Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Wattenheim (VG Leiningerland, Kreis Bad Dürkheim)
Jüdische Geschichte / Synagoge

Übersicht:

bulletZur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
bulletBerichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
bulletZur Geschichte der Synagoge   
bulletFotos / Darstellungen   
bulletLinks und Literatur   

   

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde       
    
In Wattenheim bestand eine jüdische Gemeinde bis um 1900. Ihre Entstehung geht in die Zeit Anfang des 19. Jahrhunderts zurück. 1801 werden noch keine jüdischen Einwohner genannt (oder möglicherweise bei der damaligen Zählung nicht erfasst), 1808 waren es 30 jüdische Einwohner, 1825 32 (3.3 % von der Gesamteinwohnerschaft). Dabei handelte es sich (um 1810) um die vier jüdischen Familien des Joseph Lang, Jacques Mann, Simon Michel und Lazare Strauß. Bis 1848 stieg die Zahl der jüdischen Familien auf 12 mit zusammen 70 Personen.
   
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ging die Zahl der jüdischen Einwohner durch Aus- und Abwanderung schnell zurück. 1875 wurden nur noch 28 jüdische Einwohner gezählt, 1900 12. 1881 schloss sich die jüdische Gemeinde Wattenheim mit ihren wenigen Mitglieder der Kultusgemeinde in Hettenleidelheim an. Als auch dort die Zahl der jüdischen Gemeindeglieder sehr stark zurückging, erfolgte 1896 der Zusammenschluss der jüdischen Einwohner aus Hettenleidelheim, Neuleiningen und Hertlingshausen zu einer jüdischen Gemeinde mit Sitz in Wattenheim. Vorsteher der Gemeinde war in den folgenden Jahren Nathan Köster. Seit 1905 kamen auch die noch in Altleiningen lebenden jüdischen Personen zur Gemeinde in Wattenheim. 1920 bestand die Gemeinde insgesamt aus je zwei Familien in Wattenheim und Hettenleidelheim, drei Familien in Hertlingshausen und inzwischen - durch dortigen Zuzug seit den 1870er-Jahren - zwölf Familien in Eisenberg
  
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine Religionsschule (seit 1849 im Gebäude der alten Synagoge) und vermutlich auch ein rituelles Bad. Die Toten der jüdischen Gemeinde wurden im jüdischen Friedhof (alter und neuer Friedhof) in Hettenleidelheim beigesetzt. Die Gemeinde gehörte zum Bezirksrabbinat Frankenthal-Bad Dürkheim.   
  
Um 1925, als in Wattenheim selbst nur noch eine jüdische Familie wohnte, waren die Vorsteher der - in allen oben genannten Teilorten - insgesamt 38 Personen umfassenden Gemeinde die Herren Nathan Mann, Isaak Michel, Wilhelm Fröhlich und Georg Hairt. 1927 verzog die letzte jüdische Familie aus Wattenheim nach Lampertheim. Da zumindest theoretisch wieder eine Familie in Wattenheim zuziehen konnte, wurde der Ort gemeinsam mit Hettenleidelheim, Hertlingshausen, Altleiningen, Neuleiningen und Kerzenheim zur jüdischen Gemeinde in Eisenberg gerechnet. 
       
Von den in Wattenheim geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Johanna Gertrud Jeanne Durlacher geb. Mann (1907), Adam Nathan Köster (1854), Josef Köster (1865), die drei Geschwister Walter Jacob Ludwig Mann (geb. 1897 in Wattenheim, später in Leipzig), Lilly Mann (geb. 1895 in Wattenheim, später in Mannheim) und Richard Mann (geb. 1898 in Wattenheim, später in Düsseldorf). Siegbert Mann (1904), Berta Sommer geb. Schlossstein (1863), Babette Weiß geb. Köster (1854).      
      
      
      
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   

In jüdischen Periodika des 19./20. Jahrhunderts wurden noch keine Berichte zur jüdischen Geschichte in Altleiningen gefunden.   

    
    
    
Zur Geschichte der Synagoge                   
     
Zunächst war ein Betsaal beziehungsweise eine erste Synagoge vorhanden. Sie wird erstmals 1812 genannt. 1833 wurde von den jüdischen Einwohnern aus Hettenleidelheim berichtet, dass diese "seit 21 Jahren die jüdische Schule (gemeint Synagoge) in Wattenheim" besuchen. Nach diesem Bericht wird die Synagoge in Wattenheim als eine "eher schlechte Betstube" geschildert. Aus einem wenige Jahre später erstellten Bericht erfährt man, dass der Betsaal im rückwärtigen Teil eines Hauses an der Hauptstraße eingerichtet worden war. Das Grundstück sei "vor sehr langer Zeit" an den Juden Seligmann schenkungsweise übertragen worden.
Nach Einrichtung der neuen Synagoge (1849) wurde die alte Synagoge noch einige Jahre für den Religionsunterricht verwendet. 1892 verkaufte die jüdische Gemeinde das Gebäude der Synagoge zusammen mit dem als Wohnhaus genutzten Vorderhaus an den Sattlermeister Daniel Hepp. Dieser ließ es 1893 abbrechen. Auf dem Grundstück wurde eine Werkstatt mit Waschküche erbaut.  
   
1847/48 erwarb die israelitische Kultusgemeinde einen Garten an der Hauptstraße und erbaute hier eine Synagoge. Die Synagoge soll ein mit Walmdach, Rundbogenfenstern und Empore versehenes kleines Gebäude gewesen sein. 
   
1896 wurde das Gebäude renoviert, insbesondere das Dach erneuert und Regenwasserschäden im Inneren beseitigt. Nachdem 1912 mehrfach die Fensterscheiden eingeworfen worden waren, wollte die Gemeinde eiserne Fensterläden anbringen und eine Mauer um das Grundstück errichten. 
  
Nachdem auf Grund des Wegzuges der jüdischen Familien aus Wattenheim die Synagoge nicht mehr gebracht wurde, ist sie von der Israelitischen Gemeinde der Pfalz der katholischen Kirchenverwaltung Wattenheim als Geschenk angeboten worden. Die Kirchenverwaltung kam nach Besichtigung des Gebäudes zum Entschluss, das Gebäude anzunehmen. In konservativ-orthodoxen jüdischen Kreisen wurde die Nachricht von der Schenkung einer Synagoge an die katholische Kirche allerdings mit Unverständnis aufgenommen. Man konnte sich nicht vorstellen, dass die ehemalige Synagoge möglicherweise als Kirche genutzt werden sollte.      

Wattenheim Israelit 04121930.jpg (32506 Byte)Meldung in der (konservativ-orthodoxen) Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. Dezember 1930: "München. In dem Städtchen Wattenheim in der bayerischen Pfalz ist die Synagoge schon seit vielen Jahren nicht mehr zu G'ttesdiensten benutzt worden. Infolgedessen ist das Gebäude jetzt von der Israelitischen Gemeinde der Pfalz an die katholische Gemeinde von Wattenheim verschenkt worden."     
    
Wattenheim Israelit 24121930.jpg (122886 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom  24. Dezember 1930: "(Die verschenkte Synagoge.) Vor kurzem brachten wir die Notiz, dass im Orte Wattenheim in der Pfalz die verlassene Synagoge der katholischen Gemeinde geschenkt wurde. Zu dieser unglaublichen Meldung wird nunmehr vom Vorstande des 'Verbandes Israelitischer Kultusgemeinden in der Pfalz' eine Erklärung gegeben, in der es u.a. heißt:
'Zur Zeit sind in der Pfalz u.a. drei ehemalige ansehnliche Kultusgemeinden entweder vollständig oder nahezu verwaist: Edesheim (bei Landau), Fußgönheim (bei Ludwigshafen) und Wattenheim (bei Grünstadt). Eine ganze Reihe von pfälzischen israelitischen Friedhöfen muss bereits von dem Verbande pfälzischer israelitischer Gemeinden unter Aufwendung ansehnlicher Geldmittel unterhalten werden. Anders mit den verwaisten Synagogen. Sollen sie nicht ganz dem baulichen Verfall anheimgegeben sein, so bleibt eben nichts anderes übrig, als sie zu veräußern. So wurde in den letzten Wochen die Synagoge zu Wattenheim, nachdem die letzte israelitische Familie daselbst schon vor Jahren nach Lampertheim übersiedelte, vom Verbande der pfälzischen israelitischen Gemeinden der katholischen Kultusgemeinde Wattenheim geschenkweise übertragen, nachdem der besagte Verband die Gewissheit hatte, dass das Wachenheimer Synagogengebäude auch in Zukunft nur ernsten, menschenfreundlichen und wohltätigen Zwecken dienen wird. Nach Lage der Sache erschien eine öffentliche Versteigerung der Synagoge unratsam, weil eben dann diese Gewissheit nicht gegeben war.' 
Unklar genug bleibt immer noch die Sache. Man hat in anderen ähnlichen Fällen Synagogen unter den Schutz von weltlichen und kirchlichen Behörden gestellt. Eine bedingungslose Verschenkung berechtigt aber die geschenkte Gemeinde, die Synagoge auch in eine Kirche umzuwandeln. Und das wäre doch auf alle Fälle etwas Ungeheuerliches!"  
1937 wurde in einem Presseartikel von Ludwig Strauß nochmals auf den Verkauf der Synagoge in Wattenheim Bezug genommen, inzwischen unter völlig anderen Umständen:     
Wattenheim BayrGZ 15121937.jpg (106010 Byte)Artikel in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 15. Dezember 1937: "Aus der Pfalz. Auflösung jüdischer Gemeinden - Verkauf der Synagogen - Das Los unserer Friedhöfe. Von Synagogenvorstand Ludwig Strauß (Bad Dürkheim).
Im Jahre 1933 erhob ich in einer Mitgliederversammlung unseres pfälzischen Gemeindeverbandes den Hilferuf: 'Rettet die absterbenden Landgemeinden!' Die Rettung ist ausgeblieben. Das Verhängnis ist nicht mehr abzuwenden. Die Landgemeinden und auch die Gemeinden der Kleinstädte gehen von Tag zu Tag mehr und mehr ihrer Auflösung, ihrem Ende entgegen. Als wir vor einem Jahrzehnt die Synagoge in Wattenheim der dortigen katholischen Kirche zur Errichtung einer Kleinkinderschule übergaben - weil eben die letzte israelitische Familie Wattenheim verlassen hatte - da erhoben mehrere größere jüdische Zeitungen heftige Vorwürfe gegen unsern Verband. 
Heute - dem Himmel sei es geklagt - berichten unsere jüdischen Zeitungen fast in jeder Nummer von der Auflösung jüdischer Gemeinden, von dem Verkaufe dieser und jener Synagoge. Wir müssen es hinnehmen. 
Unser Pfalzverband hat bis heute 12 jüdische Gemeinden auflösen und ihre Synagogen veräußern müssen. Das ist immer nach Anhörung der wenigen Familien der Gemeinden - ihre Zahl ging durchweg über zwei oder drei nicht hinaus - und mit deren Einverständnis geschehen. Wir haben jede Synagoge vor dem Verkaufe eingehend besichtigt, alle Torarollen und die sonstigen Ritualien in Obhut genommen. Manche dieser Synagogen ließen schon beim Eintritt erkennen, dass seit Jahren kein Gottesdienst mehr in ihnen stattgefunden, in anderen herrscht noch eine wohltuende Ordnung und Reinlichkeit und der Aron Hakodesch trug noch vom letzten Gottesdienst her ein weißes Gewand..."

Obwohl das Gebäude der ehemaligen Synagoge im Besitz der katholischen Kirchengemeinde war, wurde es beim Novemberpogrom 1938 dennoch verwüstet. Wenige Tage nach der Schändung des Gebäudes beschloss die Kirchenverwaltung am 22. November 1938 einstimmig, das Gebäude mit dem Hof für 200 Reichsmark an ein Ehepaar zu verkaufen. Dieses wollte das Gebäude zu einem Wohnhaus umbauen, wozu freilich die behördliche Genehmigung nicht erteilt wurde. Der neue Besitzer ließ daraufhin das Gebäude 1939 abbrechen und legte auf dem 125 qm großen Grundstück einen Garten an.       
     
 
Adresse/Standort der Synagoge:     Straße "An der Synagoge" (zweigt von der Hauptstraße ab)   
   
   
   
Fotos   

Historische Fotos der Synagoge liegen noch nicht vor; über Zusendungen freut sich 
der Webmaster der "Alemannia Judaica"; Adresse siehe Eingangsseite
 
     
     

 Gedenken an die Synagoge 
(Fotos: Michael Ohmsen, Aufnahmen vom Oktober 2011; vgl. Website von M. Ohmsen mit Fotoseite zu Wattenheim)    

Wattenheim Synagoge 210.jpg (94936 Byte) Wattenheim Synagoge 213.jpg (94729 Byte) Wattenheim Synagoge 211.jpg (176605 Byte) Wattenheim Synagoge 212.jpg (131398 Byte)
Straßenschild 
"An der Synagoge"     
Gedenkstein am Ende der Straße "An der Synagoge" mit Inschrift: "Zum Gedenken an unsere jüdischen Mitbürger. 
Hier stand die Wattenheimer Synagoge. Erbaut 1849 - geschändet 1938 - abgebrochen 1939. Gemeinde Wattenheim"  
   

  
   

Links und Literatur   

Links:  

bulletWebsite der VG Hettenleidelheim  

Literatur:  

bulletOtmar Weber: Die Synagogen in der Pfalz von 1800 bis heute. Unter besonderer Berücksichtigung der Synagogen in der Südpfalz. Hg. von der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Pfalz in Landau. 2005. S. 157.
bulletLandesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz/Staatliches Konservatoramt des Saarlandes/ Synagogue Memorial Jerusalem (Hg.): "...und dies ist die Pforte des Himmels". Synagogen in Rheinland-Pfalz und dem Saarland. Mainz 2005. S. 380 (mit weiteren Literaturangaben). 

   
    

                   
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Copyright © 2003 Alemannia Judaica - Arbeitsgemeinschaft für die Erforschung der Geschichte der Juden im süddeutschen und angrenzenden Raum
Stand: 30. Juni 2020