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in Burgpreppach
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zur Geschichte der Talmud-Tora-Schule in Burgpreppach
Burgpreppach (Kreis Hassberge)
Texte/Berichte zur Geschichte des Rabbinates / Distriktrabbinates
Die nachstehend wiedergegebenen Texte mit
Beiträgen zur Geschichte des Rabbinates / Distriktrabbinates in Burgpreppach
wurden in jüdischen Periodika gefunden. Bei Gelegenheit werden weitere Texte
eingestellt.
Übersicht:
Allgemeine Berichte zur Geschichte der jüdischen
Gemeinde und der Talmud-Tora-Schule
Bericht über Burgpreppach, den
Rabbinatsbezirk und die Talmud-Tora-Schule (1890)
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. August 1890: "Frankfurt am
Main, 28. Juli (1890). Eine Ferienreise führte mich nach langen
Jahren wieder einmal in meine alte Heimat Burgpreppach. Zwei Dinge
sind es, die diesem in schöner gebirgiger Gegend, aber ziemlich abseits
von der großen Touristenstraße gelegenen Dorfe eine erhöhte Wichtigkeit
verleihen; dasselbe ist der Rabbinatssitz eines weit ausgedehnten, mehr
als zwanzig Ortschaften umfassenden Rabbinatsbezirks, und es hat eine berühmte
Talmud-Tora-Schule. In religiöser Beziehung gehört dieser Distrikt zu
den besten im ganzen Bayernlande. Eine betrübende Erscheinung zwar, die
allerwärts, nicht zum Segen für das Judentum, sich geltend macht, ist
auch hier wahrzunehmen, das ist das allmähliche Verschwinden der kleinen
Landgemeinden, hauptsächlich eine Folge von dem Zuge unserer
Glaubensgenossen nach der Stadt. Langsamer allerdings als in manchen
anderen Gegenden, wo eine größere Stadt in unmittelbarer Nähe liegt,
doch unaufhaltsam schreitet auch hier der Auflösungsprozess der kleinen
Gemeinden voran, und an mehreren Orten, wo vor Jahrzehnten noch blühende
Synagogengemeinden vorhanden waren, sind heute nur noch wenige Familien,
verschiedene Gemeinden haben sich ganz aufgelöst. Desto wohltuender und
erquickender ist die Beobachtung, dass der moderne Geist der Irreligiosität
oder auch nur des Indifferentismus in Bezug auf Religion bis jetzt glücklicherweise
in jene stille, friedliche Gegend wenig oder noch gar nicht eingedrungen
ist. In nahezu allen Gemeinden des Distrikts herrscht noch echte, streng-jüdische
Frömmigkeit, ganz besonders in Burgpreppach selbst, wo ein reges jüdisches
Leben pulsiert. Wie mir es sonst nur in den größten Kehilos (Gemeinden)
treffen.
Die Talmud-Thora-Schule genießt einen guten Ruf, und wie wohlverdient
derselbe ist, das möchte ich hiermit in weitesten Kreisen bekannt machen;
aus diesem Grunde besonders drängt es mich, diese Zeilen zu veröffentlichen.
|
Ihre
Entstehung verdankte diese Schule einer uralten Stiftung, der sogenannten
Grabfeld-Talmud-Tora-Stiftung, aus deren Mitteln von jeher eine kleine
Zahl von Jünglingen unterhalten und durch den jeweiligen
Distriktsrabbinen unterrichtet wurde. Der verstorbene Rabbiner Abraham
Hirsch – das Andenken an den Gerechten ist zum Segen – hat es unternommen,
mit Benützung dieser Stiftung eine großartige Schule ins Leben zu rufen,
die seinen Namen für alle Zeiten unvergesslich machen wird. Ich muss,
wenn ich mir den frommen, gelehrten und doch so bescheidenen Mann
vergegenwärtige, immer willkürlich an Pestalozzi denken. Abraham Hirsch
hatte nicht das Glück, gleich Pestalozzi der ganzen Menschheit oder nur
einem großen Kreise ein Bahnbrecher zu werden, aber in seiner reinen
Menschenliebe, vor allem seiner rührenden Liebe zur Jugend, seiner
Begeisterung für die Wahrheit und seinem gottesfürchtigen, uneigennützigen
Wirken glich er dem großen Pädagogen, dem sie erst neulich in Iferten
ein Denkmal gesetzt. Das jüdische Gesetz erlaubt es uns nicht, dass wir
unsern großen Männern Monumente aus Erz und Stein errichten, aber das
schönste unvergängliche Denkmal hat Abraham Hirsch sich selbst in der
von ihm ins Leben gerufenen Talmud-Tora-Schule gesetzt. Und das Wort
unserer Weisen - das
Andenken an den Frommen ist zum Segen – bewahrheitet sich auch hier.
Das Andenken dieses Frommen und Edlen wirkt zum Segen fort. Sein Geist ist
übergegangen auf die Lehrer und Schüler der Anstalt. Im Sinne des so früh
dahingeschiedenen Gründers der Talmud-Tora-Schule wirkt der heutige
Leiter derselben, der rührige, unermüdlich tätige Rabbiner Dr. Deutsch
und dessen Beispiel folgen alle übrigen Herren, die an der Schule tätig
sind. Ein Geist ernsten wissenschaftlichen Strebens, verbunden mit
aufrichtiger Frömmigkeit und Gottesfurcht durchweht die Anstalt. Dieselbe
ist jetzt von der Königlichen Regierung als ordentliche Präparandenanstalt
für Lehrer anerkannt; sie ist ganz wie die ähnlichen staatlichen
Anstalten organisiert, und der
Unterricht in den profanen Fächern wird in derselben Weise betrieben;
auch Musikunterricht wird seit einiger Zeit erteilt. Sie wird gegenwärtig
von 47 Schülern aus den verschiedensten Gegenden besucht, und es
unterrichten an derselben außer dem Direktor noch drei ordentliche
Lehrer, und drei Fachlehrer geben den Musikunterricht. Die überaus
befriedigenden, teilweise sogar glänzenden Leistungen, welche die Schüler
bei den regelmäßigen Jahresprüfungen, wie bei den Seitens Königlicher
Schulräte von Zeit zu Zeit vorgenommenen Revisionen in ihrem |
Wissen
und Können zeigen, sind ein beredtes Zeugnis für die Leistungen der
Schule; was derselben aber ihre besondere Bedeutung verleiht, das ist die
Tatsache, dass an derselben, ihrem Namen und ihrer Bestimmung
entsprechend, ein gediegener und gründlicher Unterricht in der Tora
gegeben wird, dass die Schüler hingeführt werden zu dem Urquell unserer
heiligen Lehre, aus dem sie willig und freudig schöpfen. Mehr als alles
hat es mich auch erfreut, zu sehen, wie die Schüler mit Eifer und wahrer
Herzenslust stets ganz bei der Sache sind. Gewiss, so musste ich mir
sagen, werden die Schüler, die in dieser Anstalt unter so günstigen
Vorbedingungen ihre erste Ausbildung erlangen, auch später als Lehrer
sich dieselbe Berufsfreudigkeit und die gleiche Pflichttreue bewahren, die
für den Bildner der Jugend so sehr nötig sind. Es erübrigt mir noch
hinzuzufügen, dass auch das Anstaltsgebäude, überaus luftig und
freundlich gelegen, mit seinen geräumigen und schönen Unterrichts- und
Wohnzimmer, wie all seinen Einrichtungen einen recht angenehmen Eindruck
gewährt und durchaus zweckmäßig erscheint. Der größte Teil der Schüler
ist Herrn Lehrer Neumann in Pension übergeben, der seines Amtes mit väterlicher
Sorgfalt waltet. Allen Gönnern der Talmud-Tora-Schule, besonders meinen
verehrten Mitbürgern, die ihr bisher reiches Wohlwollen entgegengebracht,
kann ich dieselbe auch für die Zukunft wärmstens empfehlen. H.
Schwab." |
Bericht des Bezirksrabbiners Saul Munk von 1938
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. Juli 1938: "’Talmud-Tauroh
limdinas Grabfeld’. Von Bezirksrabbiner Saul Munk in
Burgpreppach.
Am nördlichen
Ende Bayerns, südlich der Rhön, streckt sich eine Ebene hin, die den
Namen Grabfeld führt. Vor Jahrhunderten schon bestanden dort zahlreiche jüdische
Gemeinden. Einen Mittelpunkt unter ihnen bildete schon früh die Gemeinde
in Burgpreppach. Schwer ist es, den Entstehungszeitpunkt dieser Gemeinde
festzustellen. Er soll in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges, oder
auch noch früher, liegen. Einen Anhaltspunkt dafür gibt der
traditionelle Fasttag der Gemeinde am Vortrag des Rausch Chaudesch Siwan,
von dessen Ursprung nur noch bekannt ist, dass ein Überfall bewaffneter
Scharen der Gemeinde drohte, und dass mit Hilfe der Schlossherrschaft
diese Gefahr gebannt wurde.
Die älteste – uns bekannte – Urkunde teilt mit, dass die
Schlossherrschaft den Juden Burgpreppachs im Jahre 1681 ein Gebäude als
‚Schul’ (Synagoge) zur Verfügung stellt, weil ‚ihnen die Schul
ziemlich eng wurde’. Ein weiteres Datum ergibt sich aus dem Akrostichon
an der Ostwand der jetzigen Synagoge, welches das Datum des Jahres 5524 =
1764 ergibt. Eine andere Urkunde gibt bekannt, dass der Friedhof im Jahre
1706 angelegt wurde.
Die Gemeinden des Grabfeldes zeigen besonders beispielhaft, wie die Pflege
des Torastudiums als vornehmste Aufgabe der jüdischen Öffentlichkeit
betrachtet wurde. Wir besitzen ein Protokoll, das in Burgpreppach
aufgenommen wurde, und dessen Datum die Jahreszahl 5526 = 1766 aufweist.
Die Beschlüsse einer Versammlung vom 24. Tammus des genannten Jahres sind
da mit folgender Einleitung verzeichnet:
‚An den oben bezeichneten Tage versammelten sich hier in
Burgpreppach Angehörige der ganzen Landschaft zur Gründung von
Thoraschulen in unserer Gegend. Es wurde ein Verein (Chewroh) gegründet.
An die Spitze desselben wurden 18 Männer gestellt; aus diesen wurden
wieder drei Oberbeamte gewählt (Obergabboim), und zwar …. (folgen
Namen). Aus der Menge der angemeldeten Schüler wurden die würdigsten und
fähigsten ausgewählt. Es wurden für diese zwei tüchtige Lehrer
bestellt. Nach dem augenblicklichen Bedürfnisse wurden zunächst zwei
Tora-Schulen gegründet, die eine am hiesigen Platze, die andere in Maßbach’.
Das Protokoll enthält weitere Angaben über die Verteilung der Schüler
auf die beiden Anstalten, über die Finanzierung des Unternehmens durch
Anlage eines Grundfonds, über die Verwaltung der Gelder, über die
Verewigung der Namen der Spender usw.
Der Stiftung wird der Name ‚Talmud-Thauro limdinas Grabfeld’
gegeben.
Im Laufe der Jahre ist der materielle Bestand dieser Stiftung
ziemlich bedeutungslos geworden. Die Zinsen reichten bald nicht mehr zur
Erfüllung der Aufgabe aus. Ein kleiner, materiell unbedeutender Rest hat
sich aber über Krieg und Inflation hinweg erhalten und besteht heute noch
als ‚Grabfelder Judenlandschaftsschulstiftung’.
In Burgpreppach aber ist die Idee, die der Stiftung zugrunde liegt,
seit ihrer Begründung hoch gehalten worden. Reichten die Zinsen der
Stiftung zur Erhaltung einer Schule nicht mehr aus, so flossen reichlich
Spenden, um die Tora-Schule oder eine Lernstätte zu unterhalten. So dürften
seit dem Jahre 1766 fast ununterbrochen in Burgpreppach jüdische Kinder
und Jünglinge ‚Thora’ gelernt haben, sei es in zu diesem Zwecke gegründeten
Schulen, sei es als Schüler der dort amtierenden Rabbiner.
Die letzte Schulgründung erfolgt im Jahre 1875 durch den verewigten
Distriktsrabbiner Abraham Hirsch seligen Andenkens. Damals wurde zur
Erhaltung der Schule ein besonderer Verein gegründet, der heute noch
bestehende ‚Talmud-Thora-Verein’. Nach den Satzungen des Vereins
sollte die Schule ‚gründliches, jüdisches Wissen, innige, gediegene
Religiosität, in Verbindung mit wahrer edler Bildung’ verbreiten.
Die Schule hatte jeweils die Form angenommen, die den Zeitbedürfnissen
und Zeitverhältnissen entsprach. Jahrzehntelang war es eine Präparandenschule,
durch die viele nachmalige Lehrer in Deutschland gegangen sind. Später
wurde eine Bürgerschule angegliedert. Als Bürgerschule hat sich die
Anstalt bis zu ihrer Schließung im Frühjahr 1938 erhalten. Mag die
Tora-Schule in Burgpreppach nur ein winziges Element in der großen Zahl jüdischer
Schulen Deutschlands gewesen sein, so dürfte doch dieses Flämmchen jüdischer
Lehre, das dort 172 Jahre lang brannte, es verdienen, durch diese Zeilen
ganz der Vergessenheit entrissen zu werden." |
Aus der Geschichte der Rabbinates in Burgpreppach
Unter Rabbiner Dr. Abraham Adler (1838-1845)
Anmerkung: Abraham ben Pinchas Adler ist 1808 in Kleinsteinach
geboren. Er lernte in Burgpreppach bei Rabbiner Abraham Mayländer (1816-1838
Rabbiner in Burgpreppach) sowie seit 1823 an der Jeschiwa in Fürth.
Schließlich studierte er an der Würzburger Universität und besuchte
gleichzeitig die Würzburger Jeschiwa unter Rabbiner Abraham Bing. Nach seiner
Zeit in Burgpreppach wurde er 1845 Rabbiner in Aschaffenburg,
wo er bis zu seinem Tod 1880 (?) geblieben ist.
Wahl des Rabbiners
Dr. Adler zum Rabbiner in Burgpreppach (1838)
Artikel in
der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 20. September 1838: "Für
das Rabbinat Burgpreppach ist nunmehr in der Person des Herrn Abr. Adler
aus Kleinsteinach gewählt." |
Über eine Predigt
von Rabbiner Adler (1840)
Artikel in
der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 4. Juli 1840: "Burgpreppach in Unterfranken. Herr Distriktsrabbiner Adler dahier,
erfreute uns am 7. Juni dieses Jahres, also am ersten Tage des
Gesetzgebungsfestes, mit einer Herz und Geist ansprechenden Predigt, die
in Ihrem geschätzten Blatte rühmend zu erwähnen, Referent sich nicht
erwehren kann, ob des tiefen Eindruckes, den solche auf das ganze
Auditorium machte. – Das erste der zehn Gebote zum Texte wählend,
sprach der Redner, im ersten Teile, über die Wichtigkeit der wahren
Gotteserkenntnis; setzte, im zweiten Teile, den praktischen Einfluss,
welchen diese Erkenntnis auf Geist und Herz des Menschen übe, in
salbungsvoller Rede auseinander; und warnte zum Schlusse, mit hinreißender
Beredsamkeit, gesteigerter Energie und heiligem Eifer, mit Bezugnahme auf
Lokal-Verhältnisse, vor dem so schädlichen als gefährlichen Laster des
Hasse ohne Ursache (unnützer Hass)." |
Dr. Adler
verlässt Burgpreppach (1845)
Artikel
in der Zeitschrift "Der treue Zionswächter" vom 26. August
1845: "Durch die erfolgte Bestätigung des Rabbiners A. Adler in
Burgpreppach zum Bezirksrabbinen von Aschaffenburg
ist abermals ein Rabbinatssitz aus reformatorischen in konservative Hände
übergegangen. Der abgesetzte Rabbiner Neuburger sucht bei der Behörde um
ein Handels-Patent nach." |
|
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit des 19. Jahrhunderts" vom 12. Oktober
1845: "Das Rabbinat Burgpreppach. Aus Unterfranken. Das Rabbinat
Burgpreppach ist erledigt. Adler ist in Aschaffenburg und eine neue Wahl für
seinen früheren Distrikt bereits ausgeschrieben. Die beiden Prinzipien
sind auch bei diesen im Kampfe, wir werden sehen, welches den Sieg erhält.
– Am 29. dieses Monats ist die Wahl. Über das Resultat will ich Ihnen
schreiben." |
Unter Rabbiner Dr. Josef Gabriel Adler (Bruder des vorherigen) (1845-1873)
Rabbiner Dr. Josef Gabriel Adler ist 1804 in Kleinsteinach geboren. Nach dem
Besuch der Jeschiwa in Fürth (bei Rabbiner Wolf Hamburger) war er zunächst
Lehrer in Esslingen. 1845 wurde er als Nachfolger seines Bruders Abraham
Distriktrabbiner in Burgpreppach. Hier blieb er bis zu seinem Tod 1873. Er wurde
im Friedhof Kleinsteinach beigesetzt.
Ein Sohn von ihm - Immanuel Adler, verheiratet mit der jüngsten Tochter des
Würzburger Raw Seligmann Bär Bamberger - war 40 Jahre Distriktsrabbiner von Kitzingen.
Rückblick auf die Wahl von Dr.
Adler und weitere Mitteilungen (1845)
Artikel
in der Zeitschrift "Der treue Zionswächter" vom 11. November
1845: "Burgpreppach. Unsere Rabbinats-Wahl ist vollbracht. An
die Stelle unseres würdigen Rabbinen Adler, der jetzt bereits in
Aschaffenburg weilt, ist dessen Bruder, bisher Rabbinats-Kandidat und
Lehrer in Rhein-Bayern zum hiesigen Distrikts-Rabbinen erwählt worden.
Wie sein Bruder, ist unser jetziger Herr Rabbiner bei vorzüglicher
Wissenschaftlichkeit und Beredtheit Anhänger streng konservativer
Grundsätze; wir haben durch diese Wahl bewiesen, dass wir ebenfalls Juden
bleiben wollen." |
|
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit des 19. Jahrhunderts" vom 23. November
1845: "Das Rabbinat der Lehrer. Die Wahl in Burgpreppach ist vorüber.
Nicht mehr als zwei Bewerber waren auf dem Kampfplatze: "Ein Bruder des
früheren Rabbiners, Lehrer im Rheinkreise und Kandidat Kahn aus
Burgpreppach: Der Erstere wurde gewählt. Es sollen jedoch Reklamationen
wegen Wahlumtriebe stattgefunden haben. Mehr Beachtung als dieser
Wahlkampf verdient eine Erscheinung, die man mit großem Recht als Rückschritt
bezeichnen kann. Es werden nämlich in neuester Zeit wieder Subjekte als
Lehrer zu Finalprüfungen zugelassen und angestellt, die kein
Schullehrer-Seminar besucht haben, ja fast ohne eine nur halb genügend
Vorbildung diesem sich widmen. Schon wusste in unserem Lande und zumal in
unserem Kreise Niemand anders, als dass nur Seminaristen angestellt werden
könnten und unser Schulwesen nahm trotz seinen vielfältigen Mängeln
einen erfreulichen Aufschwung. Welchen Stoß muss dieser erleiden, wenn
eine solche Milderung den Jugend-Unterricht wiederum in die Hände von
Individuen legt, die ohne wahre Schulbildung von Pädagogik und Didaktik
kein Wort verstehen. Zur Ehre der Gemeinden gereicht es, dass von ihnen
aus keine Anträge gestellt wurden, aber auch dagegen ist bis jetzt nichts
geschehen, und es lässt mit ziemlich Gewissheit sich voraus bestimmen,
dass bald solche geprüfte Schullehrer den in Seminar Gebildeten werden
vorgezogen werden, besonders in jenen Gegenden, die dem Einflusse gewisser
Finsterlinge ganz hingegeben sind. – Für den bevorstehenden Landtag
wird auch in unserem Kreise eine Petition vorbereitet und mit Bewilligung
der königlichen Kreisregierung demnächst eine Versammlung abgehalten
werden." |
|
Artikel
in der Zeitschrift "Der treue Zionswächter" vom 6. Januar 1846:
"Der zum Bezirks-Rabbiner in Burgpreppach an der Stelle seines
Bruders, des jetzigen Aschaffenburger Rabbiners erwählte Lehrer und
Rabbinats-Kandidat H. Adler ist von der Regierung als solcher bestätigt
worden." |
Rückblick auf die Besetzung
des Rabbinates (1847) - Kritisches aus einer liberal-jüdischen
Zeitung
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit des 19. Jahrhunderts" vom 7. Februar
1847: "Rückblick auf das Jahr 1846. (Aus Bayern, im Januar 1847 –
Schluss). – Im Laufe des Jahres wurden zwei Rabbinate besetzt, das zu Oettingen
mit einem gewissen Dr. Feuchtwangen, und das zu Burgpreppach mit
einem J.G. Adler, welcher bis dahin Lehrer in einer pfälzischen Gemeinde
gewesen war. Beide huldigen hyperorthodoxen Grundsätzen und gehören zur
Partei des Zionswächters. Das wäre nun so ziemlich in der Ordnung. Nicht
in der Ordnung aber ist es, dass bei der Wahl des Letzteren allerlei
niedrige Kunstgriffe und Umtriebe angewendet wurden, um den Mitbewerber,
der noch dazu ein Ortskind war, zu verdrängen! Die Wahl wurde auch wegen
Simonie beanstandet, von der Kreisregierung zu Würzburg jedoch genehmigt,
und Adler wirklich installiert. Nun kam erst hintendrein eine Entschließung
des Ministeriums, wodurch die Wahl als ungültig erklärt und eine neue
Wahl, wozu jedoch auch Adler konkurrieren könnte, angeordnet wird. Sollte
nun Adler, der seine frühere Stelle natürlich aufgeben musste, nicht
wieder gewählt werden, so ist der Mann mit seiner Familie brotlos
gemacht. Die abscheulichen Umtriebe, welche seit geraumer Zeit bei den
meisten Rabbinerwahlen vorkommen, sind aber auch ein Krebsschaden, welcher
an dem religiösen leben nagt und der Synagoge und ihren Dienern alle
Achtung nach Innen wie nach Außen raubt. Es kann deshalb nicht oft und
nicht nachdrücklich genug auf diesen Umfug hingewiesen werd3en. So wurden
für das seit länger als 3 Jahren erledigte Rabbinat Welbhausen bereits
zwei Wahlen annulliert, weil sich die Kandidaten die Anklage der
Bestechung einander an den Kopf geworfen haben und diese Anklage auch als
begründet befunden worden sind. Wenn das so fortgeht, müssen die Behörden
doch endlich aufmerksam werden und Kräfte Maßregeln zur Abhilfe
ergreifen. Lassen Sie mich nun meinen Bericht mit einer erfreulicheren
Nachricht schließen…". |
Religionslehrerkonferenz unter
Rabbiner Dr. Adler (1864)
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. Oktober 1864: "Burgpreppach,
den 21. September (1864). In Folgendem erlaub ich mir, über die am 20.
September von unserem Herrn Distrikts-Rabbiner Adler hier abgehaltene
Religionslehrer-Konferenz in Ihrem geschätzten Blatte Bericht zu
erstatten.
Diese Konferenz wurde von unserem Herrn Distrikts-Rabbiner
durch eine schöne Anrede eröffnet.
Nach geschehener Eröffnung wurden
mehrere von den Herren Lehrern des Rabbinats-Bezirks eingelieferte
schriftliche Ausarbeitungen über das Thema: ‚Aus welchen Stellen und
Geboten der heiligen Schrift ist die Existenz der Tradition, wie deren
Unentbehrlichkeit für unser praktisch religiöses Leben erwiesen, und auf
welche Weise soll dies im Unterrichte nutzbringend angewendet werden’,
von den Verfassern öffentlich vorgetragen.
Diese sehr guten und
praktischen Ausarbeitungen zeugten von dem religiösen Sinn, von dem
Ernste und Diensteifer der Herren Religionslehrer des diesseitigen
Bezirks, welches auch von Seiten unseres Herrn Konferenz-Vorstandes und
eines unserer geschätzten Kollegen öffentliche Anerkennung erhielt.
Nachdem man hierauf dieses gegebene Thema kollegialisch erörtert, und
nach allen Seiten hin fürs praktische Schulleben besprochen, und der Herr
Distrikts-Rabbiner herrliche und lehrreiche Bemerkungen hierüber gegeben
hatte, schloss derselbe diese Konferenz mit einem herzlichen Abschiedsgruße.
Alle anwesenden Lehrer des Bezirks waren hoch erfreut, gehoben und
belehrt über die treffliche Behandlung dieser fürs praktische
Religionsleben tief eingreifenden Konferenz-Aufgabe unseres Herrn
Distrikt-Rabbiners, welcher durch seine vieljährige fruchtreiche, der
Orthodoxie gewidmete Praxis, wie durch seine Demut und Bescheidenheit sich
die ungeteilte Liebe und Verehrung der ihm unterstellten Lehrer, wie die
seines ganzen Bezirks zu erfreuen hat.
Referent entspricht dem Wunsche seiner Kollegen mit Vergnügen,
diesen Gefühlen hierdurch öffentlichen Ausdruck zu geben.
Nach
geschlossener Konferenz wurde auch die materielle Besserstellung der
Religionslehrer besprochen und besonders ein Antrag dahin gestellt, dass für
die Relikten der Religionslehrer ein Fond gebildet werden möge, aus
welchem dieselben Pension erhielten. Da die Verwirklichung dieses Planes
sehr schwierig ist, und einer reiflichen Überlegung und
Auseinandersetzung bedarf, wurde eine weitere Zusammenkunft der
Religionslehrer des Bezirks beantragt, um die Ausführung dieser
Angelegenheit zu besprechen und Beschluss hierüber zu fassen.
Es dürfte
vielleicht nicht ungeeignet sein, wenn die Herren Religionslehrer des
unterfränkischen Kreises eine Petition an das Königliche
Staatsministerium um Unterstützung aus verfügbaren Staatsmitteln in
dieser wichtigen Angelegenheit richteten."
|
Zum Tod der Witwe von Rabbiner Dr. Josef Gabriel Adler: Sara Adler (1876)
Sara geb. Scharff wurde im jüdischen Friedhof Kleinsteinach
beigesetzt.
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. Oktober 1876: "Aus
Unterfranken. Ich habe Ihnen heute zu meinem Bedauern über den großen
Verlust zu berichten, den eine echt religiöse und biedere Familie, den
ganz Israel überhaupt erlitten hat durch den frühen Heimgang einer
wahren wackeren Frau in dem würdigsten Sinne dieses Wortes.
Frau Rabbiner
Sara Adler Witwe zu Burgpreppach ist am dritten Tage des Monats Elul (23.
August 1876) in
ein besseres Jenseits hinübergegangen. Die Verblichene verdient als
Muster der aufrichtigsten Religiosität, der nie wankenden Gottesfurcht,
der würdigsten Kindererziehung, der opferbereitwilligsten Nächstenliebe
unseren Frauen und Töchtern zur Nachahmung empfohlen zu werden. Seit dem
vor 3 ½ Jahren erfolgten Tode ihres seligen Mannes, des berühmten
Rabbiners Jos. Gabr. Adler – das
Andenken des Gerechten ist zum Segen – in Burgpreppach, war sie größtenteils
leidend. Eine schmerzliche Krankheit hatte sie seit dem 2. Tage von Pessach
fast ausschließend an das Krankenlager gefesselt; hier auf diesem
anhaltenden Schmerzenslager strahlte der Kronenschmuck ihrer zahlreichen
Tugenden in seinem wahren Glanze.
Sie
verrichtete mit der größten Gewissenhaftigkeit ihre Gebete, sie sorgte
mit der größten Ängstlichkeit für die pünktliche, genaue Erfüllung
aller religiösen und menschenfreundlichen Pflichten, sie äußerte sich
beständig dahin, dass wenn sie der Allgütige von ihrem harten Leiden
genesen lasse, ihr Leben dann noch in reichlicherem und kräftigerem Maßstabe
den drei jüdischen Grundprinzipien Tora, Gottesdienst und Wohltätigkeit gewidmet sein solle. Die würdigste
Besiegelung erhielt dieses Leben durch die Art und Weise, wie sie in das
bessere Jenseits hinüber ging. Mit der Worte ächad (sc. letztes Wort des
Sch’ma Jisrael) auf der Zunge hauchte sie ihre reine Seele aus. An
dem Grabe derselben schilderte ihr Sohn, der Herr Distriktsrabbiner J.
Adler zu Kitzingen am Main, mit beredten Worten den Verlust der Familie
und der ganzen Versammlung Jeschurun
(gemeint: ganz Israel). Nach demselben hielt der Schwiegersohn, der
jetzige Herr Rabbiner A. Hirsch zu Burgpreppach, einen längeren, alle
Anwesenden tief ergreifenden Hesped
(Trauerrede) und hof in demselben namentlich hervor, wie das
Hauptverdienst der Verstorbenen in der musterhaften Erziehung ihrer Kinder
bestehe, wie es ihr gelungen, Söhne zu erziehen, die in Tora
und den Geboten ihr höchstes Streben erkennen, wie sie ihre Töchter an die
alten israelitischen Tugenden gewöhnt, an die Einfachheit,
Anspruchslosigkeit, Bescheidenheit und an die pünktliche Ausübung aller
jüdischen Pflichten.
Möge der Allgütige lindernden Balsam in die tiefen
Wunden der Familie und der Trauernden Israels senden, möge Er geben, dass
sich bewahrheite jener Vers in Jesaja: ‚Er
macht verschwinden den Tod für immer’ (Jesaja 25,8)." |
Zum Tod von Benjamin Adler in Halberstadt, Sohn von Rabbiner Emanuel Adler
(1929)
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. Januar 1929: "Nürnberg, 12.
Dezember (1929). Ein guter Mensch und Jehudi ist in dem weit bekannten früheren
Konditoreibesitzer Benjamin Adler in Halberstadt vorzeitig im 59.
Lebensjahr plötzlich verschieden. Als vierter Sohn des Kaufmanns und
Rabbiners Emanuel Adler in Burgpreppach widmete er sich aus Vorliebe zum
Handwerk dem Bäckerberufe. Seine Gesellenjahre führten ihn, wie es im
Handwerk Sitte war und ist, von Würzburg nach Fürth, Altona, München,
Wien, von den kleineren Orten wo er zur Hochsaison auf Pessach tätig war,
nicht zu reden. Unter Aufsicht und Beistand des alten Halberstädter
Rabbiner Dr. S. Auerbach – das Andenken an den Gerechten ist zum Segen
– gründete er endlich seine eigene Bäckerei und Konditorei, die sich
durch ihre vorzüglichen Erzeugnisse für Pessach einen Ruf erringen
konnte. Die Gemeinden Berlin und Leipzig wurden seine Hauptabsatzgebiete.
Berlin war es, das unter seiner fachkundigen Meisterschaft den eigenen
Bedarf an Mazzos unter Rabbinatsaufsicht 1924/25 bei ihm gebacken hat. Auf
einer Provinzialausstellung in Magdeburg, wo er unter anderem einen
Riesenberches und die Nürnberger Burg in Schokolade und Marzipan in
vollendeten Glanzleistungen ausstellte, wurde er 1907 durch eine liebenswürdige
Ansprache des Oberpräsidenten geehrt und erhielt er die goldene Medaille,
welcher Ehrung die Halberstädter Innung ihrerseits sich mit dem silbernen
Ehrenpreis anschloss. Mit dem tüchtigen und fleißigen Handwerkskünstler
verband Benjamin Adler in seiner Persönlichkeit den Menschen von goldenem
Humor und echt jüdischer Gewissenhaftigkeit, wodurch er sich die dauernde
Zuneigung aller Kreis erwarb. Der Erfolg blieb seinem rastlosen, ehrlichen
Streben nicht aus, den er noch gemeinsam mit seiner ihm im Tode
vorangegangenen Gattin in der Sonne des wiedererstandnen Friedens genießen
konnte. Eine originelle Natur, die mit der verfeinerten Technik des Berufs
eminente kaufmännische Fähigkeiten vereinte, eine stolze Freude seines
ehrwürdigen Vaters einstmals, eine Blüte und Zierde des schwer ringenden
jüdischen Handwerkerstandes ist mit ihm nun in die Ewigkeit eingegangen. Seine
Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens."
|
Unter Rabbiner Dr. Abraham Hirsch (1878-1885)
Abraham Hirsch ist 1839 in Poppenlauer als Sohn
des Metzgers Jeidel Hirsch und der Babette geb. Lion geboren. Er studierte in Haßfurt
bei Rabbi J. Schüler, in Würzburg bei Rabbi Seligmann Bär Bamberger und in
Berlin bei Rabbi Michael Landsberger mit Ausbildung zum Rabbiner. Er hat in Miltenberg 1864 eine
"Erziehungs- und Unterrichtsanstalt" eröffnet. Diese sollte zu einer
Vorbereitungsschule für die Israelitische Lehrerbildungsanstalt werden. Ein
Grund für die Eröffnung der Schule in Miltenberg war, dass hier Abrahams
älterer Bruder Hirsch Hirsch (geb. 1831 in Poppenlauer) bereits als
Lehrer tätig war. Allerdings starb Hirsch Hirsch bereits am 3. August 1866 in
Miltenberg an der Cholera, die durchziehende preußische Soldaten in der Stadt
hinterlassen hatten. Dies führte zum schnellen Ende der Schule in Miltenberg. Im
Oktober 1866 verlegte Abraham Hirsch die Schule nach Mainstockheim. Seit 1875
war Abraham Hirsch als Nachfolger seines Schwiegervaters Rabbiner in
Burgpreppach und eröffnete hier eine Talmud-Tora-Schule, die er erfolgreich bis
zu seinem Tod am 19. November 1885 geleitet hat.
Rundschreiben von Rabbiner Hirsch betreffs der
Unterstützung eines Vereins zur Versorgung jüdischer Soldaten mit koscherer
Verpflegung (1878)
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. März 1878: "Burgpreppach
(Unterfranken). Im Interesse einer für das Judentum wichtigen
Angelegenheit ersuche Sie hiermit, einen Aufruf, den unser verehrter Herr
Rabbiner in seinem Distrikt zirkulieren ließ, zu veröffentlichen.
Geehrte, edle Glaubensgenossen!
Der
Unterzeichnete fühlt sich verpflichtet, in einer äußerst wichtigen und
dringenden Angelegenheit sich mit einer innigen und ergebenen Bitte an Sie
zu wenden, Sie zu ersuchen, es möge Jeder nach dem Verhältnisse der
Mitte, die ihm zur Verfügung stehen, ein Scherflein beitragen, auf dass
ein Unternehmen, das nur den edelsten Absichten sein Entstehen verdankte
und das sich eines langjährigen, segensreichen Wirkens rühmen kann, auch
für die Zukunft in der Betätigung dieses heilsamen Einflusses nicht
gehemmt oder gar unterbrochen werde.
In Bamberg wurde von verschiedenen edlen und opferbereitwilligen
Glaubensgenossen im Jahre 1866 ein Verein gegründet mit der Tendenz,
braven, armen, jüdischen Soldaten, die sich dort in Garnison befinden,
die Mittel für Koscherkost zu verabreichen. Trotz der vielen Hindernisse,
die hier zu besiegen waren, trotz der kritischen Verhältnisse, die in
Folge des deutsch-französischen Krieges eingetreten, indem nämlich die
Kasse des Vereins so stark in Anspruch genommen wurde, dass die
disponiblen Mittel desselben nicht nur erschöpft wurden, sondern dass er
selbst gezwungen, sich eine bedeutende Schuldenlast aufzubürgen, trotz
all’ dieser Schwierigkeiten, die die Existenz des besagten Vereins so
sehr bedrohten, ist es doch der unermüdeten Tätigkeit und der
Begeisterung seiner Vorstände gelungen, all jene Unannehmlichkeiten zu
beseitigen und bis heutigen Tages das Ziel, das man sich gesteckt hatte,
mit rastlosem Streben zu verfolgen.
In der jüngsten Zeit ereignete es sich aber, dass stets so viele jüdische
Soldaten, welche die Unterstützung und die Hilfe des Vereins in Ansprach
nahmen, in der dortigen Garnison vorhanden waren, dass der Verein mit
bestem Willen nicht mehr die Wünsche all’ dieser Petenten erfüllen
kann. Unter diesen Soldaten, die größtenteils aus unserem Kreise, aus
Unterfranken, sich rekrutieren, sind sehr viele, die nie vorher Speisen,
die das Religionsgesetz den Israeliten zu genießen verbietet, gekostet
haben.
Wenn wir nun verpflichtet sind, jedem Glaubensgenossen ohne
Unterschied Mittel und Gelegenheit zu bieten, seiner Religion gemäß
leben zu können, so ist unsere Verpflichtung eine umso größere und
heiligere, nach Kräften dazu beizutragen, dass unsere jüdischen
Soldaten, indem sie dem Vaterlande den vorgeschriebenen Dienst leisten,
nicht gezwungen werden, dies ausführen zu müssen mit dem Bewusststein,
welches das Gewissen so tief verletzt, dass sie während ihrer dreijährigen
Dienstzeit Speisen, die den Israeliten nicht erlaubt sind, zu genießen
haben.
Unsere hohe
Staatsregierung hat in gerechter Würdigung, dass der Staat bei den Ansprüchen,
die er an jeden Bürger stellen muss, so viel als nur irgendwie möglich,
das religiöse Leben der verschiedenen Konfessionen zu berücksichtigen
verpflichtet ist, in höchst toleranter Weise die Israeliten vom Speisen
in der Menage dispensiert. Sorgen wir nun, dass diese humane Bestimmung
unserer Staatsregierung bei vielen jüdischen Soldaten nicht wieder
illusorisch wird, indem sie nicht die notwendigen Mitten besitzen, um die
ziemlich bedeutenden Kosten, die hierdurch verursacht werden, bestreiten
zu können. Wir geben uns daher der an- |
genehmen
Hoffnung hin, dass die ewig sprudelnde Wohltätigkeitsliebe unseres
Volkes, dieser Nationaltugend Israels, durch allseitige, kräftige Unterstützung
uns in die erwünschte Lage versetzen wird, dass wir nicht nur die pekuniären
Verlegenheiten, in welchen sich die Vorstände des Bamberger
Soldaten-Vereins momentan befinden, beseitigen, sondern, dass wir vielmehr
durch hinreichende Mittel, welche wir dem Vereine zufließen lassen,
bewirken, dass er alle Ansprüche, die an ihn in dieser Beziehung gestellt
werden, vollkommen befriedigen kann. Sie verehrter Herr Kultusvorsteher,
werden gewiss mit alle Bereitwilligkeit recht warm die Unterstützung
dieses würdigen Unternehmens Ihrer Gemeinde empfehlen und den Betrag
einer Kollekte, die sie freundlichst veranstalten, sofort anher einsehen.
Burgpreppach, den 13. März 1878.
Mit aller Hochachtung zeichnet
A. Hirsch, Distrikts-Rabbiner.
Wir beabsichtigen hiermit einen doppelten Zweck:
1) Wollen wir die 'von ihrem
Herzen angetrieben sind' ('die Großherzigen', vgl. 2.
Mose 35,5) auch außerhalb dieses Rabbinatsbezirks auf die Unterstützung
eines edlen Unternehmens aufmerksam machen.
2) Soviel uns bekannt, wurde bisher von sämtlichen bayrischen
Garnisonsstädten nur in Würzburg und Bamberg armen jüdischen Soldaten
Gelegenheit geboten, während ihrer Militärdienstzeit Koscher essen zu können.
Am ersteren Orte wird diese Angelegenheit von dem durch seine
Gelehrsamkeit und seine Begeisterung für alles Jüdische und Edle
allgemein rühmlichst bekannten Distrikts-Rabbiner, Herrn S. B. Bamberger,
seit einer sehr langen Reihe von Jahren geleitet. In Bamberg von dem erwähnten
Soldaten-Vereine. Wie leicht könnte diese für die allgemeine Religiosität
so wichtige Angelegenheit in fast allen bayerischen, ja vielleicht in den
meisten deutschen Garnisons-Städten geordnet werden, wenn die
betreffenden Rabbinen guten Willen und Energie genug besäßen, diese
Sache mit Entschiedenheit in die Hand zu nehmen, oder wenn zu diesem
Zwecke sich Vereine bilden würden. Ein Jehudi." |
Eröffnung der Talmud-Tora-Schule
in Burgpreppach durch Rabbiner Dr. Abraham Hirsch (1878)
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. November 1878: "Burgpreppach,
12. November (1878). Es wird den Lesern dieses geschätzten Blattes nicht
unlieb sein, wenn ich ausführlich über ein erfreuliches Faktum berichte,
das sich hier ereignet, ein Faktum, das leider jetzt in Deutschland zu den
Seltenheiten gehört. Heute wurde das neu errichtete Unterrichtslokal der
hiesigen Talmud-Tora-Schule durch den Leiter der Anstalt, unseren sehr
verehrten Herrn Rabbiner Hirsch – sein Licht leuchte – seiner
Bestimmung übergeben. Die Feier war einfach, aber erhebend. Nachdem ein
Protokoll aufgenommen worden war, in welchem der Nachwelt der Zweck dieses
Gebäudes mitgeteilt wird nebst allen Bedingungen, die hieran geknüpft
sind, sprach der besagte Gründer unserer Talmud-Tora-Schule in äußerst
gerührter und gehobener Stimmung die Beracha ‚Schähechenu’
(abgekürzt: 'Gelobst seist Du Ewiger, unser Gott, der uns am Leben
erhalten... und uns diese Zeit hat erreichen lassen'). Er
dankte dem Allgütigen mit begeisterten Worten für die große Huld, die
Er ihm gewährt, in so kurzer Zeit ein so hübsches und in jeder Beziehung
entsprechendes Gebäude für dieses so notwendige und zeitgemäße
Unternehmen herstellen zu lassen und den größten Teil der hieraus
erwachsenen Unkosten, die sich auf mehr als 10.000 Mark belaufen, decken
zu können. Er zollte die wärmste, aufrichtigste Anerkennung jenen Edlen
Israels, die ihn bisher in würdiger Opferbereitwilligkeit unterstützten.
Wenn auch momentan die zur Disposition stehenden Mittel noch nicht
hinreichen, alle eingegangenen Verbindlichkeiten zu erfüllen, so sprach
er die sichere Zuversicht aus, dass das Wohlwollen der vielen Freunde und
Gönner der Anstalt, sowie der opferfähige Gemeinsinn, der ja Israels
Kindern stets auszeichnete, auch bald diese drückende Sorge von seinen
Schultern wälzen werde, sodass er dann seine Aufmerksamkeit einem anderen
Zwecke, der Unterstützung unbemittelter Zöglinge in bedeutenderem Maß
als dies bisher der Fall sein konnte, zuwenden könne. Sich an die Zöglinge
wendend, schilderte er ihnen ausführlich die Motive, die ihn zur Gründung
der Anstalt veranlasst und die ihn stets bei der Direktion und bei dem
Unterricht geleitet, nämlich Gelegenheit zu bieten, gründliche Kenntnis
der Tora nebst wahrem Wissen und würdiger Bildung erwerben zu können,
auf dass echte Jehudim, gediegene Charaktere und edle Menschen unsere
Lehrer und Führer werden. Um dieses Ziel zu erreichen, müsse von Seite
der Lehrer die lebhafteste Begeisterung und die wahrhafteste Hingabe an
diese heilige Sache, von Seiten der Schüler aber Fleiß, Aufmerksamkeit
und würdiger Eifer vorhanden sein. Was in seinen Kräften stehe, werde er
mit aller Beharrlichkeit und Freude zur Erreichung und Behauptung dieser höchsten
Güter Israels aufbieten, er erwarte aber auch, dass alle Zöglinge ihre
Flicht erfüllen werden. Hierauf wurde der Unterricht in Gemara
sogleich eröffnet.
Mögen die Wünsche und Hoffnungen dieses edlen Mannes
sich recht vollkommen realisieren, möge die Anstalt sich stets als eine
üppige, segensreiche Pflanzstätte des wahren Torastudiums und der
wirklichen Bildung bewähren und möge sich dieses so gemeinnützige
Unternehmen zu jeder Zeit des allgemeinen Wohlwollen erfreuen." |
Spendensammlung von Dr. Hirsch (1882)
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. Mai 1882: "Burgpreppach, 4.
Mai (1882). Am vergangenen Schabbat
Paraschat Kedoschim (das ist Schabbat mit der Toralesung Kedoschim
= 3. Mose 19,1 - 20,27, das war 29. April 1882) benutzte zum wiederholten Male unser allverehrter
Herr Rabbiner Hirsch – sein Licht leuchte – seinen
Nachmittagvortrag, um zu materiellen Unterstützung unserer so sehr bedrängten
russischen Glaubensbrüder aufzufordern und durch Nachweise aus der Sidra
dazu anzueifern. Anknüpfend an die Worte 'Ihr sollt nicht beim Blute
essen' (3. Mose 19,26) setzte er auseinander, dass es unrecht, gefühllos – ja sündhaft
sei, in einer Zeit, in der so viele unserer Glaubensgenossen lediglich
ihrer Religion halber der Plünderung, den rohesten Misshandlungen, der
Vertreibung aus der lieb gewonnenen Heimat, ja oft dem Tode preisgegeben
sind, wenn wir, die wir in Ruhe und Frieden leben, unsere irdischen Glücksgüter
auch in Ruhe und Frieden genießen wollten, während jene das Judentum mit
ihrem Blute besiegeln. In dieser Zeit, sei es vielmehr Pflicht von Jedem,
der den Namen Jehudi führt, den Worten 'öffnen
sollst Du Deine Hand' (5. Mose 15, 8 und 11) wiederholt sollst Du deine Hand den Armen
öffnen,
entsprechend, immer und immer wieder zu geben. So hatte denn auch die
dritte, für unsere russischen Glaubensgenossen dahier vorgenommene
Sammlung ein für die hiesige Gemeinde sehr günstiges Resultat. Es ergab
sich bei derselben die Summe von 204 Mark. Gleichzeitig brachte Herr
Rabbiner Hirsch – sein Licht leuchte – das schon von anderer Seite
angeregte Projekt, monatliche Sammlungen vorzunehmen, in Vorschlag, und
ließ er zu diesem Zwecke eine Liste auflegen, wobei ebenfalls ein recht
guter Erfolg erzielt wurde, indem pro Monat 33 Mark gezeichnet wurden.
Gerade das Letzte ist, was dem Schreiber dieses die Feder in die Hand drückt;
denn er glaubt, dass gerade dieses Projekt einer allgemeinen Beachtung und
einer recht vielseitigen Nachahmung wert sei. ‚Steter Tropfen höhlt den
Stein’, sagt ein altes deutsches Sprichwort, so würden auch hier die
kleinen, regelmäßigen, monatlichen Beiträge sich zu großen Betragen
summieren und würden, einmal angefangen, eine dauernde Quelle zur Unterstützung
bilden, was momentane Beiträge, die zwar anfangs größer sind, aber,
wenn wiederholt angepocht wird, stets kleiner werden, sicherlich nicht
sind." |
Über Rabbiner
Dr. Hirsch und seine Talmud-Tora-Schule
(1884)
Den Bericht verfasste der Direktor des Israelitischen
Handelsinstitutes in Mellrichstadt, Naphtali Ottensoser.
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. September 1884: "Mellrichstadt
(Bayern), im September (1884). Zurückgekehrt vom Besuche meines Sohnes zu
Burgpreppach, sehe ich mich veranlasst, dem Lesepublikum dieses geschätzten
Blattes meine Wahrnehmungen dort über die Talmud-Tora-Schule hier
niederzulegen.
An der Spitze, als Begründer, Leiter und Lehrer dieser viel
besuchten Schule (63 Zöglingen), steht der hoch geachtete
Distrikts-Rabbiner Herr Hirsch.
Sein unermüdliches Streben, um eine bessere Jugend zu schaffen, sie jüdische
religiös zu erziehen, mit jüdischen, sowie mit weitgehenden
profan-wissenschaftlichen Kenntnissen auszustatten, ist vom Anfang bis
jetzt seine Lebensaufgabe geworden und wird sie auch ferner bleiben.
Er lebt nur dem vorerwähnten heiligen und edlen Zwecke, an sich denkt er
nicht, denn er bezieht für seine Lehrtätigkeit keinen Deut aus den
Einnahmen des Institutes.
Außer Herrn Rabbiner Hirsch wirken vier Lehrer, ausgezeichnet tüchtige
Lehrkräfte an dieser Schule.
Zunächst ist sie eine Bildungsanstalt für jüdische Schulpräparanden;
aber auch diejenigen, welche sich für den Kaufmannsstand auszubilden
suchen, finden hier Grund und Boden dazu. Man nimmt sehr gern solche junge
Leute, die die Schule in Burgpreppach besucht haben, als Lehrlinge ins
Geschäft.
Ich spreche nicht pro domo, denn ich stehe dieser Anstalt durchaus fern.
Aber in Anbetracht, dass gerade jetzt die Frage an viele Eltern
herantritt, wo man am besten seine Kinder zur Erziehung und Ausbildung
unterbringt, plädiere und empfehle ich die Talmud-Tora-Schule zu
Burgpreppach.
Man sollte nun meinen, dass diese so wohltätig wirkende Schule mit den nötigen
pekuniären Mitteln ausgestattet wäre, nichts weniger als das. Viele arme
Schüler werden unentgeltlich in Pension und Unterricht, soweit die Mittel
reichen, aufgenommen, und sucht Herr Rabbiner Hirsch die Kosten durch
Inanspruchnahme der Privatwohltätigkeit zu beschaffen. Auch in dieser
Richtung erlaube ich mir die Bitte an die Wohltäter in Israel zu
richten, dass wer, was im Monat Ellul stets der Fall, Förderer der
Wohltätigkeit ist, keinen edleren Zweck fördern kann, als erwähnte
Schule zu unterstützen.
Sollte ich durch vorstehende Deduktion in der einen oder anderen
Richtung zum Guten beigetragen haben, bin ich höchlich belohnt.
Ottensoser, Direktor." |
Berichte zum Tod von
Rabbiner Dr. Hirsch (1885)
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. November 1885: "Mainz, 27.
November (1885). Der Telegraph bringt uns soeben die Trauernachricht von
dem heute erfolgten Hinscheiden unseres teueren und unvergesslichen
Freundes, des Distriktrabbiners Hirsch – er ruhe in Frieden – zu
Burgpreppach. In der Blüte seiner Jahre wurde er nach langen und
schmerzlichen Leiden hinweg genommen. Was das Judentum, was die Menschheit
in diesem edlen, vorzüglichen, gelehrten und gottbegeisterten Manne
verliert, ist nicht zu beschreiben. Sein ganzes, opferungsreiches Leben
war in erster Linie der Jugendbildung gewidmet. Die Vorbereitungsschule für
den Lehrerberuf, die der Verewigte gegründet und erhalten, wirkte äußerst
segensreich, und viele tüchtige Männer verdanken dem so früh uns
Entrissenen die Grundlage ihrer Erziehung, die Bildung ihres Charakters.
– Wir erwarten, dass eine berufene Feder uns den Lebensgang und die
hohen Eigenschaften des edlen Verblichenen ausführlich schildern wird. Möge
der allgütige Gott der trauernden Gattin und all den zahlreichen Freunden
Trost spenden! Der Verklärte wird in jenen lichten Gefilden reichen Lohn
empfangen für all das Gute, das er hienieden geleistet.
Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens." |
|
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. Dezember 1885: "Distrikt-Rabbiner Abraham Hirsch – er ruhe in Frieden –
(Burgpreppach in Bayern). Der in der Überschrift Genannte verschied nach
einem langen und schweren Leiden im kräftigsten Mannesalter, erst 46
Jahre alt. Mit ihm ist einer der besten und edelsten Menschen, die unsere
Zeit aufzuweisen hat, aus dem leben geschieden. Er war eine selbstlose und
bescheidene Natur, ganz dem Dienste Gottes und seinen heiligen Geboten
lebend und mit einer beispiellosen Hingebung und einer geradezu
bewunderungswürdigen Ausdauer für die Verbreitung der heiligen
Gotteslehre wirkend. Durch seine Tätigkeit auf dem Gebiete der Schule ist
er weiteren Kreisen in rühmlichster Weise bekannt geworden. – Er war in
dem Orte Poppenlauer in Unterfranken geboren. Schon als Knabe kam er nach
Hassfurt und lernte dort bei Rabbiner Is. Schüler – seligen
Andenkens -. Später bezog er die Universität Würzburg und ward dort
der Schüler des verewigten Rabbiners Bamberger – seligen Andenkens -, und in Berlin lernte er bei Rabbiner M.
Landsberg – seligen Andenkens
-. Er hatte zuerst im Jahre 1864 im Verein mit seinem älteren Bruder ein
Erziehungsinstitut in Miltenberg am Main begründet. Er wurde dabei von
dem Gedanken geleitet, dass gediegenes profanes Wissen in Verbindung mit
einer gründlichen Kenntnis unserer heiligen Lehre nicht allein für den
Lehrer, sondern auch für den Geschäftsmann wünschenswert sei, und dass
nur eine Vereinigung beider dazu führen könne, unsere heranwachsende
Jugend gegen alle Stürme und alle Versuchungen zu kräftigen. In diesem
Sinne leitete er das Institut, das emporblühte und die schönsten Erfolge
versprach. Da nahte der Krieg des Jahres 1866, der das Städtchen
Miltenberg schwer heimsuchte. Die Cholera war ausgebrochen, und ihr erlag
auch der ältere Bruder des seligen Abraham Hirsch. Da musste das Institut
von dort weiterwandern, und es wurde nach Mainstockheim verlegt. Dort
bestand es bis zum Jahre 1874, und eine große Anzahl von Jünglingen
genoss daselbst ihre Ausbildung; viele sind durch das echt fromme und
gediegene Streben, das sie dort kennen lernten, in dem strengen Festhalten
an den überlieferten göttlichen Gesetzen bestärkt worden, und sind zu tüchtigen
Männern und braven Jehudim herangewachsen.
Nach
dem Todes seines Schwiegervaters, des seligen Rabbiner Joseph Gabriel
Adler – seligen Andenkens –
aus Burgpreppach, wurde Rabbiner Abr. Hirsch an dessen Stelle gewählt.
Seinen Rabbinatspflichten lag er nun mit der größten Gewissenhaftigkeit
ob, aber ganz besonders rief er hier eine Schöpfung ins Leben, die, wie
wir hoffen, lange, lange erhalten bleiben wird, und durch die der edle
Verblichene sich ein unvergängliches Denkmal geschaffen hat, das ist die
dortige Talmud-Tora-Schule. Rabbiner Hirsch fand bei dem Antritt seiner
Stellung in Burgpreppach eine uralte Stiftung vor, aus deren Mitteln eine
ganz geringe Anzahl von Schülern, ich glaube 3, in der Gotteslehre
unterrichtet werden sollten. Diese beschränkte Zahl erschien dem
lehrbegierigen, vorwärts strebenden Manne zu gering. Er schwärmte ja dafür,
alle, alle hinzuführen zu dem Borne der heiligen Lehre, und mit glühender
Begeisterung gab er sich diesem seinem Ideale hin, mit einer erstaunlichen
Energie und Ausdauer verfolgte er dessen Ausführung. Er zog sofort noch
mehr Schüler von auswärts heran und bald strömten wissbegierige Jünglinge
aus allen Teilen Deutschlands, ja aus fernen Ländern nach dem kleinen
Orte Burgpreppach, und jetzt ist dortselbst eine blühende
Talmud-Tora-Schule von 60-70 Schülern, die von vier Lehrern unterrichtet
werden. Und nicht allein eiferte der nun selig entschlafene Direktor
dieser Schule alle Schüler und Lehrer durch seinen nimmer rastenden,
eisernen Fleiß, durch seine Liebe und Freundschaft an (und für alle
seine Mühe und alle seine Arbeit beanspruchte er keinen Pfennig
Belohnung) er allein schaffte auch die Mittel für den Unterricht und
meistens auch die Unterhaltung der zum großen Teile armen Schüler
herbei. Von Haus zu Haus und von Ort zu ort wanderte er, um sich Haben für
seine Talmud-Tora-Schule zu erbitten, und er war glücklich, wenn er
reiche Geschenke bekam. Ich werde es nie vergessen, welche Freude der
brave Mann einst empfand, als ihm auf mein Bemühen hin, ein mir
befreundeter Wohltäter ein Legat von 700 Gulden für die
Talmud-Tora-Schule bewilligte; mehr kann sich keiner freuen, dem Millionen
als sein Eigentum zugefallen sind. Aber der außergewöhnlichen
Arbeitslust und Anstrengung dieses Mannes war seine körperliche Kraft
nicht gewachsen. Ein schweres Nervenleiden ergriff ihn vor längerer Zeit,
von dem ihn der Tod erlöst hat. Rabbiner Abraham Hirsch – seligen
Andenkens – hinterlässt keine Kinder, aber die Talmud-Tora-Schule, die
er ins Leben gerufen, war ihm wie ein Kind an die Seele gewachsen. Alle
diejenigen, die diesem Edlen ein gutes Andenken bewahren wollen, mögen
nun dazu beitragen, dass die Stätte, die er der Verbreitung unserer
heiligen Lehre geschaffen, erhalten bleibe. Der Verstorbene hat es
verdient, dass man ihm ein Denkmal errichte. Fürwahr, wir können es,
wenn wir dafür sorgen, dass die Talmud-Tora-Schule in Burgpreppach in
ihrem jetzigen Glanze erhalten bleibt." |
|
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. Dezember 1885: "Burgpreppach,
4. Dezember (1885). In Nr. 93 Ihres geschätzten Blattes haben Sie bereits
den herben Verlust, den nicht nur die hiesige Talmud-Tora-Schule durch den
Hintritt ihres Gründers und Leiters, sondern das ganze Judentum durch den
Tod des allverehrten Herrn Distriktrabbiners Abraham Hirsch – er ruhe in Frieden – erlitten, zum Ausdruck gebracht. Wie der
selige Rabbiner bei den ihm unterstellten Gemeinden, sowie in den
weitesten Kreisen und namentlich auch bei den Bekennern anderer Religionen
in Achtung gestanden, das zeigte sich am trefflichsten bei seinem
Leichenbegängnisse. Es waren zu der Beerdigung, die am Sonntag stattfand,
Vertreter aus allen Gemeinden des Distriktes erschienen; einzelne
Gemeinden waren sehr zahlreich beteiligt. Freunde und Schüler des
Verstorbenen, mitunter aus weiter Ferne, eilten herbei, um dem Freunde und
dem Lehrer die letzte Ehre zu erweisen. Die politische Gemeinde ehrte das
Andenken des nun in lichten Höhen Wohnenden dadurch, dass die
Gesamtgemeindeverwaltung, sowie andere angesehene Bürger des Ortes bei
der Beerdigung zugegen waren. Auch Geistliche beider christlichen
Konfessionen folgte der Bahre des Dahingeschiedenen. Es ist dies der
trefflichste Beweis von der Toleranz der genannten Herren. In
dem Sterbehause ergriff Herr Distriktsrabbiner Bamberger – sein Licht leuchte – aus Würzburg das Wort…
Am Grabe sprach der Freund und Studienkollege, Herr
Distriktsrabbiner M. L. Bamberger – sein Licht leuchte – aus Kissingen. Unter Zugrundlegung der Worte
‚…denn ein Fürst und ein Großer
ist gefallen in Israel’ zeigte er in beredten Worten, wie einer der
größten Männer unserer Zeit gefallen, wie der Verstorbene ein Fürst an
Charakterstärke und Tugend, groß an Mut und stark an Willenskraft war.
‚Sein leben’, sagte der Redner, ‚war nur dem Höchsten geweiht und
bestand in einem fortgesetzten Kampfe für die heiligsten Güter
Israels.’ An der Hand des Bibelverses ‚der Gerechte wächst auf die
eine Palme’ führte er trefflich aus, wie der Verlebte der Palme stets
geglichen. Die Palme ist von allen übrigen Bäumen dadurch merklich
unterschieden, dass das Mark derselben stets und ungeteilt nach oben, dem
Gipfel zuströmt, so habe auch der Verstorbene stets sein Streben aufwärts
gerichtet, sei jederzeit für das Gute und Edle mit aller Manneskraft
eingetreten und so habe sich an ihm in der schönsten Weise gezeigt, wie
die Frommen im Gegensatze zu anderen Pflanzen ihre Wurzel im Himmel haben,
ihre Früchte aber unten hier auf Erde reifen. Die schönste Frucht, die
der große Lehrer Abraham Hirsch – er
ruhe in Frieden – gezeitigt, ist seine Talmud-Tora-Schule, die
bereits in ganz Deutschland einen Ruf sich erworben hat.
Herr Dr. Tachauer, Lehrer der israelitischen Lehrerbildungsanstalt
zu Würzburg, welcher nun dem Heimgegangenen einen Nachruf widmete,
verglich denselben mit einem Baumriesen, der vom Winde ausgerissen, plötzlich
zur Erde fällt. Wie bei dem Baume durch die Wucht des Falles der ganze
Wald weit und breit erdröhnt, so seien auch alle Gemüter, die von dem
Falle dieses Geistesriesen, dem Verluste, der uns getroffen, Kunde
erhielten, tief erschüttert worden. …
Der Verlust der Gerechten ist für uns noch viel herber als der
unseres Tempels, denn wer vermag sie zu ersetzen, wer kann ihren ganzen
Wirkungskreis voll und ganz ausfüllen! Wie veredelnd der Verblichene
stets gewirkt und wie er ein treuer Lehrer gewesen, davon habe er, der
Redner, am besten Gelegenheit gehabt, sich zu überzeugen, denn ein großer
Teil der Lehrer, die in dem letzten Dezennium aus dem israelitischen
Seminar zu Würzburg ausgetreten sind, haben an der hiesigen
Talmud-Tora-Schule ihre Vorbildung genossen. Schließlich ermahnte Herr
Dr. Tachauer die Lehrer und die Schüler des Verstorbenen, stets in die Fußstapfen
ihres großen Lehrers zu treten und sich ihn für alle Zeiten als Muster
zu nehmen." |
|
Mitteilung
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 1. Januar 1886: "Aus
Burgpreppach (Bayern) wird uns der Tod des dortigen Distriktrabbiners
Hirsch und aus Saros-Palak (Ungarn) der des dortigen Rabbiners J. Beier
gemeldet." |
Ausschreibung der
Rabbinatsstelle (1886)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. Januar 1886: "Konkurrenz-Ausschreiben.
Betreff: Die Wahl eines Distrikts-Rabbiners für den Rabbinatsdistrikt
Burgpreppach. Durch das Ableben des bisherigen Distrikt-Rabbiners Abraham
Hirsch ist das Distrikts-Rabbinat Burgpreppach, für welches außer der
staatlichen Aufbesserung ein Jahresgehalt von zunächst 900 Mark
festgesetzt ist, in Erledigung gekommen. Die Vornahme der Neuwahl eines
Distrikts-Rabbiners, welchem bei entsprechender Eignung auch die
Vorstandschaft der Talmud-Tora-Schule in Burgpreppach in Aussicht gestellt
werden kann, wurde durch Entschließung der königlichen Regierung von
Unterfranken, Kammer des Innern, vom 4. vorigen Monats dem unterfertigten
Bezirksamte übertragen. Infolge dessen werden jene Rabbiner und geprüften
Rabbinatskandidaten, welche sich um diese Stelle bewerben wollen,
aufgefordert, ihre mit den erforderlichen Zeugnissen belegten Gesuche bis
längstens 3. Februar laufenden Jahres anher einzureichen. Später
einkommende Gesuche können nicht berücksichtigt werden. Die rechtzeitig
eingelangten Gesuche werden 14 Tage vor der auf 18. Februar laufenden
Jahres anberaumten Wahl, sodann während derselben zur Einsicht der Wähler
aufgelegt werden. Schließlich wird bemerkt, dass nur gründlich gebildete
Bewerber, welche sich durch ein von der zuständigen Distriktspolizeibehörde
ausgestelltes Zeugnis über tadellosen Lebenswandel ausweisen, die Bestätigung
erlangen können. Königshofen, den 7. Januar 1886. Königliches
Bezirksamt: Schalk." |
Gedächtnisfeier
für Rabbiner Dr. Hirsch (1886)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20. Dezember 1886: "Burgpreppach,
16. Dezember (1886). Am 19. Kislew, dem Todestage des im vorigen Jahre
verstorbenen Distriktsrabbiners Abraham Hirsch – das Andenken an den
gerechten ist zum Segen – versammelte unser derzeitiger Rabbiner, Herr
Dr. Deutsch, die Mitglieder der hiesigen israelitischen Kultusgemeinde,
sowie der Gemeinden des Distrikts zur Abhaltung einer Gedächtnisfeier für
den Verewigten. Dieselbe nahm um 1 Uhr mittags in hiesiger festlich
erleuchteten Synagoge ihren Anfang und wurde durch einen Choral und
Psalmrezitationen eingeleitet. Hierauf bestieg Herr Rabbiner Dr. Deutsch
die Kanzel zur Abhaltung der Gedächtnisrede. Dieselbe währte eine volle
Stunde und wurde mit der diesem Redner eigenen Meisterschaft vorgetragen.
Wie wir hören, beabsichtigt die Verwaltung der ‚Talmud-Tora-Schule’
sie dem diesjährigen Rechenschaftsberichte beidrucken zu lassen. Erwähnenswert
ist, dass die Geistlichkeit des hiesigen und benachbarten Ortes, der Bürgermeister,
sowie zahlreiche angesehene christliche Familien der Feier bis zum
Schlusse mit anwohnten und mit Begeisterung von derselben schieden."
|
Zum Tod der Rabbinerwitwe (Burgpreppach) Frau Hirsch (1915)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. April 1915: "Mainstockheim,
16. April (1915). Am 7. Tag des Pessachfestes (= 5. April 1915)
starb hier nach kurzem Leiden unerwartet im Alter von 73 Jahren eine
unserer besten und edelsten Frauen, die Rabbinerwitwe Frau Hirsch - sie
ruhe in Frieden. Ein vorbildliches Leben hat mit dem Heimgange dieser
edlen, für Tora, Gottesdienst und Wohltätigkeit begeisterten
Frauengestalt einen würdigen Abschluss gefunden. Als Tochter des Rabbiner
J.G. Adler - das Andenken an den Gerechten ist zum Segen - in Burgpreppach
hatte sie in einem Hause, in dem alte echtjüdische Frömmigkeit ihren
Sitz hatte und an der Seite ihres früh heimgegangenen Gatten, Rabbiner
Abraham Hirsch - seligen Andenkens - des Begründers der
Israelitischen Präparandenschule, Burgpreppach, das Leben einer wackeren
Frau in des Wortes schönster Bedeutung geführt, welche Tugenden sie
auch in ihrem Witwendasein treulich hütete. Da ihr der Kindersegen
versagt war, so fand sie ihr schönstes Glück darin, wenn sie an den Feiertagen
in ihrer stillen Häuslichkeit in Mainstockheim, wohin sie nach dem Tode
ihres Mannes übersiedelte, ihre auswärtigen jugendlichen Anverwandten,
denen sie mit mütterlicher Liebe und Fürsorge zugetan war, als Gäste
bewirten konnte.
Auf Wunsch der Verstorbenen fand die Beisetzung in Burgpreppach,
der Ruhestätte ihres seligen Mannes, statt, wohin eine große Trauerschar
aus allen Kreisen der Bevölkerung gefolgt war. Herr Distriktsrabbiner Dr.
Cohn schilderte in kurzen, aber beredten und ergreifenden Worten die
reichen Tugenden der Dahingeschiedenen. Insbesondere hob er im Auftrage
des Kuratoriums der 'Talmud-Tora-Schule' deren reges Interesse für die
Förderung der Schule hervor, das sie insbesondere durch eifrige
Sammlungen zu Gunsten der Schulklasse zum Ausdruck brachte. Ihre Seele
sei eingebunden in den Bund des Lebens." |
Unter Rabbiner Dr. Hermann Deutsch (1886-1895)
Anmerkung: Rabbiner Dr. Hermann Deutsch (Schimon Zvi ben Jehuda)
stammt aus Frauenkirchen im Burgenland (bis 1920/21 ungarisch, seitdem
österreichisch). Er wurde 1886 zum Bezirksrabbiner in Burgpreppach ernannt und
blieb auf dieser Stelle fast 9 Jahre, bis er als Waisenhausdirektor nach Fürth
berufen wurde (links Grabsteine für Dr. Hermann Deutsch und seine Frau Fanny im
jüdischen Friedhof Fürth).
Die Tochter Klara (geb. 1889 in Burgpreppach) heiratete den späteren
Würzburger Rabbiner Dr. Siegmund Hanover (Rabbiner 1920-1939). Nach dem Tod von
Klara im Mai 1932 in Würzburg heiratete Rabbiner Dr. Hanover eine andere
Tochter von Dr. Deutsch: Ernestine (geb. 1888 in Burgpreppach). Die beiden
konnten 1939 in die USA emigrieren.
Überlegungen nach dem Dienstantritt von
Dr. Deutsch (1886)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. Dezember 1886: "Aus dem Hassgau
wird der ‚Neuen Würzburger Zeitung’ geschrieben: Der für den
Rabbinatsdistrikt Burgpreppach neu ernannte Rabbiner Herr Dr. Deutsch,
welcher die religiösen Interessen der ihm unterstellten Kultusgemeinden
mit viel Wärme und Entschiedenheit wahrnimmt, hat mit Rücksicht darauf,
dass in Folge der langen Erkrankung des nunmehr verstorbenen Rabbiners
Religionsprüfungen in den israelitischen Gemeinden des Distrikts schon
seit Jahren nicht vorgenommen werden konnten, die für solche Prüfungen
festgesetzte Zeit im Frühjahr nicht abwarten mögen und in den meisten
israelitischen Kultusgemeinden des Distrikts dieselben schon jetzt
vorgenommen. Wie verlautet, hat Dr. Deutsch die Absicht, die hierbei
gemachten Beobachtungen und Wahrnehmungen in ausführlicher Darlegung der
königlichen Bezirksbehörde zu unterbreiten und auf die vielfachen Missstände
hinzuweisen, die sich in die Kultusverwaltungen infolge der rabbinerlosen
Zeit eingeschlichen haben und auch jetzt noch fortbestehen. Wiewohl laut
hoher Ministerial-Entschließung vom 29. Juni 1863, unabhängig von dem
Widerspruche der Mehrheit der Gemeindemitglieder, jede israelitische
Kultusgemeinde zur Erhaltung einer Religionsschule verpflichtet ist,
welche ausschließlich der Kompetenz des Distriktsrabbiners unterstellt
ist, so soll es dennoch in letzter Zeit vorgenommen sein, dass einzelne
Gemeinden, ohne hierzu die Zustimmung des Distriktrabbiners eingeholt zu
haben, oder vielmehr trotz der ausdrücklichen Verweigerung derselben, aus
bloßem Ersparungstrieb die bestehenden Religionsschulen haben eingehen
lassen beziehungsweise den Unterricht dem Lehrer einer benachbarten
Gemeinde überwiesen haben, sodass beispielsweise ein Lehrer, entgegen dem
Willen des Rabbiners, den Unterricht und die Schächterfunkion in drei
Gemeinden, die bisher eigene Lehrer und Schächter hatten, versieht. Es
steht sicher zu erwarten, dass Herr Dr. Deutsch, er in seiner früheren
Stelle in Frankfurt am Main so viel Energie und Tatkraft entfaltet hat, es
hier an derselben nicht fehlen lassen und auf Abstellung dieser Unzuträglichkeiten
im Amtswege dringen werde. Die Unterstützung der königlichen
Distriktsbehörde ist ihm hierbei sicher." |
Erfolge der Schule unter Rabbiner Dr.
Deutsch (1887)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. August 1887: "Burgpreppach.
Die Talmud-Toraschule, Lehrervorbereitungs-Anstalt dahier, hat auch in
diesem Jahre 10 Zöglinge ihres oberen Kurses zur Prüfung für die
Aufnahme in das israelitische Lehrerseminar nach Würzburg gesandt. Neun
davon wurde der Eintritt nach bestandener Prüfung gestattet. Dieser glänzende
Erfolgt legt ein ehrendes Zeugnis ab von der Wirksamkeit des Vorstandes
der hiesigen Anstalt, Herrn Dr. Deutsch, sowie von jener des
Lehrpersonals, welche Faktoren es verstehen durch methodische Pflege des
Unterrichts, Lehrgeschicklichkeit und die die besten Lehr- und Lernmittel
in der kurzen Zeit von 3 und 4 Jahren den ungeheuren Lernstoff der jüdischen
und deutschen Unterrichtsgegenstände lückenlos und zielerreichend zu bewältigen,
sodass ihre Pfleglinge nach Verlassen der Anstalt ein abgerundetes
positives Wissen im Rahmen den Lehrplanes erlangen, wie solches die
heurige Prüfung und die der Vorjahre in ihren Resultaten zu Genüge
dartun. Die Seminare zu
Würzburg, Köln, Hannover zählen die ihnen von hier zugeführten Präparanden
zu den bessern ihrer Seminaristen, wie sch die betreffenden Interessenten
schön öfters dahin äußerten. Aber auch jene, die in Geschäfte
eintreten und nur deshalb die Talmud-Tora besuchten, um in unverfälschter
Religiosität erzogen zu werden, und gründliches, jüdisches und kaufmännisches
Wissen sich anzueignen (denn auch diesem Berufszweig wird womöglichst
Rechnung getragen), sind gerne gesuchte Lehrlinge.
Abgesehen davon, dass der erste Zweck des Institutes Studium der Tora
vereint mit einem respektvollen
Umgang ist, ist aber der andere: Mithilfe armer Familienväter und -Mütter
in der Erziehung ihrer Söhne zum Berufe, sei es zum Lehrerberufe oder für
eine andere Laufbahn. Die finanziellen Unterstützungen übersteigen
einige Tausend Mark, freilich viel, wenn man hört, mit welcher Mühe die
Mittel herbeigeschafft werden, um diese gemeinnützige Institution zu
erhalten. Daher die
zahlreichen Gesuche um Aufnahme in die Talmud-Toraschule, die schon jetzt,
obwohl das neue Schuljahr erst Mitte Oktober beginnt, die Höhe erreicht
haben, sodass mit Beginn desselben die Schülerzahl wieder nach dem
jetzigen Stand komplett sein wird." |
Bewirbt sich Rabbiner Dr. Deutsch auf
andere Stellen? - verbunden mit grundsätzlichen Überlegungen zu den
Problemen der Rabbinerwahl (1890)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. August 1890: "Aus Unterfranken.
Herr Distriktsrabbiner Dr. Deutsch in Burgpreppach gibt auf mehrfache
Anfragen den Gemeinden seines Bezirks bekannt, dass das Gerücht, er habe
sich um die vakante Rabbinerstelle in Sch. beworben, auf Unwahrheit
beruhe. Diese Mitteilung hat nicht nur deshalb ein über das Lokale
hinausgehendes Interesse, weil sie eine Person betrifft, dessen Erhaltung
in seiner gegenwärtigen Stellung, mit welcher die Leitung einer der
trefflichsten israelitischen Lehrerpräparandien verbunden ist, der jüdischen
Allgemeinheit wertvoll erscheinen muss, sondern mehr noch darum, weil die
Tatsache jenes Rundschreibens jedem nur halbwegs Unbefangenen die Augen über
einen Missstand öffnen muss, der sich in den letzten Jahrzehnten
innerhalb der jüdischen Gemeinden bei Lösung der wichtigsten sie
betreffenden Angelegenheit, der Wahl eines religiösen Oberhauptes nämlich,
eingeschlichen hat, und welcher dringend einer Abstellung und Beseitigung |
heischt.
Wir gehören nicht zu jenen, welche in einseitiger Auffassung gegebene,
auf menschheitsgeschichtlicher Entwicklung beruhende Einrichtungen nur
deshalb tadeln, weil die Altvordern hierin andere Einrichtungen und
Gewohnheiten hatten – dass aber die Sitte, die sich bei Rabbinervakanzen
in den Gemeinden – Gott sei Dank noch nicht in allen, wie die jüngst
erfolgten Rabbinerwahlen in den Israelitischen Religionsgesellschaften in
Frankfurt am Main und Mainz, in den Kultusgemeinden Prag und Hamburg u.a.
beweisen – gegenüber dem früheren Brauche herausgebildet hat, keinen
Fortschritt, sondern einen Rückschritt schlimmster Art in Rücksicht auf
Bildung und Kultus unserer Gemeinden bezeichnet, das dürfte auch
derjenige nicht zu bestreiten vermögen, der, ganz in dem Dienste der Mode
aufgehend, alles Neue unerwogen als eine wertvolle Errungenschaft zu
preisen gewohnt ist. Denn, nichts gereicht der jüdischen Vergangenheit so
sehr zur Ehre, als die Scheu und die Achtung, die sie den Trägern der
Tora und des Wissens entgegenbrachte. Diese Achtung hat ihren ersten und
nachhaltigsten Stoß da erlitten, als man anfing, die Träger des Wissens
in den Kreis des Gewöhnlichen und Alltäglichen hinabzuziehen, was zuerst
durch die Einrichtung geschah, verdiente Männer nicht mehr wie früher
auf die Vertrauensposten, wohin sie gehören, zu berufen, sondern diese nötigte,
gleichwie Lehrjungen, Commis und Ammen, in eine Konkurrenz mit Dutzenden
anderer einzutreten und alle jene lächerlichen Anforderungen zu erfüllen,
die, obgleich für die Beurteilung der wirklichen Erfordernisse eines
Rabbiners ganz ohne Wert, dennoch von jener irregeleiteten Mode gefordert
werden. In der Tat lässt sich kaum eine größere Herabwürdigung der
Tora und des wahren Verdienstes denken, als es durch die Art und Weise
geschieht, wie jüdische Gemeinden der Jetztzeit ihre Rabbinen suchen und
wählen. In derselben Zeitungsrubrik, die den geschäftlichen Interessen
gewidmet ist, findet man oft, neben der Auskündigung einer vakanten Köchinnenstelle,
die eines erledigten Rabbinatssitzes, in welcher die Kultusverwaltung, die
ja in unserer fortgeschrittenen Zeit bei uns meistenteils aus Laien
zusammengesetzt ist, in gespreiztem Tone verkündet, dass nur ‚tüchtige’
Bewerber Aussicht auf Genehmigung haben. Die Überzeugung auf ‚Tüchtigkeit’
bietet dem hohen Rate aber nicht die etwa auszuweisende gründliche
Vorbildung, der Ruf gemeinnützigen Wirkens oder anerkannter Bewährtheit
im Amte, sondern der Eindruck, den die gut studierte und wochenlang
memorierte Probepredigt auf den ungelehrten Haufen ausüben wird; in
vielen Fällen ist der Eindruck persönlicher Repräsentation auf
interessierte Damen bestimmend, auf welche Personen die heiligsten
Interessen der Gemeinde übertragen |
werden
sollen. Ist es da zu verwundern, wenn Männer von Ansehen und Namen die
Zumutung, in einen solchen Wettbewerb einzutreten, als eine ihrer unwürdige
von sich weisen; wenn sie sich nicht dazu verstehen wollen, vor modernen
Potentaten schmeichelnd und heuchelnd die Ehre der Tora in den Staub zu
ziehen, wenn gerade ihr sittliches Bewusststein und das ihrer Befähigung
sie nötigt, sich mit kärglichem Anteil zufrieden zu geben, in stiller
Bescheidenheit zu wirken und auf bessere materielle Stellung zu
verzichten, um nicht gezwungen zu sein, den Menschen eher gehorchen zu müssen
als Gott und die eigene Ehre und die der Tora preiszugeben? Fürwahr! Wir
könnten hier manch edlen Namen nennen, würde die Scheu vor diesen es uns
nicht verbieten. Wohl mögen hie und da drückende Verhältnisse auch
manch edlen Charakter gezwungen haben, sich mit schmerzlicher Überwindung
den modernen, oft ungeziemenden und ehrverletzenden Anforderungen zu fügen,
ohne Nötigung tut es gewiss keiner. Die Art und Weise, wie eine Gemeinde
bei der Wahl eines religiösen Oberhauptes verfährt, darf als Maßstab für
den Grad sittlicher Bildung gelten, der in ihr herrscht; uns scheint die
alte ehrenvolle Sitte der Berufung, der noch einige unserer Gemeinden
huldigen, die gebildetere und – indem sie gerade die würdigsten
Aspiranten, anstatt zurückzudrängen, heranzieht – auch die
zweckentsprechendere zu sein. Wenigstens kamen unter ihr nicht so viele
Missgriffe vor, wie in der Zeit, die die Probepredigt und den Eindruck
persönlicher Repräsentation maßgebend sein lässt. R." |
Wahl von Rabbiner Dr. Deutsch
als Oberrabbiner nach Altona (1893)
Anmerkung: Rabbiner Dr. Deutsch hat die Stelle allerdings nicht
angetreten, sondern ist im folgenden Jahr als Waisenhausdirektor nach Fürth.
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 12. Mai 1893: "Die
israelitische Gemeinde Altona wählte den Rabbiner Dr. Deutsch aus
Burgpreppach (Bayern) zum Oberrabbiner." |
Rabbiner Dr.
Deutsch verlässt Burgpreppach (1894)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. Dezember 1894: "Königshofen in
Bayern, 16. Dezember 1894: Auf das Gesuch des Herrn Distrikt-Rabbiners Dr.
Deutsch in Burgpreppach um alsbaldige Enthebung von seinem Rabbiner- und
Schulamte, nachdem er die Stelle eines Direktors für das
bayerisch-israelitische Waisenhaus anzutreten habe, ist seitens hoher Königlicher
Regierung, gezeichnet Regierungs-Präsident Graf von Luxburg, folgende
Entschließung zu Händen des Königlichen Bezirksamtes hier herabgelangt:
‚Die Königliche Regierung, indem sie den verdienstvollen
Rabbiner nur ungern scheiden sieht, vermag im Übrigen eine Erinnerung
gegen die Amtsniederlegung des Herrn Dr. Deutsch nicht zu erheben, nur
muss sie es im dienstlichen Interesse, behufs Wahl und Einweisung eines
Nachfolgers, für dringend veranlasst erachten, dass Dr. Deutsch noch bis
Ende März seinen bisherigen Dienst fortführt.
Ehre dem Manne, dessen Wirken seitens der vorgesetzten
unbestechlichen Behörde solche Würdigung erfährt, und Heil dem Lande,
dessen Regierung für die geistigen und religiösen Anliegen aller seiner
Bewohner so fürsorglich bedacht ist!"
|
Zum bevorstehenden Abschied
von Rabbiner Dr. Deutsch (1895)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. Februar 1895: "Burgpreppach. Nur
mit Wehmut und aufrichtigem Bedauern können wir die Vorbereitungen zum
Abzuge unseres hochverehrten Herrn Rabbiners Dr. H. Deutsch verfolgen. Während
einer achtjährigen segensreichen Tätigkeit, gleich ersprießlich für
den ganzen Bezirk und geradezu aufopfernd für die seiner Aufsicht und Führung
unterstellten Präparanden-Schule (Talmud Tora) hat er es verstanden, die
Herzen Aller zu gewinnen; auch bei der vorgesetzten Behörde und einer
hohen königlichen Regierung erfreute sich Herr Dr. Deutsch großer Gunst
und seltener Anerkennung. Allezeit
bereit mit Rat und Tat beizustehen war er uns ein echter Seelenhirte, der
mit der Weisheit auch den nötigen Takt zu verbinden wusste, dessen
geistreichen beredten Vorträgen man nur mit Vergnügen lauschte Möge dem
edlen Manne auch in seinem neuen Wirkungskreis recht viel Glück
bescheiden sein. Wir werden ihm stets ein treues Gedenken bewahren.
Sigmund Bl." |
Bericht über die Arbeit von
Rabbiner Dr. Deutsch (1895)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. April 1895: "Burgpreppach. Herr
Rabbiner Dr. Deutsch, welcher bis zum ersten April die Stelle eines
Distriktrabbiners bekleidete, schied nun definitiv aus dem Kreise seiner
Wirksamkeit, den er, nach dessen eigener Aussage, so lieb gewonnen. Die
Distriktsgemeinden, insbesondere die hiesige, sieht ihn mit Bedauern aus
dem Rabbinat scheiden, weil er es mit bewundernswertem Takte verstanden
hat, den seelsorgerischem Verkehr so zu gestalten, dass auch nicht eine
Gemeinde mit Wissen sich über die pflichtstrenge Führung der Amtsgeschäfte
zu beschweren Anlass hatte. Nebenbei waren freundliches Entgegenkommen
gegen Arm und Reich, gegen jeden Stand, vertrauenerweckendes Benehmen
gegen jeden Ratsuchenden, bereitwillige und selbsttätige Opferfähigkeit,
wo es galt, zu retten oder zu erhalten, allbekannte Charakterzüge, die in
kurzer Zeit Gegenliebe erzeugen mussten. Durch Friedensliebe und
Friedensbestrebungen musste es ihm gelingen, dass seine Anordnungen und
rituellen Entscheidungen von den Parteien gerne Folge gegeben wurde. So
ist sein 8 ½ jähriges pflichteifriges freudiges Schaffen und Tun für
unsere heilige Tora zu einer Quelle des Blühens und Gedeihens im echten jüdischen
leben unseres Distriktes geworden. Nachdem der Herr Rabbiner – sein
Licht leuchte – sowohl mündlich als auch schriftlich von den äußeren
Kultusgemeinden des Distriktes verabschiedet hatte, richtiger er auch am Schabbat Paraschat Wajekahel in der hiesigen Synagoge einige kurze
Abschiedsworte an die stets dankbaren Zuhörer. Kein Auge blieb tränenleer,
als er in seinen Schlussworten bemerkte, dass er allezeit in redlicher
Absicht bemüht gewesen sei, sein heiliges Amt gerecht und soviel als möglich
schonend nach den Vorschriften unseres heiligen Gesetzes zu führen und
wie es sein immerwährendes Bestreben war, mitzuhelfen an der Erziehung
echten jüdischen gemeindlichen Gedeihens für alles Gute, Edle und Wahre.
Die hiesige Gemeinde hat, in einmütiger Würdigung der vielfachen
Verdienste ihres scheidenden Freundes und Beraters, in Form eines
silbernen Bechers demselben ein Andenken überreichen lassen, damit
bezeugend, dass die dankbare Kultusgemeinde niemals, wenn auch nur auf
eine ideale Freundschaft, ihres ehemaligen Distriktrabbiners verzichten möchte.
Möge Herr Rabbiner Dr. Deutsch auch in der Stellung seiner jetzigen
Wirksamkeit recht reiche Erfolge haben in Erziehung armer Waisenkinder zu
religiösen und für den bürgerlichen Beruf recht brauchbaren Menschen." |
Zum Tod von Rabbiner Dr. Hermann Deutsch (Februar
1932 in Fürth)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. Februar 1932: "Plötzlich und
unerwartet entschlief heute unser lieber
Dr. Hermann Deutsch Direktor
der Israelitischen Waisenanstalt in Fürth im 76. Lebensjahre.
Im Namen der Hinterbliebenen: Dr. med. Joachim Deutsch.
Köln, Fulda, Würzburg, Buenos-Aires, Mannheim, 17. Februar 1932.
Die Bestattung findet Sonntag, den 21. Februar 12 Uhr in Fürth
statt." |
|
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. Februar 1932: "Waisenhausdirektor
Rabbiner Dr. Hermann Deutsch – das
Andenken an den Gerechten ist zum Segen – Fürth in Bayern, 25.
Februar (1932).
Ganz unerwartet und plötzlich ist wiederum ein Mann von uns gegangen, von
den bei uns so hoch geschätzten, aber leider sehr selten gewordenen,
ungarischen Toragrößen. Dort in Ungarn in Frauenkirchen, am 27. Oktober
1856 geboren, wuchs Rabbi Schimon Zwi Deutsch heran. Seine talmudische
Ausbildung erfuhr er auf ungarischen Jeschiwaus. Zu Füßen des Sohnes
des Ksaw Saufer sitzend, lernte er mit großem Eifer zuletzt auf
der Pressburger Jeschiwo und brachte es, mit außergewöhnlichen
Geistesgaben ausgestattet, bald dazu, einer der hervorragendsten Talmidim
(Schüler= seines großen Meisters zu werden. So lernte er bis zu seinem
22. Lebensjahre. In den Jahren 1878 bis 1880 bekleidete er
Hauslehrerstellen in Rawicz und danach bei der bekannten Familie Markus
Lehmann in Mainz. Seine Universitätsstudien führten ihn nach Heidelberg,
Berlin und Gießen, wo er 1885 über das Thema ‚Die Sprüche Salomons
nach der Auffassung in Bibel und Midrasch’ promovierte. Im gleichen
Jahre noch nahm er eine Religionslehrerstelle an der Horowitz’schen
Religionsschule in Frankfurt an. 1887 wurde er als Leiter der
Israelitischen Präparandenschule in Burgpreppach und gleichzeitig zur
Bekleidung des dortigen Distriktsrabbinats berufen. Nach 8-jähriger sehr
erfolgreicher Tätigkeit im Interesse dieser viel Segenverbreitenden
Anstalt wurde er endlich 1895 von der Verwaltung der Israelitischen
Waisenanstalt in Fürth zum Direktor der Anstalt als Nachfolger des kurz
vorher verstorbenen unvergesslichen Rabbiners Dr. Jonas Königshöfer – das
Andenken an den Gerechten ist zum Segen – gewählt. Hier entfaltete
sich nun erst richtig die Größe dieses Mannes. Fand er ja eine Kehillo
vor, die des religiösen Führers entbehrte, welche Mangel hatte an
talmudischen Größen. Was lag da näher, als den durch seine
Gelehrsamkeit und pädagogisches Geschick bald bekannt gewordenen |
neuen
Waisenhausdirektor, für alles, wo es nötig war, zu gewinnen.
Was Dr. Deutsch den ihm anvertrauten Waisenkindern war, was er im Verein
mit seiner ebenbürtigen Gattin Frau Fanny Deutsch geb. Würzburger,
die ihm in den Tod 9 Jahre voranging, für die Israelitische Waisenanstalt
geleistet hat, davon können die Generationen von ehemaligen Zöglingen
der Anstalt berichten, denen er stets ein liebevoller Berater und wahrer
Freund gewesen ist und es auch blieb, wenn die Zöglinge längst seinem
erziehlichen Einfluss entwachsen waren. Besonders verstand er es, das
Waisenhaus auch finanziell derartig zu heben, dass er es wagen durfte,
sich mit dem Plan eines groß angelegten Neubaues zu befassen, dessen Gelände
bereits erworben wurde und dessen Pläne fertig vorliegen. Leider sah es
sich, wie so viele andere, nach der Inflationszeit ungeheuer enttäuscht.
So kam es nicht zu der Durchführung dieses Planes.
Neben dieser hauptamtlichen Tätigkeit übernahm Rabbiner Dr. Deutsch
ehrenamtlich den Vorsitz der Ritualkommission der Israelitischen
Kultusgemeinde in Fürth und fungierte unter Zurückweisung jeglicher Vergütung
als Moro Deasro neben Rabbiner Dr. Simon Rosenblüth – das Andenken
an den Gerechten ist zum Segen – und
Rabbiner Markus Faust - er möge leben - und in den letzten Jahren
Rabbiner Dr. Leo Breslauer - er möge leben -. Trotz dieser
vielseitigen Tätigkeit gab der Verewigte 18 Jahre hindurch ehrenamtlich
Religions- und Gemoro-Unterricht in der Israelitischen Realschule.
Besonders aber verdient hervorgehoben zu werden, eine der Hauptleistungen
dieses Lehrers, nämlich der Raschi-Schiur, den er allwöchentlich über
30 Jahre im Lernverein ‚Auhawe Tauroh’ in Fürth leitete und durch
welchen er sich weit über Bayerns Grenzen hinaus berühmt machte. Hatte
der vielseitig beschäftigte Lehrer Israels während der Zeit seines
rastlosen Schaffens keine Muse finden können, um die vielen Chiduschim
und wahrhaft wertvollen und tiefsinnigen Erklärungen schriftlich
niederzulegen – für ihn gab es keine Arbeitszeit und keine Urlaubszeit
– so bot sich ihm glücklicherweise eine Möglichkeit hierzu in den
Jahren des wohl verdienten Ruhestandes, in welchen er im 74. Lebensjahr
eintrat. Es ist zu hoffen und zu wünschen, dass es ihm gelungen ist, die
köstlichen Früchte seines genialen Geistes der Nachwelt zu erhalten und
dass dieselben recht bald der jüdischen Öffentlichkeit zugeführt
werden.
Rabbiner Dr. Deutsch hatte neben den bereits erwähnten Geistesschätzen
aber auch viele andere großartige und hervorstechende Eigenschaften, die
für seine Person und für seine Lehrmethode charakteristisch sind. Er war
ein Mann des Friedens und strebte stets danach, Gegensätze zu überbrücken,
jede Schärfe zu vermeiden und erwarb sich auf diese Weise die Liebe und
Verehrung weitester auch nichtjüdischer Kreise. Er war stets hilfsbereit,
hatte ein offenes Haus für Arme und Kranke, für Notleidende und Bedrückte.
Wer ein besonderes Anliegen hatte, konnte sich an ihn wenden und fand ein
offenes Ohr, einen weisen Rat,
eine hilfsbereite Hand und tatkräftige Unterstützung. Von unübertrefflichem
Bitochaun (Gottvertrauen) erfüllt, das sich zeigte, als er in den letzten
Jahren seines Lebens von schweren Krankheiten heimgesucht wurde, war er
stets optimistisch und von geistvollem Humor erfüllt. Dieser Humor kam
vor allem zum Ausdruck, wenn es ans Lernen ging. Kein Gemoro-Schiur, kein
Raschi-Schiur, keine Schulstunde, in welcher nicht durch scherzhafte,
sinnvolle Bemerkungen die Lernenden angeregt wurden, so gründlich auch
und so ernst auch die Materie bemeistert wurde. Es war eine ganz eigene
Methode, die mit der von Rowo wohl Ähnlichkeit hatte, die aber dennoch
anders war, eben die Methode von Rabbiner Dr. Deutsch. Viele Schüler,
viele Lehrer hat er nach seiner Methode in das jüdische Schrifttum eingeführt
und sie für das Judentum und seine Wissenschaft begeistert.
Es nimmt nicht wunder, dass ein solcher Mann nicht nur aus Fürth, aus den
Nachbargemeinden, von den städtischen und staatlichen Behörden, von sämtlichen
bayerischen jüdischen Gemeinden mit Anfragen überhäuft wurde und dass
insbesondere die schwersten talmudischen Fragen aus aller Welt, aus
Deutschland und aus dem Ausland, seiner Beurteilung unterworfen wurden.
Dementsprechend gestaltete sich auch die Klage um den
unersetzlichen Verlust eines so vortrefflichen Mannes, der am Mittwoch,
den 10. Adar, in Köln durch einen göttlichen Kuss dem irdischen Dasein
entrückt wurde, um am Sonntag in Fürth zur letzten Ruhe gebracht zu
werden, zu einer imposanten Trauerkundgebung. Im ersten der zahlreichen
Hespedim schilderte in der Neusynagoge, veranstaltet von der
traditionell-gesetzestreuen Vereinigung Schaumre Hadaß, deren Raw, Herr
Rabbiner Dr. Breslauer, die Wirksamkeit des Verstorbenen für die
Orthodoxie.
Auf dem Friedhof sprachen nacheinander Herr Dr. Behrens für das
Distriktsrabbinat, Herr Rabbiner Dr. Hannover, Würzburg, der in besonders
herzlicher Weise die Klage der Familie zum Ausdruck brachte, Herr
Kommerzialrat Bechmann als Vorsitzender der Israelitischen Kultusgemeinde,
Herr Dr. Freudenthal, Nürnberg für die bayerische Rabbinerkonferenz. In
groß angelegter Rede zeichnete sodann der derzeitige Direktor der
Israelitischen Waisenanstalt, Herr Dr. J. Hallemann, ein wahrheitsgetreues
Bild vom Leben und Wirken seines großen Vorgängers. Den Dank der
Verwaltung überbrachte der jetzige Vorsitzende, Herr Leopold König. Als
Vertreter des Stadtrates und vor allem im Auftrage des Herrn Oberbürgermeisters
Dr. Wild überbrachte Herr Stadtrat Kommerzienrat Morgenthau dem
scheidenden Bürger die letzten Grüße der |
Stadtgemeinde.
Herr Studiendirektor Dr. Fr. Prager, sprach für die Israelitische
Realschule. Herr Dr. J. Bamberger für die Israelitische Präparandenschule
Burgpreppach. Herr Diplom-Versicherungs-Mathematiker Hugo Heinemann als
Vorsitzender des Vereins Auhawe Tauroh und als Präside der Vereinigung jüdischer
Akademiker. Endlich Herr Studiendirektor Stoll für das Lehrerseminar in Würzburg.
Von prominenten Persönlichkeiten waren die Rabbiner der Nachbargemeinden,
Herr Rabbiner Dr. Klein, Nürnberg und Herr Rabbiner Dr. Manes, Schwabach,
erschienen. Außerdem war das städtische Schulamt und diverse andere Behörden
und Vereine offiziell vertreten. Nach dem Schluss aller Trauerreden
geleitete die ungeheuer große Trauergemeinde ihren Toten zur letzten
Ruhestätte, wo ein stimmungsvolles, von Herrn Kantor Gutmann,
vorgetragenen El Molei Rachamim-Gebet die Trauerfreier beschloss. Dem
Oraun (Gebet) wurde eine Seifer
Tauroh (Torarolle) vorangetragen zur Ehre des Verstorbenen. Sein Verdienst komme uns zugute." |
Unter Rabbiner Dr. Salomon Bamberger (1895-1901)
Rabbiner Dr. Salomon Bamberger (geb. 1869 in Frankfurt am Main) war
ein Enkel des berühmten "Würzburger Raw", Seligmann Bär Bamberger.
Bei der Wahl setzte er sich gegen Dr. Isaak Auerbach aus Halberstadt durch. Vor
Burgpreppach war er Rabbiner der Israelitischen Religionsgesellschaft in Bingen.
Er
blieb nur fünf Jahre in Burgpreppach und trat danach die Stelle des Rabbiners
in Hanau an. Noch in der Burgpreppacher Zeit heiratete er Amalie (Male Mirjam)
geb. Königshöfer (geb. 1875 in Fürth, umgekommen 1942 nach der Deportation).
Rabbiner Dr. Salomon Bamberger starb 1920 in Hanau.
Wahl von Dr. Bamberger zum Nachfolger von Dr. Deutsch
(1895)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. März 1895: "Burgpreppach, 4. März
(1895). Zu einer seltenen Kundgabe der Liebe und Verehrung, die als eine Heiligung
des Gottesnamens im eminentesten Sinne des Ausdrucks zu bezeichnen
ist, gestaltete sich heute die Wahl eines Nachfolgers für den scheidenden
Distriktsrabbiner Herrn Dr. Deutsch. Der mit der Wahlhandlung betraute königliche
Bezirksamtsassessor Dr. Kopp leitete dieselbe vor versammelten
Bezirksangehörigen, worunter zahlreiche Nichtjuden, mit einer Ansprache
ein, in welcher er in seinem eigenen Namen, sowie namens der Königlichen
Regierung dem tiefsten bedauern über das Scheiden des bisherigen, so
vielfach verdienten Rabbiners Ausdruck gab und die Anwesenden ermahnte,
nur einem Manne, der von gleichem religiösen Geiste getragen und von
gleicher Tatkraft erfüllt ist, ihre Stimme zu geben. Bei der hierauf
folgenden Abstimmung wurde der Rabbiner der israelitischen
Religionsgesellschaft in Bingen, Herr Dr. Salomon Bamberger aus Frankfurt
am Main, Schüler der Herren Rabbinen Biberfeld, Berlin und Breuer,
Frankfurt am Main, mit geringer Stimmenmehrheit gegen Dr. Auerbach in
Halberstadt gewählt. Möchte es dem Neu gewählten gelingen, das Werk würdiger
Vorgänger erfolgreich fortzusetzen und die oft widerstreitenden Geister
im Banne des Friedens und des Glaubens gleich seinem Vorgänger zu halten." |
Ein Flugblatt des Rabbinatskandidaten Dr. Aschkanaze
sorgt für einige Aufregung vor der Wahl (1895)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. März
1895: "Aus dem Grabfelde. Wie schon kürzlich berichtet wurde, ist am 4.
März als Nachfolger des scheidenden Distriktsrabbiners von Burgpreppach,
des Herrn Dr. Deutsch – sein Licht leuchte, Herr Dr. Salomon
Bamberger – sein Licht leuchte – Rabbiner der israelitischen
Religionsgesellschaft Bingen, gewählt worden.
Es waren aufregende Tage, welche der Rabbinatsdistrikt Burgpreppach vor
der alles entscheidenden Wahl durchlebt hat! 15 Kandidaten haben sich um
das Rabbinat beworben, darunter recht würdige Herren! Das hatte zur
Folge, dass mehrere Gemeinden dem einen, mehrere Gemeinden einem anderen
Herren sich zuwendeten, und mit aller Energie suchte jede Partei ihrem
Kandidaten zum Siege zu verhelfen. Ein heißer Kampf wurde dadurch
heraufbeschworen. Es verdient lobend hervorgehoben zu werden, dass der
Kampf ehrenvoll ausgefochten wurde. Nie hat sich ein Anhänger des einen
Kandidaten zu einer leidenschaftlichen Äußerung gegen den Kandidaten
einer anderen Partei hinreißen lassen. Und warum auch? War doch von den
in die engere Wahl gekommenen Kandidaten zur Genüge bekannt, dass sie
alle in jeder Beziehung befähigt seien, diesen Posten zu bekleiden.
Einige Tage vor der Wahl wurde nun ein Flugblatt verbreitet, das mit Recht
einen Sturm der Entrüstung zur Folge hatte. Dieses Flugblatt sollte
Reklame machen für einen der Kandidaten, Herrn Dr. Aschkanaze, Rabbiner
a.D. In Straßburg im Elsass, ehemals Rabbiner in Niedersept
(Ober-Elsass). Dieser Herr, der jedenfalls unseren elsässischen
Glaubensgenossen noch lebhaft im Gedächtnis stehen wird, befindet sich
noch in den besten Jahren. Es schien darum von allem Anfang an auffallend,
dass dieser Herr schon längere Zeit vom |
oberelsässischen Konsistorium mit vollem Gehalte in
den Ruhestand versetzt worden ist. Die Gründe, die Herrn Dr. Aschkanaze
dafür vorbrachte, wollten den interessierten Kreisen nicht einleuchten.
Zunächst gab Herr Dr. Aschkanaze an, das Klima in Niedersept sei ihm
unerträglich geworden! Merkwürdig! Das Straßburger Klima scheint aber
Herr Dr. Aschkanaze gut zu bekommen! Außerdem soll infolge 'eigenartiger
Gesetze', die im Elsass noch gehandhabt werden sollen, Herr Dr. Aschkanaze
seine Entlassung erhalten haben. Die Amtsenthebung des Herrn Dr.
Aschkanaze Ist ferner umso merkwürdiger, als im Elsass infolge des großen
Rabbinermangels ohnehin schon ein großer Teil der Rabbinerstellen vakant
ist. Dieses
Flugblatt hat nun ganz und gar seinen Zweck verfehlt. Für Herrn Dr.
Aschkanaze ist nämlich bei der Wahl auch nicht eine Stimme abgegeben
worden. Allgemein hat man dieses Flugblatt als das Machwerk eines Mannes
bezeichnet, für dessen Handlungsweise mir der passende Ausdruck fehlt.
Und mit Recht! Der Verfasser dieses Pamphlets wagte es nicht, mit offenem
Visier zu kämpfen, sondern schmäht in sicherem Versteck all die
Kandidaten, die in die engere Wahl gekommen. Schlauerweise sind die Namen
der Kandidaten auch nicht genannt, gegen welche die Schmähungen gerichtet
sind. Das Flugblatt schmäht zunächst eine Distriktsgemeinde, die sich für
einen der Kandidaten besonders warm angenommen. Einzelne Angehörige
dieser Gemeinde bezeichnet das Flugblatt als 'im Geheimen wühlende
schwarze Männer, die mit aller Gewalt dem Distrikte einen
'Super-Schwarzen', der unser Klima nicht vertragen kann, aufdrängen möchten!'
Zum Schlusse warnt diese Schmähschrift nochmals vor den 'gleisnerischen
Worten dieser Machthaber, welche die Wähler nur als Stimmvieh (sic!)
behandeln wollen.' Dann empfiehlt der Verfasser dieses Flugblattes, einen
Mann zu wählen, der 'von vorneherein gezeigt hat, dass er für alle
Distriktsgemeinden ein Herz hat, indem er keine Kosten und keine Mühe
gescheut, um sich in fast sämtlichen interessierenden Gemeinden
vorzustellen, wo er mit ungeteiltem Beifall Vorträge gehalten hat.' Diese
Worte sollten für Herrn Dr. Aschkanaze, für den das Flugblatt verbreitet
worden ist, Stimmung machen. Dieser Herr hat nämlich, ohne berufen zu
sein, fast den ganzen Distrikt bereist, um persönlich für seine Sache zu
arbeiten durch Vorträge, die inhaltlich überall gleich lauteten. Auf den
Inhalt dieser Vorträge und warum sich einzelne Gemeinden überhaupt
herbeigelassen haben, Herrn Dr. Aschkanaze reden zu lassen, wollen wir
nicht näher eingehen. Ebenso wollen wir all die Vorzüge, welche dieses
Pamphlet Herrn Dr. Aschkanaze nach- |
rühmt und auf all die schändlichen Angriffe, die
dieses Blatt den angeführten Worten folgen lässt, übergehen und uns nur
noch der letzten 'Kraftstelle' zuwenden. Sie lautet: 'Hüten wir uns vor
einem Separatler! Geben wir keine Stimme einem Kandidaten, der bis jetzt
seine Existenz nur dem Geiste der Trennung der Gemeinde zu verdanken hat.
Wählen wir keinen Mann zum Rabbiner, der den Geist der Separatler, der
Intoleranz, des Unfriedens, der bizarren Bigotterie mit der Muttermilch
eingesaugt hat. Sehet euch die Verwandtschaft eines solchen Kandidaten
an.... Glaubet nicht, dass dieser eine Ausnahme mache. Glaubet überhaupt
nicht den Worten der Anhänger dieses exklusiven Kandidaten. Der Apfel fällt
nicht weit vom Baum.' Welcher Kandidat mit diesen raffiniert boshaften
Worten getroffen werden soll, liegt sehr nahe! 'Der Apfel fällt nicht
weit vom Baume,' meint der Verfasser dieser Schmähschrift. Heil diesem
Kandidaten, wenn er als 'Apfel' nicht
weit vom Baum fällt! Denn diese 'Bäume' sind keine geringeren, als der
selige Distrikts-Rabbiner S. B. Bamberger in Würzburg und der selige
Oberrabbiner S.W. Klein in Kolmar im Elsass, über deren Bedeutung wir
nicht nötig haben, ein Wort zu verlieren. Sehr interessant sind auch die
Schlussworte des Flugblattes: 'Unser Kandidat, Herrn Dr. Aschkanaze, wird
wärmstens empfohlen von den Kultusvorständen der Gemeinden:
Oberlauringen, Ermershausen, Aidhausen, Autenhausen, Maroldsweisach,
Reckendorf.' Durch diese Worte sollen die bezeichneten Kultusvorstände
offenbar als die Verfasser des Pamphlets hingestellt werden, was absolut
undenkbar ist. Zunächst hat keiner dieser Herren sich irgendwie bemüht,
die Kandidatur des Herrn Dr. Aschkanaze zu unterstützen. Dann aber auch
haben einzelne sich bemüht, den Verfasser zu ermitteln, um ihn für
diesen Missbrauch zu Rechenschaft zu ziehen.
Die verehrten Leser wollen es gütigst entschuldigen, wenn der
Schreiber dieser Zeilen sich manchmal zu einem herben Wort hat hinreißen
lassen. Aber angesichts solcher Tatsachen wäre es sündhaft, den
Verfasser dieses Pamphlets schonend zu behandeln, der so am allerwenigsten
die Sache des Herrn Dr. Aschkanaze gefördert hat." |
Stellungnahme von Dr. M. Aschkanaze zu den gegen ihn
gemachten Vorwürfen (1895)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. März
1895: "Straßburg, Elsass, 19. März (1895). Bezugnehmend auf die
Korrespondenz 'Aus dem Grabfelde' in der jüngsten Nummer Ihrer Zeitung,
bitte ich Sie um Aufnahme folgender tatsächlicher Berichtigung: Es ist
nicht zutreffend, dass meine Versetzung in den Ruhestand seitens des
oberelsässischen Konsistoriums verfügt wurde, sondern ich stellte das
diesbezügliche Gesuch auf Grund eines ärztlichen Attestes an das
Kaiserliche Ministerium und zwar am 10. Oktober 1893. Das Konsistorium
wusste ebenso wenig von diesem von mir unternommenen Schritte wie die
Herren Ullmann und Adler aus Burgpreppach. Erst nachdem mein heiß
ersehnter Wunsch von der hohen Behörde in der wohlwollendsten Weise
genehmigt wurde, trotzdem gar keine 'eigenartigen Gesetze' an meiner Seite
waren, wurde dieser in Aussicht genommene Beschluss seitens des
Kaiserlichen Ministeriums dem Konsistorium behufs Rückäußerung
mitgeteilt, wobei mir ausführlich kompetenderseits angedeutet wurde, dass
dieses Einfordern eines Gutachtens nur pro forma sei, indem das Gesetz es
vorschreibt, dass bei fakultativer Gewährung von Pensionen in Ruhestand
tretende Religionsdiener das Gutachten der betreffenden Kirchenbehörde
vorher einzuholen sei. Das Konsistorium im Oberelsass bemerkte in seinem
am 15. November 1893 eingetroffenen Gutachten, dass mein körperliches
Unbehagen im Sundgau ihm unerkannt wäre. Diese Bemerkung ist in An- |
betracht des von mir beigebrachten ärztlichen Attestes
unbeachtet geblieben, und so wurde bereits am 1. November 1893 mein Antrag
genehmigt, und zwar mit Urlaub bis zum 1. Januar 1894 und von da ab
Versetzung in den Ruhestand mit Beibehaltung
des vollen Gehaltes. Mir
wurde auf die zuvorkommendste Weise sofort von dieser günstigen
Entscheidung mündliche Mitteilung gemacht, während der vorgeschriebene
Instanzenweg es verlangte, die bezüglichen Schriftstücke – die ich der
löblichen Redaktion zur gefälligen Einsicht hier beilege – mir durch
die Kirchenbehörde – Konsistorium zustellen zu lassen.
Der Referent, Herr Ministerialrat Hamm hier,
hat mich seinerzeit ermächtigt, bei eventueller Bewerbung um eine
andere Rabbinerstelle 'drüben in Deutschland' ihn als Referenz anzugeben.
Dass das Klima im Oberelsass, namentlich im Sundgau, wo Niedersept liegt, rau
und für manchen eingewanderten Deutschen unerträglich ist, das ist
hierzulande allgemein bekannt, und lauten die amtlichen Briefe über die
Statistik der dortigen Krankheitsfälle – Herz- und Lungenkrankheit –
recht ungünstig.
Dass im Elsass ein großer Rabbinermangel vorhanden sein soll, ist
ebenfalls unzutreffend. Man ist im Gegenteil besorgt, wohin man die vielen
Kandidaten, die demnächst ihre Studien absolvieren, anbringen solle, da
keine entsprechende Zahl von halbwegs auskömmlichen Rabbinaten vorhanden
ist. Dass ferner
der sogenannte Rabbinatsausschuss im Grabfelde unter den 15 Bewerbern nur
einen einzigen Kandidaten zur Probe berufen hatte, war es eben, was von
den übrigen Distriktsgemeinden gerügt wurde, andererseits wollten auch
sie keine Kosten tragen und daher sagten sie – in der Versammlung zu
Hofheim am 18. Februar – man solle noch einige Kandidaten hören, nur müssen
sie selber – die Kandidaten – die Kosten tragen. Nicht nur ich allein
war da, sondern auch Dr. Auerbach aus Halberstadt und Dr. Plato aus
Brandenburg, ohne vom Rabbinatsausschuss dazu berufen worden zu sein.
Endlich ist es Tatsache, dass die Herren Vorstände aus: Oberlauringen,
die stärkste Gemeinde des Distrikts im Grabfelde – Ermershausen,
Autenhausen, Maroldsweisach – sämtlich schriftlich, Aidhausen und
Reckendorf mündlich meine Kandidatur bestens und wärmstens empfohlen
hatten. Nun aber kam nach mir ein Kandidat, dessen Familie einen sehr
guten Klang in Deutschland hat, und von der man sich große Unterstützung
für die Präparandenschule des Bezirks versprochen, weswegen derselbe
viele Anhänger bekommen, sodass sich meine Freunde gesagt haben, um nicht
in der Minorität zu bleiben, demselben auch ihre Stimmen zu geben, was
bekanntlich auch bei Präsidentenwahlen in unserem stolzen Nachbarlande
schön häufig vorgekommen ist. Dr. M. Aschkanaze. Rabbiner a.D." |
Dank an Rabbiner
Dr. Bamberger (1900)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6.
September 1900: "Burgpreppach, im September (1900). Wir werden um
Aufnahme folgender Zuschrift gebeten: Angesichts der höchst bedauerlichen
Angriffe, die doch nur die momentane Erregung über nicht erfüllte Wünsche
veranlasst haben kann, halten wir es für eine Ehrenpflicht, unserem
allverehrten Rabbiner, Herrn Dr. Salomon Bamberger, unsere wärmste
Sympathie und aufrichtige Anerkennung für sein ersprießliches, sichtbar
gottgesegnetes Wirken und seine rastlose Tätigkeit auszusprechen.
Allezeit treu auf der Wacht, wo es gilt, für das Judentume und seine
Bekenner einzutreten, ist er so ganz das Bild eines durch wahre Herzensgüte,
wrkliche echte Frömmigkeit und hervorragende Geistesgaben gleich
ausgezeichneten Mannes. Dass sein edles Streben auch die genügende Würdigung
findet, möge ihm die Hochachtung Aller bezeugen und die Anerkennung,
dessen sich derselbe an höchster Stelle erfreut. So sehr wir dem als
Schulmann wie als gewandten Redner gleich bedeutenden Manne die höchsten
Ehrenposten gönnen, so lebhaft würden wir es bedauern, ihn aus unserem
Distrikte scheiden zu sehen. Möge ihn Gott noch recht viele viele
Jahre in solch hervorragender geistiger und körperliche Frische erhalten
und sein edles Wirken segnen zum Heile für ganz Israel. (Wir schließen
uns den Wünschen der Gemeinde Burgpreppach aus vollstem Herzen an. 'Wie
ihn, möge es viele geben in Israel.' Redaktion des 'Israelit')." |
Rabbiner Dr.
Bamberger verlässt Burgpreppach (1901)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. Januar 1901:
"Burgpreppach, 15. Januar (1901). (hebräisch und deutsch:) Das
Scheiden des Frommen aus einem Orte lässt eine fühlbare Lücke zurück!
Die Wahrheit dieses Ausspruches sollen auch wir tief empfinden. Herr Dr.
Bamberger wird demnächst die Stätte seiner seitherigen segensreichen
Wirksamkeit verlassen, um einem ehrenvollen Rufe als Rabbiner in Hanau zu
folgen. Mit seinem Weggange verlieren wir einen Führer voll heiligen
Ernstes, voll inniger Liebe, dem das geistige Wohl seiner Gemeinde und das
Gedeihen der seiner Leitung anvertrauten Talmud-Toraschule dahier warm am
Herzen lag. Sein Einfluss wirkte auf alle, die mit ihm in Berührung
kamen, veredelnd und anregend. Nicht allein in religiöser, sondern auch
in jeder anderen Angelegenheit stand er jedem mit Rat und Tat gerne zur
Seite. Durch seine Friedensliebe und Menschenfreundlichkeit gewann er
viele für Tora, Gottesdienst und Wohltätigkeit". |
Zum Tod von Rabbiner Dr. Salomon Bamberger (1920 in Hanau)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11.
November 1920: "Provinzialrabbinat Dr. Salomon Bamberger – das
Andenken an den Gerechten ist zum Segen. 'Am Mittag ist die Sonne
untergegangen.' Eine Leuchte, die Licht und Wärme spendete, ist nicht
mehr. Als ihr voller Strahlenglanz uns noch soeben erfreut hatte, ist sie
plötzlich erloschen. Das Klagewort unserer Weisen 'Am Mittag ist die
Sonne untergegangen' beschreibt in treffender Weise die unversehens
hereinbrechende Dunkelheit, wenn der Allgütige in Seinen Garten geht, um
eine kostbare Menschenblüte zu sich hinauf in die ewigen Höhen zu
nehmen. Nur nach dieser Seite ist der Vergleich mit dem Verschwinden der
im Zenith stehenden Sonne gemeint. Es soll damit aber nicht gesagt werden,
dass der in der Vollkraft seines Wirkens hinweggenommene Große, wenn er
bei uns geblieben wäre, gleich der Sonne bald vom Höhepunkt
herabgestiegen wäre. Nein, die Toralehrer nehmen mit dem Alter an Wissen
und Wirken zu. Der vielgeliebte und vielbewunderte Meister, der am Rüsttage
des jüngsten Sabbat im Hause des Gebets nach vollendetem Gebet seine
reine Seele aushauchte, hat uns verlassen, mitten in einem reich
gesegneten Leben stehend. Wir aber hatten nicht anders gedacht, als dass
wir mit jedem neuen Lebensjahre, wenn es uns vergönnt gewesen wäre,
immer neue und immer reichere Früchte seiner Tätigkeit hätten genießen
dürfen. Ein Alter nur von 51 Jahren hat Salomon Bamberger erreicht, doch
wie unsagbar viel hat er in diesem allzu kurzen Leben geleistet. In früher
Jugend schon bewunderte man in seiner Geburtsstadt Frankfurt am Main seine
hohe Begabung. Der Allgütige hat auch diesem Salomon Weisheit geschenkt.
Ein Sohn herrlicher Eltern aus edelstem Stamm, hatte er das Glück, in dem
unvergessenen Rabbi Sekel, dem Sohne des großen Rabbi Seligmann Bär, und
in seiner klugen und zielbewussten Mutter, der würdigen Tochter des hoch
geschätzten Kolmarer Rabbiners R. Salomon Klein, verständige Pfleger und
Wächter seiner Herzens- und Geistesgaben zu finden.
Früh schon und erfolgreich wurde er zum Studieren des Talmud geführt,
und weit schneller als die Altersgenossen durcheilte er die Klassen der
Realschule der Frankfurter Religionsgesellschaft und des Goethegymnasiums.
Die Erfolge des Studenten auf Torahochschulen und Universitäten machten
die Hoffnungen wahr, die man auf den Schüler gesetzt. In seiner
Dissertation behandelte er den arabischen Text der Erklärung des
Maimonides zu dem schwierigen Traktat Kilaim; und die Vereinigung der
talmudischen und philologischen Kenntnisse des jungen Autors machte seine
Erstlingsschrift zu einem kleinen Meisterwerk. 25 Jahre alt, wurde er
Rabbiner der Religionsgesellschaft in Bingen, leitete dann einige Jahre
Distriktsrabbinat und Präparandenschule Burgpreppach, um dann zwei
Jahrzehnte hindurch mit sich von Jahr zu Jahr steigerndem Erfolge
Provinzialrabbiner von Hanau zu sein. Seine gewissenhaft geleistete
amtliche Arbeit genügte ihm nicht, nach den verschiedensten Seiten hin
bemühte er sich, der jüdischen Allgemeinheit nützlich zu werden. In den
orthodoxen Rabbinervereinigungen gewann er bald eine führende Stellung.
In den Jugendorganisationen, ob es Kaufleuten galt in der jungen Aguda,
oder Studenten in dem Verein jüdischer Akademiker, stets war er ein hoch
willkommener Lehrer und Mitarbeiter. Wohltätigkeitsvereine aller Art
wusste er zu fördern, die altjüdischen Unternehmungen in und für Palästina
rechneten auf ihn, im Kampf gegen die Feinde des jüdischen Gesetzes und
des jüdischen Volkes stand er seinen Mann. Eifrig ergeben war er dem
Studium der höchsten und ersten Wissenschaft, dem Forschen im Talmud.
Auch auf sonstigen wissenschaftlichen Gebieten fehlte er nicht. Bekannt
ist sein großes Verdienst um die Herausgabe des vor zwei Jahren
erschienenen nachgelassenen Bandes Dorot Harischonim des R. Jizchak Halevi.
Die Hauptarbeit der Jüdisch-literarischen Gesellschaft Frankfurt am Main
ruhte auf seinen Schultern.
Dr. Salomon Bamberger war der verdienstvolle Redakteur der dreizehn, sich
immer steigender Anerkennung erfreuenden Jahrbücher dieser
wissenschaftlichen Gesellschaft. Er war kein Streiter, aber ein Sieger.
Auch hier trug er den Namen Salomon nicht umsonst. Ohne Kriege erreichte
es König Salomo durch Weisheit, dass das Israelitische Reich den höchsten
Gipfel an Macht und Ansehen gewann. Unser Salomo erzielte in seinen
Gemeinden und für seine Gemeinden reibungslos, was er sich vorgesetzt;
bei allgemeinen und öffentlichen Angelegenheiten setzte er sich durch,
ohne als Kämpfer auf den Plan zu erscheinen. Sein untrügliches Gefühl für
Recht und Gerechtigkeit, seine Selbstlosigkeit, Klugheit, sein klarer
Blick in Verbindung mit stets sich gleichbleibendem liebenswürdigem und
sonnigem Wesen gaben ihm in Frieden Erfolge, wie sie andere durch Streit
und Kampf selten nur erringen. Und dieser, in den vordersten Reihen des öffentlichen
Lebens stehende Mann, wie musterhaft war er als Familienvater! In edelster
Harmonie mit seiner Gattin, der würdigen Tochter des in Fürth in
dankbarer Erinnerung lebenden Waisenhausdirektors Königshöfer, bemühte
er sich mit Liebe und Verständnis, seine Kinder zu wackeren, echten
Jehudim zu erziehen. Nächst seiner Familie gehörte seine Liebe seinen
Gemeinden. In den letzten Gesprächen, die ich mit ihm führte, erörterte
er mit liebevoller Sorge, wie sich in den jetzigen schweren Zeiten der wünschenswerte
Umbau oder Neubau der Synagoge in Hanau bewerkstelligen ließe. Die letzte
Arbeit für das nächste Jahrbuch, das er in die Druckerei trug, war eine
auf seine Anregung zurückgehende Studie eines hervorragenden
Geschichtsforschers über die Hanauer Rabbiner. In seinem weiten,
trefflichen Herzen fand sich Raum für die jüdische Allgemeinheit, für
Gemeinde und Familie. Doch damit erschöpfte er sich nicht. Jedes einzelne
Gemeindemitglied stand ihm nahe, ein seltener, herzensguter Bruder war er
den Geschwistern, der treueste Freund den Freunden.
Wie vielen ist mit ihm eine Sonne leider allzu früh untergegangen! Fügen
wir uns in |
Demut dem Willen des Höchsten – gepriesen sei er;
danken wir Ihm, dass er unserer Zeit und uns einen solchen Mann
geschenkt hat.
Es war ein ergreifendes und zugleich ein erhebendes Bild, das Hanau am
Montag in seinen Straßen erlebte: 'Und es sah der Bewohner, und sie
sprachen, eine schwere Trauer ist diese...' Schon nach Ankunft der ersten
Morgenzüge strömten die endlosen Scharen vom Bahnhof durch die Stadt.
Gegen 10 Uhr war das Rabbinerhaus und der ganze Platz davor von einer
wogenden Menge angefüllt. Im Lernzimmer, wo der Verstorbene in stiller
Abendstunde bei seinen Büchern saß, fing gegen ½ 11 Uhr die
Abschiedsfeier an, ein würdiger Auftakt zu der beredten Trauerkundgebung,
die sich bis tief in den Mittag hineinzog. Zunächst beweinte im Namen der
Familie Herr Lehrer Ochsenmann in herzlichen, schlichten Worten den
Verlust mit der Klage des Propheten: 'Es fiel die Krone von unserem
Haupte'. Herr Distriktsrabbiner Dr. Stein, Schweinfurt, sprach als Freund
des Verblichenen von den Tagen des gemeinsamen Studiums und des
gemeinsamen Wirkens in Bayern und als letzter im Hause hatte auch Herr
Distriktsrabbiner Dr. Bamberger, Kissingen, Worte treuen Gedenkens.
Nun bewegte sich der unabsehbare Zug durch die Straßen, wo die Läden zum
Zeichen der Trauer geschlossen waren und die Straßenbahnen den Verkehr
einstellen mussten, zur Synagoge. Auf der Kanzel, von wo aus der
Verstorbene zwei Jahrzehnte das Wort Gottes verkündet hatte, stand nun
der Amtskollege Landrabbiner Dr. Walter aus Kassel, der dem Schmerz der
großen Trauerversammlung in kunstvoller Rede würdigen Ausdruck zu geben
wusste. Er dankte im Namen der Gemeinden des Bezirkes. Ergreifend war es,
als nun Rabbiner Dr. Bondi, Mainz seinem intimen Freund und
wissenschaftlichen Mitarbeiter Worte der Liebe, des Abschiedes und des
Dankes widmete. Er sprach auch von den Verdiensten Bambergers um die
Literarische Gesellschaft, die jedem Leser des Jahresbuches zur Genüge
bekannt sind, wie als Mitarbeiter, Interpret und Popularisator des großen
Historikers Halevy. Er dankte auch im Namen des traditionellen
Rabbinerverbandes. Wieder klang tief empfundener Schmerz der Familie aus
dem Munde des Schwagers des Verstorbenen, Oberrabbiners Biedenburg aus
Arnheim und des Herrn Rabbiner Dr. Wolf, Köln. Dann traten nacheinander
Vertreter verschiedener Korporationen und Vereine an die Bahre, den
Scheidegruß und den Dank der Körperschaften überbringend, denen der
Verstorbene nahe stand. Herr Jacob Rosenheim – Frankfurt am Main sprach
herzliche Worte im Namen der Israelitischen Religionsgesellschaft,
Frankfurt am Main, der Jeschiwa Frankfurt am Main (die außerdem durch
zwei Herren vertreten war), der 'Freien Vereinigung' und der Palästina-Verwaltung.
Herr Dr. Hofmann sprach im Namen der Agudas Jisroel-Jugendorganisation und
des Bundes Jüdischer Akademiker. Es sprachen noch Herr Rabbiner Dr. Marx
– Darmstadt im Namen des Orthodoxen Rabbinerverbandes, Herr Rabbiner Dr.
Michalski – Burgpreppach für das Kuratorium und die Bildungsanstalt
Burgpreppach, wo der Entschlafene seine erste rabbinische Wirksamkeit und
Lehrtätigkeit ausgeübt hatte, und Herr Dr. Martin
Marx – Frankfurt am Main im Namen des Zentralvereins.
Es war bereits Nachmittagsstunde, als der Zug den Weg von der Synagoge
nach dem Friedhof antrat. Neben den Leidtragenden hinter der Bahre, die
den ganzen Weg von Männern des Heiligen Vereins getragen wurde, gingen
die offiziellen Vertreter der Stadt und der staatlichen Behörden, eine
große Anzahl von Rabbinern (von den Rabbinern der weiten Umgegend dürfte
kein einziger gefehlt haben). Dann sah man in geordneter Gruppe die Schüler
der Religionsschule und hinter ihnen die nach vielen Hunderten zählende
Menge der Trauergäste. Auf dem Friedhofe angelangt, sprachen als Freunde
und Nachbarkollegen Provinzialrabbiner Dr. Cohn – Marburg und
Provinzialrabbiner Dr. Cahn – Fulda. Den Dank der Gemeinde Hanau brachte
Herr Vorsteher Rosenberg zum Ausdruck, den des Vorsteheramtes Herr Julius
Stern, für die Kreisvorsteherämter Herr Rechtsanwalt Dr. Koreff. Zuletzt
sprachen noch Herr Lehrer Sulzbacher – Hanau den Dank der
Gemeindebeamten und der Lehrerschaft des Bezirkes aus und Herr Josef
Rothschild als geborener Hanauer legte der verwaisten Gemeinde nahe, im
Sinne des Verstorbenen Hanau zu einer 'Stätte der Tora' zu machen. Viele
Redner, so auch Vertreter des Frankfurter 'Mekor Chajim', der Orts- und
Jugendgruppe der Agudos Jisroel, konnten wegen der vorgerückten Stunde
nicht mehr zu Wort kommen.
Nach einem kalten Morgen war inzwischen die Sonne in herrlich klarem
Herbstglanze aufgegangen, und in die dumpfe Trauer schlich sich, als man
still zur Bahn pilgerte, das trostreiche Wort der Weisen zum Schriftsatze
'Es geht neue Sonne auf, wenn in Israel eine Sonne untergeht...' |
Die Trauerkundgebung für den Hanauer Raw.
Die Räume des Mekor Chajim konnten am letzten Sonntag abend die
Menge der Erschienenen, die wohl nach mehreren Hunderten zählten, nicht
fassen, und wer zu spät kam, musste sich mit einem bescheidenen Stehplatz
vor der Türe begnügen. Alles war gekommen, was das Bedürfnis in sich fühlte,
das Andenken Bambergers zu ehren. Und der Verehrer dieses Mannes und
Menschen, sind eben nicht wenige.
Auf dem Podium stand als Dozent des Mekor Chaim, Herr Redakteur
Schachnowitz, der auch im Auftrage der Jugendorganisation, Ortsgruppe,
Jugend- und Mädchengruppe der Agudas Jisroel in Frankfurt wie in Hanau
sprach. Er erzählte einleitend von den Weisen, die, vom Grabe Raws zurückgekehrt,
zum zweiten Mal ihre Kleider zerrissen, da sie für die erste an sie
herantretende Frage die letzte Entscheidung des Meisters nicht mehr
anrufen konnten. Anknüpfend an diesen Talmudbericht sprach er von den
vielen Fragen, die mit dem Tode Bambergers unbeantwortet, von den vielen
Aufgaben, die jetzt ungelöst blieben. Rabbi Elieser wird auf seinem
Krankenbette nach Talmud 'Sanhedrin' Regentropfen, auch Sonnenball genannt
und zuletzt wird seine Wirksamkeit mit der von Vater und Mutter
verglichen. Diese drei Bezeichnungen nimmt Redner zum Ausgangspunkt für
die Schilderung des Charakters und der Wirksamkeit Bambergers als Rabbiner
und Lehrer, als Gelehrter und als Mensch. In seiner wissenschaftlichen
Bedeutung war er einer jener Saburäer, die nach Jahrhunderten gewaltiger
geistiger Produktion mit einer Selbstverleumdung ohnegleichen unter
Hintansetzung ihrer eigenen Ansichten, ja ihres Namens nur ordneten und
sichteten, und Epigonen wurden, wo sie Wegweiser hätten sein können. An
diesem historischen Bild bespricht Redner eingehend die Verdienste
Bambergers um die Ausgabe des arabischen Urtextes vom Mischnakommentar des
Maimonides und auch insbesondere seinen hervorragenden Anteil am
Lebenswerke Jizchok Halevis. Dann stellte Redner aus einer Reihe
menschlicher Züge des Heimgegangenen ein anschauliches Charakterbild des
Menschen Bamberger zusammen und schloss mit homiletischen Ausdeutungen von
Bibel- und Talmudstellen, die Trauer wie Trost in solchen Fällen
schmerzlicher Verluste widerspiegeln.
Die Stille und Weihe des großen Auditoriums während des ganzen Vortrages
zeigte, wie tief und innig die Verehrung für den heimgegangenen Lehrer in
aller Herzen saß. Ein Sohn sagte darauf das Kaddisch und mit dem
Maariw-Gebete schloss die eindrucksvolle Gedenkfeier." |
Ausschreibung der
Rabbinerstelle (1900)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5.
November 1900: "Konkurrenz-Ausschreiben.
Die Stelle des Distrikts-Rabbiners für den Rabbinats-Distrikt
Burgpreppach wird sich demnächst erledigen und ist wieder zu besetzen.
Mit dieser Stelle sind zur Zeit folgende Jahresbezüge verbunden:
a) aus der Rabbinatskasse 1.200 Mark (hierunter 300 Mark widerrufliche
Zulage;)
b) an Staatszuschuss 720 Mark.
Der Vorstand des Talmud-Tora-Vereines in Burgpreppach beabsichtigt, die
bisher mit dem Rabbinat verbundene Leitung der Talmud-'Tora-Schule mit
einem Anfangsgehalte von circa 650 Mark jährlich und freier Wohnung dem
neu aufzustellenden Rabbiner gleichfalls zu übertragen, falls derselbe
zur Übernahme des Amtes geeignet und bereit ist.
Bewerber um die Stelle wollen ihre mit den erforderlichen
Zeugnissen, eventuell auch mit den Nachweisen über Befähigung zur
Leitung der Talmud-Tora-Schule, bis längstens 20. November laufenden
Jahres bei dem unterfertigten Amte einreichen.
Hofheim, den 2. November 1900.
Königliches Bezirksamt: Neubert.
Diejenigen Herren, die sich beim Königlichen Bezirksamte Hofheim um das
hiesige Rabbinat bewerben, werden in ihrem eigenen Interesse gebeten,
Abschriften ihrer Bewerbungen nebst Beilagen auch an uns gelangen lassen
zu wollen. Burgpreppach, 2. November 1900. Die Verwaltung des
Talmud-Tora-Vereins." |
Neuwahl des Rabbiners (1901)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27.
Dezember 1900: "Würzburg. Zur Neuwahl eines Rabbiners des
Rabbinatsdistrikts Burgpreppach ist Termin auf Mittwoch, 9. Januar 1901,
vormittags 19 Uhr, im Rathaussaale zu Hofheim anberaumt." |
Unter Rabbiner Dr. Naftali Cohn (Cohen, 1901-1903)
Anmerkung: Rabbiner Dr. Naphtali Cohen (Cohn) (geb. 1874 in
Altona, gest. Juli 1939 in Jerusalem): studierte an den Universitäten Berlin,
Halle und Erlangen sowie am Rabbiner-Seminar in Berlin; 1899 Lehrer an der S.R.
Hirsch-Schule in Frankfurt, 1900 an der Talmud-Tora-Schule in Köln; 1901 bis
1903 Distriktrabbiner und Leiter der Talmud-Tora-Schule (Präparandenanstalt) in
Burgpreppach, danach Direktor am Israelitischen Lehrerseminar in Köln; von 1918 bis
1934 Provinzialrabbiner in Marburg, 1937 bis 1938 leitender Lehrer an der
Jeschiwa in Fulda; 1938 verhaftet, 1939 nach Palästina emigriert..
Wahl von Dr. Naftali Cohn aus
Altona (1901)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. Januar 1901: Burgpreppach,
9. Januar. Vorbehaltlich amtlicher Genehmigung, wurde heute Herr Dr.
Naftali Cohn aus Altona, Schüler des Berliner Rabbinerseminars und
seither Lehrer an der Realschule der israelitischen Religionsgesellschaft
zu Frankfurt am Main, zum Distrikts-Rabbiner für den hiesigen Kreis
gewählt." |
|
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 18. Januar 1901: "In Burgpreppach wurde Dr. N.
Cohn aus Altona, ein Zögling des Berliner Seminars, zum Kreisrabbiner
gewählt." |
Dienstantritt
von Rabbiner Dr. Cohn (1901)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. Mai 1901: "Burgpreppach,
28. April (1901). Am 22. dieses Monats hielt unser neuer Rabbiner und
Direktor der Talmud-Thora-Schule, Herr Dr. Cohn aus Hamburg, dahier seinen
Einzug. Dessen Amtsvorgänger, Herr Rabbiner Dr. Bamberger - Hanau,
der durch seine hervorragende Tätigkeit und eminent liebenswürdiges,
freundliches Wesen ein Plätzchen in den Herzen Aller sich gesichert,
hatte sich eigens zu seiner Begrüßung und Einweisung eingefunden. Den
Ruf großer Gelehrsamkeit, der unserem neuen Rabbiner vorausgeht, scheint
derselbe auch vollauf zu rechtfertigen. Seine in der Talmud-Thora-Schule
gehaltene Ansprache, wie auch insbesondere seine heutige Antrittspredigt,
der Form wie dem Inhalte nach gleich meisterhaft und fesselnd, zeugen von
ehrlichem Streben, redlichem Wollen und gediegenem Wissen, sodass er sich
die Herzen seiner Zuhörer im Sturm erobert hat. Am verflossenen Sabbat
fand in der hiesigen Synagoge die feierliche Installation des Herrn Distriktsrabbiners
statt. Zu dieser Feier waren auch der katholische Geistliche, die Lehrer,
sowie andere Mitglieder der christlichen Gemeinde erschienen. Nach einem
einleitenden, wirkungsvollen Gesange bestieg Herr Dr. Cohn die Kanzel und
hielt eine inhaltsreiche Antrittspredigt, die ihre Wirkung auf die
Zuhörer nicht versagte und volle Befriedigung bei den Festteilnehmer
hervorrief. Er entwickelte an der Hand des Bibelverses (3. Mose 16,17)
'Und er sühne sich und sein haus und die ganze Versammlung Israels' ein
Programm seiner künftigen Tätigkeit im neuen Wirkungskreise. Ein
stimmungsvolles Gebet für den König und das erlauchte Herrscherhaus
schloss die erhebende Feier. Möge seine Amtstätigkeit, der hier so
reiches Feld geboten, gleich der seiner bewährten Herrn Vorgänger, eine
Gottgesegnete sein, möge insbesondere unsere Talmud-Thora-Schule, das
Werk unseres unvergesslichen verlebten Rabbiners Hirsch seligen Andenkens
sich unter seiner Leitung immer weiter entwickeln und gedeihen. Unsere
besten Wünsche geleiten ihn und in diesem Sinne rufen wir dem neuen
Führer ein fröhliches Glück auf und herzliches Willkommen zu. K." |
Zum Abschied von Dr. Cohn (1903)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. September 1903: "Aus
dem Distriktsrabbinat Burgpreppach. Nach kaum 2 1/2-jährigem,
segensreichen Wirken wurde unser Rabbiner, Herr Dr. Naphtali Cohn, als
Direktor des israelitischen Lehrerseminars in Köln berufen, wodurch der
Posten eines Distriktsrabbiners in unserem Bezirk wieder neu zu besetzen
ist. Bei dem häufigen diesseitigen Rabbinatswechsel sind die einzelnen
Distriktsgemeinden wahlmüde geworden. Da es sich hier nicht, wie
anderswo, um einen Prinzipienkampf handelt, in dem nur Kandidaten der
streng-orthodoxen Richtung Aussicht haben, bringt man der Personalfrage
kein besonderes Interesse entgegen. Mutatis mutandis - auch hier
haben sich die alten, guten Gebräuche geändert. Die Herren Supplikanten
machen ja zum Teil landauf, landab ihre persönliche Aufwartung, halten
Predigten, wodurch reichlich Gelegenheit geboten ist, dieselben nach ihrer
rhetorischen Begabung etc. kennen zu lernen. Für die Gemeinden, die an
der Peripherie des Kreises wohnen, bedeutet eine Neuwahl meist große
Opfer an Zeit und Geld. Aus diesem Grunde wird für die bevorstehende Wahl
der ernstgemeinte Vorschlag gemacht, durch eine Eingabe an die hohe,
königliche Kreisregierung die Erlaubnis zu erwirken, die vom zuständigen
Bürgermeisteramte beglaubigten Stimmen der einzelnen Gemeindemitglieder
durch einen Delegierten schriftlich abgeben zu dürfen. Außerdem würde
durch diesen Modus das hässliche Moment der Wahlbeeinflussung am Wahltage
und am Wahlorte wegfallen, was wir als bedeutenden moralischen Gewinn
ansehen würden." |
Unter Rabbiner Dr. Julius Abraham Michalski
(1918-1923)
Abschied von Dr. Michalski
(1924)
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. August 1924: "Burgpreppach,
17. August (1924). Herr Distriktsrabbiner Dr. Michalski hat sich in seiner
Ansprache am letzten Sabbat in herzlicher Weise von der hiesigen Gemeinde
verabschiedet. Herr Rabbiner Michalski war uns ein treuer Hirte. Seinen
Schülern war er ein wahrhaft väterlicher Freund und Berater in allen
Angelegenheiten. Während seiner sechsjährigen Amtszeit hat er für den
ganzen Distrikt segensreich gewirkt, als Direktor und Leiter der Schule in
schwerer Zeit bewundernswerte Arbeit geleistet. So sehen wir den Mann,
dessen wahrhafte Herzensgüte in erfolgreichem Wirken sich ein unvergängliches
Denkmal geschaffen, mit lebhaftem Bedauern scheiden; unsere besten Wünsche
geleiten ihn in seinen neuen Wirkungskreis."
|
Ausschreibung der
Rabbinerstelle (Mai 1924)
Anzeige in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. Mai 1924: "Infolge Berufung unseres
Distriktsrabbiners, des Herrn Dr. Michalski, nach Karlsruhe, suchen wir
einen streng orthodoxen, akademisch gebildeten, auch pädagogisch
erfahrenen Rabbiner. Gehalt Gruppe 10. freie, große Dienstwohnung
mit Garten. Bei Übernahme der Schulleitung, entsprechende
Funktionszulage. Bewerbungen sind unter Beifügung von Zeugnisabschriften
zu richten an die Israelitische Kultusgemeinde Burgpreppach
(Unterfranken). Der
Rabbinatsausschuss." |
Unter Rabbiner Dr. Sali Ksinski
(Kasinski,
1924-1925)
Dienstantritt von Rabbiner Dr.
Ksinski (1924)
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. November 1924: "Burgpreppach, 9.
Oktober (1924). Am Sabbat Paraschat Ki tawo hat dahier Herr
Distriktsrabbiner Dr. Ksinski sein Amt angetreten. In seiner Antrittsrede
entwarf er sein Programm, dessen Leitsatz die Heranziehung der Jugend zur
Tora ist. Hauptsächlich will er das als Direktor der weit bekannten,
hiesigen Präparanden- und Bürgerschule Talmud Thora verwirklichen. Dabei
werden ihm wohl seine langjährigen Erfahrungen als Leiter eines jüdischen
Realgymnasiums gut zustatten kommen. Herr Dr. Ksinski hat sich schon mit
seiner Probepredigt bei allen Zuhörern aufs beste eingeführt, sodass der
Rabbinatsdistrikt an ihn einen einstimmigen ehrenvollen Ruf ergehen ließ,
wofür er nunmehr dankte und um die Hilfe Gottes bat zur Erfüllung des
ihm entgegengebrachten Vertrauens." |
Beschimpfungen
der jüdischen Religion - Distriktsrabbiner Ksinski erstattet erfolglos
Strafanzeige (1926)
Anzeige in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des
"Central-Vereins", Monatsausgabe) vom Oktober 1926: |
Diskussion um die Zukunft des
Bezirksrabbinates (1927)
Artikel in
der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 15. Juli 1927: "Das
Bezirksrabbinat Burgpreppach. Der
Rat des Verbandes beschloss in der Sitzung vom 26. Mai 1927, eine
Bezirksgemeindeversammlung der Bezirks Burgpreppach einzuberufen, um
einen zuverlässigen Anhalt dafür zu gewinnen, ob das durch den Weggang
des Rabbinats Ksinski erledigt Rabbinat wieder besetzt werden soll.
Die Versammlung fand am 26. Juni 1927 in Schweinfurt statt. Es waren
anwesend die Vertreter der meisten Bezirksgemeinden, die Rabbbiner Dr.
Stein (Schweinfurt), Dr. Rülf (Bamberg), Dr. Wohlgemuth (Kitzingen) und
der frühere Rabbiner des Bezirks Dr. Michalski (Karlsruhe), der
Vorsitzende des Kuratoriums der Präparanden und Bürgerschule
Burgpreppach Schloss (Hamburg) und der aus dem Bezirk hervorgegangene
Konrektor Einstädter (Frankfurt am Main), vom Verband
Oberlandesgerichtsrat Dr. Neumeyer (München), Justizrat Dr. Hommel
(Schweinfurt), Kommerzienrat Braunschweiger (Würzburg) und Rechtsanwalt
Dr. Silberschmidt (Kissingen), ferner die Mitglieder der Kultusverwaltung
Schweinfurt.
Der Versammlung wurde als Material der unten abgedruckte Altersaufbau der
israelitischen Bevölkerung des Bezirks vorgelegt.
Von den Vertretern der Bezirksgemeinden sowie von den Herrn Dr.
Michalski, Schloss und Einstädter wurde die Widerbesetzung des Rabbinats
für notwendig erachtet. Der durch Zuwahl vergrößerte Bezirksausschuss
Burgpreppach wird Vorschläge über die Neuorganisation des Bezirks
machen, insbesondere auch dahin, ob Gemeinden außerhalb des Bezirks in
diesen aufzunehmen seien, ob Gemeinden aus dem Bezirk ausgeschieden werden
könnten und ob der Sitz des Bezirks an einen anderen Ort zu verlegen sei,
des weiteren, welcher Bestimmung die Schulgebäude in Burgpreppach zugeführt
werden könnten. Erörtert wurde die Möglichkeit einer Verwendung für
eine landwirtschaftliche Schule, ein Alters- und Rekonvaleszentenheim,
Ferienheim u.a.
Der Ausschuss wird nach Ablauf von drei Monaten berichten." |
Ausschreibung der
Rabbinerstelle (1928)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4.
April 1928: "Die Gemeinden des Rabbinats Burgpreppach beabsichtigen, mit
Zustimmung des Verbandes Bayerischer Israelitischer Gemeinden die
freigewordene Rabbinerstelle wieder zu besetzen. Die Anstellung
erfolgt zunächst mit provisorischem Charakter. Es besteht die Möglichkeit,
dass ein Teil der Gebäude des Talmud Thora Vereins zu einer
Altersversorgungsanstalt Verwendung findet. Ob die Errichtung der Schule
in naher Zukunft möglich sein wird, entzieht sich vorläufig der
Beurteilung. Die Besoldung erfolgt nach Gruppe X der bisherigen
Besoldungsverordnung mit Überleitung in die entsprechende Gruppe der
neuen Besoldungs-Ordnung. Rabbiner streng konservativer Richtung werden
gebeten, ihre Bewerbung beim Rabbinats-Distrikts-Ausschuss in Burgpreppach
zu Händen des Unterzeichneten einzureichen.
Burgpreppach, den 2. April 1928." |
Unter Rabbiner Dr. Meir Menachem Ephraim (1928-1932)
Wahl von Dr. Ephraim als Bezirksrabbiner
(1929)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10.
Januar 1929: "Schweinfurt, 28. Dezember (1929). In der heutigen
Gegenwart, die nur allzuviel Recht zur Klage einer materialistischen
Lebenseinstellung gibt, berührt es doppelt angenehm, Beispiele einer
idealeren Lebensauffassung zu finden. Erhebliche finanzielle Mehrbelastung
trotz drückend hoher Kultussteuern nicht scheuend, haben die kleinen
Ortschaften und Dörfchen des bayerischen Bezirksrabbinats Burgpreppach
sich die allergrößte Mühe gegeben, ihrem Bezirke wieder einen geistigen
Führer zu sichern. Im
Anschlusse an eine geschichtlich bedeutungsvolle Vergangenheit und in
lebhafter Erinnerung an eine Reihe edler und arbeitsfreudiger Führer
herrscht allgemeine Freude darüber, dass es gelungen ist, in dem Herrn
Dr. Ephraim einen Mann gewonnen zu haben, der alle Gewähr dafür gibt,
mit Gottes Hilfe die Hoffnungen erfolgreich in die Tat umzusetzen. In
seiner Anrittspredigt gab Herr Bezirksrabbiner Dr. Ephraim – seine
Licht leuchte – auch dem Gedanken Ausdruck, dass es aus dem Gefühl
der Verantwortung heraus, die das Erbe der Vergangenheit darstellt,
Pflicht sei, offenen Auges die Gegenwart zu prüfen und zu betrachten, um
den schweren Aufgaben der Zukunft gerecht werden zu können. Die Freude,
die der ganze Bezirk über den Einzug seines neuen Rabbiners empfindet,
und das herzliche Willkommen, das ihm ungeteilt entgegengebracht wird,
sind der beste Beweis für die Notwendigkeit der Wiederbesetzung der
Bezirksrabbinatsstelle, eine Tatsache, der auch der Verband bayerischer
israelitischer Gemeinden entgegenkommenderweise Rechnung getragen hat. Möge
es dem neu gewählten Herrn mit Gottes Hilfe gelingen, die
Erwartungen und Hoffnungen zu erfüllen, die nicht nur der Bezirk, sondern
weite Kreise hegen, die mit Burgpreppachs Vergangenheit innig verbunden
sind und denen noch immer Burgpreppach ein Programm bedeutet." |
Antrittspredigt von Dr. Ephraim (1929)
Artikel
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 1.
Februar 1929: "Burgpreppach. Erhebliche finanzielle
Mehrbelastung trotz drückend hoher Kultussteuern nicht scheuend. haben
die Gemeinden des bayerischen Bezirksrabbinats Burgpreppach sich die
allergrößte Mühe gegeben, ihrem Bezirk wieder einen geistigen Führer
zu sichern. Im Anschlusse an eine geschichtlich bedeutungsvolle
Vergangenheit und in lebhafter Erinnerung an eine Reihe edler und
arbeitsfreudiger Führer herrscht allgemeine Freude darüber, dass es
gelungen ist, in dem Herrn Dr. Ephraim einen Mann gewonnen zu haben, der
alle Gewähr dafür gibt, mit Gottes Hilfe die Hoffnungen erfolgreich in
die Tat umzusetzen. In seiner Antrittspredigt gab Herr Bezirksrabbiner Dr.
Ephraim auch dem Gedanken Ausdruck, dass es aus dem Gefühl der
Verantwortung heraus, die das Erbe der Vergangenheit darstellt, Pflicht
sei, offenen Auges die Gegenwart zu prüfen und zu betrachten, um den
schweren Aufgaben der Zukunft gerecht werden zu können. Die Freude, die
der ganze Bezirk über den Einzug seines neuen Rabbiners empfindet, und
das herzliche Willkommen, das ihm ungeteilt entgegengebracht wird, sind
der beste Beweis für die Notwendigkeit der Wiederbesetzung der
Bezirksrabbinatsstelle, eine Tatsache, der auch der Verband bayerischer
israelitischer Gemeinden entgegenkommenderweise Rechnung getragen hat.
Möge es dem neu gewählten Herrn mit Gottes Hilfe gelingen, die
Erwartungen und Hoffnungen zu erfüllen, die nicht nur der Bezirk, sondern
weite Kreise hegen, die mit Burgpreppachs Vergangenheit innig verbunden
sind und denen noch immer Burgpreppach ein Programm bedeutet." |
Ausschreibung der
Rabbinerstelle (1932)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21.
Juli 1932: "Die freie Bezirksrabbinerstelle Burgpreppach mit dem Sitz in
Burgpreppach ist per 1. Oktober zu besetzen. Es wird ein jüngerer, streng
konservativer, akademisch gebildeter Rabbiner gesucht, der außer seiner
Rabbinerfunktion auch der Leitung der Bürger- und Handelsschule,
Talmud-Tora bevorzustehen hat. Die Anstellung erfolgt gemäß der Beamten-
und Besoldungsordnung des Verbandes Bayerischer Israelitischer Gemeinden.
Bewerbungen sind bis zum 7. August zu richten an Bezirksrabbinatsausschuss
zu Händen des Herrn Abraham Adler, Burgpreppach." |
Unter Rabbiner Dr. Rafael Saul Munk (1932-1939)
Rabbiner Saul Munk (geb. 1899 im Lemberg, gest. 1969 in Ra'anana,
Israel): war der letzte Rabbiner in
Burgpreppach und letzter Inhaber des 300 Jahre alten Grabfelder Rabbinates
in Burgpreppach. Nach 1933 trafen ihn die Härten der
nationalsozialistischen Zeit mit unzähligen Behinderungen, Schikanen und
Verboten. Das Verbot für jüdische Jugendliche, allgemeine weiterführende
Schulen zu besuchen, führte noch einmal zu einem Anwachsen der Schülerzahl in
Burgpreppach. 1938 verhaftet und in das KZ Dachau eingeliefert; im Februar 1939
mit Familie nach Palästina/Erez Jisrael emigriert; war bis 1951 Schulleiter,
danach Rabbiner einer orthodoxen Gemeinde in Tel Aviv; 1955 schwer erkrankt,
dadurch Aufgabe des Amtes; die Familie lebte 1958 in Bnej Brak bei Tel Aviv.
Feierliche Einführung von
Rabbiner Saul Munk (1932)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. Dezember 1932: Burgpreppach,
10. Dezember (1932). Herr Rabbiner Saul Munk aus Berlin, Mitglied einer
bekannten, hoch angesehenen Rabbinerfamilie, übernahm am 5. Dezember das
Bezirksrabbinat Burgpreppach und die Leitung der damit verbundenen Talmud
Thora-Schule. Mit Rücksicht auf den Ernst der Zeit sah die Gemeinde von
einer größeren Feier ab und beschränkte sich auf einen schlichten, aber
herzlichen Empfang. Am Freitagabend wurde der Herr Rabbiner mit Gesängen
im Gotteshause empfangen und am Sabbatmorgen durch eine Reihe Chorgesänge
während des Gottesdienstes geehrt. Mit großer Hingabe und viel Geschick
hatte Herr Lehrer Linz seinen Knabenchor geschult, dessen Leistungen
uneingeschränkte Anerkennung aller Zuhörer fanden. In einer geistvollen
Antrittspredigt verstand es sodann Herr Rabbiner Munk, sich die Herzen der
Gemeindemitglieder zu gewinnen. Er erinnert auch daran, dass die Gemeinde
Burgpreppach und die Gemeinden des Bezirksrabbinats sowohl um die
Erhaltung des Rabbinats gekämpft haben, als auch darum, einen Rabbiner zu
bekommen, der Torageist verbreitet. Diesen Geist in Verbindung mit ihrem
Rabbiner in die Tat umzusetzen, muss das Bestreben der Gemeinde sein. In
seinen Schiurvorträgen, die im Laufe des Schabbos weiter stattfanden, ließ
der neue würdige Raw seinen begeisterten Zuhörern einen Blick in das
weite Feld seines talmudischen Wissens und seiner hervorragenden Bibel-(Tanach-)Kenntnisse
tun. Möge der Gemeinde
Burgpreppach und dem Rabbinatsbezirk das bestimmt segensreiche Wirken
eines solchen Führers auf viele Jahre erhalten bleiben." |
|
Artikel
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 1.
Oktober 1933: weitgehend derselbe Artikel wie oben. |
Geburtsanzeige
eines Sohnes von Rabbiner Saul Munk und seiner Frau (1933)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. Oktober 1933: "Gott
sei gepriesen.
In dankbarer Freude zeigen die Geburt eines kräftigen Knaben an
Rabbiner Saul Munk und Frau Eva geb. Schlessinger.
Burgpreppach." |
Bezirkskonferenzen des Bezirksrabbinates
(1935 und 1936)
Anzeige
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 15. April
1936: "Tätigkeitsbericht der Bezirkskonferenz Burgpreppach im Jahre
1935. Während im Jahre 1934 unsere Bezirkskonferenzen, trotz weiter
Wegentfernungen der einzelnen Kollegen, ziemlich häufig stattfinden
konnten. Brachte uns das Jahr 1935 eine große Enttäuschung. Am 27.
Februar 1935 konnten wir die Mitglieder nur zu einer einzigen Konferenz
nach Königshofen im Grabfeld vereinigen. Das Programm dieses Tages setzte
sich zusammen: 1. Bezirksrabbiner S. Munk, Burgpreppach: Lernvortrag über
die Noachidengesetze (Sanhedrin); 2. Nußbaum, Burgpreppach: 'Mischneh
Tora' (Rambam). 3.
Heller-Adler, Königshofen im Grabfeld: 'Behandlung der aktuellen
Vereinsangelegenheiten.' Anschließend fand in der Synagoge eine 'Maimonides-Feier'
statt. Die Festrede hatte Herr Bezirksrabbiner S. Munk übernommen. Er
verstand es, in fesselnder Weise die Persönlichkeit dieser Geistesgestalt
zu zeichnen. So wurde uns diese Feier ein Erlebnis. H. Heller-Adler,
Obmann." |
|
Artikel in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom
15. Dezember 1936: "Bezirkskonferenz Burgpreppach. Im
Kalenderjahr 1936 konnten wir dank der Initiative unseres Herrn
Bezirksrabbiners S. Munk und unter dessen Leitung fünf Konferenzen
veranstalten. Unsere jüdisch-wissenschafltiche Fortbildungsarbeit bestand
zunächst in der gründlichen Durchnahme der Vorschriften über die
Toraverlesung; dann in der Durchsprache der ersten P'rokom der beiden
Mischnatraktate Pea und D'mai. Eine Quellen-Interpretation der 'Ethik des
Judentums', Maimonides 'Vorrede zu den Sprüchen der Väter' gab Linz
(Burgpreppach) in zwei Vorträgen. Über "Das Wesen des Mussar und
seine Geschichte' hielt Nußbaum (Burgpreppach) ein Referat. Eine Sichah leitete
Hamburger (Burgpreppach). Eine Aussprache über einige Punkte der
Würzburger Tagung erbrachte manche Klarstellung und Anregung für die
Gestaltung des Deutsch- und Geschichtsunterrichts. Erwähnenswert ist das
Interesse und die vollzählige Beteiligung der Kollegen unseres Rabbinatsbezirks
sowie die erfreuliche Tatsache, dass einige Herren aus Nachbarbezirken
sich trotz ungünstiger Verbindungen zu unserer Tagung hierher bemühten.
Die nächsten Konferenz kann aus technischen Gründen erst im Januar 1937
- so Gott will - sein. Linz,
Vorsitzender." |
Beitrag von Bezirksrabbiner Saul Munk: "Lernt wieder beten!"
(1936)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. Juli 1936:
|
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Persönlichkeiten
Anmerkung: aus dem streng orthodox geprägten Burgpreppach entstammten ganz
unterschiedlich geprägt Persönlichkeiten, wie in der Nebeneinanderstellung des
liberal gesinnten Rabbiners Dr. Leopold Stein und dem streng orthodox gesinnten
Jacob Strauß deutlich wird.
Zur Erinnerung an den aus Burgpreppach stammenden Frankfurter Rabbiner Dr.
Leopold Stein (1810-1882)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 18. November 1910: "Zur Erinnerung an
Dr. Leopold Stein. Von Dr. Adolph Kohut.
Unter den großen Reformatoren des deutschen Judentums im 19.
Jahrhundert nimmt der vor gerade einem Jahrhundert – am 5. November 1810
– zu Burgpreppach in Unterfranken geborene und am 2. Dezember
1882 in Frankfurt am Main verblichene Dr. Leopold Stein einen der ersten
Plätze ein. Ausgerüstet mit dem ganzen reichen Schatz der jüdischen
Wissenschaft, aber auch der Bildung und Kultur seiner Zeit, und durchglüht
von der leidenschaftlichen Liebe zu seinem Volksstamme und zu seiner
Religion, hatte er es sich zur Lebensaufgabe gemacht, den freiheitlichen
und freisinnigen Ideen auch in Israel zum Siege zu verhelfen und
Hyperorthodoxie, Fanatismus, Unduldsamkeit und Rückständigkeit mit allen
Waffen seines glänzenden Geistes zu bekämpfen. Es erschien ihm des
Schweißes der Edelsten, namentlich der Rabbiner und Prediger, wert, das
Judentum mit dem Deutschtum zu versöhnen, die fortschrittlichen Gedanken
auch auf theologischem Gebiete zu verwirklichen und starre, morsch
gewordene und der Lebensfähigkeit entbehrende Dogmen zu beseitigen, ohne
freilich die Grundfeste der jüdischen beziehungsweise mosaischen Lehre
erschüttern zu wollen. Gleich einem Abraham Geiger, Ludwig Philippson,
Samuel Holdheim und andern namhaften Führern des fortschrittlichen
deutschen Judentums war auch er in Wort und Schrift bestrebt, den uralten
Schutt von verrotteten Überlieferungen, die mit dem Zeitbewusstsein in
schroffem Widerspruche stehen, aufräumen zu helfen. Doch wollte er nicht
nur niederreißen beziehungsweise das ohnehin Wankende, Schwankende und
des innern Halts Entbehrende abtragen, sondern auch auf den Trümmern
einer dem Untergang geweihten Kulturwelt ein neues, unerschütterliches,
in sich gefestigtes und zukunftsreiches Monumentalgebäude einer religiösen,
ethischen und moralischen Lebens- und Weltanschauung aufrichten.
Während jedoch die meisten anderen berufenen und auserwählten
Reformatoren des deutschen Judentums in erster Linie durch ihre
haarscharfen logischen Beweisführungen, ihre meisterhafte Dialektik und
ihre gründlichen Geschichtskenntnisse allen gebildeten und parteilos
denkenden Schichten des Gesellschaft die Notwendigkeit einer Reform zum
Bewusststein führten verfügte Leopold Stein neben diesen geistigen
Eigenschaften noch über eine andere seltene Gabe, die in erster Linie an
das Gemüt und an die Einbildungskraft appellierte, nämlich die der
Dichtung. Als Lyriker, Dramatiker, Erzähler, Parabeldichter und
hochbegabter Übersetzer beziehungsweise kongenialer Nachdichter hat er
die deutsche Literatur im allgemeinen und die Israelis insbesondere mit
einer Fülle anmutiger und lieblicher poetischer Schöpfungen bereichert,
die, ohne absichtlich reformatorische Zwecke zu verfolgen, dennoch unwillkürlich
durch den Schatz lichtvoller Gedanken und Ansichten fesselten und die
Herzen Israels gewannen.
|
Leopold Stein gebührt auch das Verdienst, dass er, was
leider so selten ist, nicht allein den Mut der eigenen Meinung und Überzeugung
hatte, sondern auch nie Anstand nahm, denselben auch öffentlich zu
bekennen, ohne Rücksicht nach unten und oben, ohne Furcht und Tadel, nur
seinem Gott und seinem Gewissen folgend.
In zahlreichen Artikeln, offenen Sendschreiben und Werken usw. hat
er mit größter Klarheit und Entschiedenheit seine Grundsätze
ausgesprochen und die Richtlinien seines Verhaltens als Rabbiner Prediger,
Lehrer und Führer in Israel vorgezeichnet. Mag hier nur aus dem offenen Sendschreiben,
das er am 7. Februar 1872 in seiner damaligen Eigenschaft als Prediger bei
der Emanuel-Westend-Union zu Frankfurt am Main an die Mitglieder der
israelitischen Gemeindeverwaltung zu Nürnberg gerichtet hat, einiges
hervorgehoben werden. Er stand zu jener Zeit als Rabbiner und Prediger in
der Nürnberger Gemeinde zur Wahl, doch nahmen einige Mitglieder daran
Anstoß, dass er angeblich die Speisegesetze einem nicht nach dem herkömmlichen
Ritual bereiteten öffentlichen Mahl sich beteiligt habe.
'Es sind also nicht meine seit so vielen Jahren in Wort und Schrift
kundgegebenen Gesinnungen,' so heißt es in diesem offenen Sendschreiben,
'es ist nicht das von mir an verschiedenen Orten, insbesondere in der
Rabbinerversammlung zu Breslau, bereits im Jahre 1846 gegen die
rabbinischen Speisegesetze abgegebene Urteil, nein, es ist lediglich die
Tat, die Bewährung meiner Grundsätze, welche mich zum öffentlichen
Lehrer der Religion in einer Gemeinde, die notorisch in ihrer überwiegenden
großen Mehrzahl in diesem Punkte denkt und handelt wie ich, ungeeignet
erscheinen lassen soll. Was also sonst in unserer bedeutungsvollen Epoche,
welche namentlich auf religiösem Gebiete Männer braucht, Männer, treu
in Wort und Tat, dem Mann zur höchsten Ehre gereicht, dem tief zu
beklagenden aufgeklärten Rabbiner der Neuzeit gereicht es zur Verdammnis.
Sein orthodoxer Kollege, den Schulchan Aruch als Panier in der Hand, ist
der Mann der Entschiedenheit, der Mann des Fortschritts, seine Fahne
tragend, worauf die Inschrift fehlt, ist der Mann der Halbheit. Das aber
ist der bedauerliche Umstand, woran wir leiden, dass, mag einer noch so
aufgeklärt sein, er die falsche Ansicht hegt: 'Wir können tun, was wir
wollen – der Rabbiner muss den althergebrachten Formen im Leben
huldigen', es ist jenes triviale, aller sittlichen Denkart entfremdete
Sprichwort: 'Der Kutscher muss nüchtern bleiben; die im Wagen sitzen, können
betrunken sein'. Aber nie und nirgends, weder in Bibel noch in Talmud,
habe ich gefunden, dass die Lehrer in Israel ihre Gemeinde vom hohen Sitze
aus geführt hätten. Die frommen Männer, die einfachen gingen voraus, um
nüchterne Führer ihrer nüchternen Gemeinden zu sein, die ihnen
vertrauensvoll nachfolgten, und, so meine ich, Vernunft und Religion
gebieten es, namentlich für unsere in religiösen Dingen so zerfahrene
Zeit, aufs dringendste, dass der Rabbiner in allem mit dem rechten
Beispiel vorangeht. Aber leider sind die Rabbiner der Gegenwart mehr Gefährte
als Führer. Das ist es, was unsere religiösen Zustände so unhaltbar
macht; die meisten jüdischen Gemeinden erziehen ihre Rabbiner zu
Heuchlern'.
Nun geht Leopold Stein an das offene Bekenntnis seines rabbinischen
Glaubensgrundsatzes, der sich in die Worte zusammenfassen lässt, dass er,
seit er fähig sei, sich durch Studium, Erfahrung und ungetrübtes Urteil
eine klare eigene Meinung zu bilden, auf biblisch-mosaischem Standpunkt
stehe. Er verwerfe keineswegs den Talmud, wie zum Beispiel die Karaoten,
vielmehr erkenne er verehrend an, dass der Talmud in der großen
Entwicklungsgeschichte des Judentums Großes geleistet habe, aber er sei
in seinem Gewissen in bezug auf die Religion verpflichtet, in dem Falle
anderer Meinungen zu ein als der Talmud, wo dieser durch Erweiterungen und
Erschwerungen tausendfacher Art das einfache Bibelwort in dessen Reinheit
und Lauterkeit beinträchtige. In dem hohen Geiste der mosaischen Gesetze
erkenne er eine göttliche Kundgebung und daher mit Moses Mendelssohn die
Verpflichtung der Israeliten zu deren Beobachtung an. Auch die mosaischen
Speisegesetze seiuen ihm heilig und er beobachte sie gewissenhaft. Aber im
Laufe trauriger Jahrhunderte haben die erschwerenden Speisegesetze eine
starre Form angenommen. Seitdem jedoch der Frühlingsodem eines milderen
Jahrhunderts die Starrheit überall gelöst und seitdem ein Hauch der
Liebe im Geiste der Annäherung über die Menschen gekommen, der aus Gott
sei und dessen die Israeliten, die solange die Parias der Menschheit
gewesen, sich am meisten zu erfreuen haben, sei es die Pflicht, ja sogar
ein heiliges von Gott gebotenes Werk, für das Judentum, dass es der sich
ihm nähernden Menschheit entgegenkomme und festhaltend an den biblischen
Grundgeboten manche starre Formen ablöse, Formen, die sich in den Tagen
des Geistesdrucks und der menschentrennenden Sonderheiten der reinen Lehre
angefügt und die Israeliten von der Welt abgeschlossen haben. Die erschwerenden
Speisegesetze und ähnliche Ritualien seien einst notwendig gewesen, um
die Juden von einer sie feindseligen Welt abzuschließen. Wie im Winter
zukunftsvolle Saaten unter einer kalten Schneedecke verborgen ruhen, so
haben sich eben die ewigen Lehren und Gebote der israelitischen Religion
unter jener Hülle geborgen und erhaltne in einer rauen Zeit. Nun aber
mache sich die neue Zeit mit ihren so sehr veränderten Anschauungen und
Forderungen gelten. 'Wir fragen', so sagt er wörtlich, 'kann das
rabbinische Speisegesetz in seiner unerbittlichsten Konsequenz beobachtet
werden von dem Geschäftsmann, der in entferntesten Gegenden Wochen und
Monate lang sich unter Nichtisraeliten erhalten muss? Und sagt nicht
unsere heilige Tora: 'Beobachtet meine Satzungen, welche der Mensch üben
soll, dass er durch sie lebe' und setzt nicht der Talmud |
selbst hinzu: 'dass er durch sie lebe, aber nicht, dass
er durch sie umkomme?' Und stellt er nicht an einem anderen Orte den
Grundsatz auf: 'Niemals dürfen die Rabbiner eine Erschwerung auferlegen,
wobei die Menschheit nicht bestehen könnte!' Wann und wo wir daher in
betreff der biblischen Speisegesetze, bei denen die Welt nicht mehr
bestehen kann, dem unberatenen Volke gewissenhaft Abhilfe leisten können,
da sollte es überall geschehen nach jenem über zeitgemäße Gesetzesänderungen
und überlieferten Ausspruch des großen Maimonides, welcher Theologe
und Arzt in gleicher hoher Berühmtheit war: 'Es ist besser, man nimmt ein
Glied ab, wenn man dadurch den Gesamtorganismus retten kann.'
…."
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zu einer Seite über Rabbiner Leopold Stein |
Zum Tod des aus Burgpreppach stammenden und in der
orthodoxen Judenschaft Frankfurts hoch bedeutenden Jacob Strauß
(1850-1931)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17.
Dezember 1931: "Jacob Strauß – das Andenken an den Gerechten
ist zum Segen. Frankfurt am Main, 16. Dezember (1931). Satt an Tagen, im
einundachtzigsten Lebensjahre, ist am fünften Tewes mit Jacob Strauß –
das Andenken an den Gerechten ist zum Segen – eine Persönlichkeit
abberufen worden, deren Wesen und Wirken von einer allem Repräsentativen,
allem Hervortreten abgeneigten Sprödigkeit überschattet war, und die es
gerade darum mehr als viele offizielle Größen verdient, dass man ihr
nun, da ein reiches Leben abgeschlossen vorliegt, in annähernder
Erkenntnis wenigstens gerecht zu werden versucht.
Jacob Strauß war ein Kind des altbayerisch-jüdischen Dorfmilieus, in
Burgpreppach stand seine Wiege. Das Burgpreppach jener Tage wird am besten
dadurch charakterisiert, dass inmitten eines kräftig pulsierenden
Gemeindelebens neben einem Raw von hervorragender Gelehrsamkeit, wie der
Heimgegangene oft erzählte, fünf oder sechs Baalebatim wirkten, die in
ihrer Jugend noch zu Fuß den Weg zu Rabbi Mordechai Baneth – das
Andenken an den Gerechten ist zum Segen – nach Nikolsburg zurückgelegt
hatten, um sch dort zu rechten Talmide Chachomim heranzubilden. In diesem
Milieu, in dem sich die urwüchsige Kraft lebendigen Torageistes mit der
problemlosen Ungebrochenheit dörflicher Naturnähe begegneten, wuchs die
Seele des Knaben ins Leben hinein. Hier entwickelten sich Charakter und
Intellekt zu seltener Harmonie und Gesundheit, und dort ward sicherlich
das Fundament gelegt, auf dem sich, in den Wander- und Lehrjahren in Fürth
und Karlsruhe gefestigt, die Eigenart der geistig-religiösen Persönlichkeit
des Heimgegangenen herausbildete. Das beherrschende Element in diesem
Innenleben war die Tora; ein reiches, sicheres Torawissen, das der Knabe
und Jüngling in sich aufgenommen, das der Mann und der Greis unablässig
Tag und Nacht gemehrt, es war von einem glänzenden Gedächtnis bewahrt,
und es schuf allmählich einen geradezu wunderbaren Instinkt für die
treffsichere Beurteilung jeder Lebenssituation unter dem Gesichtswinkel
der Halacha. Aber das war noch nicht das Besondere, das ihn auszeichnete.
Wohl aber darf man als ein Besonderes betrachten die Synthese einer in höchstem |
Maße kritisch angelegten, manchmal geradezu
hyperkritisch zu nennenden Geisteshaltung mit einer klassischen,
selbstverständlichen Gottesfurcht, wie sie nur wahrhafte
Toragelehrsamkeit erzeugen kann. Er hatte die Bildung der Zeit mit all
ihrem Rationalismus und Skeptizismus in vollen Zügen ergriffen, er war
gewöhnt, nirgends im Leben naiv zu glauben, sondern immer zu zweifeln und
zu prüfen – aber die ehrfürchtige Liebe zu dem in schriftlicher
Tora und mündlicher Tora niedergelegten Gotteswort, die Liebe
zum Talmud vor allem, hatte in seinem Innern gezündet..."
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