Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Edesheim (VG Edenkoben, Kreis Südliche Weinstraße)
Jüdische Geschichte / Synagoge

Übersicht:  

bulletZur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
bulletBerichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
Berichte zu den jüdischen Lehrern   
Aus dem jüdischen Gemeindeleben 
Berichte zu einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde  
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen       
bulletZur Geschichte der Synagoge   
bulletFotos / Darstellungen  
bulletLinks und Literatur   

    

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde         
    
In Edesheim bestand eine jüdische Gemeinde bis Anfang der 1930er-Jahre. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 17. Jahrhunderts zurück. In der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts lebten drei bis vier jüdische Familien am Ort (1775 vier, 1777 und 1785 jeweils drei). 
  
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nahm die Zahl der jüdischen Einwohner zu: 1801 17 jüdische Einwohner (1,2 % der Gesamteinwohnerschaft), 1804 16, 1808 30 (1,9 %), 1823 41 bis zur Höchstzahl von 1848 und 1875 mit jeweils 67 jüdischen Gemeindegliedern. Danach ging die Zahl durch Aus- und Abwanderung zurück (1893 59 in elf Familien, 1897 47 in elf Familien, 1899 41 in 12 Haushaltungen, 1900 53, 1932 sieben). 
  
1809/10 werden die folgenden jüdischen Haushaltsvorstände in Edesheim genannt: Abraham Machol (Händler), Jacob Michael (Metzger), Alexander Michael (Metzger) und Salomon Michael (Metzger).  

An Einrichtungen hatte die Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine Religionsschule (israelitische Volksschule) und ein rituelles Bad. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war zeitweise ein jüdischer Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war. Von den Lehrern werden genannt: um 1893 Lehrer J. Possenheimer (oder Possenauer?, unterrichtete an der jüdischen Volksschule in diesem Jahr 11 Kinder), um 1898 D. Martin (unterrichtete in diesem Jahr noch sieben Kinder, 1899 noch fünf Kinder), um 1903 David Rosenwald, 1908 bis 1913 David Martin, Lehrer Nußbaum (1913). Als Synagogendiener wird um 1893 J. Tausig (Edenkoben) genannt. Die Toten der Gemeinde wurden im jüdischen Friedhof in Essingen beigesetzt. Die Gemeinde gehörte zum Bezirksrabbinat Landau
 
Von den Gemeindevorstehern werden genannt: um 1893 M. Michel, S. Samson, S. Levy, um 1898/1901 E. Grünewald, M. Michel, D. Michel.
  
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde Emil Michel (geb. 7.9.1883 in Edesheim, gestorben an Folge der Kriegsverletzung 24.4.1919).  
  
Um 1925, als noch 21 Personen zur Jüdischen Kultusgemeinde Edesheim gehörten (0,9 % von insgesamt etwa 2.400 Einwohnern), waren die Vorsteher der jüdischen Gemeinde Max Michel, Hugo Levi, Albert Hoffmann, Karl Samson und Berthold Kayem. Offiziell war die Edesheimer Gemeinde inzwischen Edenkoben angeschlossen, wohin auch die Steuern der Gemeinde gezahlt wurden. 1932 gab es keine eigenständige Gemeindestruktur mehr - die hier noch lebenden acht jüdischen Personen waren der Gemeinde in Edenkoben angeschlossen.
 
Seit 1933 trafen die nationalsozialistischen antijüdischen Maßnahmen auch die noch letzten sieben in Edesheim lebenden jüdischen Einwohner. Beim Novemberpogrom 1938 wurden die beiden von jüdischen Familien bewohnten Häuser verwüstet. 1939 waren noch fünf jüdische Einwohner am Ort. Zwei von ihnen starben nach der Deportation im Oktober 1940 nach Gurs, zwei wurden in Auschwitz ermordet. 
   
Von den in Edesheim geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Simon Isaak (1869), Heinrich Levy (1877), Max Samuel Levy (1858), Sigmund Levy (1855), Mathilde Machol (1881), Karl (Charles) Michel (1891), Edith Michel (1928), Ludwig Michel (1887), Sally Michel (1898), Isidor Eugen Samson (1882), Karl Samson (1875), Kurt Samson (1925), Emma Schnerb geb. Michel (1874).   
Hinweise: 1. es kommt in den angegebenen Listen vereinzelt zur Verwechslungen zwischen Edesheim und dem bayerischen Ederheim.    
2. In einigen Listen wird unter den Umgekommenen der NS-Zeit auch Jakob Wilhelm Grünewald genannt (geb. 20.12.1905 in Edesheim), doch hat dieser die NS-Zeit überlebt und starb am 22.8.1958 in der Nervenheilanstalt Landeck (heute Pfalzklinikum in Klingenmünster). Er wurde auf dem dortigen Klinikfriedhof beigesetzt.     
      
      
      
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde 
   
Berichte zu den jüdischen Lehrern   

Geburtsanzeige für einen Sohn von Lehrer David Rosenwald und seiner Frau (1902)
  

Anzeige in "Israelitisches Familienblatt" vom 1. Januar 1903: "Die glückliche Geburt eines
gesunden Knaben
zeigen hocherfreut an.
Lehrer David Rosenwald und Frau.
Edesheim
(Pfalz), 28. Dezember 1902."       

  
Lehrer David Rosenwald referiert bei der einer Lehrerversammlung (1903)   

Anzeige in "Israelitisches Familienblatt" vom 14. Mai 1903: "Einladung
zu der am 21. Mai 1903, vormittags 10 Uhr
in Speyer in der Dürkheimer Weinstube (Wormser Straße 7) stattfindenden
Jahresversammlung der israelitischen Lehrer und Kantoren der Pfalz.
Tagesordnung: 1. Der Bildungsgang des jüdischen Volkschullehrers in Bayern.
a) allgemeiner Teil (Lehrer D. Rosenwald - Edesheim).
b) die Verhältnisse in der Pfalz (Lehrer J. Haymann - Albersweiler).
2. Rechnungsbericht. 3. freie Besprechung. Anträge. 4. Wahl des Ausschusses.
Nach der Konferenz: Gemeinsames Mittagsmahl im gleichen Lokale."      

    
Beitrag von David Rosenwald (Edesheim) über "Das neue bayerische Schuldotationsgesetz und die jüdischen Lehrer in der Pfalz (1903) sowie Bericht über
die oben in der Einladung genannte Versammlung der "Freien Vereinigung jüdischer Lehrer und Kantoren der Pfalz" in Speyer (1903)

Anmerkung: da die Artikel keine speziellen Informationen zur jüdischen Geschichte in Edesheim enthalten, werden sie nicht ausgeschrieben. Bei Interesse zum Lesen die Textabbildungen anklicken. Bei der Versammlung in Speyer sprach Rosenwald über den "Bildungsgang des jüdischen Volksschullehrers, unter ganz besonderer Berücksichtigung der Bildungsanstalten".         

Artikel in "Israelitisches Familienblatt" vom 11. Juni 1903      Fortsetzung des Artikels links und Bericht zur Versammlung in Speyer...

    
Bitte von Lehrer David Rosenwald um Unterstützung für einen verarmten Kultusbeamten (1904)     

Anzeige in "Israelitisches Familienblatt" vom 25. August 1904: "Dringende Bitte
Ein achtbarer Kultusbeamter mit sehr zahlreicher Familie ist unverschuldet in bittere Not geraten. Es ist ihm nicht möglich, seinen ältesten Sohn in die Lehre zu bringen, da ihm die Mittel zur Reise an den Ort der Lehrstelle fehlen. Der Unterzeichnete erlaubt sich deshalb, an mildtätige Glaubensgenossen die Bitte zu richten, durch gütige Spenden dem Mann zu helfen. Sendungen erbeten an
D. Rosenwald, Lehrer, Edesheim
(Pfalz)"     
 
Anzeige in "Israelitisches Familienblatt" vom 8. September 1904: "Dringende Bitte - zu Rosch Haschana (Neujahrsfest).
Mein Aufruf in Nr. 34 des 'Familienblattes' hatte nur einen schwachen Erfolg. Ich ersuche deshalb nochmals edeldenkende Glaubensgenossen höflich, den armen Kultusbeamten unterstützen zu wollen.
Besten Dank für folgende eingegangene Spenden: Lehrer Voß, St. Ingbert 2.05, Frau M.H. Bockenheimer, Frankfurt am Main 3 M., Frau H.L., Kreuznach 3 M., B. Neumann, Bischofsheim 3 M., Sally Fränkel, Harzburg 3 Mark. 
D. Rosenwald, Lehrer, Edesheim (Pfalz)."
         
  
  
Anzeige in "Israelitisches Familienblatt" vom 6. Oktober 1904: "Lesen! Zu Rosch Haschana (Neujahrsfest).
Für den armen Kultusbeamten sind ferner eingegangen:
N.J. und Kinder 1 Dollar, Kurz & Bell, Ruhrort 2 Mark, L.S., N.N., H.B., zusammen 3,55 Mark, D. Michel, Edesheim 3 Mark. Hierfür besten Dank! Die Sammlung wird fortgesetzt.
D. Rosenwald, Lehrer, Edesheim (Pfalz)."     

 
Zum Tod von Hauptlehrer i.R. David Martin (1938 in Haßloch, war 1908 bis 1913 Lehrer in Edesheim)      

Artikel in "Jüdisches Gemeindeblatt für das Gebiet der Rheinpfalz" vom 1.Juni 1938:  "Am 13. April verschied nach langem, mit Geduld ertragenem Leiden Hauptlehrer Martin aus Haßloch.  
Am 20.9.1875 in Cronheim, Mittelfranken geboren, hat er nach einjähriger Dienstzeit in Burghaslach 30 Jahre lang in der Pfalz gewirkt. Nachdem er fünf Jahre in Edesheim und fünf Jahre in Göllheim verbrachte, hat er die letzten zwanzig Jahre, der ihm liebgewordenen Gemeinde Haßloch gedient. Von lebensfroher Art und aufrichtiger, stets gründlicher Gesinnung hat er sich bei allen, die ihn kannten, Verehrung und Liebe erworben. - Wir betrauern seinen Heimgang und werden ihm ein ehrendes Andenken bewahren. Sein Andenken sei zum Segen. 
Freie Vereinigung israelitischer Lehrer und Kantoren der Pfalz."    

  
Lehrer Nussbaum (Edesheim) referiert bei einer Versammlung der "Freien Vereinigung israelitischer Lehrer und Kantoren der Pfalz" (1913) 
Anmerkung: Der Artikel enthält keine spezifischen Informationen zur jüdischen Geschichte in Edesheim und wird daher nicht abgeschrieben. Bei Interesse bitte Textabbildungen anklicken.     

   Artikel in "Israelitisches Familienblatt" vom 1. Mai 1913.      

  
   
Aus dem jüdischen Gemeindeleben  
Hinweis auf ein antijüdisch eingestelltes Geschäft in Edesheim (1929)

Edesheim CV 19041929.jpg (19279 Byte)Bericht in der Zeitschrift des "Central-Vereins" vom 19. April 1929: "Berichtigung: Edesheim bei Landau (Pfalz) (und nicht Edenkoben). Der Inhaber des Gasthauses zu den 'Vier Jahreszeiten', Valentin Berger (gleichzeitig Draht- und Blechverarbeitungswerk Gebrüder Berger), ist judenfeindlich."

   
   
Berichte zu einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde    
Auszeichnung für den Weltkriegsteilnehmer Berthold Kayem (1915)    

Mitteilung in "Israelitisches Familienblatt" vom 2. Dezember 1915: "Edesheim (Pfalz). Landsturmmann Berthold Kayem, zurzeit beim Armierungsbataillon Nr. 1, erhielt das Bayerische Militärverdienstkreuz dritter Klasse."   

   
Richard Michel wird zum bayerischen Offizier ernannt (1917)   

Mitteilung in "Israelitisches Familienblatt" vom 18. Oktober 1917: "Zum bayerischen Offizier befördert. 
Edesheim (Pfalz). Vizewachtmeister und Offiziersaspirant Richard Michel, Inhaber des Eisernen Kreuzes zweiter Klasse, Sohn des Herrn Max Michel."      

 
 
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen  
Anzeige der Lebensmittelhandlung Ludwig Levy in Edesheim (1903)   

Anzeige in "Israelitisches Familienblatt" vom 26. März 1903: "Auf Pesach! 
offeriere prima koscheres Oster-Salatöl per Flasche 1.35 Mark.
Bei Abnahme von 10 Flaschen franko gegen Nachnahme oder Vorhereinsendung des Betrages.
Ludwig Levy, Edesheim (Pfalz).
"      

   
Todesanzeige für Rosa Kayem geb. Michel (1935)    

Anzeige in "Israelitisches Familienblatt" vom 28. Februar 1935: "Statt Karten.
Nach längerer Krankheit wurde uns unsere liebe Mutter, Großmutter und Urgroßmutter,
Frau Rosa Kayem geb. Michel

im 76. Lebensjahr durch den Tod entrissen. 
Auf Wunsch der Entschlafenen fand die Beisetzung in aller Stille statt. Für erwiesene Teilnahme danken wir herzlichst. 
Familien Kayem, Weil und Kahn.

Edesheim, Landau, Emmendingen, Basel, den 22. Februar 1935."      

 
 
Zu einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde  
   
Hinweis auf Alfred Machol:  Alfred Machol ist am 24. Januar 1875 in Edesheim als Sohn eines jüdischen Weinhändlers geboren. Er studierte Medizin in Freiburg, München, Berlin und Straßburg. Von 1901 bis 1907 war er als Assistenzarzt in Breslau, seit 1907 als Arzt an der Chirurgischen Universitätsklink in Bonn tätig, wo er habilitierte (1911 ao. Professor). Seit 1914 war er Ärztlicher Direktor des Städtischen Krankenhauses in Erfurt und Leiter der Chirurgischen Abteilung. Er ist zwar zur evangelischen Konfession übergetreten, doch geriet er seit 1933 unter entwürdigenden Druck der Nationalsozialisten, sodass er unter diesem Druck selbst sein Pensionierungsgesuch einreichte. 1937 starb er in Naumburg. Weitere Informationen siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Alfred_Machol. Von hier auch das Foto des Denkmales in Erfurt.
  

  
  
  
  
Zur Geschichte der Synagoge               
    
Eine Synagoge wird erstmals 1815 genannt. Dabei handelte es sich um eine im Obergeschoss eines Mühlengebäudes eingerichtete Betstube, die bis 1830 genutzt wurde. Nachdem die Zahl der jüdischen Gemeindeglieder kräftig zugenommen hatte, kaufte die jüdische Gemeinde ein Haus in der heutigen Luitpoldstraße 22. Dieses wurde zur Synagoge mit Schule und Lehrerwohnung umgebaut. Wann eine Einweihung stattfand, ist nicht bekannt. Die Gemeinde war streng orthodox geprägt. Mitte der 1850er-Jahre drohte der Synagoge und dem jüdischen Gemeindeleben in Edesheim das Aus. Der damalige Landauer Bezirksrabbiner Dr. Grünebaum wollte Reformen in der Struktur seiner Gemeinden mit Hilfe neuer Regelungen durchführen. Alle Gemeinden unter 15 Familien sollten aufgelöst beziehungsweise mit benachbarten Gemeinden zusammen gelegt werden. Diese Bestimmung traf die Edesheimer Gemeinde mit ihren "nur" 14 jüdischen Familien. Sie sollte der (allerdings liberal geprägten) Gemeinde in Edenkoben angeschlossen werden. Die Synagoge Edesheim wurde geschlossen; der jüdische Lehrer nach Kirrweiler versetzt. Über die Vorkommnisse informierte die Zeitschrift "Jeschurun" 1855:  

Edesheim Jeschurun AF 051855.JPG (140811 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Jeschurun" Ausgabe Mai 1855: "Die Gemeinde Edesheim zählt 14 Familien, besitzt eine Synagoge mit 4 Gesetzrollen, in welcher bis jetzt der Gottesdienst am Sabbat wie an den Wochentagen ohne Unterbrechung stattgefunden. Sie hatte auch bisher einen Lehrer, der zugleich das Vorsänger- und Schächter-Amt versah und dessen Einkommen sich auf 300 Gulden belief. Seit einigen Monaten ist die Synagoge geschlossen, der Lehrer, Vorsänger und Schächter fortgewiesen, und so die Gemeinde aller Anstalten beraubt, deren sie für die Erfüllung ihrer religiösen Pflichten bedarf. Und durch wen? Durch denselben Mann, dessen Fürsorge die Gemeinde mit ihren religiösen Anstalten überwiesen ist! Der Rabbiner zu Landau, zu dessen Sprengel die Gemeinde gehört, huldigt der neuen Richtung, die Gemeinde ist noch streng religiös, daher entstand eine Missstimmung, die dem Herrn Rabbiner in der bestimmten Weise empfindlich wurde, in deren Entgeltung er nun diese Spolation über die Gemeinde verhängte. Die Synagoge ward auf seinen Befehl geschlossen, die Gemeinde zur Synagoge Edenkoben gewiesen, und soll die Kosten des dortigen Kultus mittragen, wo die neuere Richtung bereits durch Orgel und Gebetabänderung Boden gefunden; der Lehrer, Vorsänger und Schächter aber bei Strafe der Ausweisung und der Kabala-Entziehung nach Kirrweiler versetzt.
Vorerst besuchen diese Leute, bis die Behörde ihnen wieder zu ihrem Recht verholfen, wozu die nötigen Schritte bereits eingeleitet sind, die Synagogen zu Venningen und Böchingen, ungeachtet sie zu diesen Orten mehr als doppelt so weit haben, als zu dem ihnen zugewiesenen Edenkoben, dessen Synagoge zu besuchen ihr Gewissen ihnen verbietet.
Welche Motive aber den Herrn Rabbinen bei dieser seelsorgerischen Fürsorge für die Kultusangelegenheiten seiner Gemeinden geleitet haben mögen, dürfen Sie aus der gleichen Fürsorge für die Schulangelegenheiten seines Sprengels entnehmen. Etwa 4.000 Seelen sind seiner Obhut anvertraut und ungefähr 40 Schulen unterstehen seiner Inspektion. Jede Inspektion wird mit 5 Gulden gratifiziert, jedoch nur dann, wenn die Schule mindestens zehn Schüler zählt. Schulen unter 10 Schülern müssen gratis inspiziert werden. Der Herr Rabbiner hat nun angeordnet, dass alle Schulen unter 10 Schülern aufgehoben werden soll, so kleine Gemeinden also keinen Lehrer für ihre Kinder halten dürften! damit  - so wird bei uns mit Synagoge und Schule - gespielt.    

Der Artikel in der Zeitschrift "Jeschurun" löste größte Verärgerung in den Kreisen derjenigen aus, denen die Reformen um der Zukunft des Judentums wichtig waren, da mehrere Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" in den folgenden Wochen auf den Streit um Edesheim eingingen (mehrseitiger Artikel in der Ausgabe vom 2. Juli 1855, Artikel von Rabbiner Dr. Grünebaum am 30. Juli 1855).     
    
Der Streit um die Auflösung der Edesheimer Gemeinde endete damit, dass die jüdischen Familien der Gemeinde auch weiterhin in ihrer Synagoge zu Gebet und Gottesdienst zusammen kommen konnten. Auch die Religionsschule konnte weitergeführt werden. Erst nach der Jahrhundertwende wurde sie auf Grund der zu geringen Schülerzahl geschlossen (1910). Gottesdienste wurden bis Ende der 1920er-Jahre nur noch gelegentlich gefeiert, da die notwendige Zehnzahl der jüdischen Männer immer schwerer zustande kam. Überwiegend ging man bereits um 1925 nach Edenkoben in die dortige Synagoge. 1931 wurde die Synagoge geschlossen und an einen nichtjüdischen Händler verkauft. Dadurch geschah dem Gebäude beim Novemberpogrom 1938 nichts. Das Gebäude wurde in den folgenden Jahren zweimal umgebaut. Die hebräische Portalinschrift wurde entfernt. Äußerlich sind bis heute die Rundbogenfenster des Betsaales im oberen Stockwerk erhalten. Die Flachbogenfenster des Erdgeschosses gehörten zur Wohnung des Lehrers beziehungsweise zur Religionsschule.            
    
Adresse/Standort der Synagoge:   

bulletBetstube bis 1830: Staatsstraße 36   
bulletSynagoge ab 1830: Luitpoldstraße 22  

   
   
Fotos   

Betstube und Synagoge  
(Fotos von 2013: Michael Ohmsen; 
vgl. Fotoseiten von M. Ohmsen zu Edesheim
Edesheim Synagoge 180.jpg (350411 Byte) Edesheim Synagoge 190.jpg (110094 Byte)
   Das Gebäude, in dem sich bis 1830 
die Betstube befand  
Gebäude der 
ehemaligen Synagoge ab 1830 

   
    

Links und Literatur  

Links: 

bulletWebsite der Verbandsgemeinde Edenkoben  
bulletHeimat- und Kulturverein Edesheim  

Literatur:  

bulletAlfred Hans Kuby (Hrsg.): Pfälzisches Judentum gestern und heute. Beiträge zur Regionalgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. 1992. 
bulletOtmar Weber: Die Synagogen in der Pfalz von 1800 bis heute. Unter besonderer Berücksichtigung der Synagogen in der Südpfalz. Hg. von der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Pfalz in Landau. 2005. S. 64.
bulletLandesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz/Staatliches Konservatoramt des Saarlandes/ Synagogue Memorial Jerusalem (Hg.): "...und dies ist die Pforte des Himmels". Synagogen in Rheinland-Pfalz und dem Saarland. Mainz 2005. S. 143 (mit weiteren Literaturangaben).
 
  

                   
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Stand: 30. Juni 2020