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Friedhöfe in der Region"
Zur Übersicht: Jüdische Friedhöfe in Baden-Württemberg
Ulm (Stadtkreis)
Mittelalterliche Friedhöfe der und der alte jüdische Friedhof (ab 1852/54)
Zur
Seite über den neuen jüdischen Friedhof (ab 1899) (interner
Link)
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
Siehe
Seite zur Synagoge in Ulm (interner Link)
Zur Geschichte der mittelalterlichen
Friedhöfe
Ein erster Friedhof (1281 genannt), der bis zum
Anfang des 14. Jahrhunderts belegt wurde, lag am Platz des späteren Neuen Tores (heute
Kreuzung zwischen Kelter-, Wengen- und Sterngasse). Hier wurden bei
Kanalisationsarbeiten 1950 und 1953 Skelette aufgefunden. Im Zuge der
Stadterweiterung musste der Friedhof verlegt werden.
Der zweite
mittelalterliche Friedhof lag außerhalb des Neuen Tores (1316-1499 belegt),
weswegen das "Neue Tor" gelegentlich auch "Judentor" oder
"Judenturm" genannt wurde. Aufgrund des ältesten erhaltenen
Stadtplans (Schlumberger-Plan 1597) und zahlreicher Knochenfunde beim Bau des
Hauptpostamts 1895 bzw. 1953 ist die Lage dieses Friedhofs gleichfalls bekannt.
Nach 1499 wurden die Grabsteine abgeräumt und beim Haus- und Münsterbau verwendet. Das Friedhofsgelände diente nun den
Tuchwebern als Trockenplatz (1597 erwähnt).
1987 wurden beim Bau des neuen
Fernmeldeamts 22 Skelette im Bereich des zweiten jüdischen Friedhofs geborgen und später auf dem
neuen jüdischen Friedhof an der Stuttgarter Straße beigesetzt.
Einige der
Grabsteine des mittelalterlichen Friedhofes wurden im 18./19. Jahrhundert
wiederentdeckt (siehe Berichte unten);
ein Teil wird in der Bauhütte des Ulmer Münsters aufbewahrt (Grabsteine von
1243, 1298, 1305, 1379, 1457 und 1491), ein weiterer Stein (von 1344) ist in der
Außenwand des Hauses Rabengasse 7 eingemauert. Auch der Weihestein zur
Grundsteinlegung des Münsters von 1377 (Original im Ulmer Museum) ist ein auf
der Rückseite beschriebener Grabstein des jüdischen Friedhofes (von 1341).
Dieselbe Herkunft hat der Stocker-Grabstein der Dreifaltigkeitskirche. Ein 1985
in Langenau aufgefundener Grabstein wird ebenfalls vom jüdischen Friedhof Ulms
stammen (s.d.).
Berichte
zu den mittelalterlichen Friedhöfen und Grabsteinen
Über die in Ulm gefundenen mittelalterlichen
jüdischen Grabsteine (1849)
Anmerkung: der Artikel wurde vom damaligen jüdischen Lehrer Leopold Hofheimer
in Kappel bei Bad Buchau verfasst.
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 1. Oktober 1849: "Jüdische Grabsteine.
Kappel bei Buchau, 3. September 1849. So schmerzlich es das Gefühl der
Israeliten berührt, wenn ihm die schrecklichen Verfolgungen seiner Ahnen
ins Gedächtnis zurückgerufen werden und er erfährt, wie man selbst an
ihren Ruhestätten nach dem Tode Hand anlegte; so kann ich doch nicht umhin,
ihrer historischen Wichtigkeit wegen, die Aufschriften einiger Grabsteine hiermit
weiter zu veröffentlichen, die bei der Restauration des Münsterkranzes
in unserer Kreisstadt Ulm vorgefunden wurden, und über deren frühere
Verwendung zu diesem Werke sich der gegenwärtige Baumeister Thrön in dem
Ulmer Landboten No. 68 laufenden Jahres, bei dem Abdrucke dieser
Grabschriften also vernehmen lässt: 'Als der letzte Baumeister Matthäus
Böblinger von Böblingen (oder Esslingen?) wahrnehmen musste, dass der
fromme Eifer der Ulmer für ihr Prachtwerk mehr und mehr zu erkalten
begann, so war er in die traurige Notwendigkeit versetzt, nur um den Turm
noch schließen zu können, sein Baumaterial an allen Orten und Enden
zusammenlesen zu lassen, und die zu Ende des 14. Jahrhundert
vorausgegangene grausame Judenverfolgung belästigte die christlichen
Gewissen nicht im Geringsten, auch das Totenfeld des gehetzten Volks
Israel umzufühlen und mit seinen Denkmalen der Liebe und Verehrung ihren
Dom zu belegen.
Die Steine, fünf an der Zahl, sollen in scharfen und schöner
hebräischer Schrift ausgehauen und folgenden Inhalts sein...
Zu den hebräischen Inschriften bitte die Textabbildung links
anklicken.
L. Hofheimer."
|
Hebräischer Grabstein im Münster entdeckt
(1869)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
20. Oktober 1869: "Ulm, 2. Oktober (1869). In der gestern
abgehaltenen Sitzung des hiesigen Kunst- und Altertumsvereins teilte Herr
Prof. Dr. Veesenmayer Folgendes mit: Am vorigen Dienstag wurde in seinem
Beisein der Stein an der Tauftüre des Münsters (im Munde des Volks
gewöhnlich Brauttüre genannt), welcher als Denkmal eingesetzt ist,
herausgenommen und es zeigte sich, dass dieser Stein auf der Rückseite
eine hebräische Inschrift enthielt. Die Schrift, die nur am oberen Rande
abgestoßen und schadhaft, im Übrigen trefflich erhalten ist, lautet auf
Deutsch: 'Dieser Grabstein steht zu Häupten des Rabbi Eleasar, der
dahingeschieden ist am ersten Tage im Monat Kislef 102 der minderen
Zeitrechnung. Es ruhe seine Seele im Garten Eden mit den Gerechten in
Ewigkeit. Amen. Amen. Amen. Sela'. Das hier erwähnte Jahr ist das Jahr
1341, sieben Jahre vor der großen Judenverfolgung in Ulm, denn im Jahre
1348 wurde, was nicht durch Flucht sich rettete, getötet. Die Grabsteine
der Juden scheint man später zu Bausteinen verwendet zu haben. (U.Schn.)
- (Andere solche Steine, welche am Ulmer Münster gefunden wurden, sind
früher von Herrn Oberstudienrat Haßler beschrieben worden. Sie stammen
teils aus dem 13., teils aus dem 14. und 15. Jahrhundert. Bei den häufig
vorkommenden Judenverfolgungen wurden in der Regel auch die
Judenkirchhöfe demoliert, die Grabsteine herausgerissen und zu
christlichen Bauwerken verwendet." |
Über einen neu aufgefundenen mittelalterlichen Grabstein
(1879)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 26. August 1879: "Die 'schwäbische Chronik' berichtet aus Ulm
vom 7. Juli über eine Versammlung des Vereins für Kunst und Altertum in
Ulm und Oberschwaben. Aus diesem Berichte heben wir folgende Stelle
hervor. 'Nun erhielt Prof. Veesenmeyer das Wort, um über einen neu
aufgefundenen jüdischen Grabstein zu berichten, welcher laut entzifferter
Inschrift vom Jahre 1436 stamme, aber seit 1595 mit der als Wappentafel
bearbeiteten Rückseite über dem Portal der sog. Schelerei (jetzt
Kaufmann Daumer gehörig) angebracht sei. Bei einer jüngst stattgehabten
Baureparatur sei die mit einer hebräischen Inschrift versehene Rückseite
dieser Wappentafel auf kurze Zeit losgelegt und durch Entzifferung der
Schrift der Stein als jüdischer Grabstein erkannt worden. Es seien schon
früher in Ulm 17 solcher Grabsteine aufgefunden worden, welche welche
Haßler in den Vereinveröffentlichungen von 1850 und 1865 berichtet habe,
den 18. Stein habe Redner selbst im Jahre 1869 gedeutet, wie aus dem Vereinsheft
von 1870 zu entnehmen sei. Dieser neu gefundene jüdische Grabstein sei
wohl bei der 2. Periode der Verfolgung, welche die Juden in Ulm im Jahre
1499 zu erleiden hatten, seinem ursprünglichen Zwecke entfremdet worden.
Interessant war hierbei zu vernehmen, wie Kaiser Maximilian, der immer in
Geldnöten war und viel Geld von den Reichständen entlehnte, seine
Schulden bezahlte, indem er die Reichsstädte an das Eigentum seiner
Kammerknechte, der Juden verwies. Nachdem im vorliegenden Falle der Kaiser
die liegenden Gründe der Juden in Ulm um 5.000 Gulden = 40.000 Gulden
nach heutigem Geldwert an die Stadt verkauft hatte und diese Summe zur
Tilgung seiner Schul nicht ausreichte, wurden die Judenverfolgungen in
Szene gesetzt, die Juden ganz aus der Stadt vertrieben und deren sonstiges
Eigentum weggenommne. Dabei wurden, wie es erscheint, deren Grabsteine
nicht verschont, sondern als gute Sandsteine zu verschiedenartigen Bauten
verwendet.' - Aus solchen dokumentierten Tatsachen ersieht man, mit
welchem Rechte oder vielmehr mit welch' schreiendem Unrechte jetzt wieder
öfter die Behauptung aufgestellt wird, die Juden hätten im Mittelalter
ihr schreckliches Schicksal verschuldet und
provoziert." |
Gräber- und Skelettfunde im Bereich des mittelalterlichen
jüdischen Friedhofes (1987)
Artikel in der "Schwäbischen Zeitung" vom 14. März 1987:
"Grabung an Baustelle des Fernmeldeamts beendet. 22
mittelalterliche Skelette ausgegraben und geborgen.
Gestern Nachmittag sind die letzten noch vorhandenen Gräber des
mittelalterlichen Judenfriedhofes, der bei den Bauarbeiten für das neue
Fernmeldeamt angeschnitten worden ist, geräumt worden. Die Gebeine von
insgesamt 22 zwischen 1316 und 1499 nördlich der heutigen Olgastraße
begrabenen Ulmer Juden ruhen nun vorerst im Keller des Ulmer Museums, bis
sie erneut bestattet werden. Als künftige ewige Ruhestätte ist der Ulmer
Friedhof im Gespräch, in dem eine Abteilung den Gräbern jüdischer
Mitbürger vorbehalten ist. Eine anthropologische Untersuchung der
Skelette ist nicht auszuschließen, aber eher unwahrscheinlich. Außer den
Gebeinen haben die Gräber nichts enthalten, was von gesteigertem
archäologischem Interesse wäre. Schatten von Holzsärgen und der eine
oder andere verrostete Sargnagel waren alles, war gefunden wurde.
Grabbeigaben waren keine vorhanden.
Zum weiteren Lesen des Artikels bitte Textabbildung anklicken." |
Foto
links: "Auf dem Postgelände nördlich der Olgastraße sind gestern
die letzten mittelalterlichen Gräber des einstigen Judenfriedhofes
freigelegt worden. Die dunklen Verfärbungen auf dem linken Bild zeigen
die Grabstätte. Das Bild rechts zeigt ein Grab, in dem ein Schädel
sichtbar wird." |
Fotos
mittelalterlicher Grabsteine
(Fotos: Hahn; aufgenommen Mitte der 1980er-Jahre bzw. Farbfotos
9.9.2003)
Zur Geschichte des alten jüdischen Friedhofes (ab 1852/54)
1852 konnte vor dem Frauentor (nördlicher Teil des alten
städtischen
Friedhofs an der Frauenstraße, Parzelle 841/2 und 3) ein jüdischer Friedhof angelegt werden.
Der Friedhof wurde 1854 durch Rabbiner Wälder aus Laupheim eingeweiht.
Dieser Friedhof wurde zwischen 1936 und
1945 völlig zerstört. Das Gelände ist heute Teil der Parkanlage
Frauenstraße.
1987 wurde ein Gedenkstein
als Hinweis auf diesen Friedhof aufgestellt. 1990 wurden acht Grabsteine und
drei Grabplatten des Friedhofes in einem Brauereikeller in Munderkingen entdeckt und
wieder im Friedhof Frauenstraße aufgestellt.
Plan / Karte:
|
|
Lage der jüdischen Friedhöfe Ulms des
19./20.Jahrhunderts (durch
Pfeile markiert)
(Topographische Karte aus den 1970er-Jahren)
|
Lage des alten jüdischen Friedhofes
in Ulm auf dem dortigen
Stadtplan: oben anklicken und unter
"Behörden und öffentliche
Einrichtungen" weiterklicken zu
"Alter Friedhof*". Der jüdische
Teil befindet unmittelbar
südlich der Pauluskirche |
Berichte zum alten Friedhof
Ein jüdischer Friedhof wird angelegt
(1852)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 22. März 1852: "In Ulm wird nun neben dem christlichen
Gottesacker der jüdische Friedhof errichtet. Die christliche Gemeinde
wollte schon früher den Juden gestatten, ihre Leichen im christlichen
Friedhofe zu beerdigen. Der Vorsteher der Gemeinde, Rechtskonsulent Heß,
holte rabbinische Gutachten darüber ein. Kirchenrat Maier (sc.
Rabbiner in Stuttgart) erklärte, dass dies nicht statthaft sei; Dr.
Wassermann (sc. Rabbiner in Mühringen) hingegen glaubte es unter
der Bedingung gestatt zu können, dass den Juden im christlichen Friedhofe
ein besonderer Raum angewiesen würde. Die Gemeinde hat jetzt angrenzend
an der christlichen Friedhofmauer einen Platz zur Begräbnisstätte
erworben." |
Einweihung des jüdischen Friedhofes durch Rabbiner Wälder
(1854)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 15. Mai 1854: "Aus Württemberg, im Mai (1854). In Ulm
wurde der neu gegründete jüdische Gottesacker durch Rabbiner Wälder aus
Laupheim in einer feierlichen Weise eingeweiht. Es wurde ein junger Mensch
beerdigt und bei dieser Leichenfeier wurde der israelitische Friedhof
eröffnet. Herr Wälder sprach würdige Worte zur würdevollen
Veranlassung. Freilich gab diese Veranlassungen dem denkenden
Geschichtskenner Gelegenheit zur ernsten Betrachtung. Ulm hatte in
früheren Zeiten seine Synagoge, seinen Friedhof, und noch jetzt zeugen
Namen von Straßen und Plätzen der Reichsfeste den jüdischen Ursprung.
Im Münster selbst ist ein alter, jüdischer Grabstein als Monument
eingemauert, der jetzt seine geeignetere Stelle auf dem jüdischen
Friedhof finden würde. Dieser alte Grabstein auf dem neuen
Friedhof würde beredter sein, als die Worte eines Historikers. Wird wohl
diese Grabstätte ein Fried-Hof für die entschlafenen
israelitischen Bürger Ulms werden? Unsere Väter haben einst auch
gehofft, in Ruhe zu ihren Vätern eingesammelt zu werden, aber die
Unduldsamkeit hat die Söhne von den Gräbern ihrer Lieben verjagt. Es ist
die Sühne der Geschichte, dass fast alle Städte Schwabens, die einst
ihre jüdische Bevölkerung gemartert und vertrieben haben, wieder von
Juden bewohnt werden, Synagogen und Friedhöfe in ihnen entstehen und die
jüdische Bevölkerung rasch sich vergrößert. Vielleicht nimmt Herr
Rabbiner Wälder, der die Geschichte der Karolinger im Manuskripte fertig
hat, sich die Mühe, eine Monographie über die Geschichte der Juden zu
Ulm zu fertigen, wozu die städtischen Archive und die Württembergischen
Historienbücher ihm Stoff geben würden." |
Ausführlicher Bericht zur Einweihung
(1854)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 10. Juli 1854: "Ulm, im Mai (1854). Wenn zu den
Anstalten einer Gemeinde Gotteshaus, Schule, besonders Religionsschule,
und ein Friedhof gehört, so wären diese nunmehr in der hiesigen Gemeinde
vorhanden. Wer hätte es glauben sollen! Vor 50 Jahren, wo Ulm noch wie,
so viele andere ihrer Schwestern, eine Reichsstadt, wohnte noch kein
Israelit in ihren Mauern. Seit 1805 haben nun, Dank dem erwachten
Geist der Humanität, gegen 20 Familien ihren bürgerlichen Wohnsitz hier
aufgeschlagen. Darunter sind einige Fabrikanten, einige Kaufleute, einige
Großhändler, Juweliere. Einer ist ein sehr angesehener Arzt, einer ein
beliebten Rechtskonsulent und Notar. Anno 1806 wurde ein Jude, 1815 ein
anderer durch höhere Protektion in den hiesigen bürgerlichen
Gemeindeverband aufgenommen. Diese Familien bilden den Stamm der
Religions-Gemeinde. Als Synagoge wird ein ziemlich geräumiger Saal
benutzt, der bei Zuwachs der Gemeinde nach bisherigem Verhältnis eine
Vergrößerung erheischt. Der Gottesdienst wird durch den
Vorsänger-Amts-Verweser Einstein versehen, der zugleich täglich
den israelitischen schulpflichtigen Kindern, von denen die Knaben die
Elementar-Realschule der Stadt oder das Gymnasium, |
die
Mädchen aber die weiblichen Schulanstalten besuchen, Religionsunterricht
erteilt.
Der Rabbiner von Laupheim, wohin die
Gemeinde Ulm als Tochtergemeinde gehört, hat fünf bis sechs Mal des
Jahres Predigt und Katechese allda zu halten, die Schule in den
Religionsfächern zu prüfen und zu beaufsichtigen.
Was heute aber insbesondere zu berichten ist, ist die Einweihung des
von der kleinen Gemeinde erworbenen und neu eingerichteten Friedhofs
der von dem christlichen nebenan liegenden nur durch eine
Zwischenmauer getrennt ist. Diese Einweihung wurde, wie auch anderwärts
üblich, mit der ersten Beerdigung verbunden. Vom Hospital aus, wo der
Verstorbene, Handlungs-Commis Moritz Ulfelder aus dem bayerischen
Landgericht Windsheim, nach mehrwöchiger Krankheit gestorben war, ging
der erste feierliche Leichenzug durch die Straßen der Stadt. Am Friedhof
angekommen, trugen die Freunde des Verstorbenen die Leiche bis in die
Mitte der Trauerstätte. Eine große, unübersehbare Menschenmenge war in
dem Friedhof und um denselben versammelt. Aus allen Ständen und
Konfessionen waren Viele hinzugeströmt, da schon Tags vorher Alles auf
diese traurige Feierlichkeit gespannt war. Rabbiner Wälder von Laupheim
begann mit dem Gebet. Elohei neschama in hebräischer und deutscher
Sprache. Dann begann die Rede, welche die wenigen Worte aus dem 37.
Kapitel Jesajas zum Text hatte (hebräisch und deutsch): 'bestelle dein
Haus, denn du musst sterben.' Der Eindruck auf das ganze große
Auditorium war sichtbar. Es verließ niemand unbefriedigt die
Trauerstätte.
Noch muss schließlich hier bemerkt werden, dass das schöne eiserne Tor
am Eingang eine Schenkung des gegenwärtigen Filial-Anwalts Kaufmanns A.J.
Maier daselbst ist, obgleich auch der frühere Gemeindeanwalt,
Rechtskonsulent Heß, Kaufmann Röder und S. Gugenheim sich um die
Erwerbung und Anlegung des Friedhofs seit etwa zwei Jahren gleichfalls
Verdienste erworben und die Sache zu fördern gesucht
haben.
Auf der Abendseite ist in einer Nische der innerseitigen Mauer ein
Grabstein angebracht, der von dem Stiftungsrat in Ulm aus dem dortigen
Münster, wo noch mehrere solche hebräische Grabsteine als Antiquitäten
aufgewahrt werden, der israelitischen Gemeinde zu diesem Zweck verabreicht
worden ist. Bekanntlich |
war
im Mittelalter in Ulm eine größere jüdische Gemeinde. In den älteren
Rechtsgutachten sche'elot u-teschuwot (Fragen und Antworten) kommen
mehrere kasuistische Fragen aus Ulm an Männer jüdischer Gelehrsamkeit
vor. Auch war daselbst früher ein eigener Rabbinatssitz.
Ein freier Platz in der Nähe des Münsters heißt noch heute der
Judenhof. Man zeigt noch heute das Haus, wo die Judenschule, das
Frauenbad, die jüdische Metzge war.
Die Grabsteine des früheren jüdischen Friedhofs, der mit der Vertreibung
der Juden aus der Stadt im 14. und 15. Jahrhundert demoliert wurde, wurden
zu Brücken, verschiedenen öffentlichen Gebäuden benutzt. Unserer Zeit,
die den Lebenden mehr Gerechtigkeit widerfahren lassen will, scheint es
vorbehalten zu sein, auch gegen die Toten mit mehr Schonun zu verfahren.
Die hie und da aufgefundenen Grabsteine wurden gesammelt und im Münster, woselbst
eine ziemlich gut erhalten leserliche eingemauert ist, aufgewahrt. Die
eine führte das Datum 5139, nach der bürgerlichen Zeitrechnung
entsprechend dem Jahr 1379, eine andere 5136 = 1366 (sc. besser: 1376),
wieder eine andere 5144, 1384 und 1358. Als Muster ehemaliger hebräischer
Grabschriften möge folgende hier eine Stelle finden: ... (siehe
Textabbildung).
Möge die Gemeinde Ulm von dem mit vielen pekuniären Opfern erworbenen
Friedhof nur sehr selten und erst nach langer Zeit Gebrauch machen
dürfen, ein Wunsch, den ich bei dieser feierlichen Gelegenheit vielfach
äußern hörte, und in den ich aus vollem Herzen einstimmte.
M.R." |
Das neue Leichenhaus wird eingeweiht
(1872)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
16. Oktober 1872: "Ulm, 11. Oktober (1872). In unserer Stadt
ist heute den 1. dieses Monats auf dem Friedhof das neue Leichenhaus
eröffnet, eine Einrichtung, die sich als sehr empfehlenswert bereits
herausgestellt hat. Der israelitischen Gemeinde wurde auf ihr Ansuchen aus
rituellen Rücksichten eines der abgesonderten Lokale gegen
Mietzinsentschädigung überlassen." |
Schändung des alten jüdischen Friedhofes
(1936)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
20. Mai 1936: "Ulm. Im 'Ulmer Tageblatt' veröffentlichte die
Kriminalpolizei, dass in der Nacht zum 16. April auf dem alten jüdischen
Friedhof etwa 15 Grabsteine stark beschädigt wurden. Für die Ermittlung
der Täten sind von der Synagogengemeinde RM 100.-
ausgesetzt." |
Fotos des alten
Friedhofes
Der Friedhof im
Spätsommer 2003
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 9.9.2003) |
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Das Friedhofsgelände liegt
unmittelbar südlich der Pauluskirche
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Blick über den (ehemaligen)
Friedhof
Frauenstraße; links des Weges war
der jüdische Teil |
Einige der erhaltenen
Grabsteine |
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Grabstein für Emanuel
Erlanger
(1821-1886) |
Teilansicht |
Sockel
des Grabsteines für
Wilhelmine
Dreifuss geb. Erlanger (1831-1874) |
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Teilansicht |
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Der Friedhof im
Januar 2010
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 22.1.2010) |
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Blick
über das Grundstück des alten jüdischen Friedhofes |
Grabstelen für
Arnold Nathan (links)
und Kosmann Erlanger (1824-1896) |
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Grabsteine für
Sophie Hilb geb. Schwab
(links, gest. 1883) und Karoline Nathan
geb.
Steiner (1820-1895) |
Grabstein
(liegende Platte) für
Heinrich A. Moos (1834-1891) |
Sockel des
Grabsteines für
Wilhelmine Dreifuss geb. Erlanger
(1831 in Kappel - 1874 in Ulm) |
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Grabstein für
Moritz Hirsch
(1841-1897) |
Grabstein für
Emanuel Erlanger
(1821-1886) |
Grabstein für
Benny Mann,
Kaufmann |
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Der von der Karlstraße zum Friedhof führende Weg ist nach Alfred Moos
benannt,
der als einer der wenigen nach 1945 wieder nach Ulm
zurückgekehrt ist. |
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Ältere Fotos
(Fotos: Hahn, aufgenommen Mitte der 1980er-Jahre)
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Blick über den in der NS-Zeit
abgeräumten alten Friedhof |
Sockel des Grabsteines für
Wilhelmine Dreifuss geb. Erlanger |
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Links und Literatur
Links:
Quellen:
vorheriger Friedhof zum ersten
Friedhof nächster Friedhof
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