwart finden sich darin und
lassen sich für das Heimatbuch auswerten.
Aus mündlichen Berichten der älteren Einwohner, aus alten Akten
und privaten Aufzeichnungen bekamen wir den Stoff für folgende Aufsätze:
Wie 1. Rhina Post, 2. Eisenbahn, 3. Wasserleitung, 4. elektrisches Licht
erhielt, 5. wie Rhinas Gemarkung zusammengelegt (verkoppelt) wurde. Mit
den Kindern der Oberklasse bin ich von Haus zu Haus im ort gewandert, und
wir haben alle Hausinschriften, die sich in großer Zahl fanden,
aufgeschrieben. Eine hebräische Inschrift lautet: 'Gebaut im Jahr
5575 (=1814/15")'.
Überhaupt haben sich meine Schüler als fleißige Mitarbeiter bewährt.
In Bauern- (und auch Juden-)Häusern sammelten sie die hier bekannten
Bauernregeln. Von manchen interessanten Volksbräuchen und Aberglauben
wussten sie zu berichten, wenn sie zurückkamen: Beim Gewitter legen die
Bauern Salz auf die Ecken des Tisches, die Juden legen ein Chumesch
(sc. 5 Bücher Moses, Tora)) auf den Tisch und schlagen Bereschis
auf (= 1. Buch Mose) – dann schlägt's nicht ein! Bei uns backen die
Leute fast ausnahmslos ihr Brot selbst. Damit nun der Teig gut säuert,
machen die Christen drei Kreuze auf den Teig, die Juden schreiben 'Massel
ubrocho' (sc. Glück und Segen) darauf. Kleinen Kindern macht man
Wachs ins Haar, dass sie nicht 'berufen' werden. Bei den Juden nahm
man Hawdolohwachs (sc.: von der Hawdalahkerze der Schabbatausgangszeremonie).
Und die Kinder fanden überall freundliches Entgegenkommen und
bereitwillige Hilfe. Aber die Kinder haben auch den größten Nutzen von
ihrer Tätigkeit, da sie 'Heimat' erleben und innerlich erfassen.
Und nun noch ein Wort darüber, welche besonderen jüdischen Stoffe in
meinem Heimatbuch stehen. Abgesehen davon, dass es die Geschichte der jüdischen
Gemeinde und der jüdischen Schule enthält, berichtet es ausführlich über
die Beteiligung der Juden Rhinas am Weltkrieg. Es nennt alle
Kriegsteilnehmer, zählt die Verwundeten, Gefallenen, in Kriegsgefangenschaft
geratenen auf und berichtet über Auszeichnungen unserer Krieges (ein
eisernes Kreuz 1. Klasse). Es berichtet über Spenden und Sammlungen in
der jüdischen Gemeinde für die Frontsoldaten, fürs Rote Kreuz, für
Ludendorff- und Hindenburgspende usw. Es nennt die hier bekannten jüdischen
Sprichwörter: Wa'j'chi (gemeint: in den Tagen um den Schabbat
mit der Toralesung Wajechi: Ende Dezember oder Januar) schlacht mer die
alten Küh; Es kratzt sich keiner umchinem, entweder hat er Dajes oder
Kinem. Besondere Aufsätze behandeln folgende Themen: Wenn ein Kind
geboren wurde -
Brismiloh (Beschneidung) -
Chaulgraisch - Verlobung und
G'lilemahl – Hochzeit -
Tod und Begräbnis - T'kufe
(sc. siehe dazu die unten wiedergegebenen Beiträge der Schüler).
Den Stoff hierzu sammelten sich die Kinder bei den ganz Alten.
Der Sammeleifer der Kinder übertrug sich allmählich auch auf die
Alten. So brachte mir voriges Jahr Herr N.N. ein Heftchen 'Der Wink'.
Darin war das Bild des Frankfurter Malers Jakob Nussbaum, der am 8.
Januar |
1873
daher geboren wurde und die hiesige Volksschule von Ostern 1879 bis dahin
1882 besuchte. Sein Bild mit einer Biographie ist in unserem Heimatbuch 'verewigt'.
Und als die im Heimatbuch des Öfteren genannte Frau Jettchen Bacharach
ihren 95. Geburtstag feierte, entnahmen wir einer Lokalzeitung ihr Bild fürs
Heimatbuch und eine Urenkelin schrieb einen Text dazu: Meine Urgroßmutter.
Bis auf wenige Aufzeichnungen, die ich naturgemäß selbst ausarbeiten
musste, (z.B. die Erklärung der Flurnamen), sind sämtliche
Niederschriften Kinderaufsätze. Was unter meiner Anleitung von den
Kindern zusammengetragen und in gemeinsamer Arbeit von ihnen gesichtet und
geformt war, haben sie – immer ein anderes Kind – ins Heft
eingetragen, mit Datum und ihrer Unterschrift versehen.
Auch die nichtjüdische Bevölkerung stellte sich gern in unseren Dienst
(siehe oben). Und als ich seinerzeit das Thema stellte: Unsere Gemarkung
wird zusammengelegt (verkoppelt), waren mit der Sache vertraute Bauern der
Kinder Berater und Helfer. Und der Nebenkostenrechner brachte erst vor
einigen Tagen die Abrechnung für 1929, ohne dass er darum gebeten worden
war.
Nun wäre noch ein Wort über die äußere Ausstattung des Buches
zu sagen. Ein von Kinderhand gezeichnetes Titelblatt ist die erste Seite.
Die weiteren Seiten sind mit Randleisten, Illustrationen, Zierschriften
von Kindern geschmückt. Es enthält bereits über 100 Seiten Text und
wird noch weiter fortgeführt.
Wenn auch unser Heimatbuch zunächst im Dienste der Schule steht, so habe
ich doch die feste Überzeugung, dass wir auch der Allgemeinheit einen
wichtigen Dienst leisten: Alte Sitten und Bräuche, Sprichwörter,
Redensarten usw., die in unserer 'aufgeklärten' schnelllebigen Zeit
– im Zeitalter der Elektrizität – nicht mehr
beachtet werden, entreißen wir der Vergessenheit. Dafür wird uns
vielleicht einmal ein späteres Zeitalter dankbar sein.
Von der jüdischen Gemeinde Rhina.
Die ältesten Aufzeichnungen der jüdischen Gemeinde beginnen mit
dem Jahre 1824. Durch das Judengesetz von 1823 wurden die Juden mit allen
anderen Bürgern gleichgestellt. Das geschah schon zur Franzosenzeit 1804
bis 1812. Zu dieser Zeit gehörte Rhina zum Kanton Holzheim im Departement
und Distrikt Werra-Hersfeld. Der Syndikus des Kantons Holzheim, (d.i. der
Aufseher und Verwalter über die jüdischen Gemeinden) wohnte in Rhina. Zu
diesem Kanton gehörten im Jahre 1912 insgesamt 113 Familien. 1824 wurde
ein Sterbe-, Geburts- und Heirats-Register angelegt. Vom Jahre 1829 ist
noch eine Grundliste vorhanden, nach der es hier 40 Familien mit 190 jüdischen
Personen gab. Die Gemeinde hatte einen Religionslehrer und Vorbeter. Aus
der ältesten Zeit ist uns der Name des Lehrers Moses Jakob Bishart
gekannt, der am 8. Dezember 1824 im Alter von 70 Jahren in der Haune
ertrunken ist. Nachdem seine Leiche gefunden war, wurde sie am 15.
Dezember begraben. Die Leichen der Juden wurden damals nach Burghaun
gebracht (und zwar aus Rhina, Wehrda,
Burghaun, Langenschwarz,
Mansbach, Steinbach,
Eiterfeld, Rothenkirchen,
Buchenau, Erdmannrode,
Mackenzell und Hechelmannskirchen). Bisharts Nachfolger war Emanuel
Feuerbach, der am 22.
Dezember im Alter von 67 Jahren 1863 hier starb. (Näheres folgt im
Aufsatz 'Unsere Schule'). Der israelitische Friedhof wurde im Jahre
1837 angekauft, aber erst später in Gebrauch genommen. Die erste
Beerdigung fand am 14. Kislew 5598 (1838) statt. Die Volksschule,
Lehrerwohnung und Synagoge sind 1860 erbaut. Soweit als möglich soll hier
eine kurze Statistik über die Entwicklung der jüdischen Gemeinde folgen.
Es wohnten hier in: 1829 40 jüdische Familien mit 190 Seelen. 1855: 68 jüdische Familien mit
322 Seelen (171 männliche und 151 weibliche, davon 60 Schulkinder, 53
vorschulpflichtige Kinder). 1861: 81 Zensiten.
1900: 298 Seelen (aber nur 276 Christen).
Am 1.8.1919: 59 Familien mit 253 Seelen mit 44 Schulkindern.
1927: 52 Familien mit 211 Seelen mit 25 Schulkindern (+
3 nach Hersfeld = 28). 1928: 52 Kinder mit 183 Seelen mit 23 Schulkindern.
(+ 3 nach Hersfeld = 26).
1844 wurden 66 Schulkinder namentlich aufgeführt (im Hauptbuch der
Einnahmen von 1832). Bis etwa 1923 ist Rhina der einzige Ort in Preußen
mit überwiegend jüdischer Bevölkerung gewesen.
Berta Klebe (8. Schuljahr 1928).
Unsere Schule. Die meisten israelitischen Gemeinden Hessens machten
von dem Recht, eigene Volksschulen zu gründen, frühzeitigen Gebrauch (Nentershausen bereits 1822). Es ist daher ganz merkwürdig, dass hier,
obwohl eine große Zahl jüdischer Kinder vorhanden war und obgleich die
Gemeinde groß war, erst am 1. November 1862 unsere jüdische Volksschule
eröffnet wurde. Wahrscheinlich lag es daran, dass kein geeigneter
Schulsaal vorhanden war; denn das vor 1860 vorhandene Gebäude mag wohl
eine Art Brühlscher Schulpalast gewesen sein. Aus den bei den
Gemeindeakten befindlichen Prozessakten ergibt sich, dass 'von den Juden
in Rhina die Synagoge einschließlich eines Schulhauses im Jahre 1782 aus
einem alten Schäferhause, welches der damaligen Lehensherrschaft gehörte
und in Wehrda gestanden' gekauft war, 'welches im oberen Stockwerk
deren Synagoge und in dem unteren die Wohnung für den Schullehrer enthält.'
1831 bis 1832 war die Synagoge umgebaut und am 10. Januar 5594 eingeweiht
worden. Im Jahre 1860 wurden Synagoge, Lehrerwohnung und Schulsaal, wie
sie noch vorhanden sind, gebaut. Bis Dezember 1863 erteilte Lehrer
Fauerbach in der Mädchenklasse (35 Mädchen) und der am 1. November 1862
neu angestellte Lehrer Emmerich (1835 in Gudensberg geboren, erste
Anstellung in Jesberg) in der Knabenklasse (40 Knaben) den Unterricht.
Nach Fauerbachs Tod wurde eine einklassige Schule gebildet, wie sie heute
noch besteht. Nach der Pensionierung des Lehrers Emmerich am 1. Oktober
1902 wurde vom 1. März 1903 ab der Lehrer A. Sonn aus Theilheim (Bayern)
angestellt. Er wurde am 1. Juli 1919 nach Fulda versetzt und der Lehrer S.
Oppenheim (geb. zu Nentershausen), bisher in Höringhausen und
Wehrda tätig,
wurde zum 1. August 1919 nach hier berufen. Damals waren 44 Schulkinder
vorhanden. Zurzeit wird unsere Schule von 23 Kindern (12 Mädchen, 11
Knaben) besucht. Berthold
Katz (7. Schuljahr).
T'kufo. Viermal im Jahr fällt die T'kufo. T'kufo heißt
Sonnenwende. In Rhina schließt sich folgender Brauch daran an. Die
T'kufo wird durch den Chassen am Schabbos vorher bekannt gegeben. Er
sagt z.B. 'Samstag um 1.10 fällt die T'kufo'. Die Leute legen das
Fleisch, das sie haben, in ein Fass, an dem ein eiserner Reif befestigt
ist. Hat man kein Fleischfass, so lässt man das Fleisch in einer Schüssel,
in einem irdenen Topf oder in einem anderen Gefäß liegen und legt einen
eisernen Schlüssel oder ein anderes Stück Eisen darauf. Es besteht hier
die Meinung, dass zur Zeit der T'kufo ein Blutstropfen vom Himmel fällt,
der aufs Fleisch fallen könnte, wenn kein Eisen am Aufbewahrungsgerät
ist oder Eisen nicht auf dem Fleisch liegt. Wer dann davon genießt, muss
sterben. W. Oppenheim, UIIIb (= Unterterzia b) des Gymnasiums zu Hersfeld.
Wenn ein Kind geboren wurde. Die alte Frau Jettchen Bacharach, die
Ende Dezember 94 Jahre alt wird, hat mir folgendes erzählt: Ist früher
ein Kind geboren worden, so wurden alsbald Scheimaus (= Namen) geschrieben
und an die vier Wände gehängt. Wollte man sie nicht an die Wand hängen,
weil dadurch leicht Aweraus geschehen könnte, durch Herabwerfen usw., so
legte man sie in den Tischkasten. Dann wurde die Wöchnerin 'bekrast'.
Eine Frau nahm ein Messer oder eine Sichel und schwang sie dreimal im
Kreis um die Wöchnerin. Das Messer oder die Sichel legte man dann der Wöchnerin
ins Bett (ans Kopfende). Da konnte sie nicht bekischuft (behext) werden.
Ehe die Wöchnerin eingeschlafen ist, hat sie auch erst mit dem Kinde
durch einen Sprach 'bekrast' und folgendes gesagt: 'Ich will mich
und mein Kind bekrasen, dass der liebe Gott soll wasen so viel Ziegel auf
dem Dach, viel Engel sollen bei mir und meinem Kinde wach.' Diese Bräuche
sind allmählich in Vergessenheit gekommen. Eine andere Frau, Marianne
Klebe, erzählte mir, dass vor ihrer Niederkunft die Frauen wochenlang
vorher ein Messer in der Tasche trugen.
Frieda Klebe.
Sochor. Am ersten
Freitagabend nach der Geburt eines Knaben ist Sochor. Früher wurde die
ganze Gemeinde eingeladen. Der Herr Lehrer machte am Schluss des
Freitagabendgottesdienstes bekannt: 'Herr N.N. lässt Kollekahl (= die
ganze Gemeinde) zum Sochor einladen. Jetzt werden nur noch Verwandte,
Freunde und die Chewera (sc. Wohltätigkeitsverein) eingeladen, zu der des
Kindes Vater gehört. Freitagabend bekommt das neu geborene Kind in der
Synagoge einen 'Malchuscho' gesungen. Beim Sochor wird mit Minjan
gelajent und zwar wird die Brocho, der 1. Abschnitt von Schma und
Chamaloch hagoel gesagt. Die Gäste werden mit frischem und eingemachtem
Obst, mit Bier, Schnaps usw. bewirtet. Ein hässlicher Brauch ist es, dass
viele Leute die Nüsse, Äpfel und dergleichen in die Taschen stecken und
mit heimnehmen.
Brismiloh. Wird ein Knabe geboren, so ist am 8. Tage die
Brismiloh (Beschneidung). Am Abend vorher geht der Lehrer und der Mohel
(Beschneider) in das Haus des Neugeborenen. Hier wird gelernt. Dieses
nennt man hier 'Wachnacht'. Am Morgen des Brismilohtages gehen die
dazu eingeladenen Frauen zum Kindbaden. Das Kind bekommt ein Halsband an
mit einer dreieckigen Kemeo. An der Kemeo sind Goldstücke befestigt, und
darin ist Erde, die man in der Synagoge zusammenkehrt (am besten von der
Treppe zum Oraun Hakaudesch), 'Schuldreck'. Die Gevatterin trägt das
Kind zur Synagoge, wo die meisten Brismilohs stattfinden. Hier wird die
Brismilohkerze angesteckt, die drei Tage, die Schloschomiloh, brennen
bleibt. Es werden auch kleine Kerzchen angesteckt, die von Kindern
gehalten werden. Man nennt diese Kerzchen Schwotimchen. Die Verwandten und
andere Balabatim stehen daneben, weil sie auch eine Mizwoh tun wollen. Sie
halten Messer, Mezizoröhrchen, Wein usw. Beim 'Briss' setzt sich der
Gevatter auf die Brismilohbank und hält das Kind. Daneben steht noch ein
Stuhl der für den Propheten Eliha Hanowi bereitsteht. Wenn das Kind
gemallt ist, so trägt es die Gevatterin nach hause. Alle, die beim Bris
anwesend waren, begleiten sie und werden mit Brismilohbrot bewirtet (Brot
mit Branntwein und Zucker). Am Mittag wird eine Sude gehalten, wozu auch
der Mohel eingeladen wird. Drei Tage
nach der Brismiloh ist 'Schlischumiloh'. An diesem Tage steht die Wöchnerin
zum erstenmal auf. Die Frauen werden noch einmal geladen. Es gibt Kaffee
und Kuchen. Es findet auch noch einmal ein Kindbaden statt.
Holekrasch (Chaul Kraisch). Ist ein Kind geboren worden, so wird in
Rhina nach 3-4 Wochen an einem Schabbos Holekrasch gehalten. Die Mutter
des Neugeborenen geht zum ersten Mal in die Synagoge. Sie bekommt einen
Semechim bezesom gesungen, und ihr Mann wird zur Tora aufgerufen. Ist die
Synagoge aus, so gehen die Kinder in das Haus des Neugeborenen. Das Kind
liegt in einem geschmückten Korbe oder in einem Bettchen. Ist es ein
Junge, so bekannt er einen Tallis umgelegt. Die Kungen stellen sich um den
Korb. Ist ein Junge dabei, der den gleichen Namen hat, den das Kind
bekommen soll, so stellt dieser sich ans Kopfende. Der Lehrer sagt
folgende Verse aus dem Chumesch = (Fünf Bücher Moses) vor: I (1,1 und
2,1) II 1,1, III 1,1, IV 1,1 V (1,2 und 33,1 und 34,12) und zuletzt
Hamaloch hagoel. Die Kinder sagen Wort für Wort nach. Dann wird das
kleine Kind dreimal hoch gehoben und mit seinem deutschen Namen genannt. (Chaul-kraiisch).
Wir Knaben sagen: 'Chaul kraisch, wie soll das Kindchen heißen? 'Max!' – Die Mädchen sagen Folgendes:
'Wie wir hier beisammen
stehn und das liebe Kindlein sehn, wollen loben, danken jetzt, Gott, ders
in die Welt gesetzt. Wollen auch nach alter Weise dreimal sagen wie es heiße.
Chaul kraisch, wo soll das Kindchen heißen?' 'Silwa'. Dann gibt es
Limonade, Bier und gekochtes Obst. Hat jedes Kind davon bekommen, dann
gibt's noch eine Tüte, worin Nüsse, Äpfer, Bonbons, Schokolade und Plätzchen
sind.
G'lile-Mahl. Der Bräutigam wird als Chosen aufgerufen.
Freitagabend singt ihm der Vorbeter einen Malchußcho. Ihm zu Ehren singt
man auch an einem gewöhnlichen Schabbos das Aus- und Einheben. Mit hohem 'Jaamaub' wird der Chosen aufgerufen, und nach dem Mischeberach
bekommt er einen 'Echad Jochid' gesungen. Da die Mizwaus hier verkauft
werden, haben Freunde und Verwandte des Chosen am Freitagabend schon
G'lile für ihn gekauft. Dafür lädt er sie am Schabbat Mittag zu
G'lile-Mahl ein. In der Wirtschaft spendet er Bier, Schnaps oder andere
Getränke. Früher fand bei jeder Verlobung G'lile-Mahl statt, (wenn der
Chosen von hier war) und die ganze Gemeinde wurde eingeladen. In letzterer
Zeit ist G'lile-Mahl oft ganz unterblieben.
Josef Klebe.
Meine Urgroßmutter. Sie ist am 28. Dezember 1834 ist Waltersbrück
bei Zimmersrode geboren. Als sie zwei Jahre alt war, starb ihr Vater
Seligmann Alexander, und mit zwölf Jahren verlor sie ihre Mutter Frommet
geb. Stern. Im Trauerjahr kam sie zu Simon Rotschild in Waltersbrück und
musste dort arbeiten. Diese Familie hatte sieben kleine Kinder. Dann kam
sie nach Jesberg, wo sie neun Jahre blieb. So musste sie ihre liebe Heimat
auf immer verlassen. Von Jesberg kam sie als Magd nach hier zu Herrn Meier
Hahn, wo sie alle Arbeit verrichten musste. Oft erzählt sie davon, wie
Hahn das große Haus Nr. 20 gebaut haben. In einer Butte musste sie Sand
an der Haune holen. Sie musste mitarbeiten wie ein Handlanger. Hier in
Rhina lernte sie ihren Mann Salomon Bacharach kennen. Am 27. August 1862
heirateten sie. Sie waren 35 Jahre verheiratet. Ihr Mann starb am 16.
Oktober 1897 im Alter von 69 Jahren. Sie hatten sieben Kinder, wovon ein Mädchen
und ein Knabe gestorben sind. Jetzt hat sie noch eine Tochter und vier Söhne
im Alter von 55-67 Jahren. Sie hat 26 Enkel und 22 Urenkel. Sie hat bis zu
ihrem 95. Jahre weder Arzt noch Apotheke gebraucht. Edith Oppenheim, 6.
Schuljahr." |
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet
Anzeige in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. September 1902: "Lehrerstelle.
Die Stelle eines Elementarlehrers und Vorbeters in der israelitischen
Gemeinde Rhina, Station Neukirchen, der Frankfurt-Bebraer Eisenbahn, ist
zum 1. Oktober wieder zu besetzen. Grundgehalt 1.000 Mark, Einheitssatz
der Alterszulage 120 Mark, Dienstwohnung vorhanden. Die Gemeinde hat eine
Gehaltserhöhung um 200 Mark in Aussicht gestellt.
Meldungen mit beglaubigten Zeugnis-Abschriften sind sofort an die
unterzeichnete Behörde zu richten.
Fulda, 1. September. Vorsteheramt der Israeliten. (gez.) Dr. Kohn". |
Über Lehrer Meier Rothschild (Lehrer in Rhina bis
1831, danach in Treysa, gest. 1896)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. August 1896: "Treysa,
Bezirk Kassel. Am 10. August dieses Jahres starb dahier nach nur zweitägigem
Krankenlager der pensionierte Lehrer Meier Rothschild im Alter von 91
Jahren und 23 Tagen. – Geboren am 18. Juli 1805 zu Steinbach Kreis
Hünfeld,
als Sohn einfacher, aber sehr religiöser Eltern, widmete er sich von frühester
Jugend an dem Studium von unserer
heiligen Tora. Nachdem er sich längere Zeit in Fulda bei dem Rabbiner
und einem Privatgelehrten vorbereitet hatte, besuchte er die unter Leitung
des R. Hirsch Levi Kunreuther in Gelnhausen stehende Jeschiwa
und zwar mit einem solchen Erfolge, dass ihm sein Lehrer den Chower-Titel verlief. Nachdem er alsdann einige Jahre in Rhina Kreis
Hünfeld, als Privatlehrer gewirkt, trat er am 1. September 1831 bei der
hiesigen Gemeinde die Stelle eines Religionslehrers an; der Verstorbene
hat somit nahezu 65 Jahre in der hiesigen Stadt gelebt. – Im Jahre 1835
bestand Rothschild die Prüfung als Elementarlehrer und wurde daraufhin am
21. Dezember desselben Jahres an der inzwischen dahier errichteten öffentlichen
Schule als Elementarlehrer angestellt; diese Stelle hat er bis zu seiner
am 1. April 1886 erfolgten Pensionierung bekleidet. Doch nicht lange
sollte er sich der wohlverdienten Ruhe in körperlicher Rüstigkeit
erfreuen, da ihn ein Schlaganfall bald an den Rand des Grabes brachte;
zwar erholte er sich wieder, doch blieb er auf einer Seite vollständig
gelähmt. – Obgleich körperlich gebrochen, war er geistig so frisch,
dass er sich bis in die späte Nacht hinein mit dem Lernen unserer
heiligen Tora befassen konnte; desgleichen hatte er sich ein lebhaftes
Interesse für die Vorgänge in der Welt bewahrt und erfreute sich eines
sehr guten Gedächtnisses. – Rothschild war ein äußerst bescheidener
Mann, ein Lehrer voll Sanftmut und Geduld, ein gewissenhafter Beamter (und
zwar Lehrer, Vorsänger, Schochet und Beschneider), ein vorzüglicher
Jehudi, ein Mensch, dem Jeder gut war und dem Niemand gram sein konnte.
Welcher Liebe und Verehrung sich der Verstorbene zu erfreuen hatte, zeigte
sich bei der Feier seines 50jährigen Jubiläums (1885), seiner goldenen
Hochzeit (1888), seine 90-jährigen Geburtstages (1896) und bei seiner
Beerdigung. Bei derselben hielt Herr Provinzialrabbiner Dr. Munk aus Marburg, der langjährige Vorgesetzte des Verstorbenen, eine wohl
durchdachte, tief ergreifende Rede, während ihm sein Amtsnachfolger, Herr
Lehrer Oppenheim, Namens der anwesenden Lehrer recht herzliche Abschiedsgrüße
über das Grab hinaus nachrief. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens." |
25-jähriges Dienstjubiläum von Lehrer Isaak Emmerich
(1887)
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. November 1887: "Aus Hessen.
Gestatten Sie mir, in Ihrem geschätzten Blatte von einem Feste zu
berichten, das ein beredtes Zeugnis bildet, wie man auch auf dem Lande die
erzieherische Tätigkeit eines gewissenhaften Lehrers zu schätzen und
anzuerkennen weiß. Sind doch solche Berichte geeignet, dem mühevollen
Lehrberufe ein etwas freudigeres Gepräge zu verleihen und den Kollegen im
Amte Muht und Berufsfreudigkeit zu spenden.
Am vergangenen Sonntag, den 6. November (1887) feierte die Gemeinde
Rhina bei Neukirchen das 25jährige Dienstjubiläum ihres Lehrers Emmerich
in erhebender Weise. Schon 14 Tage vor dem feste entwickelte die Gemeinde
und zwar jung
und alt eine Rührigkeit und
einen Eifer, der lobend anzuerkennen ist. Nur der Gedanke, die herbstliche
Witterung könnte den Verlauf des Festes stören, dämpfte die Vorfreude.
Doch der Himmel zeigte sich besonders gütig, die Sonne vergoldete den
Ehrenakt der Gemeinde und locke zahlreiche die Festgäste herbei. Den
Beginn des Festes eröffnete die Rhinaer Schuljugend, eine Schar von 80
Kindern, die unter Führung des ehemaligen Schülers des Jubilars, des
Lehramts-Kandidaten K. Bacharach zur Schule zogen und ihrem Lehrer ihre
Gratulationen brachten, ein erhebender Anblick für die Anwesenden. Daran
schloss sich die Überreichung der Geschenke seitens der ehemaligen Schüler,
der jetzigen Schüler, der verschiedenen Vereine in Rhina, der Freunde und
Kollegen, eine herrliche und reiche Kollektion. Nach 10 Uhr traf Herr
Provinzial-Rabbiner Dr. M. Cahn aus Fulda ein und nun erst begann das
eigentliche Fest mit dem Festgottesdienste in der Synagoge. Diese war von
den Einheimischen und Festgästen dicht besetzt. Nach dem Eintritt des
Jubilars sangen die Kollegen desselben aus dem Fuldaer Rabbinat, die fast
alle anwesend waren, das Baruch Haba.
Nachdem nun vom Chor und Herrn Bacharach das Hallel
in feierlicher Weise vorgetragen wurde, und nachdem auch der Sologesang
des Psalms 112 seitens eines Lehrers die Anwesenden entzückte, trug Herr
Dr. Cahn einen eigens für das Fest verfassten Mischeberach
für den Jubilar das Gebet für den Kaiser vor. Herr Bacharach sang einen
Mischeberach für die Gemeinde und der Chor … - Alsdann bestieg Herr
Rabbiner Dr. Cahn die Kanzel, um in herrlicher Rede die Ver- |
dienste
des Jubilars um die Gemeinde Rhina und deren Jugend zu feiern und Glück
und Segen, Friede und Freude für den Jubilar von Gott zu erbitten. Es würde
zu weit führen, wollte man den Inhalt der 3/4stündigen weihevollen Rede
wiedergeben. – Ein Kollege des Jubilars brachte dann die Glückwünsche
der Kollegen in gut gewählter Ansprache zum Ausdrucke und verglich das 'aber
die Verständigen werden glänzen...' (Daniel 12,3) zum Sternenheere,
da hier wie dort düstere Umwölbung mit heerem Glanze wechselt! - Nun
wurde vom Chor in musterhafter Weise Mismor leTora vorgetragen,
alsdann das Minchah-Gebet verrichtet, und zum Schluss Halleluja,
der Psalm 150 gesungen.
Es folgte alsdann die Aufstellung zum Festzuge, an welchem die
Schuljugend, die verschiedenen Vereine, Rabbiner Dr. Cahn, die Lehrer des
Fuldaer Rabbinats und die Festgäste sich beteiligten. Unter den Klängen
der Musik bewegte sich der farbenprächtige Zug in musterhafter Ordnung
durch das Dorf und nahm vor dem Schulhause Aufstellung. Nach einem von der
Musik gebrachten Ständchen erschien der Jubilar und dankte in erregten
schönen Worten und schloss mit einem 'Hoch' auf die Gemeinde Rhina. Herr
Rabbiner Dr. Cahn erwiderte mit einem 'Hoch' auf den Jubilar, worauf die
Schuljugend 'Heil Dir, Du Jubilar!' sang. Ein 'Hoch' auf Seine Majestät,
den Kaiser, unsern Schutz- und Schirmherrn, seitens des Herrn Rabbiner Dr.
Cahn und 'Heil Dir im Siegerkranz' von allen Anwesenden gesungen bildeten
den Schluss dieser Ovation.
Bei dem köstlichen Festmahle, welches hierauf beim Jubilar stattfand,
bildeten Toaste und Tischreden des Herrn Rabbiner Dr. Cahn und der
Anwesenden, insbesondere auch die musikalischen und jovialen Vorträge des
Lehrers Spiro aus Schenklengsfeld eine ununterbrochene Kette der
köstlichsten Unterhaltung, bis bei eingetretener Dunkelheit ein
herrlicher Fackelzug den schönen Akt der Dankbarkeit nochmals
beleuchtete.
Wir wiederholen den allseitig gebrachten Wunsch: 'Möge der biedere und
treue Lehrer Emmerich auch das Glück des goldenen Jubelfestes genießen.
Amen. H." |
Lehrer Emmerich wird ausgezeichnet (1902)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
3. November 1902: "Fulda, 28. Oktober (1902). Dem
hochverdienten, nicht nur in seiner Gemeinde, sondern auch weit über
deren Grenze hinaus als echt frommer Jehudi und Talmid Chacham
(Toragelehrter) bekannten Lehrer, Herrn Emmerich in Rhina,
ist anlässlich seines erbetenen Rücktritts von seinem ca. 40 Jahre lang
stets mit vollem Eifer versehenen Amte als Lehrer, der 'Adler der
Königlichen Hausordens von Hohenzollern' Allerhöchst verliehen
worden." |
|
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 14. November 1902: "In Rhina hat der Lehrer der
israelitischen Gemeinde, Emmerich, der nach 48-jähriger treuer
Schularbeit in den wohlverdienten Ruhestand getreten, den Adler der
Inhaber des Hohenzollernschen Hausordens erhalten."
|
Lehrer Emmerich tritt in den Ruhestand - Lehrer Abraham Sonn wird
sein Nachfolger (1902)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 5. Dezember
1902: "Rhina, Rabbinatsbezirk Fulda. Als nach 40jähriger
segensreicher Wirksamkeit in der hiesigen Gemeinde Herr Lehrer Emmerich in
den wohl verdienten Ruhestand trat, war die Frage der Neubesetzung der mit
dem Vorbeteramte verbundenen Stelle zu einer brennenden geworden. Im
Regierungsbezirk Kassel war es bis vor einigen Jahren gang und gäbe, dass
die jüdischen Gemeinden den Lehrer wählten, die Vorsteherämter den
betreffenden Kandidaten bei Königlicher Regierung in Vorschlag brachten und
dieselben in den meisten Fällen den Gewählten bestätigte. Von diesem
Brauche war seit ungefähr 2 Jahren zur Bestürzung der Gemeinden und
Vorsteherämter die Behörde abgegangen, indem sie ohne weiteres Lehrer
ernannte. Die Furcht, dass auch dieser Fall hier eintreten könnte,
bemächtigte sich der Gemeindemitglieder und veranlasste sie, einen
Beschluss herbeizuführen, nach welchem der Vorbeterdienst von dem
Lehramte getrennt werden sollte, falls der von der Gemeinde gewählte
Lehrer nicht bestätigt werden würde. Nach einem glänzenden
Probevortrage des Herrn Lehrers A. Sonn aus Theilheim in Bayern, der alle
Hörer in Begeisterung zu versetzen wusste, wurde derselbe einstimmig als
Lehrer gewählt. In banger Erwartung harrte man der Bestätigung; diese
traf am 3. Dezember zur allgemeinen Freude der Gemeinde ein." |
Lehrer Abraham Sonn kommt von
Theilheim nach Rhina (1903)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 26. Februar 1903:
"Nachruf. Heute verließ unser hochgeehrter und sehr beliebter Herr
Lehrer Abraham Sonn nach zwölfjähriger Tätigkeit, als Stellvertreter
seines geehrten Vaters, die Religionslehrerstelle Theilheim, um als
Elementarlehrerstelle nach Rhina (Hessen) sein segensreiches Wirken
fortzusetzen. Mit ihm verlieren wir einen wahrhaft liebenswürdigen und
edlen Charaktermenschen, einen eifrigen und streng religiösen Lehrer der
Kinder und Führer der Gemeinde. Seine so gut begabte und angenehme
Stimme, als Kantor, verherrlichten am Sabbat und Festtagen in höchstem
Grade unseren Gottesdienst, sein Andenken wird bei uns nie erlöschen.
Möge es ihm in seinem neuen Heim gut gefallen und bald gelingen, das
volle Vertrauen zu gewinnen, das er bei der ganzen Gemeinde dahier, voll
und ganz genoss.
Theilheim, den 22. Februar 1903. Die Kultusgemeinde." |
Danksagung von Lehrer Abraham Sonn an seine bisherige
Gemeinde in Theilheim (1903)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. März 1903:
"Danksagung. Für die vielen Beweise der Liebe und Freundschaft, die
mir die sehr verehrliche Kultusgemeinde zu Theilheim bei meinem Wegzuge
von dort erwiesen, spreche ich auf diesem Wege meinen tiefgefühltesten
Danke aus. Das Andenken an die Gemeinde, in deren Mitte ich so gerne
weilte, und wirkte, wird nie meinem Gedächtnisse entschwinden. Möge die
israelitische Kultusgemeinde Theilheim emporblühen und der Segen des
Höchsten sie beglücken.
Rhina, den 1. März 1903. A. Sonn, Lehrer." |
Zum Tod von Rabbiner Dr. Levi Emmerich (Tarnowitz), Sohn von Lehrer Isaak
Emmerich (1905)
Ergreifender Trauergottesdienst in der Synagoge Rhina.
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 7. April
1905: "Rhina, den 4. April (1905). Als Rabbi Chija, der Sohn
Awjas, zu Grabe getragen wurde, bat man Rabbi Jochanan, er möge die
Leichenrede halten. Dieser lehnte es ab mit den Worten: 'Bittet Resch
Lokisch darum, der des Heimgegangenen Lehrer gewesen und die Geistes- und
Charaktergröße des Verblichenen besser zu schildern vermag.' An diesen
Midrasch wurden wir erinnert, als Herr Provinzialrabbiner Dr. Cahn heute
Abend die Kanzel betrat, um seinem Schmerze über den Verlust des teuren,
unvergesslichen Schülers, des Herrn Rabbiner Dr. Levi Emmerich -
Tarnowitz, vor der vollzählig erschienenen Gemeinde Ausdruck zu geben. Es
war ein erschütternden Augenblick, als der Vater des Entschlafenen, der
emeritierte Lehrer Herr Emmerich in die Synagoge trat, um dem Trauerakte
beizuwohnen. In der Männerreihe wie auf der Frauenempore vernahm man
lautes Schluchzen und kein Auge blieb tränenleer, als der gebeugte Greis,
dessen Herz unnennbares Weg erfüllt, sich auf die Erde setzte, um an
geweihter Stätte das Andenken des einzigen, geliebten Sohnes, der des
Vaters Freude und Hoffnung, der Familie Stolz gewesen, zu ehren. Vom
Schmerze überwältigte schilderte Herr Dr. Cahn das Leben und Wirken des
gottbegnadeten Mannes, der allzu früh den Seinen und ganz Israel
entrückt worden sei. An der Hand zahlreicher Zitate aus Midrasch und
Talmud wies der Redner nach, dass der Verlust eines Großen nicht nur den
engeren Verwandtenkreis, sondern die Gesamtheit treffe und dass jeder
Jehudi zu trauern verpflichtet sei, wenn ein Zaddik ins Grab sinke, Und
ein Zaddik in des Wortes wahrster Bedeutung sei Herr Dr. Emmerich gewesen.
Die Rede machte auf alle Hörer einen tiefen Eindruck.
Als Herr Dr. Cahn an den schwergeprüften, gramgebeugten Vater des
unvergesslichen Entschlafenen Worte des Trostes richtet und mit tränendem
Auge hervorhob, dass es schwer sei, andere zu trösten, wenn man selbst
des Trostes bedürfe, da unterbrach ein herzzerreißendes Schluchzen die
bisher lautlos lauschende Versammlung. Wohl selten steigt die Bitte
aufrichtiger und inniger zum Lenker der Geschicke empor, dass Er die
Trauernden trösten möge, wie es hier der Fall gewesen. Dem
Stimmungsbilde angepasst war der zu Tränen rührende Vortrag des El mole
rachamim durch Herrn Lehrer Sonn." |
Zum Tod von Lehrer Isaak Emmerich (1907)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. März 1907: "Rhina.
Ein treues Lehrerherz hat zu schlagen aufgehört. Am 5. dieses Monats
starb nach kurzem Krankenlager Herr Lehrer H. Emmerich im 72. Lebensjahre.
Länger als 48 Jahre hatte er amtiert und der größte Teil der großen
Rhinaer Gemeinde bildet seine Schülerschar. Seit 4 Jahren pensioniert,
hat er auch seine Ruhezeit am Orte seiner Wirksamkeit verlebt. Die
Beerdigung fand unter großer Beteiligung von Nah und Fern am 7. dieses
Monats statt. Herr Provinzial-Rabbiner Dr. Cahn - Fulda schilderte in
halbstündiger Rede die Vorzüge des Verstorbenen, oft unterbrochen von
dem Schluchzen der Zuhörer. Herr Lehrer Sonn, Nachfolger des
Dahingeschiedenen und Herr Lehrer Neuhaus - Harmuthsachsen, ein
Seminarbruder von ihm, riefen ihm herzliche Abschiedsworte zu. Am Grabe
sprach Herr Lehrer Löwenstein - Fulda namens des Bundes gesetzestreuer
Lehrer Deutschlands und des Vereins 'Jeschurun', dessen treues Mitglied
der Verstorbene seit der Gründung war. Etwa 15 Lehrer, darunter ein
Vorstandsmitglied der 'Hessischen Lehrer-Konferenz' folgten dem Sarge des
Verblichenen. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens.". |
Vortragsabend
der Agudas Jisroel in Fulda mit Lehrer Oppenheim aus Rhina (1930)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 14. Februar 1930: "Fulda. Auf Einladung der
hiesigen Ortsgruppe der Agudas-Jisroel sprach Sonntagabend vor
vollbesetztem Saale Herr Lehrer Oppenheim (Rhina) über
Kadisch. Die eineinviertelstündigen Ausführungen des Redners wurden mit
großem Beifall aufgenommen. Die Herren Provinzialrabbiner Dr. Cohn,
sowie Synagogenältester Dr. Herz sprachen dem Redner den Dank der
Versammlung aus." |
Jahresbericht zur 50. Jahresversammlung der
Israelitischen Lehrerkonferenz Hessens - erstellt durch dessen Schriftführer Lehrer
Siegfried Oppenheim in Rhina (1933)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 26. Januar 1933: "Protokoll
der 59. Jahresversammlung der Israelitischen Lehrerkonferenz Hessens (Schluss).
Der Jahresbericht des Vorsitzenden begann mit der bedauerlichen Erwähnung
des Stellenabbaues; von 39 öffentlichen jüdischen Volksschulen verfielen
5 (Merzhausen, Flieden,
Sontra, Felsberg und
Baumbach der Auflösung.
Anderen droht ähnliche Gefahr, da die Hetze aus rechtsradikalem Lager
stetig zunimmt. Eine rege Aussprache, an der sich außer mehreren
Mitgliedern, Studienrat Dr. Heß und Lehrer Steinmetz beteiligten, bewies
die Wichtigkeit des Themas. Wenn letzterer betonte, dass die
Auflösungsfrage nicht nur mit dem Rechenstift, sondern auch unter
Berücksichtigung anderer Momente zu lösen sei, so dürften seine mit
starkem Beifall aufgenommenen Worte den Kern der Sache getroffen haben.
Des Vorsitzenden ernste Mahnung galt den Abseitsstehenden und denen, die
ihrer Beitragspflicht nur zögernd oder gar nicht nachkommen, die aber im
Notfalle nach dem Retter rufen, wenn sie ihn auch bei normaler Entwicklung
der Dinge nicht kennen wollen. Erwähnung fand außerdem die später in
längerer Aussprache behandelte 'Trennung der Vereinigten Schul- und
Kirchenämter.'
Manche Gemeinden, genannt wurden Oberaula und
Langenselbold haben beim Abschluss
freier Verträge ihrem Vorbeter wenig Entgegenkommen gezeigt. Das
Verhalten des Kollegen Heilbrun - Oberaula, der sich durch den Konflikt
mit seiner Gemeinde zur Antragstellung der Pensionierung als Vorsänger
genötigt sah, fand die einmütige Billigung der Versammlung. Der
Vorsitzende gedachte der verstorbenen Mitglieder, Alexandrowitsch - Herleshausen, Bacharach -
Reichensachsen, Dannenberg - Felsberg,
Perlstein
- Berlin (Gudensberg), Berlinger - Burghaun, deren Andenken in üblicher
Weise geehrt wurde, der Pensionäre Gans, Glauberg, Grünewald und
Stiefel, denen er nach treuer Schularbeit einen ungetrübten Ruhestand
wünschte. Besonderer Dank wollte er dem Kollegen Gans, dessen eifriges
Wirken im Vereinsvorstand seine innige Verbundenheit mit den Standesgenossen
dokumentierte.
Zuletzt wurde im Jahresbericht von den finanziellen Schwierigkeiten
gesprochen, die sich auch bei den beiden Landesverbänden geltend machten
und die Hilfeleistung für leistungsschwache Gemeinden
erschwerten.
Rosenbusch (Bebra) beleuchtete die Kassenverhältnisse, die mit 1727 Mark
abschlossen; seinem von Godlewsky und Katz (Kassel) geprüften Bericht
folgte die erbetene Entlastung. Nach der Mittagspause, die zu gemeinsamem
Mahl benutzt worden war, erstattete Jäckel (Kassel) Bericht über die
Hilfskasse 'Esra', für die er tatkräftige Unterstützung verlangte.
Über interne Vereinsfragen referierte zusammenfassend Moses (Kassel), und
das Thema 'Beschäftigung nicht vorgebildeter Personen als
Religionslehrer' rief noch eine sehr lebhafte Debatte hervor, in der die
Entrüstung über die von maßgebenden Stellen erteilte Genehmigung zur
Erteilung des Religionsunterrichts besonders deutlich in Erscheinung trat.
Kommissionen sollen in den einzelnen Bezirken die Angelegenheit
überwachen. Die Ausschusswahl erbrachte die Wiederwald des Vorsitzenden,
und des Ausschusses.
Die 60. Jahresversammlung soll voraussichtlich Pfingsten
1933 in Bebra stattfinden. Katz (Kassel) übernimmt das Referat
über 'Psychoanalyse im Religionsunterricht.' mit dem Dank an den
Vorsitzenden für die umsichtige Leitung und an die Teilnehmer für das
treue Ausharren, fand die Tagung in der 6. Nachmittagsstunde ihren
Abschluss.
Die Schriftführer: Moses - Kassel Oppenheim - Rhina." |
Provinzialrabbiner Dr. Leo Cahn
empfiehlt einen vom Bruder von Lehrer Oppenheim konstruierten Sabbatofen
(1935)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
3. Oktober 1935: "Fulda, 2. Oktober (1935). Herr
Provinzial-Rabbiner Dr. Leo Cahn schreibt uns: Da in vielen Orten die
Frage der Möglichkeit selbsttätiger Entzündung eines Ofens am Schabbos,
die dem Din (Rabbinatsgericht) entspricht, aktuell geworden
ist, sei darauf hingewiesen, dass Herr Lehrer Oppenheim - Rhina,
einen von seinem Bruder konstruierten Apparat besitzt, der einen am
Freitag mit Brandmaterial gefüllten Ofen zu gewünschter Zeit am Sabbat
Vormittag in Brand setzt. Der Apparat kostet 2.- bis 3.- Mark und kann bei
jedem Ofen, dessen Verschlusstüre eine kleine Öffnung hat, verwertet
werden. Notfalls ist eine derartige Türe neu anzubringen. Außerdem
besteht die Möglichkeit, einen kleinen Raum mit einer Grude zu beheizen.
Keinesfalls darf ein Jehudi, außer bei Lebensgefahr, selbst am Schabbat
Feuer anmachen." |
Lehrer Siegfried Oppenheim tritt in den Ruhestand
(1938)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. September 1938: "Rhina,
30. August (1938). Am 1.
September (1938) tritt Herr Lehrer und Vorbeter Siegfried Oppenheim in den
Ruhestand. Es war ein Tag tiefer Ergriffenheit, als Lehrer Oppenheim in
der Synagoge der Gemeinde offiziell sein Scheiden aus dem Amt bekannt gab.
– Es trat in dieser Stunde allen nochmals in voller Stärke ins
Bewusstsein, was er seiner Kehilloh (sc. Gemeinde) in zwanzigjähriger
Wirksamkeit geleistet hat. Er hat hier, wie auch in seinen früheren
Wirkungsorten die Fahne der Emunoh (sc. Wahrheit) mit fester Hand hoch
gehalten. Taurohwissen (Tora-Wissen) bei Erwachsenen und Jugendlichen
verbreitet, den Kindern eine gediegene Volksschulbildung und echtjüdische
Grundanschauungen fürs Leben mitgegeben. Besonders tief aber ist in aller
Herzen das Gefühl der Dankbarkeit eingegraben, dadurch, dass er durch
klugen Rat und bis zur Selbstaufopferung gehende Hingabe allen
Gemeindemitgliedern unterschiedslos zur Seite stand. Mit rastloser Energie
bannte er die mannigfachsten Notstände und fand immer wieder neue Wege,
um die Jugend der Berufsausbildung zuzuführen und Auswanderungsmöglichkeiten
zu eröffnen. In diesem Teil seiner Tätigkeit, der weit über den kreis
seines jetzigen Wirkungsortes hinausdrang, möge er mit Gottes Hilfe auch
weiterhin Erfolgreiches leisten." |
Aus dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben
Gründung einer Ortsgruppe von "Sabbatfreunden"
(1907)
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. September 1907: "Berlin, 18.
September (1907). Der Verband der Sabbatfreunde hat seine Propagandatätigkeit
sofort nach Beendigung der Ferienzeit wieder aufgenommen. So fanden am
vergangenen Sonntag Versammlungen in Hersfeld
und Rhina statt, die in beiden Orten zur Bildung von Ortsgruppen führten.
In Hersfeld erfolgten über 60, in Rhina gegen 50 Anmeldungen als
Mitglied. Das einleitende Referat in beiden Versammlungen hielt der
Vorsitzende der Frankfurter Ortsgruppe, Herr Moritz A. Loeb. An gleichem
Tage wurde durch Herrn Provinzial-Rabbiner Dr. Bamberger – Hanau in Sterbfritz
eine Ortsgruppe ins Leben gerufen. Der Gesamtverband umfasst jetzt über
80 Ortsgruppen mit mehr als 4.000 Mitgliedern." |
Abendunterhaltung des Synagogenchores (1907)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 8. November 1907: "Rhina. Am vergangenen Samstagabend veranstaltete der hiesige
Synagogenchor eine kleine Abendunterhaltung. Bei dem Festmahl, das aus
diesem Anlass stattfand, wechselten heitere Vorträge mit von Humor gewürzten
Toasten ab. Zuletzt wurde das Tischgebet versteigert und der respektvolle
Betrag von 110 Mark erzielt. Die Summe soll zu wohltätigen Zwecken
verwendet werden." |
Erinnerungen an jüdisches Leben und Bräuche in Gudensberg
und Orten der Umgebung von Dr. Samuel Blach (1924)
Anmerkung: im Abschnitt wird über jüdische Bräuche bei Geburt und
Beschneidung (Bris), Verlobung, Hochzeit und Tod berichtet. Auch auf
Synagogengebräuche und Hausgebräuche wie Ess-Sitten wird eingegangen. Neben Gudensberg
wird auch von Bräuchen aus Reichensachsen,
Rhina, Meimbressen und Braunfels
berichtet.
Artikel in der
Zeitschrift "Menorah"
Jahrgang 1926 Heft 10 Seiten 583-590
(zum Lesen bitte Textabbildungen anklicken) |
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Über eine Gemeindeversammlung im Januar 1927 (1927)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 14. Januar 1927:
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Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 21. Januar 1927:
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Vortrag des Sekretärs der Agudas-Jisroel in Rhina und
Hersfeld (1927)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 26. August
1927:
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Berichte zu einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde
Zum Tod des Fellhändlers Rabbi Rephoel Geis (1885)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. Oktober 1885 (der Inhalt der Ansprache des Bezirksrabbiners wird nur abgekürzt
wiedergegeben): "Rhina, 2. Marcheschwan. Der heutige Tag wird in
unserer Gemeinde auf lange Zeit hinaus unvergessen bleiben. Er war dem Gedächtnis
eines Mannes gewidmet, welcher vor 3 Wochen zum ewigen Frieden eingegangen
ist. Rabbi Rephoel Geis ist am Tage vor Erew
Jom Kippur zum ewigen Leben einberufen worden. Dieser Mann war ein Gottesdiener
in des Wortes herrlichster Bedeutung. Er erreichte ein Alter von 83
Jahren. In diesem langen Leben war er von der Kindheit bis zur
Scheidestunde sich stets gleich in Erfüllung der Gebote
Gottes. Sein Eifer zur Erforschung von unserer heiligen Tora, seine
Bemühung zu lernen und zu lehren, zu beachten und zu tun, seine Friedensliebe,
die aus einem guten Herzen von
himmlischer Reinheit hervorquoll, seine makellose Charakterhoheit, seine
streng Rechtschaffenheit im geschäftlichen Leben – er war Fellhändler
-, sein ruhiges, mildes Wesen, seine Geduld und rückhaltslose Ergebung,
die sich ganz besonders während seiner 3jährigen Krankheit in wahrhaft rührender
Art offenbarte, alle diese und noch viele der herrlichsten Eigenschaften
zeichneten diesen edlen Jehudi
aus: Er war die Krone der hiesigen Gemeinde.
In den letzten Jahren war leider die Hoffnung immer mehr
geschwunden, den geliebten Mann wieder von seinem Schmerzenslager
aufstehen zu sehen. Über seine Lippen kam keine Klage, teilnahmsvoll
blieb er immer noch in Beziehung zu Allem, was in seiner Umgebung geschah;
auch als sein Augenlicht erloschen war, verließ ihn jene Heiterkeit des
Herzens nicht, welche die gottesinnige Lebensauffassung allein zu gewähren
vermag. Heute
hielt unser Provinzial-Rabbiner, Seiner Ehrwürden Herr Dr. Cahn aus
Fulda, in unserer Synagoge eine Trauerrede um den teuren
Dahingeschiedenen. Die Synagoge war dicht gefüllt. Nicht allein alle
Glieder unserer hiesigen Gemeinde, welche 60-70 Familien zählt, Alt und
Jung, Männer und Frauen, waren erschienen, sondern auch Viele waren von
den Nachbargemeinden herbeigeeilt, um der Erinnerung an den allverehrten
Mann den Tribut zu zollen.
Der Redner entwarf in großen Zügen das Lebensbild des Verewigten
und verstand es, dessen Eigenschaften so wahrheitsgetreu und wirkungsvoll
vorzuführen, dass Alles aufs Tiefste sich erschüttert fühlte….
Unsere Gemeinde möge ihn und sein leuchtendes Vorbild, das unsterblich
weiterwirke, in ewig getreuer Erinnerung bewahren, ihm nacheifern, ein
Jeder an seinem Teile, das sei das ehrendste Denkmal, das ihm gesetzt
werden könne…. |
Mit
dem Aufruf des Allheiligen, dessen Schechina
voll Wohlgefallen sich darbiete, wo Seiner Frommen gedacht wird, schloss
der Redner auffordernd zu brüderlicher Eintracht und treuem Gotteswandel,
indem er den Heimgegangen 'mit dem Gewande der Gottesgelehrten' schmückte
und ihm den Morenu-Titel
verlieh. Möchten die ermahnungsreichen Worte ihre Wirkung auf alle Herzen
unserer Gemeinde immerdar bewahren, Amen!". |
Goldene Hochzeit von Simon Hahn und seiner Frau (1903)
Mitteilung
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 12. Juni 1903:
"Rhina. Das weit und breit geachtete und angesehene Simon Hahn'sche
Ehepaar feierte vorige Woche ihre Goldene
Hochzeit." |
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Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 19. Juni 1903:
"Rhina. Am 9. Juni vollzog sich in unserer Gemeinde eine zwar
stille, aber nichtsdestoweniger erhebende Feier. Das Simon Hahn'sche Ehepaar
beging an diesem Tage in wohltuend körperlicher und geistige Frische das
Fest des 50-jährigen Ehejubiläums. Aus dem Geheimkabinett Seiner
Majestät des Königs ging dem Jubelpaare ein Glückwunschschreiben zu.
Der königliche Landrat zu Hünfeld hatte an Seine Ehrwürden, den Herrn
Provinzial-Rabbiner Dr. Cahn in Fulda die von höchster Stelle
verliehene Ehejubiläumsmedaille mit der Bitte gesandt, diese Medaille
in feierlicher Weise dem genannten Ehepaare zu überreichen. Der Herr
Provinzialrabbiner begab sich hierher und entledigte sich mustergültig
seiner Aufgabe. Um den feierlichen Akt mit einer Mizwah zu verbinden,
wurde das Minchah-Gebet verrichtet. Nach Schluss desselben erschien der
Herr Landrat, begleitet von seiner Frau Gemahlin, im Hause des Herrn Hahn
und brachte dem sichtlich überraschten Jubelpaare in tief empfundenen
Worten seinen persönlichen Glückwunsch dar. Herr Provinzialrabbiner Dr.
Cahn hielt eine aus dem Herzen kommende und zum Herzen dringende, nach
Inhalt wie Form gleich ausgezeichnete Ansprache, in der er auf die Gnade
des Höchsten hinwies, die bisher über des Ehepaars Leben sichtbarlich
waltete. Ferner gedachte er in seiner Rede der Huld Seiner Majestät
unseres geliebten Kaisers und Königs, dessen Liebe alle seine Untertanen
umfasst. Die Ansprach klang in die Bitte aus, dass der Allgütige auch
fernerhin eine schützende Hand über das Greisenpaar halten möge. Die
Rede machte einen überwältigenden Eindruck und in manchem Auge der
Beteiligten sah man eine Träne erzittern. Nachdem Herr Dr. Cahn seine
Ansprache geschlossen, nahm der königliche Herr Landrat das Wort, um
seine Anerkennung für das stete pflichtgetreue Wirken des Herrn Hahn, der
seit einer langen Reihe von Jahren das Amt eines Kreisvorstehers
verwaltet, zum Ausdruck zu bringen. Hierauf sang unser Lehrer, Herr Sonn,
den 150. Psalm. Damit hatte die offizielle Feier ihr Ende erreicht. Nun
ging es zum gemütlichen Teile über und manches Glas wurde auf das Wohl
des Jubelpaares geleert.
Möge es dem Jubelpaare vergönnt sein, noch recht lange in Gesundheit und
Kraftfülle sich des Daseins zu freuen." |
50-jähriges Jubiläum von Levi Buxbaum als
Kultusbeamter/Synagogendiener der Gemeinde (1910)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 11. November 1910: "Rhina. Sein 50jähriges Jubiläum als Kultusbeamter beging Herr
Levi Buxbaum. Der Jubilar hat es verstanden, durch sein bescheidenes,
treues und hingebungsvolles Wirken sich die Liebe und Wertschätzung aller
Gemeindemitglieder zu erwerben. Mit seltener Treue und Gewissenhaftigkeit
wandelte er stets den geraden Weg der Pflicht, dabei zuvorkommend,
freundlich und gefällig gegen jedermann, nach seines Lebens Wahlspruch 'Auhew scholaum, weraudef scholaum' (liebe den Frieden, und strebe ihm
nach)." |
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Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. Mai 1911: "Rhina,
15. Mai (1911). Herrn Levi Buxbaum dahier, der auf eine 50jährige Tätigkeit
als Synagogendiener zurückblicken kann, ist aus diesem Anlass das
Allgemeine Ehrenzeichen mit der Zahl 50 verliehen worden." |
Auszeichnung für den Sanitätsgefreiten Samuel Katz
(1916)
Meldung
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 1. Dezember
1916: "Rhina. Sanitätsgefreiter Samuel Katz von hier,
Reserve-Infanterie-Regiment 53, erhielt das Eiserne Kreuz, 1.
Klasse." |
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Meldung
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 15. Dezember
1916: "Rhina, Kreis Hünfeld. Samuel Katz, Sanitätsgefreiter
im Reserve-Infanterie-Regiment 53, Inhaber des Eisernen Kreuzes 2. Klasse,
Sohn der Witwe Frau Karoline Katz, erhielt das Eiserne Kreuz 1.
Klasse." |
Zum Tod des Kultusbeamten Levi Buxbaum (1919)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 31. Januar 1919: "In Rhina starb nach kurzer
Krankheit im Alter von 77 Jahren der Kultusbeamte Levi Buxbaum, der
länger als 58 Jahre im Dienste seiner Gemeinde stand und sich durch
seltene Treue und Opferwilligkeit auszeichnete." |
Zum Tod des aus Rhina stammenden Anselm Geis (gest.
1921 in Nürnberg)
Artikel
in "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 8. April 1921:
"Nürnberg. Am 16. Adar I. (24. Februar (1921) verschied hier,
wohin er seit drei Jahren seinen Wohnsitz verlegt hatte, um 80.
Lebensjahre und im 49. Jahre seiner glücklichen Ehe Anselm Geis,
einer jener Treuen, die bewusst ihr Leben nach den Sinai-Worten
gestalten.
Geboren in Rhina bei Fulda als jüngster Sohn eines Mannes, der,
nachdem seine Kinder versorgt waren, den materiellen Beruf des Erwerbens
mit der ideellen Lebensaufgabe des Lernens und Lehrend vertauscht und so
die letzten 25 Jahre seines Lebens der Erforschung und der Verbreitung des
Gotteswortes weihte, wurde er von dem Vater, bei dem auch dessen Neffe Oberrabbiner
Stern - Hamburg gelernt hatte, in die Edelschächte unseres
Schrifttums eingeführt und setzte sodann seine Studien bei Rabbiner
Henoch - Fulda fort. Sabbathut und Treue zur Vätersitte, Freude am
Vertiefen in die Gedankengänge jüdischer Welt- und Lebensanschauung,
lautere musterhafte Rechtschaffenheit, Bescheidenheit und
Pflichtenstrenge, was seine Person betraf, Güte, Milde und die
Hilfsbereitschaft gegen andere waren die jüdischen Werte, die der
Jüngling mit ins Leben hinausnahm, die der Mann als Haupt und Ernährer
einer zahlreichen Familie stets hochhielt.
In Magdeburg, dem von ihm erwählten Wohnsitze, war sein Haus ein
Hort des traditionstreuen Judentums. Als er nach Magdeburg zog, waren dort
die Gemeinde-Institutionen noch traditionell; dies änderte sich noch
unter Rabbiner Dr. Rahmer ins Umgekehrte mit dem Bau einer neuen Synagoge.
So musste denn der nun Heimgegangene - gemeinsam mit Paul Spiegel, einem
Schwager des Wieer Oberrabbiners Dr. Güdemann - einen eigenen
Gottesdienst errichten, mit materiellen Opfern Jahrzehnte hindurch
erhalten und als Toravorleser fungieren, musste die rituellen
Nahrungsmittel von auswärts beziehen usw. Doch all diese Opfer sind noch
gering gegenüber denen, die in Orten wie Magdeburg die Kinder
verursachen, wenn sie dem Milieu des Elternhauses erhalten werden sollen.
Wahrlich, wieviel Heldengröße hat dieses allem Flittertand des
Äußerlichen und der Selbstsucht abholde Leben
verdeckt!" |
S. Bacharach kann wieder als Mohel (Beschneider) tätig sein
(1921)
Anzeige in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. August 1921: "Von schwerer
Krankheit genesen – gepriesen sei
Gott – habe ich meine Tätigkeit als Mohel
(Beschneider) wieder aufgenommen, was ich Freunden und Bekannten hierdurch
mitteile.
S. Bacharach. Rhina, Kreis Hünfeld." |
Auscher Klebe ist 50 Jahre Mitglied im Kriegerverein
(1925)
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. Juni 1925: "Rhina, 14. Juni
(1925). In einer Mitgliederversammlung des hiesigen Kriegervereins wurde
dem Veteran Auscher Klebe aus Rhina mit einer ehrenden Ansprache des
Vorsitzenden eine Gedenkmünze für 50-jährige Mitgliedschaft überreicht." |
Goldene Hochzeit von der aus Rhina stammenden Veilchen geb. Klebe und Aron Wolff
(1926 in Gemünd/Eifel)
Anmerkung: zur jüdischen
Geschichte in Schleiden-Gemünd siehe
https://archaeoregion-nordeifel.lvr.de/de/themen/der_juedische_friedhof__die_synagoge_von_gemuend_und_spuren_des_juedischen_lebens_1/standardseite_6.html
und
https://www.jüdische-gemeinden.de/index.php/gemeinden/e-g/701-gemuend-eifel-nordrhein-westfalen
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. September 1926: "Gemünd
(Eifel). Am 19. Elul beging das Ehepaar Aron Wolff und Frau
Veilchen geb. Klebe (Rhina) das seltene Fest der Goldenen
Hochzeit in voller Rüstigkeit des Körpers und Klarheit des Geistes.
Der Vorsteher der Gemeinde, Herr Teller, hat sich um das Zustandekommen des
Festes bemüht. Wohltuend wirkte die lebhafte Beteiligung der ganzen
Bevölkerung, die abends einen Fackelzug darbrachte. Der Bürgermeister an der
Spitze des Magistrats überbrachte die Glückwünsche und die Geschenke der
Staatsregierung und der Stadt. Der katholische Kirchenverein entsandte
seinen Vorstand zur Gratulation. Der in Urlaub weilende katholische
Geistliche fand in einem herzlichen Schreiben innige Worte aufrichtiger
Anteilnahme an dem Jubeltrage des greisen Paares. Der anwesende Herr
Rabbiner, der in überfüllter Synagoge eine Ansprache an das Jubelpaar
gehalten hatte, dankte nachher im Hause des Herrn Bürgermeister, der
Stadtverwaltung, den Vereinen und der gesamten Bevölkerung namens der
Familie des Jubelpaares. Er wies darauf hin, dass wenn der Mensch an
Wendepunkten des Lebens Anlass nimmt, tiefer im Geistesleben zu schürfen,
naturgemäß alle Schranken fallen, die den Mensch vom Menschen trennen. Dann
wird das Menschliche im Menschenherzen entdeckt und der Mensch wird zum
Menschen geführt. Dieser natürlichen Erscheinung sollten doch die Menschen
stets eingedenk bleiben und den nur künstlich geschürten Hass verdammen. Dem
angeborenen Empfingen sollten wir im Drange unseres Herzens folgen und
Frieden schließen und Frieden finden in uns und um uns. Dann hätte auch
solches Fest seine große Bedeutung, wenn die Lehre von der reinen
Menschenliebe durch es propagiert wurde." |
David Kaufmann II wurde in der Nachfolge von Meier
Wetterhahn zum Synagogenältesten ernannt (1927)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 18. März 1927: "Rhina (Kreis Hünfeld).
Herr David Katzenstein II. ist an Stelle des verstorbenen Herrn Meier
Wetterhahn zum Synagogenältesten ernannt
worden." |
Zum Tod der aus Rhina stammenden Jettchen Strauß geb. Katz, Frau
des Lehrers Siegfried Strauß (1928)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. Juni 1928: "Geroda,
10. Juni (1928). Am Erew Schawuoth (Tag von der Wochenfest
Schawuoth = 24. Mai 1928) verschied, nachdem sie einige Tage vorher ihrem
ersten Kinde, einem Jungen, das Leben gegeben, Frau Jettchen Strauß - sie
ruhe in Frieden, die Gattin des Lehrers Siegfried Strauß in Geroda.
Eine Stunde vor Beginn des Festes der Tora hauchte sie, deren ganze
Lebenstätigkeit auf die Formel eingestellt war: 'alles, was Gott
gesagt hat, wollen wir tun und darauf hören' ihre edle Seele aus und
einige Stunden, nachdem eine fromm betende Gemeinde die Verbindlichkeit
der 613 Gebote anerkannte, wurde das, was sterblich an ihr, deren
Lebensziel auf das 'Aufrichten aller Worte der Tora' gerichtet war,
dem kühlen Boden anvertraut.
Frau Jettchen Strauß - sie ruhe in Frieden - entstammt dem als
fromm bekannten Hause Katz in Rhina. Ihr Gottvertrauen und ihre
Frömmigkeit war ein Erbteil ihres Vaterhauses. Die frommen Lehren, die
ihr von ihrer frühestens Kindheit an zuteil wurden, das fromme Leben, das
sie stets vor sich sah, gruben sich tief in ihr empfängliches Herz und
bildeten einen Menschen, der in Freud und Leid, im Glück und Unglück, in
Gottesfurcht und Liebe sein Leben verbrachte. Die drei
Geschenke, die dem jüdischen Volk geworden: Barmherzige,
Verschämte, Wohltätige - besaß sie in großem Maße. Dass sie besonders zu
den Wohltätigen gehörte, das werden viele Arme bestätigen, die
sie in Liebe verpflegt und unterstützt hat, das werden alle die sagen,
die mit ihr je in Berührung gekommen waren. Ihre Liebe zu Gott und zu den
Menschen blieb nicht Theorie, sondern sie wurde zur heiligen Tat. Nie
fehlte sie, wo es galt, Tränen zu trocknen, Leid zu trösten, Liebestaten
an Lebenden und an Toten zu vollbringen. Die gottgewollte Tat leitete und
beeinflusste ihr ganzes Leben. Den Gerechten wird der reinste Lohn in
jener Welt zuteil, dort werden sie die Früchte ihrer guten Taten
genießen. Ihre Seele sei eingebunden in den Bund des
Lebens." |
Zum Tod der aus Rhina stammenden Marianne Stern geb. Emmerich (in Burghaun 1929;
vermutlich Tochter von Lehrer Emmerich s.o.)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. April 1929: "Burghaun,
2. April (1929). Frau Marianne Stern, dem echt jüdischen Haus Emmerich, Rhina,
entstammend, hauchte im Alter von 63 Jahren ihre fromme Seele aus. Je mehr
ihr Körper dahinsiechte, um so mehr wuchs ihre an sich schon überaus
große Seele. Kein Wort der Klage kam aus ihrem Munde, so sehr ihr auch
der Ausgang ihres Leidens vor Augen schwebte. Sie war im wahrsten Sinne
des Wortes eine wackere Frau, deren segensreiches Leben sich auf der
breiten Basis von Tora, Gottesdienst und Wohltätigkeit bewegte. Diese
frommen Tugenden erleichterten ihr auch die Erziehung ihrer Kinder zu
guten Jehudim. Vor dem Trauerhause zeichnete Herr Lehrer Berlinger ein
treffendes Lebensbild der Dahingeschiedenen, während Herr Lehrer Katz, Gersfeld, namens der Verwandten, der tiefen Frömmigkeit und edlen
Tugenden der Heimgegangenen gedachte. Möge der Verblichenen Verdienst den
trauernden Hinterbliebenen beistehen. Ihre Seele sei eingebunden in den
Bund des Lebens." |
60. Geburtstag von Samuel Viktor II (1929)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 8. November 1929: |
92. / 93. / 94. Geburtstag von Jettchen Bacharach (1926 / 1927 / 1928)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 7. Januar 1927: |
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Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 6. Januar 1928: |
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Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. Dezember 1928: "Bad
Kissingen, 7. Dezember (1928). Am 27. Dezember feiert Frau Jettchen
Bacharach in Rhina in selten geistiger und körperlicher Frische 94.
Geburtstag. (Alles Gute) bis 120 Jahre." |
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Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 21. Dezember 1928: |
95. / 96. / 97 Geburtstag von Jettchen Bacharach (1929 / 1930 / 1931)
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. Dezember 1929: "Rhina,
19. Dezember (1929). Frau Jettchen Bacharach feiert am 27. Dezember den
95. Geburtstag. Frau Bacharach, in der ganzen Gegend unter dem Namen 'Löbs
Jettchen' bekannt, erfreut sich allgemeiner Beliebtheit und Hochschätzung
in allen Kreisen. Wohl selten ist in Rhina ein fremder, noch weniger ein
ehemaliger Rhinaer zu Besuch, ohne dass er 'Löbs Jettchen' besucht;
wie sehr sie sich mit jedem Einzelnen freut, lässt sich nicht
aussprechen… Sie fastet noch die wichtigsten Fasttage ohne Beschwerden,
nimmt regen Anteil an allen Vorgängen in der Kehila (sc. Gemeinde). Möge
sie in der bisherigen Frische des Körpers und des Geistes noch
viele Jahre der Stolz und die Freude ihrer Familie, zu der vier Söhne,
eine Tochter, 28 Enkel und 21 Urenkel gehören, sein."
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Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 20. Dezember 1929: |
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Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 19. Dezember 1930: |
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Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 30. Dezember 1931: |
Zum Tod von Kaufmann Felix Nußbaum (1931)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 21. Mai 1931: |
Zum 99. Geburtstag von Jettchen Bacharach (1933)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. Dezember 1933: "Bad
Kissingen, 13. Dezember (1933). In Rhina feiert Frau Jettchen Bacharach
am 28. dieses Monats gesund und frisch an Körper und Geist ihren 99.
Geburtstag. Frau Bacharach versieht noch heute ihren Haushalt, fastet
noch die wichtigen Tage und versäumt keine Tefilloh." |
100. Geburtstag von Jettchen Bacharach geb. Alexander
(1934)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
15. November 1934: "Rhina, 14. November 1934. EIn Jubiläum, wie es
nur ganz wenigen Menschen zu feiern vergönnt ist, begeht in Rhina bei
Hersfeld am 26. Kislew Frau Jettchen Bacharach geb. Alexander. Frau
Bacharach ist am 26. Kislew 5595 (28. Dezember 1834) zu Waltersbrück
geboren, wird also 100 Jahre alt. In früher Jugend beider Eltern
beraubt, kam sie nach Rhina, um dort ihr Brot zu verdienen. In geradezu
rührender Weise erzählt die noch sehr rüstige Greisin von ihrer harten
Jugendzeit, wie sie durch ihr unbegrenzter Gottvertrauen eine schwere
Dienstzeit durchzumachen in der Lage war, und wie sie später, als Gattin
des nunmehr 37 Jahre verewigten Mannes, noch in guter Erinnerung stehenden
Salomon Bacharach, und als Mutter von 5 Kindern - der jüngste Sohn starb
in diesem Jahre, 64 Jahre alt, der jüngste Sohn wanderte vor wenigen
Wochen, 71 Jahre alt, zu seinen Kindern nach Amerika aus - zu kämpfen
hatte. Etwa 30 Enkel und 25 Urenkel schauen mit Verehrung und Dankbarkeit
über eine echtjüdische Gastfreundschaft und Familienanhänglichkeit auf
diese Patriarchin, die noch regen Anteil an den Ereignissen der Familie
nimmt. Wenn die Greisin auch geistig, noch vollkommen auf der Höhe ist,
so haben Gesicht und Gehör in letzter Zeit, doch sehr nachgelassen; aus
diesen Gründen und mit Rücksicht auf ihre harten Erlebnisse des letzten
Jahres soll sich die Feier in ganz besonderen Grenzen bewegen".
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101. Geburtstag von Jettchen Bacharach
(1935)
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. Dezember 1935: "Rhina, 15.
Dezember (1935). Am ersten Tag Chanukka wird Frau Jettchen Bacharach 101
Jahre alt. Der Gesundheitszustand der Greisin hat in ihrem vergangenen
Lebensjahre sehr oft bedenklich geschwankt. In geistiger Beziehung ist sie
dagegen jugendlich und elastisch geblieben. (Alles Gute) bis
120 Jahre." |
Zum Tod von Jettchen Bacharach (1936)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7.
August 1936: "Rhina, 4. August (1936). Kurz vor Eintritt
der Nacht zum 9. Aw hauchte Frau Jettchen Bacharach in Rhina ihre
reine Seele aus. Wir hatten an dieser Stelle - zum 80., 90. und 100.
Geburtstag - Gelegenheit, aus dem Leben dieser frommen Frau zu berichten.
Als arme Vollwaise von 13 Jahren kam sie vor fast 90 Jahren aus Waltersbrück
im Kreis Fritzlar hierher, um sich ihr Brot zu verdienen. Hart und steinig
war der Weg, wie sie ihren Angehörigen oft erzählte. Im Verein mit dem
Gatten, der ihr um 39 Jahre im Tode vorausging, gründete sie hier in
Rhina ein echtjüdisches Haus, in dem die Traditionen des Judentums streng
gehalten wurden. Erwähnt sei ganz besonders, dass sie vor etwa zwei
Jahren, als 100-jährige, nicht nur am Jomkippur den ganzen Tag fastete,
sondern auch den ganzen Tag von früh 7 Uhr bis zum Schofarblasen in der
Synagoge war, und dass sie, da das Augenlicht längst erloschen, alle
Gebete und Tehillim auswendig sagte. Ihr innige Bitochaum
(Gottvertrauen) verließ sie bei den herben Schicksalsschlägen, von denen
sie besonders in den letzten Jahren heimgesucht wurde, nicht. Die große
Verehrung und Liebe, die ihr zu Lebzeiten, besonders an ihren
Geburtstagen, in den letzten Jahrzehnten entgegengebracht wurden,
gestaltete sich bei ihrer K'wuroh (Beisetzung) zu einer imposanten
Kundgebung.
Im Trauerhause tiefen der Mann einer Enkelin, Herr G. Neustädter, Bad
Kissingen, und Herr Kantor Bacharach in Eschwege,
ein Sohn der Verstorbenen, der Mutter und Großmutter Worte der Verehrung
und des Dankes nach. Möge die Verstorbene, die drei Söhne, eine Tochter,
28 Enkel und 29 Urenkel hinterlässt, uns allen ein rechtes Vorbild
sein". |
Zum Tod des Kunstmalers Jakob Nußbaum aus Rhina
(1937)
Anmerkung: der 1873 in Rhina geborene Maler, Zeichner, Graphiker
und Lithograph Jakob Nussbaum war bis zu seiner Emigration nach
Palästina 1933 eine der führenden Künstlerpersönlichkeiten in Frankfurt am
Main. Hier leitete er ein Meisteratelier an der Städelschule. Als Vorsitzender
des Frankfurter Künstlerbundes und Initiator der Frankfurter Künstlerhilfe war
er kulturpolitisch sehr engagiert. Er wurde mit Landschaften, Stadtansichten und
Porträts bekannt.
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. Januar 1937: "Ein großer Künstler
starb am Kinerethsee! In seinem Künstlerheim am Kinereth bei Tiberias
starb dieser Tage der weltberühmte Kunstmaler Jakob Nussbaum. Nussbaum
genoss neben Liebemann und Lesser Ury als Impressionist Weltruf. Berühmt
und allbekannt sind u.a. seine Palästinabilder, die er vor 13 Jahren aus
Anlass seiner ersten Palästinareise gezeichnet hat und die nicht wenig
zur Weckung der Liebe für die palästinensische Landschaft beigetragen
haben.
Jakob Nussbaum,
der 1873 im hessischen Städtchen Rhina geboren wurde, war recht
eigentlich ein Frankfurter Kind. Hier lebte er nach Vollendung seiner
Studien und hier schuf er seine ewigen Meisterwerbe bis er sich vor
wenigen Jahren entschloss, sein Heim am Kinnerethsee in Palästina zu
beziehen. Er war auch in Palästina eine überaus beliebte und von Künstlern
und Kunstfreunden gesuchte Persönlichkeit." |
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1933
war der Maler auf dem Höhepunkt seiner Karriere: |
Meldung
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. Januar 1933:
"Jakob Nußbaum, der bekannte Frankfurter Kunstmaler, wird aus Anlass
seines 60. Geburtstages in der Tages- und Fachpresse als einer der
größten Künstler unserer Zeit gefeiert." |
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Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Wiesbaden und
Umgebung" vom 13. Januar 1933: "Jakob Nussbaum 60 Jahre.
Jakob Nußbaum, geboren am 8. Januar 1873 in Rhina bei Kassel, eine
der charakteristischsten Persönlichkeiten der europäischen Malerei,
Vorsitzender des Künstlerbundes seines Wohnortes Frankfurt am Main, ist
zum Ehrenmitgliede des Bundes ernannt worden als der 'echte, sich selbst
und der Heimat treue Künstler', der 'durch Werk und Wirksamkeit um
Frankfurt, seine Kunst und seine Künstler' sich bleibende Verdienste
erworben hat. Berühmt sind Nußbaums farbig frohe Monumentalbilder
'Hauptwache in Frankfurt', 'Winterlandschaft', 'Schillerplatz in
Frankfurt' u.a.m.- In den letzten Jahren ist er als hervorragender
Porträtist vielbeschäftigt." |
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Rechts: Selbstbildnis - Brustbild - Öl auf
Karton von 1898 mit
Signatur auf Rückseite; das Bild war vor einiger Zeit b
ei eBay angeboten. Es wurde von der Gemeinde
Haunetal zur Ausstellung in Rhina erworben.
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Foto rechts:
Jakob
Nussbaum;
Quelle: Arnsberg, Bilder
s. Lit. S. 181 |
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Hinweis auf Literatur:
Claudia C. Müller: Jakob Nussbaum (1873-1936). Ein Frankfurter Maler im
Spannungsfeld der Stilrichtungen. Studien zur Frankfurter Geschichte Bd.
47. Frankfurt am Main 2002. Informationsseite. |
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Hinweis: Das
Jüdische Museum Frankfurt führte von Januar bis Juli 2006 eine
Ausstellung mit Werken von Jakob Nussbaum durch: Seite
zu dieser Ausstellung. |
Das Schicksal des aus Rhina stammenden Erfurter
Zahnarztes Sally Oppenheim
(Quelle: http://www.erfurt-web.de/OppenheimSally)
Sally Oppenheim, Zahnarzt:
geb. am 15. April
1884 in Rhina, gest. 1944. Approbiert am 22.05.1906 in München. Promoviert am 25.07.1913 zum Dr. phil. in Marburg.
Ließ sich am 15.05.1918 in der Meyfartstraße 4 nieder. Veröffentlicht 1933 in der "Zahnärztlichen Rundschau" sein zum Patent angemeldetes Verfahren "Wurzelbehandlung mit Wurzelstift aus Edelmetallen". Dieses Patent erwirbt die Leipziger Firma C.A. Lorenz.
Wird von den Nazis gezwungen, seine Praxis zu schließen. Wird mit den letzten Erfurter jüdischen Bürgern in ein Konzentrationslager nach Polen deportiert und musste dort in einem Steinbruch arbeiten. Verstirbt dort an den Folgen einer Lungenentzündung. |
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Dr. Cahn hat die Aufsicht über die Mazzenbäckerei in
Rhina (1909)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. Februar 1909:
"Ich bringe hiermit zur öffentlichen Kenntnis, dass in meinem
Rabbinatsbezirk nur die
Mazzobäckerei in Rhina, nicht aber
die
Mazzobäckerei in Fulda unter meiner Aufsicht steht.
Dr. M. Cahn,
Provinzialrabbiner." |
Verlobungsanzeige für Selma Klebe und Bernhard Hess
(1920)
Anzeige im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 31. März 1920:
"Statt Karten.
Selma Klebe - Bernhard Hess. Verlobte.
Rhina - Birstein."
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Anzeige von Victor Victor (1921)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. Juni 1921:
"Nonplusultra!
Ia Enthaarungsmittel nach vielfach begutachteter Zusammensetzung,
hellfarbig, stellt her und versendet in großen Büchsen, 12 Mark ab hier.
Victor Victor,
Rhina, Kreis Hünfeld." |
Verlobungsanzeige von Jenny Nussbaum und Friedrich Höchster
(1922)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. Mai 1922:
"Jenny
Nussbaum - Friedrich Höchster.
Verlobte. Rhina (Hessen) - Nürnberg Marienstr.
20.
Mai 1922." |
Verlobungsanzeige von Selma Stahl und David Katzenstein (1925)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. Juli 1925:
"Statt
Karten. Selma Stahl - David Katzenstein. Verlobte.
Gilserberg,
Bezirk Kassel. Juni 1925. Rhina Kreis Hünfeld." |
Verlobungsanzeige von Else Sichel und David Katzenstein
(1925)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. Dezember 1925:
"Statt Karten: Else Sichel - David Katzenstein
Verlobte. Grünsfeld (Baden) -
Rhina (Kreis Hünfeld. Dezember
1925." |
Verlobungsanzeige von Irma Rosenthal und Moritz Viktor II. (1928)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. Oktober 1928:
"Irma Rosenthal - Moritz Viktor II. Verlobte.
Fischborn Kr. Gelnhausen - Rhina Hessen Nassau. Halbfeiertag von
Sukkot". |
Verlobungsanzeige von Gerta Katz und Max Bamberger (1929)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. April 1929:
"Statt Karten - Gott sei gepriesen.
Gerta Katz - Max Bamberger.
Verlobte.
Rhina (Kreis Hünfeld) - Wiesenfeld (Unterfranken). April
1929." |
Werbung für die "Rhinaer Mazzen" von Moses
Blumenthal (1931)
Anzeige in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 23. Januar 1931:
"Rhinaer Mazzen - stets frisch, in bekannt erstklassiger Güte!
In Kassel zu haben bei: Siebert, Hohenzollernstraße 2
v.d. Emde, Königstor 50 Bartolomäus,
Germaniastr. 14 Jentsch, Wilhelmsh. Allee 33 Küllmer,
Frankfurter Straße 75 Hartmann, Müllergasse 17 Jentsch,
Marktgasse Jungclas, Entengasse 5 Reibert,
Hohentorstraße.
Bestellung zu Pessach franko Kassel direkt durch: Moses Blumenthal,
Rhina. Hünfeld - Land." |
Sonstiges
(aus der Sammlung von Peter K. Müller, Kirchheim/Ries)
Zahlungserinnerung
von
M. J. Nussbaum in Rhina (1928) |
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Die Zahlungserinnerung wurde
von M. J. Nussbaum Inhaber Josef Nussbaum am
20. Januar 1928 an Bäckermeister Joh. Schill in Frankershausen
verschickt. |
Zur Geschichte der Synagoge
Zunächst wurden die Gottesdienste im Betraum
eines jüdischen Hauses abgehalten.
1782 konnte eine Synagoge eingerichtet und eingeweiht werden. Beim
Synagogengebäude handelte es sich um ein umgebautes Schäferhaus, das den
Herren von Trümbach und Stein gehörte und ursprünglich in Wehrda gestanden
hatte. Nachdem es in Rhina aufgebaut worden war, wurden im oberen Stockwerk die
Synagoge und im unteren die Wohnung für den Lehrer eingerichtet. 1829
plante die Gemeinde den Neubau einer Synagoge, der jedoch nicht ausgeführt
werden konnte. Doch wurde in den folgenden Jahren die Synagoge vergrößert
umgebaut. Am 10. Januar 1834 (5594) erfolgte die Wiedereinweihung. Seit
1855 wurde wiederum über den Neubau einer Synagoge nachgedacht. Damals (1860)
wurde wiederum "nur" eine Vergrößerung vorgenommen und ein Schulhaus
angebaut. Aus der Geschichte der Synagoge liegen nur wenige Berichte vor: Ende
August 1867 wurde eine neue Torarolle feierlich eingeweiht.
Einweihung einer Torarolle (1867)
Aus
einem längeren Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
25. Dezember 1867 - der Artikel setzt sich mit der liberal-kritischen
Berichterstattung über Rabbiner Dr. Enoch auseinander: "Die Gemeinde
Rhina im Rabbinat Fulda, welche etwa neunzig fast ausschließlich streng
religiöse Familien zählte, feierte am vergangenen Rosch Chodesch Elul
(Schabbat, 31. August 1867), der auf einen Sabbat fiel, die Einweihung
einer Torarolle. Herr Dr. Enoch wurde ersucht, das Programm zu dieser
Festlichkeit zu entwerfen. Nachdem in demselben die zu dieser Feier sich
eignenden Gesänge angeordnet waren, bemerkte der Rabbiner, dass, wenn der
Zug am Schabbat stattfinden sollte, die musikalische Begleitung zu
unterbleiben habe, und dass er es überhaupt nicht zugeben könne, dass am
Schabbat bei dieser Freude über eine Weisung
Tanzunterhaltung stattfinden solle..." |
Spende von Clara Bartuch geb. Nußbaum für die
Synagoge (1922)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. Juli 1922: "Rhina,
20. Juni (1922). Frau Clara Bartuch geborene Nußbaum, aus New York
spendete aus Anhänglichkeit an ihren Geburtsort Rhina der israelitischen Gemeinde
100 Dollar zur Renovierung und Anlage des elektrischen Lichtes in der
Synagoge." |
Am 22. Januar 1933
konnte das 150jährige Bestehen der Synagoge gefeiert werden, worüber
die Zeitschrift "Der Israelit" berichtete:
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. Februar 1933:
"Rhina (Hünfeld-Land), 29. Januar (1933). Die hiesige israelitische
Gemeinde konnte auf das 150jährige Bestehen ihrer Synagoge
zurückblicken. Aus diesem Anlass fand am Sonntag, den 22. Januar in der
Synagoge ein Festgottesdienst statt, zu dem sich viele Gäste - darunter
zahlreiche Nichtjuden - eingefunden hatten. Die festlich geschmückte
Synagoge war dicht besetzt. Nach dem Minchogottesdienst sang Herr Kantor
(Levi) Bacharach, Eschwege (ein
geborener Rhinaer) 'Somachti b'aumrim li'. In einer mehr als
halbstündigen Rede sprach Herr Lehrer Oppenheim über die Bedeutung der
Gotteshäuser im allgemeinen sowie über die Geschichte der jüdischen
Gemeinde Rhina und ihres Gotteshauses. Zum Schluss sang - nach dem
Mischeberach von Lewandowsky - der Chor Psalm 100. Abends fand eine
öffentliche Feier
statt." |
In der NS-Zeit kam es alsbald zu Ausschreitungen
von Nationalsozialisten. So versuchten SA-Leute am 22. März 1935, die zum
Gottesdienst versammelten Juden vor der Synagoge mit Gummiknüppeln zu schlagen.
Die Nazis hatten ihre Gesichter verschmiert und das Nummernschild ihres LKWs
unkenntlich gemacht. Da die Rhinaer Juden sich wehrten, kehrten die SA-Schläger
einige Tage später zurück, zerschlugen Fenster und Türen von Häusern, in
denen jüdische Familien wohnten.
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge mit der jüdischen Schule und
der Wohnung des Lehrers angezündet. Das gesamte Gebäude brannte bis auf den
Grund nieder. Dabei wurde die gesamte Inneneinrichtung mit den 15 Torarollen und
wertvollen Ritualien vernichtet. Die jüdische Gemeinde wurde gezwungen, 1.800
Mark an die Ortsverwaltung für die Säuberung das das Abräumen der zerstörten
Überreste der Synagoge zu bezahlen. Für einen Spottpreis von 65 Mark kam das
abgeräumte Grundstück in den Besitz der Gemeinde. Nach abgeschlossenem
Restitutionsverfahren der JRSO in den 1950er-Jahren musste die Gemeinde im Blick
auf den Kaufpreis nachzahlen, damit sie das Grundstück "rechtmäßig" erworben
hatte.
1965 wurde auf dem Grundstück der ehemaligen Synagoge das
Dorfgemeinschaftshaus eingeweiht.
Adresse/Standort der Synagoge: Wetzloserstraße
29 (Dorfgemeinschaftshaus).
Fotos
Die Synagoge in Rhina
(Quelle Foto rechts:
Yad Vashem, Jerusalem,
Photo Archive) |
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Außen- und
Innenansicht der Synagoge in Rhina |
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Erinnerungsarbeit vor
Ort - einzelne Berichte
(Die Zusammenstellung erfolgte
unter Mitarbeit von Kurt Bolender; Fotos aus der Sammlung des Heimatvereins
Rhina e.V.)
1986:
Einweihung der Erinnerungstafeln
an die Gefallenen des 1. und 2. Weltkriegs mit den Namen der gefallenen
Juden des 1. Weltkriegs auf dem allgemeinen Friedhof in Rhina
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Auf der
Gedenktafel sind die Namen der Gefallenen des Ersten Weltkrieges aus
Rhina genannt; kursiv gesetzt meint die christlichen Gefallenen; David Katz, der im Gedenkbuch
des Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten genannt ist, wird auf der Tafel
nicht genannt:
Adolf Adler (geb. 30.1.1884 in Rhina, vor 1914 in Düsseldorf
wohnhaft, gef. 18.8.1918), Hermann Adler (geb. 1.6.1880 in Rhina, vor 1914 in
Bad Kreuznach wohnhaft, gest.
1.7.1916), Salomon Bacharach (geb. 9.10.1898 in Rhina, gef. 30.8.1918), Herrmann Buxbaum (geb. 25.12.1884 in
Rhina, gef. 28.5.1917), Joseph Geis (geb. 18.3.1897 in Rhina, gef. 26.9.1915),
Heinrich Hahn (), Valentin Hahn (), David Katz (geb. 24.3.1877 in Rhina, gef. 29.4.1915), Gustav Katz (geb.
26.5.1899 in Rhina, gef. 10.1.1920), Joseph (Josef) Katz (geb. 14.11.1884 in Rhina, gef.
15.7.1918), Leopold Katz (geb. 11.11.1896 in Rhina, gef. 2.12.1917), David
Katzenstein (gef. 1915), David Katzenstein (geb. 28.12.1877 in Rhina, vor 1914
in Aschaffenburg wohnhaft, gef.
10.7.1916), Marcus
(Markus) Katzenstein (geb. 7.2.1891 in Rhina, gef. 20.8.1914), Gefreiter Sally
(Salli) Katzenstein (geb. 26.5.1896 in Rhina, gef. 28.11.1917), Adam
Kemmler (), Salomon Klebe (geb.
6.11.1890 in Rhina, gef. 12.4.1918), Samuel Klebe (geb. 18.6.1888 in Rhina, gef.
4.10.1918), Johann Lotz (), Andreas Manns (), Karl Manns (), Johann Maul (), Gefreiter Julius Viktor Pfifferling (geb. 5.9.1891 in Rhina, gef.
21.9.1917), Adam Rohrbach (), Heinrich Rohrbach (), Johann Schul (), Gefreiter Leopold Viktor (geb. 22.6.1892 in Rhina, gef. 12.10.1914),
Jacob Will ().
Anmerkung: viele andere jüdische Kriegsteilnehmer kamen mit hohen Auszeichnungen
von ihrem Kriegseinsatz zurück. |
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1988:
Diskussionsveranstaltung im
Dorfgemeinschaftshaus Rhina, Motto: Leben ohne Vergangenheit?
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1988:
Ausstellung "Jüdische Friedhöfe
im Kreis Hersfeld-Rotenburg" ergänzt mit "Darstellungen aus der ehemaligen
jüdischen Gemeinde Rhina" |
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1988:
Baumassnahmen auf dem jüdischen
Friedhof in Rhina unter Mithilfe Rhinaer Bürger, Mitarbeitern des
Gemeindebauhofs und einer internationalen Jugendgruppe
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1988:
Einweihung einer Gedenktafel für
die Opfer des Holocausts und der Vertreibung auf dem jüdischen Friedhof
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2003:
Anbringung einer Hinweistafel am
DGH Rhina, dem ehemaligen Standort der Synagoge und Schule
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Text
der Tafel: "An dieser Stelle stand seit 1782 die Synagoge der jüdischen
Gemeinde von Rhina. Der 1855 errichtete Neubau mit Schule und Ritualbad
wurde 1860 eingeweiht. Die Gebäude wurden am 10. November 1938 zerstört."
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2003:
Anlässlich der Feierlichkeiten zur 1000-jährigen Ersterwähnung von Rhina im
Jahre 2003: Diskussionsforum mit dem Motto: Jüdische Geschichte in Rhina -
Was geht uns das an?
Im wesentlichen vorbereitet und durchgeführt von Mitgliedern des
Heimatvereins Rhina und zwei Schulklassen der Obersbergschule in Bad
Hersfeld, in die auch Rhinaer Schüler gingen. Eine Schülerin aus Rhina hat
ihre Abiturarbeit zu diesem Thema geschrieben. |
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2005:
Herausgabe des Buches "Rhina im
Spiegel seiner christlich-jüdischen Vergangenheit" durch den Heimatverein
Rhina e.V..
Buch
mit 504 Seiten und vielen historischen Fotos von dem Haunetaler Historiker
Harald Neuber (ISBN 3-00-016677-7). |
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Seit 2015:
Führungen zur jüdischen Geschichte
durch Rhina |
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Juni 2018:
Auf den Spuren der jüdischen
Geschichte in Rhina |
Artikel in der "Hersfelder
Zeitung" vom 27. Juni 2018: "Geschichtsexkursion von Schülern in
Haunetal. Auf den Spuren der jüdischen Mehrheit in Rhina
Rhina. Schüler der Alexander-von-Humboldt-Schule in Lauterbach haben den
Haunetaler Ortsteil Rhina erkundet. Es war der einzige Ort in Preußen, der
bis 1905 eine jüdische Mehrheitsbevölkerung hatte. Unter sachkundiger
Führung von Kurt Bolender, der sich ausführlich mit der jüdischen Geschichte
seines Heimatortes auseinandergesetzt hat, ging die Gruppe durch den Ort und
ließ sich zeigen, wo die jüdischen Familien einst gewohnt haben. Viele
betrieben Geschäfte, zum Beispiel mit Eisenwaren und Schuhen, und es gab
eine Bäckerei. Sie boten damit der Bevölkerung bequeme und nahe
Einkaufsmöglichkeiten. Die Juden lebten im Dorf verteilt in enger
Nachbarschaft zu den Christen und waren auch in den Vereinen engagiert. Am
Schabbat (Samstag) verrichtete die christliche 'Schabbesmagd' die Arbeiten,
die den Juden an diesem Tag verboten waren. 1933 änderte sich alles sehr
schnell. Wer konnte, verließ den Ort. Am 10. November 1938 wurde die
Synagoge in Brand gesteckt. An ihrer Stelle steht heute das Gemeindehaus, an
dem nun eine Tafel an das 1855 errichtete Gotteshaus erinnert. Dorthin hatte
das Ehepaar Bolender zu einem kleinen Imbiss eingeladen.
Eine Gedenktafel befindet sich auch auf dem jüdischen Friedhof, der nächsten
Station des Rundgangs. Viele Grabmale sind gekennzeichnet von der
Zerstörungswut der Nazis, die auch vor dem Friedhof nicht Halt gemacht
hatten. Anschließend fuhr die Gruppe weiter nach
Rotenburg, wo Dr. Heinrich Nuhn
und seine Frau die Schätze des Jüdischen Museums vorstellten sowie die
Nutzung der einzigartigen spätmittelalterlichen Mikwe (rituelles Tauchbad)
erläuterten."
Link zum Artikel |
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Dezember 2019:
Verlegung von "Stolpersteinen"
in Rhina |
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Gunter Demnig |
Die drei vor dem
Haus Im Unterland 11 verlegten "Stolpersteine" |
Interessiertes Publikum
bei der Verlegung |
Pfarrerin Dr.
Ann-Cathrin Fiß |
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Dazu Artikel
von Hartmut Zimmermann in der "Fuldaer Zeitung" vom 10. Dezember
2019:
"Stolpersteine in Rhina verlegt – Erinnerung an ermordete Juden
RHINA. Erstmals sind in Rhina Stolpersteine verlegt worden. Sie
erinnern an das Schicksal dreier jüdischer Menschen aus dem Dorf, die in der
NS-Zeit ermordet wurden. Die Verlegung mit dem Aktionskünstler Gunter Demnig
geht auf eine Initiative des Heimatvereins Rhina zurück. Von 1860 bis 1905 –
damals lebten dort knapp 584 Menschen – war Rhina der einzige Ort im Land
Preußen, in dem die Mehrheit der Bevölkerung jüdisch war. Zum 1. März 1939
erklärten die NSDAP-Verantwortlichen Rhina für 'judenfrei'. Vermutlich
wurden 49 jüdische Menschen aus Rhina in der NS-Zeit ermordet. An drei von
ihnen erinnern seit gestern ins Gehwegpflaster eingelassene Stolpersteine.
Texte von Schülern und Zitate aus Polizeiakten. Vor dem Haus Nr. 11
in der Straße Im Unterland zeigen sie, dass dort der letzte freiwillig
gewählte Wohnort von Leopold, Selma und Rickchen Metzger war. Schüler und
Schülerinnen der Klasse 9 d der Obersbergschule Bad Hersfeld hatten mit
ihrer Lehrerin Katharina Breitkreutz Texte zusammengestellt, die, ergänzt
durch die Lebensdaten von Rickchen, Selma und Leopold Metzger, Schlaglichter
auf die Zeit von Verfolgung und Entrechtung der Juden in den 1930er Jahren
warfen. Zitate aus Polizeiakten schildern in lapidarer Sprache Übergriffe
und Gewalt. Die drei Metzgers mussten Rhina verlassen. Von Frankfurt am Main
führte ihr Weg nach Minsk und Sobibor in den Tod.
Unverzichtbar sei die 'Herzensbildung'. In ihrer Ansprache
beantwortete Rhinas evangelische Pfarrerin Dr. Ann-Cathrin Fiß die Frage,
warum man so viele Jahre nach dem Holocaust immer noch Erinnerungsorte
benötige, mit einem Zitat der jüdischen Psychologin Hédi Fried. Die 1924
geborene Wissenschaftlerin, die bis heute in Schulen über ihr Er- und
Überleben in Auschwitz und Bergen-Belsen spricht, betont die Bedeutung der
Erziehung. Dabei gehe es um viel mehr als um Wissen, unterstreicht sie.
Unverzichtbar sei die 'Herzensbildung': Das Auswendiglernen von Fakten
erreiche nur das Gehirn, fasste Fiß Frieds Erkenntnis zusammen. Was nur den
Kopf erreiche, das werde leicht vergessen. Daher komme es auf das gute
Beispiel von Eltern und Lehrern an – dadurch werde das Herz geschult. Sie
könnten so 'die kommende Generation zu Empathie und bedingungsloser Liebe
erziehen und so eine Welt ohne Hass schaffen.'
'Stolpern, innehalten, erinnern'. Das Gedenken, so Fiß, solle das
Herz weit machen. Denn das Mitgefühl richte sich nicht nur auf die
Vergangenheit, sondern auch auf Gegenwart und Zukunft. Das entspreche dem
geistigen Umfeld der hebräischen Bibel, des Alten Testaments: Gottes
Barmherzigkeit wende Not und Leid, und das Gedenken brauche auch immer die
Tat zum Guten. 'Wir müssen uns erinnern und diejenigen, denen so unfassbares
Leid angetan wurde, in unser Herz lassen. Stolpern, innehalten, erinnern –
dazu sollen uns diese Steine bringen.' Im Namen des Geschichtsvereins hieß
Kurt Bolender die knapp 100 Menschen, die sich zu der Zeremonie versammelt
hatten, willkommen. Er dankte den heutigen Besitzern des Hauses für ihr
Einverständnis, dieses Gedenken zu ermöglichen.
Das Projekt. Die Stolpersteine sind ein Projekt des Künstlers Gunter
Demnig. Mit den Gedenktafeln soll an Menschen erinnert werden, die in der
NS-Zeit verfolgt, ermordet, deportiert, vertrieben oder in den Suizid
getrieben wurden. Im Oktober 2018 verlegte Demnig in Frankfurt den 70.000.
Stein. "
Link zum Artikel |
Weiterer Artikel von Brunhilde Miehe in der
Hersfelder Zeitung" vom 11. Dezember 2019: "Stolpersteine gegen das
Vergessen in Rhina..."
Link zum Artikel |
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Oktober
2021: Weitere
"Stolpersteine" wurden verlegt |
Artikel von "zi" in der
"Hünfelder Zeitung" vom 5. Oktober 2021: "In Rhina verlegt. 20
Stolpersteine gegen das Vergessen - Lübeck: Zivilgesellschaft und
Rechtsstaat sind gefordert
Zum zweiten Mal hat die Marktgemeinde Haunetal in Zusammenarbeit mit dem
örtlichen Heimatverein im Ortsteil Rhina Stolpersteine verlegt, um dem
Schicksal ehemaliger jüdischer Mitbürger zu gedenken.
Rhina - Bürgermeister Timo Lübeck (CDU) erinnerte daran, dass auch Jüdinnen
und Juden aus Rhina im Kreis Fulda während der Zeit des Nationalsozialismus
entrechtet, verfolgt und ermordet wurden. 'Sie kamen aus Familien, die hier
zum Teil seit Generationen zu Hause waren. Sie hatten hier die Schule
besucht und ihren Beruf ausgeübt, sie waren Teil des gesellschaftlichen und
kulturellen Lebens. Sie gehörten dazu, bis die Nazis die Macht übernahmen.'
Kurt Bolender vom Heimatverein Rhina, der sich seit vielen Jahren für die
Erinnerung an das jüdische Leben in Rhina engagiert, hatte die biografischen
Daten von 20 Opfern aus sechs Familien recherchiert. Jugendliche aus Rhina –
Ina Becker, Samuel Grobek, Morris Bolender, Luka und Julius Nuhn – verlasen
diese vor den jeweiligen Häusern und legten an den neu verlegten
Stolpersteinen Nelken zum Gedenken ab. Die evangelischen Pfarrer Nelli
Michels und Thomas Funk sprachen kurze Worte des Gedenkens und brachten ihre
Hoffnung zum Ausdruck, dass die Stolpersteine tatsächlich die Gedanken zum
Stolpern bringen. Während der würdevollen musikalischen Darbietungen von
Elena Töws (Akkordeon) und Eckhard Möbius (Geige) verlegte Heino Katzer vom
gemeindlichen Bauhof die Steine, die vom Künstler Gunter Demnig gestaltet
wurden.
Bevor die Veranstaltung bei einem Empfang im Dorfgemeinschaftshaus ausklang,
mahnte Lübeck, dass Gedenken immer auch zum Nachdenken führen müsse.
'Antisemitismus hat heute viele Ausprägungen. Es gibt den bekannten
Antisemitismus alter und neuer Nazis, es gibt linken Antisemitismus und
mittlerweile haben wir es auch zunehmend mit einem muslimischen
Antisemitismus zu tun. Das ist eine gewaltige Herausforderung für die
Integrationspolitik. Der schreckliche Anschlag auf die Synagoge in Halle vor
zwei Jahren und der vor wenigen Tagen nur knapp vereitelte Terrorversuch auf
ein jüdisches Gotteshaus in Hagen zeigen die erschreckende Aktualität.' Dem
müssten der Rechtsstaat, vor allem aber die Zivilgesellschaft, entschlossen
entgegentreten, unterstrich er. (Lesen Sie auch: Erinnerung an das jüdische
Leben: Ab November sollen Stolpersteine in Wüstensachsen verlegt werden).
Ihrer wird gedacht. Stolpersteine wurden verlegt zur Erinnerung
an: Joseph Klebe, Emanuel Oppenheim, Jette Oppenheim und Else Oppenheim (Im
Unterland 9). Sally Klebe, Julchen Klebe und Rudi Klebe (Wehrdaer Str. 1).
Lina Klebe, Frieda Klebe, Josef Klebe, Miriam Klebe, Senta Klebe und Herbert
Klebe (Wehrdaer Str. 2). Bernhard Katz und Emma Katz (Wetzloser Str. 31).
Moritz Victor und Karoline Victor (Wetzloser Str. 40). Leopold Katz, Bertha
Katz und Fredy Katz (Im Oberland 1). Sie alle wurden im Jahr 1941 mit
verschiedenen Transporten in von Nazideutschland besetzte Gebiete im Osten
deportiert und ermordet."
Link zum Artikel |
Fotos zur "Stolpersteine"-Verlegung im Oktober 2021:
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Verlegung an der Adresse
Im Unterland 9 |
Biografien werden verlesen
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Stolpersteine für Joseph
Klebe sowie Emanuel, Jette und Else Oppenheim (Im Unterland 9) |
Interessierte Anwesende
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Musikalische Umrahmung
durch Elena Töws
und Eckhard Möbius |
Stolpersteine für Sally,
Julchen und
Rudi Klebe (Wehrdaer Str. 1) |
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Stolpersteine für
Herbert, Senta, Miriam, Josef, Frieda und Lina Klebe (Wehrdaer Str. 2) |
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Stolpersteine für
Bernhard und Esther Katz
(Wetzloser Str. 31) |
Stolpersteine für
Karoline und
Moritz Victor (Wetzloser Str. 40) |
Stolpersteine für Leopold,
Bertha und
Fredy Katz (Im Oberland 1) |
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Oktober 2022:
Weitere "Stolpersteine" wurden verlegt
Die Stolpersteine wurden verlegt zur Erinnerung an: Wehrdaer Straße 8: Grete
Katzenstein; Wetzloser Straße 10: Josef und Julia Pfifferling; Wetzloser
Straße 28: David, Henny und Natalia Pfifferling; Wetzloser Straße 17:
Hannchen Simon; Wetzloser Straße 23: Max Nussbaum; Wetzloser Straße 25:
Beila Nussbaum; Im Oberland 12: Isaac, Jeanette, Rosa, Bernhard und Moritz
Katzenstein. |
Artikel
von "lor" in der "Hünfelder Zeitung" vom 27. Oktober 2022:
"Im Gedenken an ehemalige jüdische Mitbürger. Weitere Stolpersteine in Rhina
verlegt.
Rhina. Trotz Regens waren zahlreiche Gäste nach Rhina gekommen, um an
der dritten Stolperstein-Verlegung teilzunehmen. Diese hatte die Gemeinde
Haunetal in Zusammenarbeit mit dem Heimatverein Rhina organisiert, um an das
Schicksal ehemaliger jüdischer Mitbürger zu erinnern.
'Wie überall in
Deutschland wurden in der Zeit der Nazis die Juden aus Rhina entrechtet,
verfolgt und ermordet. Sie kamen aus Familien, die hier im Dorf zum Teil
seit Generationen zu Hause waren.' sagte Bürgermeister Timo Lübeck (CDU) bei
seiner Begrüßung. 'Sie hatten hier die Schule besucht und ihren Beruf
ausgeübt, sie waren Teil des gesellschaftlichen und kulturellen Lebens. Sie
gehörten dazu, bis die Nazis die Macht übernahmen.' Die heutige Generation
sei nicht verantwortlich für diese Taten, aber es sei ihre Verantwortung die
Erinnerung daran wach zu halten. Jugendliche aus Rhina verlasen die
Biografien der Opfer, während Heino Katzer vom gemeindlichen Bauhof die
Stolpersteine verlegte. Worte des Gedenkens sprach Prof. Dr. Stefan Michels
von der Uni Frankfurt. Bewegend war das Gebet von Rabbiner Oded Peles, der
mit weiteren Gästen aus Israel angereist war.
Beim Empfang im Dorfgemeinschaftshaus musizierten Elena Töws und Eckhard
Möbius. Hans-Jürgen Nemluvil, Vorsitzender des Heimatvereins Rhina, dankte
Kurt Bolender, der die Veranstaltung vorbereitet hatte." |
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Fotos zur Stolpersteinverlegung im
Oktober 2022 (erhalten von Kurt Bolender) |
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Jugendliche
aus Rhina verlesen die Biografien der Opfer an den verschiedenen Stellen der
Verlegung |
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Zahlreiche
Interessierte kamen zur Verlegung an den unterschiedlichen Stellen |
Rabbiner Oded Peles |
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Stolperstein für Grete
Katzenstein
(Wehrdaer Straße 8) |
Stolpersteine für Josef
Pfifferling und Julia
geb. Wallach (Wetzloser Straße 10) |
Stolperstein für Max Nussbaum
(Wetzloser Straße 23) |
Stolpersteine für Isaac,
Jeanette, Rosa, Bernhard und Moritz Katzenstein (Im Oberland 12) |
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Stolperstein für Beila
Nussbaum
(Wetzloser Straße 25) |
Stolpersteine für David,
Henny und Natalia
Pfifferling (Wetzloser Straße 28) |
Yaron Peles
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Musik im
Dorfgemeinschaftshaus
(Elena Töws und Eckhard Möbius) |
Links und Literatur
Links:
Quellen:
Hinweis
auf online einsehbare Familienregister der jüdischen Gemeinde Rhina |
In der Website des Hessischen Hauptstaatsarchivs
(innerhalb Arcinsys Hessen) sind die erhaltenen Familienregister aus
hessischen jüdischen Gemeinden einsehbar:
Link zur Übersicht (nach Ortsalphabet) https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/llist?nodeid=g186590&page=1&reload=true&sorting=41
Zu Rhina sind vorhanden (auf der jeweiligen Unterseite zur
Einsichtnahme weiter über "Digitalisate anzeigen"):
HHStAW 365,686 Geburtsregister der Juden von Rhina (Haunetal) 1824 - 1833
https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v3271675
HHStAW 365,688 Trauregister der Juden von Rhina (Haunetal) 1824 - 1838
https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v290044
HHStAW 365,690 Sterberegister der Juden von Rhina (Haunetal) 1824 - 1841
https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v5319776
HHStAW 365,685 Mitgliederliste der jüdischen Gemeinde in Rhina (Haunetal) 1829 - 1830;
enthält eine Mitgliederliste mit Angaben zu Geburts- und Traudaten,
Familienstand, Gewerbe sowie Grund- und Immobilienbesitz
https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v2924726
HHStAW 365,687 Geburtsregister der Juden von Rhina (Haunetal) 1834 - 1938
https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v2126667
HHStAW 365,689 Trauregister der Juden von Rhina (Haunetal) 1840 - 1927
https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v2126668
HHStAW 365,691 Sterberegister der Juden von Rhina (Haunetal) 1842 - 1897
https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v5319777
HHStAW 365,692 Sterberegister der Juden von Rhina (Haunetal) 1897 - 1938
https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v4250817
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Literatur:
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. II S. 220-222. |
| ders.: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Bilder -
Dokumente. S. 181. |
| Brunhilde Miehe: Rhina, einstmals Brennpunkt
jüdischer und christlicher Religion und Lebensart. Kirchhain 1970. |
| Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.):
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der
Verfolgung 1933-1945. Hessen II Regierungsbezirke Gießen und Kassel. 1995 S.
60-61. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. 583-585. |
| Peter O. Chotjewitz: Saumlos. Roman eines Dorfes.
Hamburg 1982. Berlin 2004 (Roman mit einer eindringlichen Schilderung der
Vertreibung der Juden aus Rhina). |
| Renate Chotjewitz-Häfner: "Juden haben keinen Zutritt". Die Auflösung der jüdischen Landgemeinden in Osthessen. In:
Ulrich Schneder (Hg.): Hessen vor 50 Jahren - 1933. Frankfurt 1983. |
| Renate Chotjewitz-Häfner / Peter O. Chotjewitz:
Die Juden von Rhina aus der Chronik eines osthessischen Dorfes.
Oberellenbach 1988. |
| dieselben: Die mit Tränen säen. Bodenheim
1983. |
| Elisabeth Sternberg-Siebert: Jüdisches Leben im
Hünfelder Land - Juden in Burghaun. Michael Imhof Verlag. Petersberg
2001. |
| Abraham Frank: Geschichte der Juden in Rhina. Online
zugänglich. |
| Harald Neuber: Rhina im Spiegel seiner
christlich-jüdischen Vergangenheit. Haunetal 2005. |
| Interview von 2008 (englisch) mit Rafael Klebe (geb.
1921 in Rhina): "When Israel won independence, Denver's Rafael Klebe
helped make it happen" by Chris Leppek. pdf-Datei. |
| Gerhardt Maul: "Alles war gut, bist es nicht
mehr gut war......" Dokumentation einer gescheiterten Einladung an die
Juden aus Rhina (1984). Online
zugänglich (pdf-Datei). |
Film:
| Hinweis
auf den Film von Harald Lüders und Pavel Schnabel: Jetzt - nach so viel Jahren.
"forceful, provocative, outstandingly good" NEW YORK TIMES
"a spare, elegantly made documentary... deserving special attention for the light it sheds on
German attitudes toward the Nazi period." VILLAGE VOICE
Über diesen Film: Bis 1923 war das idyllische Rhina in Oberhessen ein Ort, in dem mehr als
die Hälfte der Dorfbewohner jüdisch waren. Lange Zeit wurde es "Klein-Jerusalem" genannt. Als die
Nationalsozialisten an die Macht kamen, wurde diese alte jüdische Gemeinde zugrunde gerichtet, und die meisten Juden mußten ins Konzentrationslager. In Rhina blieb von ihnen nicht mehr als ein verwüsteter Friedhof zurück.
Befragt nach den deportierten Nachbarn erzählen die Rhinaer vom friedlichen Miteinander damals. Aber die wenigen überlebenden Juden, die in New York
City wohnen, erinnern sich auch an ganz andere Ereignisse. Höhepunkt des Films ist eine emotionale Konfrontation: Die Rhinaer sehen ihre früheren Nachbarn auf der Leinwand wieder.
Dieser bewegende Einblick erhielt als bester Dokumentarfilm u.a. den Adolf-Grimme-Preis mit Gold und das 'Certificate of Special Merit' des Oscar-Komitees in Hollywood.
Dokumentarfilm 16 mm, Farbe, 60 Min.
im Auftrag des Hessischen Rundfunks © 1981. Pavel Schnabel Filmproduktion Herbartstraße 32 60316 Frankfurt am Main Tel. 069/4930775
pavel.schnabel@t-online.de"
Der 1980/81 entstandene Film wurde 2018 restauriert und
digitalisiert. |
| Hinweis auf Presseartikel vom 6. Februar 2020 in der
FuldaInfo.de: "Großes Interesse an Dokumentarfilm über Rhinas Juden..."
https://www.fuldainfo.de/grosses-interesse-an-dokumentarfilm-ueber-rhinas-juden/
Filmausschnitt auf vimeo - bitte
Bild anklicken oder über
https://vimeo.com/ondemand/jetztnachsovieljahren/499705380?autoplay=1
https://vimeo.com/499705380
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Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Rhina (now part
of Haunetal) Hesse-Nassau. Encouraged to settle there around 1650, Jewish
immigrants from Bavaria established a community in 1682 but only acquired a
permanent synagogue 100 years later. They maintained a talmud torah and
an elementary school (1782-1938), but could not afford to build a new synagogue
and had the old one renovated in 1834. A Jewish civil gard was organized in
Rhina during the 1848 revolution. By 1885 these strictly Orthodox Jews numbered
314 (56 % of the total). Affiliated with the rabbinate of Fulda, the community
shrank from 225 (43 %) in 1925 to 87 (22 %) in October 1938. Nazis burned the
synagogue on Kristallnacht (9-10 November 1938) and by 1 March, Rhina was
officially 'free of Jews' (judenrein). A total of 76 Jews emigrated (50
to United States) and about the same number perished in the Holocaust.
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