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zu den Synagogen in
Baden-Württemberg
Steinbach (Stadt Schwäbisch Hall, Landkreis
Schwäbisch Hall)
Jüdische Geschichte / Betsaal/Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
In Steinbach bestand eine jüdische Gemeinde bis 1938,
zuletzt als Filiale zur Synagogengemeinde Schwäbisch Hall. Ihre Entstehung geht
in die Zeit des 17. Jahrhunderts zurück, als der Ort noch dem adligen
Chorherrenstift Comburg gehörte. Erstmals wurden 1621 Juden am Ort
genannt, die durch den damaligen Dekan Georg von Wiesentau aufgenommen wurden.
Möglicherweise gab es bereits im 15./16. Jahrhundert (aus Hall
vertriebene?) Juden im Ort (1554 Jud Schay aus Steinbach in Hechingen, 1562 Jud
Isaac aus Steinbach genannt Beifuß in Berlichingen genannt).
Das jüdische Wohngebiet konzentrierte sich im 17./18. Jahrhundert auf die früher sog.
"Judengasse" (heute Neustetter Straße). 1648 lebten sechs
jüdische Familien in Steinbach. 1677 wurden die Juden vorübergehend
ausgewiesen; ab 1699 durften erneut Juden in Steinbach wohnen. Nun bildete sich
eine kleine Gemeinde mit einem 1702 eingerichteten Betraum (siehe unten).
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1806 60 jüdische Einwohner, 1822 78, 1826 84, 1833 83, 1838 85, 1844 90
(Höchstzahl jüdischer Einwohner), 1846 88, 1858 65, 1864 46, 1871 35, 1880 22,
1890 12, 1894 14, 1900 10, 1910 6. In der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts
ging die Zahl der jüdischen Einwohner vor allem durch die Abwanderung nach Schwäbisch Hall schnell
zurück.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine
jüdische Schule (seit 1828, 1869 wurde die Schule nach Hall verlegt), ein
rituelles Bad (seit 1809 im Synagogengebäude s.u.) und einen Friedhof.
Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer
angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war. Die Gemeinde
gehörte zum Rabbinatsbezirk Braunsbach bzw. Schwäbisch Hall-Braunsbach.
Noch in der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde von den Steinbacher Juden geschrieben, dass sie
zu den "Mittellosesten im Land" gehören.
1924 waren noch zwei jüdische Personen in Steinbach wohnhaft. Die
bis zur Deportation 1941 in Steinbach lebende Mathilde Adler wurde nach Riga
deportiert. Sie wurde vermutlich ermordet (für tot erklärt).
Aus der Geschichte der
jüdischen Gemeinde
Aus dem jüdischen Gemeindeleben
Staatliche Unterstützung für eine Schullehrerwohnung
(1843)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 11. Dezember
1843: "Steinbach (Königreich Württemberg), 6. November
(1843). In Folge Erlasses des hohen Ministeriums des Innern und des
Kirchen- und Schulwesens vom 21. vorigen Monats und vermöge höchster
Entschließung vom 20. vorigen Monats ist der hiesigen israelitischen Schulgemeinde
zu den Kosten der Herstellung einer Schullehrer-Wohnung ein Beitrag von
100 Gulden aus dem Reservefond der Staatskasse von Seiner Majestät des
Königs gnädigst bewilligt worden." |
Zur Geschichte des Betsaales / der Synagoge
Der Betsaal in der Neunstetter Straße 29 (von 1702 bis
1809)
Seit 1702 bestand eine Synagoge (Betsaal)
in Steinbach, die Mayer Seligmann in seinem dortigen Haus eingerichtet hatte.
Das Stift Comburg verlangte die Schließung der Synagoge. Zwei Jahre später
wurde erneut die Abhaltung jüdischer Zeremonien in Steinbach verboten. Aber
auch diesmal scheint das Verbot nicht auf Dauer gewirkt zu haben, denn 1710
folgte ein erneutes Verbot. Wenige Jahre später werden gemeinsame Gottesdienste
der Steinbacher und Unterlimpurger Juden in Unterlimpurg
abgehalten. Allerdings lag den Steinbachern daran, möglichst bald wieder einen
eigenen Betsaal zu bekommen. 1737 klagten sie darüber, dass es beschwerlich
sei, bei Regen und Winterwetter in die Schule (= Synagoge) nach Unterlimpurg zu gehen. Das
Stift Comburg gestattete nun die Abhaltung von Gottesdiensten in Steinbach,
worauf es für einige Jahre zur Trennung zwischen den Gemeinden kam. 1737/38
wurde - wie in Unterlimpurg - der Steinbacher Betsaal durch Elieser Sussmann
ausgemalt (Reste wurden 2001 entdeckt und befinden sich heute im
Hällisch-Fränkischen Museum in Schwäbisch Hall). Nach dem
Tod von Moses Mayer in Unterlimpurg 1744, dem der dortige Betsaal gehörte,
wurden die Gottesdienste möglicherweise wieder nur in Steinbach besucht.
Aus dem Jahr 1771 liegt ein Vertrag vor, in dem die beiden
Gemeinden vereinbarten, den "Schulgang" (Besuch der Gottesdienste) jährlich
wechseln zu lassen, das heißt von Neujahr 1771 bis 1772 in Löw Mayers Haus in
Unterlimpurg, 1772/1773 wieder in Steinbach. In diesem Vertrag hieß es, die
Synagoge sei lange ausschließlich in Steinbach gehalten worden. Der in diesem
Vertrag vereinbarte Rhythmus wurde jedoch nicht streng eingehalten: nach 1782
oder spätestens 1788 wurde er wieder aufgegeben. Gottesdienste fanden nun
ausschließlich in Steinbach statt.
Die Steinbacher Synagoge mit der 1737/38 angefertigten Ausmalung durch Elieser
Sussmann befand sich im Dachgeschoss des
Haus, das Mayer Abraham und Herzle Abraham jeweils zur Hälfte besaßen (heutige
Adresse des Hauses: Neustetter Strasse 29). 1746 wurden bei der Teilung des
Hauses eine Frauen- und eine Männerschule erwähnt, wobei die Synagoge beiden
Hausbesitzern gemeinsam gehörte. 1767 erweitere Herzle Abraham die
Frauenschule, um Platz für die Ehefrau des Schulmeisters Seligmann Binckhes zu
schaffen, die sonst nicht hätte bei den Frauen stehen können.
Die Synagoge in der Neustetter Straße 34 (von 1809 bis
1938)
Anfang des 19. Jahrhunderts wurden die engen Verhältnisse
im Steinbacher Betsaal immer unerträglicher empfunden. 1807 berichtete der
Stabsamtmann, an Sabbaten stünden die Juden in ihrem Betsaal "wie aufeinander
gepfropft". Zu den Steinbacher Juden, die damals aus 17 Familien (zusammen 72
Personen) bestand, kamen über Sabbat zusätzlich zahlreiche Betteljuden, was
die Lage noch verschärfte. Zudem hat Aron Herzle, dem jetzigen Hausbesitzer die
beiden Stuben des Betsaales dringend für eigene Wohnzwecke gebraucht. Im
November 1806 bat die jüdische Gemeinde Steinbach um eine Bauerlaubnis für
eine am Ort zu erstellende Synagoge. Die Erlaubnis wurde von König
Friedrich von Württemberg am 6. Januar 1807 persönlich erteilt. Laut
Ministerialdekret vom 22. Mai 1808 wurde der Steinbacher Judenschaft gestattet,
eine Kollekte bei den anderen Gemeinden in Württemberg zur Erhebung der
Geldmittel zu organisieren. Die Baukosten wurden auf etwa 2.400 Gulden
berechnet. 1809 wurde der Neubau beim Torturm nach Unterlimpurg abgeschlossen
und die Synagoge eingeweiht.
Die Steinbacher Synagoge sollte auch das Gotteshaus für die Haller Juden
werden. Die ersten dort 1825/28 wohnenden Juden kamen zu den Gottesdiensten in
den Nachbarort. Auch nach Gründung einer Gemeinde in Hall wurden bis 1935 an
Festtagen die Gottesdienste der beiden Gemeinden zusammen in Steinbach
abgehalten.
In der Pogromnacht im November 1938 wurde die
Synagoge weitgehend zerstört. Am 10. November 1938 kamen um 2 Uhr morgens
mehrere Männer, darunter ein SS-Offizier nach Steinbach. Sie zerschlugen die
Eingangstür und versuchten mit Papier die Synagoge anzuzünden, was mehrfach
misslang, da der Raum sehr feucht war. Einige Zeit später kamen weitere SA-Männer
und andere Parteigenossen und zwischen 4.30 Uhr und 5 Uhr zündeten den Betsaal
mit Benzin an. Als mit gewollter Verzögerung die Feuerwehr vor allem zum Schutz
der Nachbarhäuser alarmiert wurde, stand das Synagogengebäude bereits in
Flammen. Gegen 5.30 Uhr war das Synagogendach teilweise eingestürzt; nach dem Löschen
der Flammen war von der Synagoge nur noch ein Schutthaufen mit Außenmauern
vorhanden.
Anfang 1939 übertrug die Israelitische Gemeinde das
Synagogengrundstück der Stadt, die "als Gegenleistung" sich verpflichtete, "das
Grundstück [...] in einen ordnungsmäßigen, den Verhältnissen
zweckentsprechenden Zustande zu bringen". 1940 wurde das Grundstück
weiterverkauft, damit auf ihm ein Dreifamilienhaus erbaut werden könnte. Bis
heute ist diese Haus, in dem die Mauerreste der früheren Synagoge aufgegangen
sind, als Wohnhaus erhalten. Eine Gedenktafel wurde 1989 angebracht (Neustetter
Strasse 34).
Fotos
Historische Fotos/Darstellungen:
(Quellen: Darstellung um 1820 und Außenansicht um 1930 aus:
Taddey, Kein kleines Jerusalem, s. Lit. Abb. 54
und 56;
Scan der historischen Ansichtskarte von 1907 sowie der historischen
Ansichtskarten erhalten von Bernd Schultheiss;
Innenansicht aus: Jüdische Gotteshäuser und Friedhöfe in Württemberg
1932 S. 79)
Darstellung
um 1820 |
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Die Steinbacher Synagoge unterhalb
der Comburg (erstes Haus links). |
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Historische
Ansichtskarten -
Karte rechts von 1907
(aus der Sammlung von
Bernd Schultheiss) |
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Blick auf Steinbach bzw.
"Haalsteige mit Comburg" |
Ausschnittvergrößerung: die
Synagoge rechts des Torturmes |
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Weitere historische
Ansichtskarten - undatiert
(aus der Sammlung von
Bernd Schultheiss) |
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Blick auf
"Steinbach mit Comburg" |
Ausschnittvergrößerung:
die
Synagoge rechts des Torturmes |
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Historische Karte
"Steinbach bei Schwäb Hall mit Sonnenbau, Comburg und
Einkorn";
am linken Bildrand 2. Gebäude von links die ehemalige Synagoge
(Foto rechts Ausschnittvergrößerung) |
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Innenansichten um 1930 |
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Die Steinbacher Synagoge
um 1930 |
Innenansicht der Synagoge
in Steinbach um 1930 |
Innenaufnahme der Synagoge mit
Blick
zur Frauenempore (Quelle:
Synagogues Memorial Jerusalem) |
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Grabstein für den
Erbauer der
Steinbacher Synagoge Aron Herz
(gest. 1817) mit Fassade der
Synagoge auf seinem Grabstein
(Quelle: Kohring s. Lit. Grabstein Nr. 104) |
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Vergrößerung aus
dem linken Foto |
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Fotos nach 1945/Gegenwart:
Foto um 1965
(Quelle: Sauer s. Lit. Abb. 110) |
Fotos um 1985:
(Fotos: Hahn) |
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Das über den Grundmauern der Steinbacher
Synagoge erbaute Haus rechts des Torturmes nach Unterlimpurg |
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Fotos 2003/04
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 5.9. 2003 bzw. mit * am
27.9.2004): |
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Blick von der Comburg
auf
Steinbach* |
Rechts des Torturmes nach
Unterlimpurg
/Schwäbisch Hall steht das auf den
Grundmauern der Synagoge
erbaute Haus |
Blick aus dem Torturm Richtung
Steinbach und Comburg |
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Gedenktafel für die Synagoge |
Das über den
Grundmauern der Steinbacher Synagoge erbaute Haus |
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Rechts Grabstein für den
Erbauer der
Steinbacher Synagoge Aron Herz (gest. 1817)
mit Fassade der
Synagoge auf seinem Grabstein
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Ehemaliges jüdisches Haus
Neustetter
Straße 24
(mit Mesusa-Ritze am Eingang)
(Fotos: Hahn am 27.9.2004) |
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Rückblick auf eine
Ausstellung 2007:
Hinweis: Bei der Ausstellung wurden die Reste des Betsaales von Steinbach
gezeigt, die - wie die Unterlimpurger Synagoge - 1737/38 durch Elieser Sussmann
ausgemalt wurde.
Rückblick
auf eine Ausstellung im Hällisch-Fränkischen Museum vom 13. Juli
bis 23. September 2007:
"Vom Bretterhaufen zum Vorzeigeobjekt - Die neu entdeckte
Synagogenvertäfelung von Eliezer Sussmann (um 1738).
Die Unterlimpurger Synagogenvertäfelung des polnischen Wandermalers
Eliezer Sussmann (1738/39) zählt zu den wichtigsten Judaica in
Deutschland und gilt als Ausstellungsstück von europäischem Rang. Vor
einigen Jahren wurden an Holzverkleidungen im Dachgeschoss eines
Steinbacher, früher von Juden bewohnten Hauses (Neustetter Straße 29)
die Spuren einer farbigen Fassung entdeckt. Malweise und Ornamentik sind
eindeutig Elieser Sussmann zuzuschreiben. Die Tafeln waren während des
Zweiten Weltkriegs aus Brandschutzgründen mit einer Kalkschwemme
übertüncht worden. Auf Grund seines schlechten Erhaltungszustands musste
der Dachstuhl 2003 erneuert werden. Die ausgebauten Bretter erwarb der
Historische Verein für Württembergisch Franken. An der Staatlichen
Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart wurde im Rahmen einer
Diplomarbeit die Synagogenvertäfelung gereinigt, die Maltechnik
analysiert und die Fassung gefestigt. Anschließend erstellte die
Diplomandin Kristel Leivo die Konzeption für eine Restaurierung,
rekonstruierte die Räumlichkeiten und fertigte ein Modell, an dem unter
anderem die Gliederung in "Frauen- und Männerschul" abzulesen
ist. In der Ausstellung wird dieses einmalige Zeugnis deutschen
Landjudentums erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt.
Website
Hällisch-Fränkisches Museum |
Links und Literatur
Links:
Quellen:
Literatur:
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