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Angenrod mit
Leusel (Stadt
Alsfeld, Vogelsbergkreis)
Jüdische Geschichte / Synagoge
(Diese Seite wurde
erstellt unter Mitarbeit von Ingfried Stahl)
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Angenrod bestand eine jüdische Gemeinde bis 1942. Es war im 19. Jahrhundert
die größte jüdische Gemeinde im Altkreis Alsfeld.
Ihre Entstehung geht in die Zeit des 16./17. Jahrhunderts zurück. 1650 werden
die beiden Angenröder Juden Falck und Isaac genannt, die an einem in Alsfeld
stattfindenden "Judenkonvent" teilnahmen. Als Ende des 17.
Jahrhunderts der Fürstabt von Fulda die Juden seines Herrschaftsbereiches
vertrieben hatte, fanden einige Aufnahme im Gebiet der Herren von Nodung in
Angenrod. 1736 ließ die Ortsherrschaft zwölf kleine Häuser für die jüdischen
Familien erstellt. Wenig später galt Angenrod in der Umgebung als
"Neu-Jerusalem". 1807 wurden die zwölf "Jüdenhäuser"
von der Ortsherrschaft derer von Nodung an jüdische Einwohner des Ortes
verkauft.
Die Zahl der jüdischen Einwohner entwickelte sich seit der Mitte des 19.
Jahrhunderts wie folgt: 1861 247 jüdische Einwohner (41,9 % von insgesamt
589), 1880 180 (29,9 % von 607), 1895 140 (24,6 % von 568), 1905 129 (25,5 %
von 573), 1910 109 (20,0 % von 546). Auch die im benachbarten Ort Leusel
(heute: Stadtteil von Alsfeld) gehörten zur jüdischen Gemeinde in Angenrod
(1924 7 Personen). Die jüdischen Familien lebten vom Handel mit Vieh und Waren,
einige hatten zudem Landwirtschaft. Von den fünf ehemaligen Schankwirtschaften
am Ort gehörten drei jüdischen Familien. Einige jüdische Geschäfte und
Handlungen waren seit der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts für das
wirtschaftliche Leben im Ort von großer Bedeutung (vgl. als Beispiel unten
Anzeige des Putz- und Modewarengeschäftes von Regina Grünstein 1893). In Leusel
bestand ein Kolonialwarengeschäft der Familie Stern (zwangsarisiert mit
Kaufvertrag vom 16. September 1937).
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine Elementar-
und Religionsschule mit Lehrerwohnung, ein rituelles Bad und ein Friedhof. Zur
Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein jüdischer Elementar-
beziehungsweise Religionslehrer angestellt, der teilweise zugleich auch als
Vorbeter und Schochet tätig war. Im 19. Jahrhundert war über 50 Jahre (von vor
1820 bis 1870, Ausschreibung der Stelle siehe unten) als Lehrer Mayer
Bamberger in Angenrod. Sein 1834 in Angenrod geborener Sohn Isaac Bamberger
war später erster Rabbiner in Königsberg (siehe unten). Lehrer Levi in
Angenrod wurde 1880 zum ordentlichen Klassenlehrer an das Gymnasium in Gießen
berufen (siehe Bericht unten). Die jüdische Gemeinde
Angenrod gehörte zum orthodoxen Provinzialrabbinat in Gießen.
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde: Meier Höxter
(geb. 12.1.1879 in Angenrod, gef. 27.10.1918), Gefreiter Hugo Levi (geb.
30.1.1893 in Angenrod, gef. 24.9.1918), Max Oppenheimer (geb. 28.5.1895 in
Angenrod, gef. 15.5.1916), Friedrich Wertheim (geb. 10.9.1891 in Angenrod, gef.
26.5.1915) und Isidor Wertheim (geb. 29.7.1894 in Angenrod, gef. 15.6.1916).
Um 1924, als noch 80 jüdische Personen am Ort lebten (11,4 % von
insgesamt etwa 700 Einwohnern), waren die Vorsteher der Gemeinde Sally
Wertheim, Juda Stern und Julius Justus. Als Rechner war Juda Stern tätig, als
Kultusbeamter (Religionslehrer, Vorbeter und Schochet) Justus Liebmann. Die
Religionsschule der Gemeinde besuchten noch drei jüdische Kinder. Sie wurden
durch den jüdischen Lehrer aus Alsfeld
unterrichtet. An jüdischen Vereinen gab es die Wohltätigkeitsvereine Chewra
Kadischa (1924 unter Leitung von Hermann Rothschild, 15 Mitglieder) und Chewra
Kedanne* (1924 unter Leitung von Juda Stern, 15 Mitglieder) sowie den
Israelitischen Frauenverein unter Leitung der Frau von Hermann Rothschild. 1932
waren weiterhin die Gemeindevorsteher Sally Wertheim, Juda Stern und Julius
Justus. Im Schuljahr 1931/32 besuchten den jüdischen Religionsunterricht sechs
Kinder.
*Anmerkung zu den Vereinen: über den im "Handbuch der jüdischen
Gemeindeverwaltung" genannten Verein "Chewra Kedanne" herrscht
Unklarheit, da es einen Verein mit einem solchen Namen sonst nirgends gibt. Nach
Abraham Frank (Jerusalem, Auskunft vom 2.5.2012) ist vielleicht möglich, dass
ein Schreibfehler vorliegt und die Rede von Nadanna, Nadan oder Naden ist, dann
wäre die Bedeutung Naden = Mitgift; damit würde es sich um einen auch sonst
vorkommenden Brautausstattungsverein handeln. Nach Auskunft von Ingfried Stahl
gab es auch einen Wohltätigkeitsverein "Bet Hoozar" in Angenrod.
Dabei handelt es sich - nach Auskunft von Meir Brom und Uri Kellermann
(Jerusalem, Auskunft vom 2.5.2012) um einen Verein, der eine Art
"Vorratskammer für Bedürftige" eingerichtet hatte (der Begriff Bet
Haozar kommt in Maleachi 3,10 vor als Lagerhaus für den Zehnten) .
1933 lebten noch 63 jüdische Personen in Angenrod (12,2 % von
insgesamt 518 Einwohnern). In den folgenden Jahren ist ein Teil der jüdischen
Gemeindeglieder auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts, der
zunehmenden Entrechtung und der Repressalien weggezogen beziehungsweise
ausgewandert. 1942 waren noch 12 jüdische Personen am Ort. Sie wurden
von hier aus deportiert (abgeholt von einem in Höhe der Leuseler Straße 3
stehenden Lastwagens), fünf von ihnen in das Ghetto Theresienstadt, die anderen
direkt in Vernichtungslager des Ostens.
Von den in Angenrod geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen
Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Friederike (Frieda)
Abt geb. Bauer (1874), Jakob Abt (1872), Ida Breidenbach geb. Stern (1891), Lina
Buchthal geb. Justus (1877), Fanny Fried geb. Wertheim (1873), Mathilde
Gailingen geb. Wertheim (1895), Jenny Gans geb. Oppenheimer (1890), Selma Hartog
geb. Schaumberger (1884), Johanna Hecht geb. Lorsch (1871), Juda Justus (1880),
Fanny Katz geb. Schaumberger (1881), Selma Katz geb. Steinberger (1879), Hilma
Klein (1932), Mathilde Klein geb. Hecht (1905), Ruth Klein (1934), Hilda Levi
geb. Wertheim (1885), Theresia Lewi geb. Levy (1874), Riekchen Löwenstein geb.
Stern (1872), Ida Moses geb. Rothschild
(1890), Bertha Oppenheimer (1888), Johanna Oppenheimer geb. Abt (1867), Manuel
(Emanuel) Rothschild (1876), Fanny Schaumberger geb. Gras (1862), Rickchen
(Rike) Schaumberger (1876), Rosa Schaumberger (1895), Jette Scheuer geb. Löwenstein
(1862), Hannchen Schirling geb. Rothschild (1862), Abraham Speier (1877), Adolf
Speier (1876), Alfred Speier (1927), Jettchen Scheuer geb. Löwenstein (1862),
Johanna Speier geb. Weisenbach (1878), Leopold Speier (1875), Lieselotte Speier
(1933), Willi Speier (1922), Markus Stern (1865), Sofie Strauss (1878), Wally
Strauss geb. Stern (1876), Cäcilie Weinberg geb. Rothschild (1888), Fritz
Wertheim (1917), Jeanette Wertheim (1859), Minna Wertheim geb. Löwenthal
(1892), Sally (Sali, Salli) Wertheim (1888), Simon Wertheim (1883), Bertha Wolf
geb. Steinberger (1890).
Von den in Leusel geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen
Personen ist in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Rosalie Grünebaum geb.
Stern (1875).
Hinweis: die bislang unter Leusel (Geburtsort) aufgeführte Riekchen
Löwenstein geb. Stern ist nach den Recherchen von Ingfried Stahl 1872 in
Angenrod geboren.
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Religionslehrer-, Vorbeter und Schächterstelle 1870 / 1882
/ 1884 / 1892 / 1901
Anmerkungen: aus den Anzeigen geht auch der Name der damaligen Gemeindevorsteher
hervor: um 1870 M. Rothschild, in den 1880er-Jahren bis mindestens 1892 Moses
Justus, um 1901 H. Löwenstein.
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. November 1870:
"Die Elementarlehrerstelle der israelitischen Gemeinde zu Angenrod
(Oberhessen), Kreis Alsfeld, verbunden mit Vorsänger-Dienst, bei einem
jährlichen fixen Gehalt von 300 Gulden, nebst beträchtlichen
Neben-Akzidenzien und freier Wohnung mit Obst- und Gemüsegarten ist wegen
Pensionierung des seitherigen Lehrers erledigt.
Reflektanten belieben ihre
Offerten sofort an den unterzeichneten Vorstand gefälligst einzusenden.
Angenrod, den 19. Oktober 1870.
Der Vorstand der israelitischen Gemeinde M.
Rothschild." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. September 1882: Die
israelitische Religionslehrerstelle der Gemeinde Angenrod (Kreis Alsfeld,
Oberhessen), verbunden mit Vorsängerdienst, bei einem jährlichen fixen
Gehalt von 700 Mark nebst beträchtlichen Neben-Akzidenzien und freier
Wohnung mit Obst- und Gemüsegarten, ist sofort zu besetzen.
Reflektanten
wollen sich an den unterzeichneten Vorstand wenden.
Angenrod, den 8. September
1882. Der Vorstand Moses Justus". |
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Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. September 1884: "Die israelitische Religionslehrerstelle der Gemeinde Angenrod
(Kreis Alsfeld), Oberhessen, verbunden mit Vorsängerdienst bei einem
jährlichen fixen Gehalt von 600 Mark nebst beträchtlichen
Neben-Akzidenzien und freier Wohnung mit Obst- und Gemüsegarten, ist
sofort zu besetzen.
Reflektanten wollen sich an den unterzeichneten
Vorstand wenden.
Angenrod, den 8. September 1884. Der Vorstand Moses
Justus". |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. September 1892:
"Die Stelle eines Religionslehrers, Vorsängers und Schächters in
der israelitischen Gemeinde Angenrod soll sofort besetzt werden. Fixer
Gehalt Mark 700 nebst freier Wohnung und Nebeneinkünften. Reflektierende
wollen sich unter portofreier Einsendung ihrer Zeugnisse bei dem
unterzeichneten Vorstand melden.
Angenrod bei Alsfeld, 5. September 1892.
Der Vorstand: Moses Justus." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. Mai 1901:
"Vakanz.
Infolge Berufung unseres jetzigen Lehrers in den Staatsdienst, wird die
Stelle eines Religionslehrers, Kantors und Schochets am 1.
August dieses Jahres vakant. Das fest Gehalt beträgt Mark 800.
Nebenverdienste ca. Mark 300, sowie schöne freie Wohnung mit Garten.
Außerdem bietet sich Gelegenheit, den Unterricht in einem Nachbarorte zu
übernehmen, welcher mit 2-300 Mark honoriert wird. Seminaristisch
gebildete Inländer werden bevorzugt. Bewerbungen mit Zeugnisabschriften
wolle man bald anher senden.
Angenrod, Oberhessen, 17. Mai (1901).
Der Vorstand der israelitischen Gemeinde:
H. Löwenstein." |
Rabbiner Dr. Levi (Gießen) berichtet:
Lehrer Levi aus Angenrod wird ordentlicher Klassenlehrer an der Vorschule des
Gymnasiums in Gießen (1880)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 16. März 1880: "Gießen, 8. Februar (1880). ... -
Sodann ist ein weiterer Fortschritt zu Gunsten unserer Glaubensgenossen im
Schulwesen des Großherzogtums zu verzeichnen. Der seitherige Elementarlehrer
Levi zu Angenrod ist zum Lehrer an der Vorschule des hiesigen (=
Gießen) Gymnasiums ernannt worden, das heißt nicht zum Religionslehrer,
sondern zum ordentlichen Klassenlehrer. Vielleicht der erste derartige
Fall in Deutschland. - Das Dritte, was ich Ihnen zu melden habe, dürfte
vielleicht da und dort einen Sporn zur Nachahmung abgeben. Ich hatte
an unseren Stadtvorstande folgendes Schreiben gerichtet: ...'... Dr.
Levi."
Der ganze Artikel findet sich ausgeschrieben auf einer Seite
mit Texten zur jüdischen Geschichte in Gießen.
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Anzeigen des jüdischen Lehrers Schiff (1891)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. März 1891:
"Tüchtige Witwe, 35 Jahre alt, mit guten Zeugnissen, sucht Stelle
als Haushälterin bei alleinstehendem Herrn oder Dame, oder kleinen
Haushalt. Offerten mit Gehaltsangabe an Lehrer Schiff in Angenrod,
Oberhessen." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. Mai 1891: "Ein
kräftiges, 16-jähriges Mädchen, die auch Handarbeiten kann, sucht Stelle
als Stütze der Hausfrau oder zu Kindern. Offerten an Lehrer Schiff,
Angenrod, Oberhessen." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. Juni 1891: "Stellegesuch.
Ein junger Mann, 18 1/2 Jahre alt, der 3 1/2 Jahre in einem
Manufakturgeschäft tätig war, sucht Stellen unter bescheidenen
Ansprüchen. Offerten mit Gehaltsangabe an Lehrer Schiff, Angenrod,
Oberhessen." |
Der jüdische Lehrer Kaufmann aus Angenrod referiert
bei einer Generalversammlung des "Unabhängigen Vereins israelitischer
Lehrer im Großherzogtum Hessen (1902)
Anmerkung: Der Bericht über die Generalversammlung mit einem Referat
Kaufmann "über den Unterricht im Gebetübersetzen" wird hier nicht
abgeschrieben, da er nicht unmittelbar zu jüdischen Geschichte in Angenrod
gehört; bei Interesse bitte anklicken und die Originalseiten einsehen.
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Anmerkung: bei
Lehrer Kaufmann handelte es sich um Leopold Kaufmann (rechts mit
seiner Frau Hilda geb. Sonneborn; Quelle: Die Sprendlinger Juden. 1983
S. 29). Leopold Kaufmann ist am 21. Juni 1877
in Bisses geboren. Er war verheiratet mit Hilda geb. Sonneborn (geb. 16.
Mai 1877 in Wölfersheim). Das Ehepaar hatte fünf Kinder, von denen die
Tochter Judith (geb. 8. September 1902) und der Sohn Meier (geb. 7.
Oktober 1905) in Angenrod geboren sind. In dieser Zeit, also um 1902/05
war Leopold Kaufmann Lehrer in Angenrod. Später war er in Birkenau
(um 1912), danach (um 1915/1938) in Sprendlingen
tätig. Er und seine Frau Hilda sind nach der Deportation im KZ Auschwitz
ermordet worden. |
Kleinere
Artikel aus dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben
"Seltenes Beispiel von Humanität - die Kirchenglocken
rufen zur Synagoge in Angenrod 1842"
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit des 19. Jahrhunderts" vom 10.
April 1842: "Ein gleiches, ja noch selteneres Beispiel von Humanität
und Toleranz gab kürzlich der Großherzogliche Hessische Kreisrat in
Alsfeld. In Angenrod, einem Orte, wo sehr viele Israeliten wohnen,
verordnete er, dass die Letzteren gleichfalls durch das Glockengeläute
zur Synagoge gerufen und ebenso hierdurch der Anfang des Unterrichtes in
der israelitischen Lehr-Schule angezeigt werden solle". |
Die Chewra Kadischa (Jüdischer Beerdigungs- und Wohltätigkeitsverein) sucht
eine Torarolle 1909
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. April 1909: "Die
Chewra Kadische zu Angenrod, Kreis Alsfeld, will eine neue
Sefer Tora
(hebräisch falsch Tefer Tora geschrieben; Torarolle)
anschaffen und bittet
Interessenten um sofortige Offerten. Der Vorsteher der
Chewra Kadische.
Josef Wertheim". |
Berichte zu
einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde
Stiftung von Hirsch Levi für die christlichen Hausarmen
des Ortes (1840)
(Anzeige erhalten von Ingfried Stahl)
Anzeige
im "Großherzoglich Hessischen Regierungsblatt" Nr. 23 Darmstadt
am 16. October 1840 S. 273-274: "Bekanntmachung, die Bestätigung einer frommen Schenkung betreffend.
Der Israelite Hirsch Levi zu Angerod hat der dasigen Gemeinde für die christlichen Hausarmen daselbst die Summe von einhundert Gulden durch Schenkung zugewiesen.
Des Großherzogs Königliche Hoheit haben dieser wohlthätigen Schenkung die allerhöchste Genehmigung zu ertheilen geruht und ist sofort die betreffende Behörde zur Annahme der Schenkungssumme ermächtigt worden.
Darmstadt am 30. September 1840.
Großherzoglich Hessisches Ministerium des Innern und der Justiz.
du Thil. Prinz.". |
Anzeigen jüdischer
Gewerbebetriebe
Anzeige des Putz- und Modewarengeschäftes Regina
Grünstein (1893)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. März 1893: "Zum
sofortigen oder baldigen Eintritt suche für mein Putz- und
Modewarengeschäft eine Arbeiterin und 1 Lehrmädchen aus achtbarer
Familie. Kost und Logis im Hause. Bedingungen günstig.
Frau Regina Grünstein, Angenrod bei Alsfeld." |
Persönlichkeiten aus
der jüdischen Gemeinde
Über den aus Angenrod stammenden Rabbiner Isaac Bamberger
(1834-1896)
Rabbiner Isaac Bamberger: geb.
1834 in Angenrod als Sohn des jüdischer Lehrers Mayer Bamberger; besuchte
die Realschule in Alsfeld, danach Ausbildung in Fulda und Giessen; in
Giessen Studium an der Universität und bei Rabbiner Dr. Levi; Abschluss
der Ausbildung zum Rabbiner in Breslau 1861. Seit 1865 bis zu seinem Tod
1896 erster Rabbiner der liberalen Gemeinde in Königsberg.
links: Synagoge in Königsberg, im nachfolgenden Artikel als Werk des
Rabbiners Isaac Bamberger beschrieben. |
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 30. Oktober 1896:
"Königsberg, 27. Oktober (1896). Einen schweren, ja unersetzlichen
Verlust hat unsere Gemeinde durch das Hinscheiden des Herrn Rabbiners Dr.
J. Bamberger, der gestern Mittag um 12 Uhr nach langen und schweren Leiden
im 63. Lebensjahre gestorben ist, erlitten. Ausgezeichnet durch
hervorragende Gaben des Geistes und des Herzens, war der Verblichene nicht
bloß ein bedeutender Kanzelredner und treuer Seelsorger seiner Gemeinde,
sein für die Not der Armen warm schlagendes Herz trieb ihn auch dazu, auf
dem Gebiete des Wohltuns eine weitgehende Tätigkeit zu entwickeln, die
zahlreichen, in dieser Richtung arbeitenden Vereinen zugute gekommen ist.
Geboren zu Angenrod in Hessen, wurde Bamberger gleich nach
Beendigung seiner Studien am jüdisch-theologischen Seminar zu Breslau als
Rabbiner nach Königsberg berufen und hier hat er länger als 30 Jahre
hindurch in dieser Stellung mit reichem Erfolge gewirkt, nicht bloß
innerhalb des Kreises seiner Glaubensgenossen, sondern weit darüber
hinaus ein gesegnetes Andenken hinerlassen. Hat er sich so in zahlreichen
Herzen ein unsichtbares Denkmal gesetzt, so fehlt es ihm auch nicht an
einem sichtbaren, denn die vor Kurzem eingeweihte prachtvolle Synagoge
darf als sein Werk angesehen werden, mit dem sein Name immerdar verknüpft
bleiben wird. Ein ausführlicher Nekrolog folgt in nächster Nummer."
(Der Nekrolog in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums",
Ausgabe vom 6. November 1896 wird hier nicht wiedergegeben). |
Über den aus Angenrod stammenden Professor Gabriel
Bamberger in Chicago (1845-1903, Bruder des o.g. Rabbiners Isaak
Bamberger)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 8. Mai 1903:
"Chicago. Professor Gabriel Bamberger, Direktor der Jewish
Training School (Volksschule mit Handfertigkeitsunterricht) st gestorben.
Er war am 3. Juni 1845 in Angenrod, Hessen, geboren, hatte anfangs in
Breslau sich dem Theologiestudium gewidmet, trat aber bald in das Lehrfach
über, wurde 1879 von Felix Adler zur Leitung der Musterschule der
Ethischen Kulturgesellschaft berufen, welche Stellung er 1890 mit der
Leitung der Schule in Chicago vertauscht, welche hauptsächlich der
Amerikanisierung russischer Einwanderer dient. Er war ein Bruder des
verstorbenen Rabbiners von Königsberg, Dr. Isaak
Bamberger." |
Über Angehörige der Familien Steinberger und
Schaumberger
P. Arnsberg Bd. I S. 274 weist im
Zusammenhang mit Auswanderungen nach den USA um die Mitte des 19.
Jahrhunderts auf Mitglieder der Familie Steinberger hin: "So
wanderte u.a. die Schwester der Urgroßmutter von William Steinberger [sc.
ein in Grebenau geborener US-Soldat,
der im Oktober 1945 eine Heimatstadt besuchte] von
Angenrod nach Amerika aus (1845) - noch der Vater von William Steinberger
war in Angenrod geboren -; sie heiratete in die Familie Rosenwald ein, aus
der der später bedeutende Philanthrop Julius Rosenwald
hervorging".
Link: Wikipedia-Artikel
über Julius Rosenwald. |
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Prof. Dr. Hugo Schaumberger, geb.
1875 in Angenrod, in Frankfurt Lehrer am Philanthropin von 1903 bis 1937,
1940 nach Belgien emigriert. Hier konnte er sich mit Hilfe von
Nazigegnern versteckt halten. Er starb 1962 im Jüdischen Altersheim in
Neustadt a.d. Weinstraße.
Anmerkung: Hugo Schaumberger wurde 1904 in Gießen mit einer Dissertation zum
Thema "Über einen besonderen Linienkomplex vierten Grades" promoviert:
https://mathgenealogy.org/id.php?id=52081. Ein frei zugängliches
Digitalisat der Arbeit ist nicht zu finden, nur dieses nicht einsehbare:
https://books.google.de/books?id=J6k1swEACAAJ |
Kennkarte
aus der NS-Zeit |
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Am 23. Juli 1938 wurde
durch den Reichsminister des Innern für bestimmte Gruppen von
Staatsangehörigen des Deutschen Reiches die Kennkartenpflicht
eingeführt. Die Kennkarten jüdischer Personen waren mit einem großen
Buchstaben "J" gekennzeichnet. Wer als "jüdisch"
galt, hatte das Reichsgesetzblatt vom 14. November 1935 ("Erste
Verordnung zum Reichsbürgergesetz") bestimmt.
Hinweis: für die nachfolgenden Kennkarten ist die Quelle: Zentralarchiv
zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland: Bestände:
Personenstandsregister: Archivaliensammlung Frankfurt: Abteilung IV:
Kennkarten, Mainz 1939" http://www.uni-heidelberg.de/institute/sonst/aj/STANDREG/FFM1/117-152.htm.
Anfragen bitte gegebenenfalls an zentralarchiv@uni-hd.de |
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Kennkarte
für den in Angenrod
geborenen Markus Stern |
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Kennkarte (ausgestellt in
Mainz 1939) für Markus Stern (geb. 14. März 1865 in
Angenrod),
wohnhaft in Mainz; am 27. September 1942 ab Darmstadt in das Ghetto Theresienstadt
deportiert und dort am 11. Oktober 1942 umgekommen. |
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Zur Geschichte der Synagoge
Zunächst (17./18. Jahrhundert) dürfte ein einfacher Betraum
in einem der jüdischen Häuser vorhanden gewesen sein, seit 1736 in
einem von der Ortsherrschaft für die jüdischen Familien erbauten
Häuser.
Am 27. Februar 1797 (nach neuen Recherchen von Ingfried Stahl) konnte
eine neu erbaute Synagoge in der "Judengasse" in der Ortsmitte
feierlich eingeweiht werden. Bei der Feier hielt u.a. der Syndikus der Stadt
Alsfeld Karl Dieffenbach eine Ansprache. Die Gutsherren von Noding hatten für
den Synagogenbau ein Grundstück zur Verfügung gestellt. Der Patron war bei der
Einweihung samt seiner Frau anwesend (damals Dragonermeister Carl Reinhard von
Wehrda genannt Noding mit Frau Katharina).
1861 wurde eine umfassende Renovierung der Synagoge durchgeführt.
Zugleich ist sie erweitert worden. Über die Wiedereinweihung am 18. Oktober
1861, die durch Rabbiner Isaac Bamberger, den Sohn des Lehrers Bamberger und
späteren Rabbiner von Königsberg (s.o.) vollzogen wurde, liegt folgender
Bericht vor:
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 26. November
1861: "Aus Oberhessen, Kurhessen, November. In Angenrode,
Kreisamtsbezirkes Alsfeld, im Großherzogtume Hessen, einem von vielen
Israeliten bewohnten Dorfe, in welchem diese fast die Hälfte der
Einwohnerzahl bilden, fand am 18. Oktober dieses Jahres die Einweihung der
restaurierten und durch Neubau erweiterten Synagoge statt. Die Feier wurde
in der würdigsten Weise vollzogen. Herr Dr. Bamberger, Sohn des dortigen
Lehrers und Zögling des Rabbinerseminars in Breslau, hielt die
Einweihungsrede und erntete allgemeinen Beifall. Was von dieser Feier
besonders hervorgehoben werden muss, ist die freundliche Beteiligung der
christlichen Bewohner des Ortes. Die an der Straße, durch welche der
schön geordnete Zug sich bewegte, wohnenden Christen hatten gleich den
Israeliten ihre Häuser dekoriert und die sämtliche christliche
Einwohnerschaft des Ortes war festlich gekleidet. Auch die Kreisamtlichen
Behörden in Alfred beteiligten sich an der Feier in hervorragender Weise.
Von solchen Vorgängen muss Akt genommen werden, da sie Belege dafür
sind, dass das eigentliche Rischus (gemeint hier: Antisemitismus) im Volke
keinen rechten Boden mehr hat. Der frühere Vorsteher der israelitischen
Gemeinde in Angenrod, Herr Gutkind Rothschild, ist Mitglied des
Ortsvorstandes, zu welchem das Vertrauen und die wohlbegründete Achtung
seiner Mitbürger ihn vor Jahren schon erwählt hat. B.H." |
In der "Oberhessischen Zeitung" fanden sich im Juli und
Oktober 1861 zwei kleine Inserate mit Bezug auf die Restaurierung und
Wiedereinweihung der Synagoge (übersandt von I. Stahl, Alsfeld):
Vergabe der
Schindelarbeit an der Synagoge (Juli 1861) |
Anzeige
in der Oberhessischen Zeitung vom 9. Juli 1861: "Montag den 15.
Juli dieses Jahres, vormittags um 10 Uhr, soll die zu 73 Gulden 52 Kreuzer
veranschlagte Schindelarbeit an der Synagoge zu Angenrod an Ort und Stelle
an den Wenigstnehmenden versteigert werden. Angenrod am 9. Juli 1861. Der
Vorstand." |
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Öffentliche Danksagung
nach der Synagogeneinweihung (Oktober 1861) |
Anzeige
in der "Oberhessischen Zeitung" vom 22. Oktober 1861: "Öffentliche
Danksagung. Allen unsern geehrten Mitbürgern von nah und fern, welche
sich an unsrer Synagogenweihe beteiligt und durch ihre würdige Haltung
zur Erhöhung der Feier beigetragen haben, sagen wir hiermit, namens
unserer Gemeinde, herzlichen Dank.
Angenrod, den 22. Oktober 1861. Der Vorstand der israelitischen Gemeinde
D. Löwenstein. B. Speyer. J. Levi." |
1897 konnte das 100jährige Synagogenjubiläum feierlich begangen werden. Dazu
berichtete die Zeitschrift "Der Israelit":
Die Feier des 100jährigen Bestehens der Synagoge (1897)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. März 1897:
"Angerode (für Angenrod), 7. März (1897). Ein seltenes Fest
feierte unsere Gemeinde vergangenen Samstag, Paraschat Schekalim (Schabbat
mit der Toralesung Schekalim, das ist 2. Mose 35,1 - 38,20; es war
Schabbat, 27. Februar 1897) nämlich das 100jährige Jubiläum unserer
Synagoge. Bereits am Freitag waren von Nah und Fern zahlreiche Teilnehmer
herbeigeeilt.
Freitagnachmittag begann die Festlichkeit mit einem Zuge vom
israelitischen Gemeindehaus nach der festlich geschmückten Synagoge,
wobei sich auch u.a. die Vertreter der christlichen Gemeinde, wie z.B. der
Bürgermeister, die Lehrer, der Rechner etc. beteiligten. Nach Absingen
eines hübschen Psalms hielt der Lehrer, Herr Eisenberger, eine
ergreifende Festrede. Anknüpfend an den Vers 7 des 5. Buches Mose, Kap.
32 entrollte Redner ein Bild der Verhältnisse, ein Bild von Einst und
Jetzt. Zum Schlusse ermahnte Redner festzuhalten an dem heiligen Erbe
unserer Vorfahren. Alsdann folgte ein Gebet für die Obrigkeit. Samstag
morgens 7 Uhr fand Schacharis-Gottesdienst statt. Um 10 Uhr versammelten
sich sämtliche Festteilnehmer zum Mussaw-Gottesdienste, wobei die an und
für sich ziemlich große Synagoge sehr überfüllt war. Nachmittags 2 Uhr
begann die Lustbarkeit mit einem heiteren Commers, durch diverse hübsche
Vorträge ernsten und heiteren Inhalts verschönert mit am Abend darauf
folgendem Ball. Dass dieses seltene Fest einen so glänzenden Verlauf
genommen, haben wir größtenteils unserem Lehrer, Herrn Eisenberger, zu
verdanken. Mit dem Bewusstsein, ein erhebendes und in allen Teilen
glanzvoll abgelaufenes Fest gefeiert zu haben, trennten sich erst beim
anbrechenden Morgen die Teilnehmer". |
Bis 1938 dürften in der Synagoge regelmäßig Gottesdienste
abgehalten worden sein.
Über Ereignisse in der NS-Zeit, insbesondere beim Novemberpogrom 1938 liegen keine
Angaben vor.
Auf Grund der Recherchen (u.a. in den
Grundbüchern des Amtsgerichtes in Alsfeld) von Prof. Dr. Ingfried Stahl
ergaben sich in der Folgezeit (1940 bis 1960) folgende Besitzerwechsel:
1. bis 1940 war die Synagoge im Besitz der jüdischen Gemeinde Angenrod.
2. Mit Kaufvertrag vom 18. September 1940 verkaufte Sally Wertheim
(letzter Vorsitzender der Judengemeinde Angenrod) das Synagogengebäude an
die bürgerliche Gemeinde: es unterzeichnete als Käufer
Bürgermeister Karl Hoffmann.
3. Die bürgerliche Gemeinde Angenrod übergab des Gebäude 1954 an
die Hessische Treuhandverwaltung GmbH (Urkunde vom 26. Oktober 1954)
4. Die Treuhandverwaltung verkaufte das Gebäude 1955 an einen
Angenroder Geschäftsmann (Kaufvertrag vom 10. Mai 1955).
5. Dieser Angenroder Geschäftsmann verkaufte das Synagogengebäude samt
Zubehör 1960 wieder an die bürgerliche Gemeinde (Kaufvertrag vom 29.12.1960). |
1962 wurde das Synagogengebäude abgebrochen. Auf dem Grundstück befindet sich großenteils eine
Gartenfläche.
Am 4. April 2012 beschloss der Ortsbeirat Angenrod die Aufstellung einer
Gedenktafel für die Synagoge in Angenrod. Sie wurde am 20. Oktober 2013 eingeweiht
(siehe Presseberichte und Fotos unten).
Adresse/Standort der Synagoge: Judengasse
Fotos / Darstellungen
(Quelle: www.synagogen.info:
eingegebene Bilder und Kommentare von Prof. Dr. Ingfried Stahl, Alsfeld und
William L. Gross, Tel Aviv)
Historische Aufnahme
(Quelle: mit freundlicher Genehmigung
aus der Website von Frantisek Bányai,
www.judaica.cz) |
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Die Synagoge Angenrod
auf einer historischen Ansichtskarte |
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Fotografie der
Synagoge
(erhalten von Ingfried Stahl) |
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Auf der Wetterfahne ist die
Jahreszahl
der Erbauung (1797) |
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Nach Ende der
Synagogenzeit |
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Synagogengebäude 1942 |
Abbruch der Synagoge 1961 |
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Andernorts entdeckt
(nach Hinweis von Ingfried Stahl)
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Auf einem
Denkmal im jüdischen Friedhof im elsässischen
Benfeld stehen die Namen der aus
Angenrod stammenden Mathilde Klein geb. Hecht (geb. 1905 in Angenrod), Hilma
Klein (geb. 1932 in Angenrod), Ruth Klein (geb. 1934 in Angenrod), die in
Angenrod bis um 1935 lebten, dann nach Frankreich emigrierten, in Benfeld
lebten, von dort in das Sammellager Drancy verbracht und schließlich 1944
nach Auschwitz deportiert und ermordet wurden.
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Foto von
Mathilde Klein geb. Hecht und Gedenkblätter für sie aus der
Gedenkstätte Yad Vashem Jerusalem
https://yvng.yadvashem.org/ |
Gedenkblätter für
Hilma Klein aus der
Gedenkstätte Yad Vashem Jerusalem |
Gedenkblatt für
Ruth Klein |
Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte
November
2008: Gedenkstunde aus Anlass des 50.
Jahrestages der Pogromnacht 1938
(Presseberichte erhalten von Ingfried Stahl) |
Presseberichte aus
der "Alsfelder
Allgemeinen" vom November 1988
(links) und der "Oberhessischen
Zeitung" vom 10. November 1988
(rechts mit Foto)
(zum Lesen bitte
Textabbildungen anklicken) |
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November
2008: Gedenkstunde aus Anlass des 70.
Jahrestages der Pogromnacht 1938 |
Pressebericht aus
der
"Oberhessischen Zeitung"
vom 11. November 2008
(zum Lesen bitte
Textabbildung anklicken) |
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Juni 2010:
Enttäuschung über fehlendes Gedenken in
Angenrod - ein Nachkomme einer jüdischen Familie besucht den
Ort |
Foto
links: Dr. Kenneth W. Stein, Director of the Institute for the Study of
Modern Israel of Emory University in Atlanta, GA
Quelle des Fotos: ismi.emory.edu
Artikel von Heinrich Dittmar im "Lautenbacher
Anzeiger" vom 12. Juni 2010 (Artikel):
"Enttäuschung über das fehlende Gedenken in Angenrod
ALSFELD. Dr. Kenneth Stein, ein Nachfahre der Familie Wertheim, zu Besuch in der Region
Vor einigen Tagen besuchte Dr. Kenneth Stein, ein Nachfahre der Familie Wertheim, die in
Lauterbach und Angenrod lebten, die Region. Dr. Stein, der Sohn von Tilly Stein, geborene Wertheim, ist Professor für Jüdische und Nahost-Geschichte an der
'Emory University' in Atlanta. Dazu ist er Direktor zweier Universitätsinstitute. Er spricht Französisch, Spanisch und Hebräisch und auch Deutsch, das er in der Kindheit von den Eltern lernte. Er ist international auf seinem Fachgebiet anerkannt und als Gesprächpartner auch deutscher Universitäten gerne gesehen.
Seine Großeltern stammten aus Lauterbach. Sie waren um 1900 von
Angenrod und Kirtorf dorthin gegangen und hatten in
Lauterbach gegenüber der Brauerei eine Viehgroßhandlung aufgebaut. Tilly Stein, die Mutter des Besuchers, ist insbesondere bekannt durch ihre umfassende Lebensbeschreibung, die das jüdische Lebens in
Lauterbach, Alsfeld und
Angenrod in den zwanziger und dreißiger Jahren darstellt (siehe
Literaturliste).
Sie hatte Heinrich Dittmar aus Alsfeld gebeten, ihren Sohn durch die Region zu führen. Zunächst wurde das alte
Alsfeld und besonders das Gymnasium, das Tilly Stein in den Jahren 1933 bis 34 besucht hatte, angesehen.
Dann führte der Weg nach Lauterbach. Hier wurde das ehemalige Anwesen der Wertheims gegenüber der Brauerei angesehen und ausgiebig fotografiert. Es folgte der Besuch der Lauterbacher Judenfriedhofs mit den Gräbern von Verwandten und Bekannten der Mutter. Ein kurzer Besuch wurde auch bei einer Alterskameradin von Tilly Stein gemacht.
Es musste aber flott weiter gehen, denn der Historikprofessor Stein nahm an einer Fachtagung der Uni Mainz in Kooperation mit der Deutsch-israelischen Gesellschaft teil und musste rechtzeitig dort zurück sein.
Es blieb daher nur kurze Zeit für den Alsfelder Judenfriedhof und die christlich-jüdische Leichenhalle. Angenrod, der Heimatort seiner Großeltern und auch Urgroßeltern, war schließlich das Hauptziel des Besuchs.
Am Friedhof in Angenrod stand Prof. Dr. Stahl, der mit seinen Arbeiten zur jüdischen Geschichte Angenrods wertvolle Arbeit geleistet hatte, als Berater zu Verfügung. Zur Überraschung Stahls wurde dieser von Stein sogleich in akzentfreiem Deutsch begrüßt:
'Wir haben es zu Hause gesprochen.' Es waren bewegende Momente, als Kenneth Stein in Gebeten seiner Vorfahren gedachte.
Der Platz der ehemaligen Synagoge Angenrods setzte Stein in Erstaunen. 1959, als junger Mann, hatte er die damals noch in gutem Zustand stehende Synagoge gesehen und konnte sich noch gut an viele Einzelheiten erinnern. Er fand in 1959 an einem besonderen Platz ein Behältnis mit den Resten der zerstörten Thoras und Gebetbücher. Diese Reste brachte er in einem besonderen Bereich der Synagoge unter, wie es üblich war. Nicht bedacht hatte er, dass man drei Jahre später das Gebäude abriss und auch die geheiligten Reste vernichtete und mit dem übrigen Abrissgut entsorgte.
Es war ihm anzumerken, dass er über diese Handlungsweise der damaligen bürgerlichen Gemeinde, die formell Eigentümer der Anlage war, entsetzt, enttäuscht und verbittert war. Das ehemalige Großelternhaus war danach nur noch von geringem Interesse.
Angesprochen auf die Probleme mit dem 'Speierhaus', aus dem die letzten dort untergebrachten acht Angenröder Juden im September 1942 deportiert wurden, konnte er nicht mehr sachlich antworten. Dass noch nicht einmal ein Gedenkstein an die ehemalige Synagoge erinnert, konnte er nach den Besuchen in Alsfeld und Lauterbach nicht verstehen.
Die Enttäuschung über das fehlende Erinnern und Gedenken an die jüdischen Opfer von Angenrod, der ehemals größten Jüdischen Gemeinde in Hessen, war nicht zu übersehen.
Tilly Stein, die Mutter des Besuchers, mit der man an diesem Tage mehrfach telefonierte, war allerdings nicht überrascht, hatte sie doch bei ihren Besuchen in der Region immer wieder keine guten Eindrücke gewonnen.
Der Besuch von Prof. Dr. Kenneth Stein ist Veranlassung, über die Erinnerungsarbeit an die jüdische Vergangenheit in Angenrod nachzudenken." |
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November 2010:
Erstmals Gedenkveranstaltung zum Novemberpogrom
1938 in Angenrod |
Presseartikel
von Ingfried Stahl in der "Oberhessischen Zeitung" vom 11.
November 2010 (Artikel):
"'Ein wichtiges Stück unserer Geschichte. Erstmals
Gedenkveranstaltung von Ortsbeirat und Evangelischer Kirchengemeinde zur
Reichspogromnacht.
ANGENROD (la). Musikalisch umrahmt mit Klezmermelodien, gespielt von Felix Ebert auf der Klarinette, gedachte Angenrod erstmals auch am Standort der ehemaligen Synagoge in der Judengasse seiner Shoah-Opfer: durch Verlesen ihrer Namen, Lebensdaten und Nennung der letzten Stationen ihres, teils allzu kurzen, Lebenswegs: der SS-Vernichtungslager. Eingeladen zu der Gedenkveranstaltung hatten am Montagabend der Kirchenvorstand der evangelischen Kirche und der Ortsbeirat
Angenrod.
Im Beisein von rund 50 Teilnehmern, darunter Stadtrat Dieter Ermel und Mitglieder des Ortsbeirats sowie des Kirchenvorstands, war es insbesondere die nachdenklich stimmende Schlussansprache von Pfarrer Walter Bernbeck, die für das gemeinsame Glaubensgebäude von Juden und Christen mit dem Glauben an den einen und einzigen Gott sensibilisierte. An der Gedenkveranstaltung beteiligten sich auch drei Angenröder Zeitzeugen.
Es habe hier in Angenrod ein 'lebendiges und über viele Generationen gutes
Miteinander' gegeben, sagte Bernbeck. Seit etwa Beginn des 20. Jahrhunderts seien jüdische Menschen in diesem Land systematische ausgegrenzt worden, die Nazis hätten sich diesen Hass zu eigen gemacht und in einem
'sonst nie gesehenen Ausmaß ihre totale Vernichtung' betrieben. 'Die Angenröder Synagoge blieb
stehen', so der Pfarrer mit Blick auf das Pogromgeschehen in Angenrod: 'Nicht aus nachbarschaftlicher Rücksicht, sondern weil ein Feuer in diesem großen, zentralen Gebäude gewiss vieles miterfasst hätte.' Die Synagoge habe dann für ein Gefrierhaus Platz machen müssen. 1961 sei sie endgültig abgetragen worde. Heute sei klar, es war nicht um eine Heiligtum gegangen, sondern um
'ein entscheidendes Stück der gemeinsamen Angenröder Geschichte und um ein Gebäude, in dem der Glaube an den einen Gott Ausdruck
fand'. In der Synagoge seien nach dem Krieg auch katholische Gottesdienste gefeiert worden.
'Gedankenlos - geistlos - geschichtslos wurde diese Synagoge beseitigt.' Aber, fügte er eindringlich hinzu:
'Geschichte lässt sich nicht so einfach beseitigen.'
Wenn man sich hier in Angenrod zum Gedenken versammele, dann könne er, Bernbeck, dies nur tun
'mit einem Schuldbekenntnis'. Noch immer werde die jüdische Geschichte Angenrods - von
'ganz vielen' - nicht als ein 'ganz wichtiges Stück unserer eigenen
Geschichte' erkannt. Sie werde vielmehr abgespalten als etwas Fremdes, 'nicht ganz Zugehöriges'. Solange dieses Denken aber so stark sei, sei es auch fraglich, ob Gedenksteine im Namen der Gemeinschaft erinnerten:
'So lange bildet das zerfallende Haus in der Leuseler Straße mit seiner noch traurigeren Geschichte als letzte Unterkunft jüdischer Menschen in diesem Dorf unseren Umgang mit dieser Geschichte ganz gut
ab.' 'Ich möchte nicht Recht haben', so der vorsichtige Wunsch des Pfarrers.
'Unsere christliche Gemeinde hat im Blick auf die jüdischen Geschwister vielfach versagt, auch hier in
Angenrod.' Heute müsse erkannt und bekannt werden: Jahrhunderte lang hätten die Kirchen viel dafür getan, um sich von
'den Juden zu distanzieren, zu trennen'. Jetzt endlich, nach all den Zerstörungen, beginne man die Gemeinsamkeiten zu sehen und zu betonen:
'Da sind wir noch ganz am Anfang.'
Ortsvorsteher Hans-Dieter Korell hatte zu Beginn der Gedenkveranstaltung ein engagiertes Bekenntnis zur jüdischen Geschichte Angenrods abgelegt, wobei er, teils recht detailliert, auf die historische Entwicklung der bedeutenden jüdischen Gemeinde Angenrods einging, von der Erbauung der ersten eigenen Häuser 1736, der erstmaligen Einweihung der
'stattlichen Synagoge' 1797 bis letztlich hin zum Erlöschen der jüdischen Gemeinde in der NS-Zeit. Im 19. Jahrhundert habe sich die jüdische Religionsgemeinde zeitweilig zur größten
'deutsch-jüdischen Religionsgemeinde im Altkreis Alsfeld' mit fast der 'Hälfte der Angenröder Bevölkerung' entwickelt. Einige jüdische Geschäfte und Handlungen seien seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts für das wirtschaftliche und kulturelle Leben im Ort
'von großer Bedeutung' gewesen.
Ein jäher Wandel im Zusammenleben von Juden und Christen habe die Machtergreifung der Nazis 1933 gebracht, eskalierend mit zunächst der Reichspogromnacht am 9. November 1938. Ein eher trauriges Ende sei der vor 100 Jahren letztmals geweihten Synagoge beschieden gewesen. Kurzerhand,
'weil verwendungslos', sei die stattliche Synagoge 1961 abgetragen worden. Eine
'bedeutender politischer und kultureller Bestandteil Angenrods' habe unwiderruflich aufgehört zu existieren. Zur Erinnerung an die
'systematische Diskreditierung, Hetze, Vertreibung und schließlich den willkürlichen Abtransport von insgesamt 44 Angenröder Juden in die
Vernichtungslager' und insbesondere der noch verbliebenen letzten acht Juden, die am 7. September 1942 aus Angenrod deportiert worden seien, führe der Ortsbeirat zusammen mit dem Kirchenvorstand der evangelischen Kirche
'zum ersten Mal in der Geschichte Angenrods am Standort unserer ehemaligen
Synagoge' eine Gedenkveranstaltung durch. Obwohl kaum noch Zeitzeugen lebten, verstünden
'wir Jüngere' es als Aufgabe, die 'Erinnerung an unsere ehemaligen deutschen Mitbürger in Angenrod wach zu
halten'. Man stelle sich der Verantwortung 'gemeinsam mit unserer Kirche, den Bürgern sowie der
Politik'.
Bezugnehmend auch auf Kritik am Umgang mit dem Andenken an die ehemalige jüdische Religionsgemeinschaft erklärte Korell, man wolle sich dieser Sicht von außerhalb nicht entziehen. Korell nannte Beispiele für die Bewahrung der jüdischen Geschichte in Angenrod und informierte über den einstimmigen Beschluss des Ortsbeirats für die Errichtung einer Gedenktafel für die Synagoge und verwies dabei auf die bislang nicht erfolgte Zusage für die Restmittelfinanzierung der Stadt Alsfeld als Rechtsnachfolgerin der früheren Gemeinde Angenrod. Zur beschlossenen Stolpersteinverlegung in Angenrod scheint es dem Ortsvorsteher sinnvoller zu sein, die Steine auf dem Bürgersteig des Hauses zu verlegen, von dem aus die Deportation der letzten Angenröder Juden erfolgt sei: das Haus Leuseler Straße 3, auch als
'Haus Speier' bezeichnet.
Einen Einblick in das überaus harmonische Zusammenleben von Angenröder Christen und Juden gab auch eine Lesung von Martin Reibeling, Mitglied des Kirchenvorstands. Er verlas den auch im Internet dokumentierten Bericht aus der
'Allgemeinen Zeitung des Judentums' vom 26. November 1861 aus Anlass der Einweihung der restaurierten Angenröder Synagoge." |
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Fotos der
Gedenkveranstaltung
(Ingfried Stahl) |
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Verlesen der Namen der
Angenröder Shoah-Opfer durch
drei Konfirmanden, links Pfarrer
Walter Bernbeck, rechts zwei
Angenröder Zeitzeuginnen. |
Klezmermelodien
auf der Klarinette zur
Begleitung der
Gedenkveranstaltung
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Anzünden von Kerzen für die
letzten Angenröder Shoah-Opfer
mit Wohnort Angenrod |
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November
2011: Gedenkveranstaltung zum
Novemberpogrom 1938 in Angenrod |
Bericht
von Ingfried Stahl über die Gedenkveranstaltung in der Alsfelder
Allgemeinen Zeitung vom 12. November 2011 (nachstehend wird der
Originalbeitrag von Ingfried Stahl zitiert, der in der Zeitung kleinere
redaktionelle Kürzungen erfahren hat): "Gedenktafel soll bald
angebracht werden. Pogromgedenkfeier an der ehemaligen Synagoge - 'Wie
konnten Millionen damals ihr Gewissen ausschalten?'.
"ALSFELD–ANGENROD. Im Rahmen der Pogromgedenkfeier am Platz der ehemaligen Synagoge in der Judengasse wurde nun auch erstmals öffentlich – vorgetragen von Pfarrvikar Christian Coenen - der angedachte Text für die vorgesehene Synagogengedenktafel bekannt gemacht:
'Der ALLGEGENWÄRTIGE – ER tröste Euch inmitten des Rests derer, die um Zion und Jerusalem
weinen.' Die Gedenktafel selbst, für die bereits einige insbesondere externe Spenden durch Privatinitiative hatten eingeworben werden können, werde jetzt, wie stellvertretende Ortsvorsteherin Maritta Fink-Schlosser in einer gehaltvollen Ansprache vor den gut 30 Feierteilnehmern mitteilte,
'in absehbarer Zeit' errichtet werden.
Am 9. November denke man in Angenrod, in ganz Deutschland und in der Welt an
'ganz furchtbare Verbrechen – an die systematische Verfolgung und Ermordung der europäischen
Juden.' Am 9. November dächten Millionen Menschen an Gewalt, Verfolgung und Verlust. Gedacht werde ihren Angehörigen, die sie im sogenannten Dritten Reich verloren hätten. Viele dächten an die schlimmste Zeit in ihrem eigenen Leben.
Als Symbol für die Judenverfolgung stehe bis heute die sogenannte Reichskristallnacht. Die stellvertretende Ortsvorsteherin zeigte sich erfreut, dass auch in diesem Jahr wieder ein großer Kreis zusammengekommen sei, dieser Verbrechen und insbesondere der verfolgten Menschen gemeinsam zu gedenken. Die Herrschaft der Nazis habe für viele einen
'unglaublichen persönlichen Verlust' bedeutet, 'aber für die Gesellschaft bis heute einen unermesslichen
Schaden.'
Und die Rednerin resümierte dann, nach wie vor sei, und dies sollte im Vordergrund stehen,
'mutiges Eintreten und Kämpfen für eine gerechte Welt auf der Basis allgemein anerkannter Menschenrechte sehr
wichtig.' Neu errichtete Gedenkstätten oder schon bestehende erreichten aber nicht von allein die
'Herzen der nachwachsenden Generation', lenkte Fink-Schlosser jetzt den Blick auf die angedachte Gedenkstätte in Angenrod. Um so erfreulicher sei es, dass es nicht nur hier in Angenrod engagierte Bürgerinnen und Bürger gebe, die dazu beigetragen hätten, für eine Gedenktafel zu spenden.
Die Gedenktafel solle hier am Platz der Synagoge errichtet werden, blickte die Ortsbeiratsrepräsentantin konstruktiv nach vorne:
'Dank allen Spendern und der Friederichs-Stiftung, dass dies in absehbarer Zeit realisiert werden
kann.' Dieser positiven Entwicklung ungeachtet gelte es aber auch weiterhin, Fragen zu stellen,
'auf die wir vielleicht nie eine Antwort bekommen.' Und dann wurde die Sprecherin noch deutlicher, indem sie fragte:
'Wie konnten Millionen ihr Gewissen ausschalten?'
Wie habe es passieren können, dass Millionen denjenigen letztlich mit Verachtung und mit Hass gegenüber getreten seien, mit denen sie seit Generationen
'friedlich und in Eintracht – Tür an Tür' gelebt hätten. Könne so eine Situation wiederkommen, sei nur eine der vielen Fragen, die einen an solch einem Tag bewegten:
'Fragen, die mahnen und die zur Wachsamkeit aufrufen.' Dies gelte insbesondere mit Blick auf Wahlerfolge der Rechtsextremen. Es seien Fragen, die motivierten,
'gegen rechts aufzustehen.'
Und die stellvertretende Ortsvorsteherin rief abschließend dazu auf, für ein Miteinander der Kulturen und Religionen, für eine
'tolerante, bunte Gesellschaft' einzutreten. Sie dankte allen, die zur Gedenkfeier gekommen seien, unter anderem dem Kirchenvorstand und den Konfirmanden.
Den bereits erwähnten angedachten Text für die Synagogengedenktafel, bereits in englischer Sprache aufgrund eines Fotodokuments in der Lebensbeschreibung von M. Wertheim-Stein (Atlanta) dokumentiert, danach 2007 im Rahmen ortshistorischer Forschungsarbeiten auch in den Mitteilungen des Geschichts- und Museumsvereins Alsfeld publiziert, interpretierte dann Pfarrvikar Christian Coenen auf Basis des jüdischen Religionsverständnisses als sehr angemessen, wie dies auch Dr. Ursula Wippich, die dankenswerterweise vor geraumer Zeit die Übersetzung des hebräischen Ursprungstextes ins Deutsche übermittelt hatte, ausdrücklich unterstrichen hatte.
Manche Ereignisse, so der Vikar, könne man nur schwer in Worte fassen, und er nahm dann mit Worten aus dem Psalm 74, -
'ganz alten Worten' - gemeinsam im Wechsel gebetet mit den Umstehenden, Anlehnung an die Verfolgung des Volkes Israel in Vorzeiten, ein betont religiös fundierter Part der Gedenkfeier, darin auch schon die Passage:
'Sie verbrennen alle Gotteshäuser im Lande.' Und mit Blick auf den tief fundierten Glauben der Juden an den einzigen Gott schloss der Psalm mit
'Ehre sei dir, Ewiger. Amen.'
Die drei Angenröder Konfirmanden Janina Schmidt, Lorena König und Adrian Weppler gingen dann, im Wechsel gelesen, tiefgründiger auf den Synagogentafeltext ein. Er solle sowohl in hebräischer als auch in deutscher Sprache auf der Gedenktafel an diesem Platz zu lesen sein. Es handele sich um einen Segen für trauernde Menschen, Einzelnen und ganzen Familien persönlich zugesprochen, die in die Gottesdienste in der Synagoge ihr Leid und ihre Trauer mitgebracht hätten.
Zugleich erinnere der Segenswunsch aber auch an das lange Leiden des Volkes Israel, in den Zeiten des Exils und der Trennung von Zion und Jerusalem. Und im Wechsel mit Vikar Coenen, der wiederholt den Vers rezitierte, bekundeten die Konfirmanden auch, der Vers verbinde uns
'mit einem Stückchen Leben in der hiesigen jüdischen Gemeinde.' Angenrod besaß 1861 mit 41,94 Prozent Bevölkerungsanteil eine herausragend große jüdische Religionsgemeinde, prozentual Rang 2, bezogen auf das jetzige Bundesland Hessen (d. Verf.).
Es wurde auch das Statement Frau Dr. U. Wippichs, die lange und intensiv über die Geschichte der Angenröder Juden geforscht habe
('Memorbuch über Klein-Jerusalemern', hdschrftl. 1981/82, d. Verf.), im Originalwortlaut mitgeteilt:
'Wenn das als Inschrift in der Synagoge stand, dann hatte es vermutlich den Zweck, dass Bestattungsgäste, die nicht ganz gut mit hebräischen Gebeten zurechtkamen, wenigstens diesen guten Wunsch rasch noch mal nachlesen können sollten, falls sie kein Gebetbuch bei sich
trugen.'
Eingehender Interpretation unterzog schließlich der Pfarrvikar den jetzt vorgeschlagenen Text, dies natürlich ganz auf Basis des religiösen Fundus und Hintergrunds, der jüdischen Religion, grundlegend auch für das Christentum.
Die Gedenkfeier in der Angenröder Judengasse wurde sensitiv musikalisch umrahmt von Bläserklängen, intoniert von den beiden Konfirmandinnen Marieke Ebert (Billertshausen, Trompete) und Kristin Schneider (Zell, Tenorhorn). Eine humorigen Akzent in der würdevollen Gedenkfeier setzte schließlich Martin Reibeling zum Thema:
'Das Lachen und der Humor in der jüdischen Tradition.' Rezitierend gab Reibeling auch ein schönes Beispiel mit einer frappierenden und viel Heiterkeit bei den Umstehenden genierenden Schlusspointe zum Besten." |
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Fotos der
Gedenkveranstaltung
(Qualitätsbeeinträchtigung
durch starken Nebel;
Fotos: Ingfried Stahl) |
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Untermalten die Feier
mit Bläserklängen:
Marieke Ebert,
Trompete, und Kristin
Schneider (Tenorhorn)
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Lesung durch die
Angenröder Konfirmanden,
von links: Janina Schmidt,
Lorena König und
Adrian Weppler
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Alle Konfirmanden
zusammen, von links:
Janina Schmidt, Lorena
König, Adrian Weppler,
Marieke Ebert und
Kristin Schneider |
Rezitierte jüdischen
Humor: Martin Reibeling,
daneben (v. l.) Janina
Schmidt, Lorena König
und Adrian Weppler
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November
2012: Gedenkveranstaltung zum
Novemberpogrom 1938 in Angenrod |
Fotos der
Gedenkveranstaltung
(Fotos: Ingfried Stahl) |
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Die beiden Fotos
vermitteln Impressionen vom Pogromgedenken 2012 unter Mitwirkung von
derzeitigen Konfirmanden. Auf den Fotos ist eine Skizze des angedachten Gedenkplatzes am Eingang der ehemaligen Synagoge in der Angenröder Judengasse zu sehen.
Auf dem Gruppenfoto rechts stehen als Mitwirkende: von links Joshua Schäfer (Zell), Tillmann Knudtsen (Ohmes), Moritz Reimer und Hendrik Bräutigam (beide aus Heimertshausen), Pfarrer Walter Bernbeck und Ortsvorsteher Axel Möller.
Zur Skizze der späteren Synagogengedenkstätte: Ihr liegt eine Tuschezeichnung von Ortsbeiratsmitglied Gerhard Stock zugrunde. Die Gedenktafel soll an insgesamt sechs unterschiedlich hohen hexagonalen Basaltsäulen angebracht werden – mit Bezug zur
siebenarmigen Menora.
Ganz rechts der Entwurf der Synagogengedenktafel, die im Frühjahr 2013
angebracht werden soll. Sie wird in der Metallgießerei Herborn als Bronzegedenktafel (60 mal 80 cm)
hergestellt. Die Gestaltung der Tafel wurde im Anschluss an das Pogromgedenken am 9. November 2012 gemeinsam mit Ortsvorsteher Axel Möller, Vertretern des Ortsbeirats sowie Pfarrer Walter Bernbeck –
im Beisein von Ingfried Stahl – einstimmig gebilligt. |
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2014: Eine
Initiative zur Rettung des Hauses Speier engagiert sich
Anmerkung: Der Verein "Gedenkstätte Speier Angenrod" möchte
das Haus Speier übernehmen und zur Gedenkstätte ausbauen. Aus diesem
Haus erfolgte 1942 die Deportation der letzten acht jüdischen Personen
aus Angenrod. |
Artikel vom 6. Dezember 2014 in der "Oberhessischen Zeitung"
(Alsfeld):
"Zeichen nachträglicher Zivilcourage' setzen. Beschluss.
Stadt unterstützt Verein Gedenkstätte Speier Angenrod mit 25.000
Euro..."
Zum Lesen des Artikels bitte Textabbildung
anklicken. |
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Sommer 2018:
Der Umbau des Hauses Speier zur
"Gedenkstätte Speier Angenrod" kommt voran |
Artikel von Ingfried Stahl in der "Oberhessischen Zeitung"
(Alsfeld) vom 2. August
2018: "Nähmaschinen und Bauschutt..."
Zum Lesen des Artikels bitte Textabbildung anklicken oder über zur
Website der Oberhessischen Zeitung
Nähmaschinen und Bauschutt (Oberhessische Zeitung, 01.08.2018)
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Dezember 2018:
Ein Radierung des Hauses Speier
wird dem Verein "Gedenkstätte Speier Angenrod" übergeben |
Artikel
von Ingfried Stahl in der "Oberhessischen Zeitung" (Alsfeld) vom 12.
Dezember 2018: "Freude an Chanukka und Advent.
Bodo Runte überreicht Radierung des Hauses Speier an Konrad Rüssel vom
Verein 'Gedenkstätte Speier'..."
Zum Lesen des Artikels bitte Textabbildung anklicken. |
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Oktober 2019:
In Kassel werden "Stolpersteine"
für drei NS-Opfer aus Angenrod verlegt |
Artikel in der "Oberhessischen Zeitung"
(Alsfeld) vom 25. September 2019: "Erste Stolpersteine für Angenröder Opfer
Elbenröder Gunter Demnig installiert im Oktober für Kasseler Verein
Erinnerung an jüdische Familie aus Alsfelder Stadtteil.
ANGENROD - Zum ersten Mal wird jetzt auch an Angenröder Shoah-Opfer mit
Stolpersteinen gedacht. Wie vom Verein 'Stolpersteine in Kassel' mitgeteilt,
wird am 22. Oktober in Kassel durch Verlegen dieser Erinnerungssteine an die
drei Angenröder Shoah-Opfer Hermann Katz und Friederike Katz (geb.
Schaumberger) sowie an 'Rickes' Bruder Moritz Schaumberger,
der in Kassel Suizid beging, erinnert. Die Verlegungen werden wieder durch
Künstler und Projektentwickler Gunter Demnig aus Elbenrod im Rahmen einer
Gedenkfeier des Vereins ausgeführt. Der Neu-Elbenröder Demming und seine
Vertreter haben mittlerweile deutschland- und europaweit um die 70 000
Steine in Europa gesetzt, alleine in Deutschland waren es etwa 53 000 in
1099 Städten und Gemeinden. Die Anregung zur Verlegung der Stolpersteine kam
von Sonja Zoder aus Hamburg, wo ein Stolperstein für Hermann Katz' Schwester
Lina verlegt ist.
Wolfgang Matthäus (Kassel), maßgebender Initiator der bisher in Kassel
verlegten 217 Stolpersteine für jüdische Holocaust-Opfer, informiert auch
über das von seinem Verein für die Angenröder Opfer vorgesehene Gedenkblatt.
Sorgsam vorbereitet wurde von Matthäus jetzt auch das Zusammentragen von
Lebensdetails der drei Angenröder Israeliten, dies in enger Abstimmung mit
dem ortsansässigen Zeitgeschichtsforscher Ingfried Stahl.
So heißt es in dem Gedenkblatt für die Angenröder Opfer, auch ausgestattet
mit einem Foto von Fanny Katz (Auszüge): 'Hermann Katz wurde am
12.3.1872 als ältestes Kind des Handelskaufmanns David Katz (1852-1925) und
seiner Frau Sophie, geb. Mendel (1853-1936), in Minden geboren. ... Hermann
Katz heiratete 1905 die am 14.5.1875 geborene Maria Schnabel aus Weinsberg.
Die Ehe wurde 1908 vor dem Landgericht in Karlsruhe geschieden. In zweiter
Ehe heiratete er am 5.6.1911 in Angenrod bei Alsfeld die 1881 dort geborene
Fanny Schaumberger. Als Berufsbezeichnung für Hermann Katz tauchen in
Dokumenten Tapezierer, Polsterer und Dekorateur, zuletzt auch Invalide auf.'
Fanny Schaumberger war die Tochter von Heinemann Schaumberger
(1837-1910) und Auguste Schaumberger (geb. Süsel 1841-1923) aus Angenrod.
Sie hatte den Bruder Moritz und die Schwester Rickchen, als Geschwisterpaar
'Moritz und Ricke' bestens bei Angenröder Zeitzeugen bekannt. Die Familie
lebte in einem Dorf nahe Alsfeld - heute einer seiner Stadtteile - das
damals etwa 550 Einwohner mit einem erheblichen Anteil jüdischer Bevölkerung
hatte. Dieser lag 50 Jahre zuvor (1861) bei über 40 Prozent und war nach
Rhina der zweithöchste in Hessen. Zahlreiche jüdische Familien verfügten
über Hausbesitz, die 'Judengasse' im Dorf galt als 'Klein Jerusalem'.
Hermann und Fanny Schaumberger ließen sich 1911 in Kassel in der Wolfhager
Straße 151 und dann 147 nieder, später wohnte die Familie einige Jahre in
der Müllergasse 21, ehe sie mit dem einzigen gemeinsamen Sohn Herbert in die
Mönchebergstraße zog. Nachdem er den Führerschein erworben hatte, schlug er
sich bis etwa 1937 als Chauffeur durch, ehe er im Februar 1938 die
Möglichkeit ergriff, in die Vereinigten Staaten auszuwandern. Seinen Eltern,
die sich nach seinen Angaben gleichfalls darum bemühten, sollte dies jedoch
nicht mehr gelingen. 1938, als die meisten Juden aus Fannys Heimatdorf
Angenrod vertrieben waren, kamen ihre Geschwister, die ledige Rickchen und
der verwitwete Moritz Schaumberger nach Kassel und wohnten bei ihrer
Schwester und dem Schwager in der Mönchebergstraße 21. Moritz Schaumberger
war der wohl einzige Angenröder Israelit, der einem schwereren
handwerklichen Beruf in Alsfeld nachging. Er arbeitete auf dem Holzplatz der
Firma Wallach. In Kassel wurde er als 'Invalide' registriert und gehörte zu
den jüdischen Männern, die verhaftet und als 'Aktionshäftlinge' im
Sonderlager innerhalb des KZ Buchenwald eingesperrt wurden. Am 12. Dezember
1938 mit der Häftlingsnummer 24559 entlassen, starb er knapp ein Jahr später
am 5. Dezember 1939. Zu diesem Zeitpunkt war die Familie bereits in das
benachbarte Haus Mönchebergstraße 19 ½ umgezogen.
Rickchen Schaumberger verwies man von dort im August 1940 in das Lager
Wartekuppe in Nieder-Zwehren, das einer Haftstätte glich. Die vorliegenden
Dokumente legen nahe, dass dies auch für Fanny und Hermann Katz zutraf. Im
Januar 1940 waren sie gezwungen Fanny Katz' elterliches Haus in Angenrod zu
verkaufen. In dem Kasseler Gedenkblatt wird dann auch noch ausführlich auf
die finanzielle Notlage der Eheleute Katz und das Haus-Verkaufs-Prozedere
Bezug genommen. Hermann Katz war im Herbst 1940 mit Wohnsitz der Eheleute im
Kasseler Lager Wartekuppe Pfleger seiner Frau 'Rickchen Sara Schaumberger
früher Angenrod'.
Ihr Mann unterzeichnete in der NS-Ära, den menschenverachtenden
Rassegesetzen geschuldet, mit 'Hermann Israel Katz'. Und abschließend heißt
es im Gedenkblatt: 'Fanny und Hermann Katz sowie Rickchen Schaumberger
wurden am 7. September 1942 mit dem Transport XV/1, nr. 528 von Kassel über
Chemnitz nach Theresienstadt deportiert und von dort bereits drei Wochen
später, am 29. September, mit den Transporten Bs, nr. 848 bzw. Bs, nr. 1143
zusammen mit 4001 Menschen in das Vernichtungslager Treblinka verschleppt,
wo alle Opfer der Transporte ermordet wurden."
Link zum Artikel
Link zur Website des Vereins Stolpersteine Kassel - Biographie Schaumberger:
https://www.kassel-stolper.com/biografien/fanny-und-hernann-katz-rickchen-schauberger/ |
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Artikel in der
"Oberhessischen Zeitung"
vom 26.10.2019 |
Die drei
"Stolpersteine" mit Steinen,
Blumen und Botschaften |
Kantor Jacob
Axenrod von
der jüdischen Gemeinde Kassel |
Wolfgang Matthäus
verteilt
Informationsblätter |
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Rezitationen
von Schülerinnen und Schülern
- Hochhalten von Begriffen |
Prof.
Ingfried Stahl (Angenrod)
bei seinen Grußworten |
Harmonikaspiel durch
Philipp Hoffmann (Kassel) |
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Mai 2020:
Daniel Rothschild auf
Spurensuche in Angenrod
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Artikel von Ingfried Stahl in
der "Oberhessischen Zeitung" vom 26. Mai 2020: "Mit E-Bike auf
Ahnensuche.
ANGENROD - Die sorgsame Pflege ihrer familiären Stammlinien ist seit
Alters her ein essenzielles Identitätsmerkmal jüdischen
Selbstverständnisses. Sie basiert auf den jahrtausendealten Überlieferungen
in der Heiligen Schrift der Israeliten, der Thorah, eng gefasst: der 'fünf
Bücher Mose'. Vor diesem Hintergrund ist auch immer wieder der Besuch
jüdischer Nachfahren aus dem fernen Ausland, vor allem aus den USA und auch
aus Israel selbst, zu werten, die auf der Spurensuche ihrer
mitteleuropäischen und auch deutschen Vorfahren unterwegs sind. Bezogen auf
die damalige bedeutende und florierende Heimstätte von Israeliten in der
Region ist für diese Konfessionsangehörigen speziell Angenrod ein
geschätzter Ort: für einen Besuch und ein Innehalten an Ortsbereichen,
Wohnstätten, Plätzen und vor allem am jüdischen Gemeinschaftsfriedhof.
Friedhöfe sind für Israeliten deren 'Haus der Ewigkeit'. Speziell hier hofft
man, im Lichte ihrer genealogischen Recherchen neue Erinnerungsmale
aufzufinden.
So war es denn auch am 16. März 2012 der Fall, als sich überraschend ein
Besucher aus Israel selbst am jüdischen Friedhof Angenrods bei dessen
sorgsamen Schlüsselverwalter Ernst Dieter Schlosser vorstellte. Gekommen war
er mit dem Wunsch, die letzten Ruhestätten einiger seiner hiesigen Vorfahren
zu lokalisieren und diesen an den Gräbern zu gedenken. Die Anfahrt nach
Angenrod hatte der Gast aus dem 'Gelobten Land' mit einem geliehenen E-Bike
von Alsfeld her vorgenommen. Überraschenderweise sprach er sogar etwas
Deutsch. Die Führung über die Gräberanlage mit über 207 Grabmalen übernahm
dann wieder Angenrods Lokalhistoriker Ingfried Stahl ganz im Sinne schon
mehrfach praktizierter Vor-Ort-Besichtigungen und -Erläuterungen.
Komplettiert wurden diese mit Fotos und Dokumenten, upgedatet mit den bis
dato erfolgten Forschungsarbeiten zur israelitischen Geschichte Angenrods.
Am Gemeinschaftsfriedhof stellte sich der sportlich-dynamisch und weltoffen
auftretende mutmaßliche Nachfahre Angenröder Israeliten dann selbst vor. Und
schon sein Familienname und dieser unverändert über lange Zeiten selbst war
richtungweisend für die weitere – dann auf Englisch geführte – Kommunikation
auf dem Friedhof. Es war Daniel Rothschild aus der Halbmillionenstadt Tel
Aviv, 1909 gegründet und ursprünglich ein Vorort der antiken Hafenstadt
Jaffa. Rothschild verband seinen erstmaligen Besuch Deutschlands und somit
auch unserer Region sogar mit der Feier seines 50. Geburtstages. Gekommen
sei er mit dem Flieger von Tel Aviv mit Landung in Frankfurt am Main. In
nachfolgenden E-Mails teilte Rothschild dem Angenröder Geschichtsforscher
auf dessen Anfrage noch einige persönliche Daten mit. Geboren wurde er 1962
in Rehovot bei Tel Aviv. Mit seiner Familie – Ehefrau Tsipora und den beiden
Kindern Ori (25) (hebr.: 'mein Licht') und Amber (22) (hebr. 'Edelstein') –
wohnt er in Rishon Lezion, 14 Kilometer südlich der weltoffenen israelischen
Metropole. Der gelernte und jetzt 58-jährige Elektronik-Ingenieur für
Netzteile arbeitet aktuell speziell im Tätigkeitsfeld eines Ingenieurs für
Elbit Systeme LTD. Seinen Besuch im Heimatland seiner oberhessischen Ahnen
hatte Rothschild sehr gut vorbereitet. Von Frankfurt, teilte er mit, sei er
zunächst mit der Bahn nach Gießen gefahren. Dort sei sein am 18. Februar
1938 in der oberhessischen Universitätsstadt verstorbener Urgroßvater 'Cheskel'
(Hesekiel) Rothschild (1870 – 1938) bestattet.
Stammbaum. Wie sich dann später auch im Rahmen der
E-Mail-Kommunikation aus Angenrod mit Daniel Rothschild noch genauer
herausstellen sollte – Rotschild hatte seinen 'family tree', also seinen
Stammbaum, nach seinem Oberhessen-Besuch noch erheblich ausweiten und
präzisieren können – stammte Hesekiel Rothschild aus Angenrod. Geboren war
er am 14. Januar 1870 im Stammhaus der Angenröder Rothschild-Familie in der
Judengasse. Er war zugleich auch Bruder des vielleicht nur noch zwei, drei
hochbetagten Zeitzeugen bekannten Handelsmannes Hermann Rothschild (*1864 in
Angenrod, gest. 1937 in Johannesburg/Südafrika). Dieser hatte 1895 von
seinem Vater, dem Angenröder David Hirsch Rothschild (1848 – 1916, bestattet
in Alsfeld) dessen schon 1856 im Handelsregister eingetragene Geschäft
übernommen und übergab es dann 1927 an seinen Sohn Isidor Rothschild (*1898,
gest. 1959 in Johannesburg). Isidor Rothschild betrieb hier ein zunächst gut
gehendes Manufakturwarengeschäft, Handel mit Nähmaschinen und Viehhandel.
Seinen Angaben zufolge habe er 'ausschließlich nichtjüdische Kundschaft'
gehabt, die aber dann 'unter dem Einfluss des Judenboykotts' im
Nationalsozialismus habe 'wegbleiben' müssen. Die Familie um Isidor
Rothschild – Vater Hermann (71), Ehefrau Irene geb. Stein und Tochter Sonja,
später verh. Barnett, geb. 1927 in Angenrod – entschloss sich daher am 5.
Oktober 1936 zur Emigration nach Johannesburg (Südafrika), dies in der
Hoffnung, sich dort 'eine neue Existenz zu gründen'. Die Auswanderung
erfolgte recht spektakulär: mit Liftvans, also mit geschlossenen hölzernen
Containern für den Abtransport des eigenen Inventars, und letztlich mit
Schiff von Genua aus nach Kapstadt. Nach dem Vorortbesuch Daniel Rothschilds
vor acht Jahren stellten sich die Familien um Hermann und Isidor Rotschild
dann als Angenröder Vorfahren des Tel Aviver Israelis heraus. Es konnten
insbesondere im Hessischen Staatsarchiv Darmstadt zahlreiche Akten und Fotos
seiner Angenröder Ahnen recherchiert werden. Sie alle wurden Daniel
Rothschild danach via E-Mails zur Komplettierung seiner Ahnenforschung zur
Verfügung gestellt. Während auf dem Sammelfriedhof damals lediglich das Grab
von Siegfried Heini Rothschild (16.04.1932 – 19.09.1934), des im Alter von
nur knapp 17 Monaten verstorbenen Bruders von Sonja, aufgefunden wurde,
stellte sich das damals schon gute bekannte älteste Grab auf dem reduzierten
israelitischen Friedhof dann als Grabstätte eines Vorfahren David
Rothschilds in indirekter Linie heraus. Daniel Rothschild sei dann, wie er
mitteilte, mit dem E-Bike nach Alsfeld gefahren und habe auf dem dortigen
jüdischen Friedhofsteil Alsfelds sogar noch das Grab seines Angenröder
Urururgroßvaters selbst, nämlich des bereits erwähnten David Hirsch
Rothschild, ausfindig gemacht. Nach einer Übernachtung in einem Alsfelder
Hotel sei er dann wieder mit Bahn und Flieger in seine Heimat am Mittelmeer
zurückgekehrt.
Informiert. Das vitale Interesse des heute 58-jährigen Israeli mit
Vorfahren in Angenrod an der 1942 abrupt abgebrochenen langjährigen
Geschichte der Israelitischen Religionsgemeinde Angenrod – es waren
letztlich 57 Shoah-Opfer des NS-Regimes zu beklagen – erhellt unter anderem
auch aus der Tatsache, dass sich Daniel Rothschild alle drei Bände des
Angenröder Geschichtsautors, und dies sogar in zweifacher Ausfertigung, hat
nach Tel Aviv zusenden lassen. Auch wurde er aus Angenrod regelmäßig über
weitere Veröffentlichungen informiert. Im deutschen Sprachraum und auch
global sind vor allem die Bankiers ab Mayer Anschel Rothschild, der zunächst
ab 1783 im 'Haus mit dem Grünen Schild' in der Frankfurter Judengasse wohnte
und finanziell höchst erfolgreich agierte. Der Rothschild-Dynastie wird
somit auch großer Reichtum attestiert, den aber Daniel Rothschild, dabei
dezent lächelnd, für sich und die Seinen in klare Abrede stellte. Und im
ganz aktuellen E-Mail-Austausch, dies in Zeiten der Corona-Pandemie auch in
Israel, folgend seiner Nachfrage nach dem Befinden des Schlüsselverwalters,
freute er sich zu lesen, dass sich 'key keeper' Dieter Schlosser in guter
Verfassung befinde. Er bat beste Wünsche auszurichten, denn er sei der
'richtige Mann in der richtigen Zeit' gewesen, sonst hätte er lange Zeit um
Hilfe ersuchen müssen."
Link zum Artikel |
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August 2020:
Aufführung des Deutsch-jüdischen
Theaters in Angenrod |
Ankündigung/Artikel in der "Gießener
Allgemeinen" vom 26. August 2020:"Großstadtmärchen im Getürms
Alsfeld (pm). Um 1880 gehörten 42 Prozent der Einwohner von Angenrod dem
jüdischen Glauben an, im Jahre 1942 wurden die letzten Bewohner im Haus
Speier zusammengepfercht und von den Nazis verschleppt und ermordet.
Anlässlich der Restaurierung und Neueröffnung der Gedenkstätte Speier
Angenrod mit der interaktiven Ausstellung unter dem Motto 'Verbinden - nicht
Trennen' präsentiert das Ensemble des Deutsch-Jüdischen Theaters aus Berlin
ihr Großstadtmärchen 'Wenn die beste Freundin mit der besten Freundin' im
Getürms von Billertshausen bei Alsfeld.
Hier werden nun die Welten von Großstadt und Landleben, verschiedenen
Religionen und Lebensweisen sowie Zerstörung und Neugestaltung verbunden.
Die drei Künstler/innen Alexandra Julius Frölich (Gesang), Eva Maria Kölling
(Gesang) und Alexander Gutman (Klavier) lassen die wunderschönen Musikstücke
und Lieder von Paul Abraham, Friedrich Hollaender, Mischa Spolianski und
Werner Richard Heymann (jüdische Komponisten der 20er/ 30er Jahre des
vergangenen Jahrhunderts) erklingen, eingebettet in eine Geschichte von
heute. In dieser werden die arbeitslosen Künstlerinnen Edith und Griseldis
vom Jobcenter zur Renovierung der Gedächtniskirche abgestellt, da der Besuch
des Papstes bevorsteht. Das Theaterstück findet im Getürms von
Billertshausen statt, eine Kirche, die etwas außerhalb inmitten des
Friedhofs von Angenrod liegt. Datum ist Samstag, 1. August, ab 18 Uhr..."
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Oben: Artikel in der
"Oberhessischen Zeitung" vom 21. August 2020:
"Musikalische Revue im Getürms"
(zum Lesen bitte Textabbildung anklicken bzw.
Link zum Artikel) |
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Oben: Fotos
von Bodo Runte (Alsfeld) |
September 2020:
Eröffnung des Hauses Speier
(Fotos erhalten von Ingfried Stahl) |
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Rede von
Bürgermeister
Stephan Paule (Alsfeld) |
Eröffnungsteilnehmer
im
Hof der Gedenkstätte |
Musikalische
Umrahmen durch
die Gruppe flex á ton |
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Die Treppe
erinnert an die
NS-Hetze gegen Juden |
Die
historische Schreibmaschine wurde
durch Mäzen Arthur Speier (Texas) gespendet |
Dokumente
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In der
Gedenkstätte Haus Speier |
Pressespiegel
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Vgl.
Pressebericht von Anna Becker in der "Oberhessischen Zeitung" vom 12.
September 2020: "Ort kultureller Begegnung in Angenrod. Mit
Kopfhörern auf den Ohren und einem Tablet in der Hand begeben sich die
Besucher der Ausstellung in Angenrod auf eine Zeitreise. Am heutigen Samstag
öffnet das Speier-Haus.
Angenrod Mit Kopfhörern auf den Ohren und einem Tablet in der Hand
begeben sich die Besucher der Ausstellung im Haus Speier in Angenrod auf
eine Zeitreise in den bunten Vogelsberg vor 1933. Durch Texttafeln, Bilder
und Filme wird an insgesamt 15 Stationen Geschichte auf anschauliche Weise
vermittelt. Jede der Stationen setzt den Fokus auf einen anderen Teilbereich
des Lebens der Juden im Vogelsberg. Vom Zusammenleben im Dorf, über Feste
und religiöse Gemeinsamkeiten, bis hin zu Antisemitismus, Ausgrenzung und
Ermordung können sich Interessierte Wissen aneignen. Am heutigen Samstag
öffnet die Ausstellung im Speier-Haus (Leuseler Straße 3 in Angenrod) nach
drei Jahren Arbeit.
Vor allem Schulklassen und Konfirmanden gehören zu der Besucher-Zielgruppe.
Aber auch die restliche Bevölkerung hat die Möglichkeit, die Ausstellung an
einem Tag in der Woche zu besuchen. Geplant ist, sonntagnachmittags das
Speier-Haus für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Für Schulklassen
ist der Besuch besonders interessant, da 'die große, allgemeine Geschichte'
lokal veranschaulicht wird. Geschichte wandelt sich vom abstrakten,
vergangenen Konstrukt in etwas Greifbares, das man noch heute erleben kann
und dessen Auswirkungen immer noch spürbar sind. Kurze Videos dienen als
Erklärungshilfe für die unterschiedlichen Stationen. Hierbei lernen die
jugendlichen Besucher von Gleichaltrigen, denn in einem Teil der
Filmbeiträge stehen Schüler der Max-Eyth-Schule im Mittelpunkt und
vermitteln die Inhalte. Aber auch Zeitzeugensequenzen, die Rekonstruktion
eines möglichen vergangenen Dialoges und Erklärclips, die die Texttafeln
ergänzen, sorgen für Abwechslung während des Video-Rundgangs. Da jeder
Besucher mit Tablet und Kopfhörern ausgestattet wird, können die einzelnen
Stationen im individuellen Tempo durchlaufen werden.
'Wir wollen auf die kulturelle Geschichte des Vogelsbergs aufmerksam machen
und zeigen, dass dieser ein Ort der Begegnung von Kulturen ist', erklärt
Joachim Legatis. Er ist Vorsitzender des Vereins Gedenkstätte Speier
Angenrod. Gabriele Geiß, die die Regie für die Museumsgestaltung und
Konzeption übernahm, erläutert: 'Das Speier-Haus bietet sich in besonderer
Weise als Ausstellungsort an, da Mitte des 19. Jahrhundert in Angenrod die
größte jüdische Gemeinde in Hessen/Darmstadt bestand'. Das Haus werde auch
als 'Gettohaus' bezeichnet, da dort die letzten übrig gebliebenen Angenröder
Juden zusammengepfercht wurden, bevor sie in Konzentrationslager deportiert
wurden. In dieser Zeit habe Familie Speier, bestehend aus Leopold Speier,
seiner Frau und ihren drei Kindern, das Haus bewohnt. 'Alle
Familienmitglieder - bis auf Sohn Ludwig - sind in Auschwitz gestorben',
informiert Legatis. Ludwig Speier habe aus Deutschland fliehen können. So
sei das Speier-Haus bis in die 2000er Jahre in jüdischem Besitz geblieben,
da das Gebäude nach dem Zweiten Weltkrieg nicht verkauft wurde.
Allerdings sei es bis in die 1980er Jahre genutzt worden, zuerst als
Flüchtlingsunterkunft, später dann als Wohnsitz. In den folgenden Jahren
habe das Haus vor sich hin vegetiert und sei immer weiter zerfallen. 'Seit
dem Jahr 2015 hat der Verein Gedenkstätte Speier mit Hilfe der hessischen
Denkmalpflege, der Stadt Alsfeld und weiteren Spendern das Haus gesichert
und saniert. Nach Abschluss der Sicherheitsmaßnahmen kaufte der Vereine das
Grundstück im Jahr 2018. Die Arbeit an der Ausstellung begann im Sommer 2019
und dauerte bis September 2020', blickt Legatis zurück. Doch nun ist es so
weit. Das Museum ist fertig und wartet auf interessierte Besucher. .."
Link zum Artikel
Weiterer Bericht in der "Oberhessischen Zeitung" vom 19. September 2020: "Jüdische
Leben im Vogelsberg. Der Vogelsberg ist um eine Gedenkstätte reicher. Dieser
Tage eröffneten die Aktiven des Trägervereins das Speier-Haus als Lernort
und Gedenkstätte für Jüdinnen und Juden im Vogelsberg im Alsfelder Stadtteil
Angenrod.
ANGENROD - (red). Der Vogelsberg ist um eine Gedenkstätte reicher.
Dieser Tage eröffneten die Aktiven des Trägervereins mit Gästen aus Politik
und Gesellschaft das Speier-Haus als Lernort und Gedenkstätte für Jüdinnen
und Juden im Vogelsberg im Alsfelder Stadtteil Angenrod. Über ein Jahr hinweg
hatten Aktive des Gedenkstätten-Vereins mit Ausstellungsmacherin Gabriele
Geiß eine Ausstellung vorbereitet, die nun erstmals geöffnet war. Die
Reaktionen der Gäste zeigen, dass das Konzept aufgeht. An 15 Stationen geben
Texttafeln, Bilder und Filme einen Überblick über den jüdischen Vogelsberg.
Da das Haus recht klein ist, stehen die meisten Informationen auf Tablets
bereit, die für den Rundgang genutzt werden. Die Geschichte, das
Zusammenleben im Dorf, Kleinhandel, Feste, religiöse Gemeinsamkeiten,
Jiddisches in der Umgangssprache, Antisemitismus, Ausgrenzung und Ermordung
sind Themen des Rundgangs. Dabei gehört das alte Fachwerkhaus als begehbares
Denkmal zum Konzept, selbst die Farbe der Hocker hat eine tiefere Bedeutung.
Dargestellt wird eine 650-jährige Geschichte mit Höhen und Tiefen, es geht
um das gemeinsame Leben in den Dörfern, aber auch die Ermordung vieler
jüdischer Vogelsberger wird thematisiert. Bei der Eröffnung sprachen
Landtagsabgeordnete Eva Goldbach und Bürgermeister Stephan Paule großes Lob
für das Engagement aus. Eine Sprecherin des Ortsbeirats gratulierte zum
Gelingen des Vorhabens. Träger der Stätte ist der Verein Gedenkstätte Speier
Angenrod. Die Ausstellung wurde ermöglicht durch eine großzügige Förderung
des Landwirtschaftsministeriums aus dem Programm 'Landkultur“. Künftig wird
das Speier-Haus als Lernort für Schulklassen und Konfirmandengruppen
genutzt. Das Speier-Haus ist das einzige Haus in Angenrod, das bis in die
2000er Jahre einer jüdischen Familie gehörte. Erbaut wurde es in den 1840er
Jahren für die Familie Benedict Speier und war bis zur Verschleppung von
Leopold Speier und seiner Familie 1942 von den Nachkommen bewohnt. Auch nach
dem Zweiten Weltkrieg wurde es nicht verkauft, sondern blieb im Eigentum der
Familie Speier. Bis in die 1980er wurde es als Wohnhaus genutzt, danach
verfiel das Fachwerkhaus. Der Verein sicherte das baufällige Gebäude im Jahr
2015 mit Unterstützung der hessischen Denkmalpflege und der Stadt Alsfeld.
Nach Abschluss der Sicherungsmaßnahmen kaufte der Verein das Grundstück im
Jahr 2018, sanierte das Gebäude weiter mit Spenden von Privatleuten und
Institutionen, mit Unterstützung der Denkmalpflege und der Stadt Alsfeld.
Die Arbeit an der Ausstellung begann im Sommer 2019 und dauerte bis
September 2020. Angenrod ist der ideale Platz für einen Lernort zur langen
Geschichte der Vogelsberger Jüdinnen und Juden, weil dort eine der größten
jüdischen Gemeinden der Region bestand. Im Jahre 1862 gehörten 42 Prozent
der Angenröder der jüdischen Gemeinde an. Das ist der prozentual
zweithöchste Wert für Hessen, nach dem osthessischen
Rhina."
Link zum Artikel |
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Oktober 2020:
Ausstellung im Haus Speier
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Artikel in der "Oberhessischen Zeitung vom 5. Oktober 2020: "Haus Speier
zeigt Ausstellung jetzt in der Öffentlichkeit..."
Zum Lesen des Artikels bitte Abbildung anklicken. |
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Oktober 2022:
Verlegung von Stolpersteinen in
Angenrod |
Artikel
in der "Oberhessischen Zeitung" vom 1. Oktober 2022: "Gedenken an die
ermordeten Juden.
Gunter Demnig verlegt die ersten 15 Stolpersteine in Angenrod / Zwölf Jahre
sind seit Ortsbeiratsbeschluss vergangen..."
Zum Lesen des Artikels bitte Abbildung anklicken. |
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Fotos von
der Verlegung der Stolpersteine am 29. September 2022 (Fotos erhalten
von I. Stahl) |
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November 2022:
Gedenkveranstaltung zur
Pogromnacht in Angenrod |
Artikel
in der "Oberhessischen Zeitung" vom November 2022: " Eine Kerze für jedes
Opfer.
Gedenkveranstaltung zur Pogromnacht am Platz der ehemaligen Synagoge in
Angenrod. Erstmals wird Fotoalbum gezeigt..."
Zum Lesen des Artikels bitte Abbildung anklicken
|
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. I S. 44. |
| Thea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit
1945? 1988 S. 108. |
| Ursula Mirjam Wippich: Memorbuch von klein
Jerusalemern in Angenrod: 1736, 1802, 1875, 1942. Erschienen
1982. |
| Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.):
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der
Verfolgung 1933-1945. Hessen I Regierungsbezirk Darmstadt. 1995 S. 190-192. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. 76. |
| Norbert Hansen: Rothschild, Geschichte einer
jüdischen Familie aus Angenrod. Hrsg. vom Geschichts- und Museumsverein
Alsfeld. 2007. |
| Mathilda (Tilly) Wertheim-Stein: The Way It Was: The Jewish World
of Rural Hesse. Atlanta 2000.
"When I visited Angenrod Synagogue
in 1959 (in Hesse about 100 km north of Frankfurt Am Main), the
sanctuary was littered with bicycles and agricultural machines, which
defiled the sanctity of the building. Although some of the Angenrod
population were certainly aware of our displeasure with this state of
affairs, they proudly emphasized that the synagogue in their village
had survived the pogrom of Kristallnacht in Germany on November 10,
1938. However, the synagogue of 1797 endured for practical rather than
ideological reasons: it was a wooden structure that had been built
about nine feet away from other buildings. If the Nazis had set fire
to the Angenrod Synagogue, then adjacent houses would also have gone
up in flames. ...During my
visit in 1959, I took from the synagogue any books I could find in
Hebrew writing. Although no sacred books or scrolls of the Angenrod
congregation had survived, one segment of Hebrew writing remained on
the wall. Ironically it read, 'May the God who is always present
comfort you together with the mourners for Zion and Jerusalem.' The
salvaged books had been used and left during World War II by members
of the American armed forces who had conducted religious services in
the synagogue while they were stationed in the region. No Jews have
lived in Angenrod since 1942." |
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| Ingfried
Stahl: Die Israelitische Religionsgemeinde Angenrod. Reihe:
Mitteilungen des Geschichts- und Altertumsvereins Alsfeld. Heft 1 Juni
2007. |
| ders.: Opfer des NS-Regimes - Angenrods letzte Israeliten.
Etabliert seit 1736: Die Israelitische Religionsgemeinde Angenrod. In:
Mitteilungen des Oberhessischen Geschichtsvereins Giessen. 95. Band. Gießen
2010. S. 183-263. Online
zugänglich.
Abstract zum Beitrag von Ingfried Stahl (aus der Website
des Oberhessischen Geschichtsvereins Gießen): Opfer des NS-Regimes - Angenrods letzte Israeliten
Der Beitrag befasst sich mit den letzten Jahren der ehemals blühenden Israelitischen Religionsgemeinde Angenrod, der 1861 prozentual zweitgrößten Gemeinde des heutigen Bundeslandes Hessen, bis hin zu deren Erlöschen in der Zeit des Nationalsozialismus. Mit Belegen der Hessischen Staatsarchive und insbesondere des International Tracing Service (ITS) Bad Arolsen werden erstmals die Schicksalswege zahlreicher Angenröder Opfer der Shoa dokumentiert. Die innerörtlichen sozialen Ausgrenzungsvorgänge der zuvor weitgehend emanzipierten und in die dörfliche Gemeinschaft integrierten Angenröder israelitischer Religionszugehörigkeit seit 1935 gewinnen durch Gespräche mit zahlreichen Angenröder Zeitzeugen in Übereinstimmung mit Presseberichten in der
'Oberhessischen Zeitung' Alsfeld an Signifikanz. Eine Reihe von Fotos der bislang ermittelten 42 in Angenrod geborenen Opfer des Holocaust geben den Opfern des NS-Regimes nicht nur Namen, sondern auch Gesicht.
Abstract to the contribution from Ingfried Stahl: Victims of the NS-Regime – the last Jews of Angenrod
The contribution details the last years of the formerly flourishing Jewish community in Angenrod, which in 1861 was the second-largest Jewish community of the present state of Hesse, through to their eradication during the country’s National Socialist
period.
For the first time the fate of many Angenrod residents, victims of the Shoah, could be documented, using documents from the Hessian state archives and especially the International Tracing Service (ITS) Bad Arolsen. Conversations with numerous contemporary witnesses to history as well as newspaper reports from the
'Oberhessische Zeitung' out of Alsfeld document how, beginning in 1935, the once well-integrated and emancipated Jewish residents were ostracized in the rural community. A collection of photos of the 42 Angenrod citizens who so far have been identified as victims of the Holocaust add faces to the names of these
victims.
|
| Ingfried
Stahl: Opfer der NS-Ideologie - Angenrods letzte Israeliten. Die
Israelitische Religionsgemeinde Angenrod (1736-1942). 2013. 330 Seiten.
Zahlreiche Abbildungen.
(Selbstgestaltete erweiterte Dokumentation auf Basis des offiziellen
Textbeitrags in den "Mitteilungen des Oberhessischen Geschichtsvereins
Giessen" 95. Band. Gießen 2010 S. 183-263).
Anfragen und Bestellwünsche für das als "book on demand"
erstellte Buch bitte gegebenenfalls an den Autor: ingfried.stahl[et]web.de. |
| Ingfried Stahl: Angenrod vor 1945 - Band 1. Vom
Vormärz bis zum Ende der Weimarer Republik. 458 S., 256 Abb. Verlag F.
Ehrenklau GmbH & Co.KG, Am Kreuz 10, 36304 Alsfeld 2014. |
| ders.:
Angenrod vor 1945 -
Band 2. Vom Anfang bis zum Ende der NS-Diktatur. ISBN
978-3-00-055108-6 599 S. zahlr. Abb. Selbstverlag 2017. |
|
Mathilda Wertheim Stein: The Way it Was: The Jewish World of Rural Hesse. 427
pages.
FrederickMax Publications Atlanta: Max, 2000. ISBN 978 0 967 3282 01.
Weitere Informationen: siehe eingestellte
pdf-Datei mit Bestellmöglichkeit über www.israeled.org
bzw. http://www.amazon.com/The-way-was-Jewish-world/dp/0967328209
U.a. in Kap. 1: "The History of Angenrod and its Environs until 1789,
Moses Wertheim (I) and his family". Kap. 2: "Urban and Court Jews,
History of Angenrod and its Environs after 1789, Raphael Vogel Wertheim
((I)...", Kap. 3: "The Schaumberger and Löb Levi Families of
Angenrod..." |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Angenrod Hesse. Owing
to their useful role in the cattle trade, Jews were welcomed and by 1797 had
established a community - dubbed "New Jerusalem" - which numbered 247
(42 % of the total) in 1861. Reduced to 63 by the time Hitler came to power in
1933, it had virtually disintegrated by 1939. The last eight Jews were deported
in 1942.
vorherige Synagoge zur ersten Synagoge nächste Synagoge
|