Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Kleinsteinach (Gemeinde Riedbach, Landkreis Hassberge) 
Der jüdische Friedhof
   

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde       
   
Siehe Seite zur Synagoge in Kleinsteinach (interner Link)   
  
  
Zur Geschichte des Friedhofes         
   
Der jüdische Friedhof in Kleinsteinach wurde bereits im 15. Jahrhundert angelegt (Urkunde von 1453). Der älteste Grabstein datiert aus dem Jahr 1596. Nach den Aufzeichnungen der Chewra Kadischa ("Heilige Bruderschaft") wurden auch die verstorbenen Juden aus zahlreichen umliegenden Gemeinden hier beigesetzt, darunter aus Friesenhausen, Haßfurt, Hofheim, Westheim, Schonungen, Knetzgau, Schweinshaupten, Aidhausen, Wonfurt, Remlingen, Lendershausen, Zeil u.a.m. Erhalten ist auch das Grab des Rabbi Schmuel Sohn des David Moshe Halevi aus Miedzyrzecz. Die letzte Beisetzung war laut Datum auf dem Grabstein Anfang 1942 des am 18. Januar verstorbenen Daniel Mahler s.A. Im unteren Teil des Friedhofes (mit großem Baumbestand) befindet sich das Tahara-Haus, in dem noch der originale Tahara-Stein zur Waschung der Toten vorhanden ist (siehe Fotos unten).
   
Zahlreiche Rabbiner und Gelehrte sind auf dem Friedhof beigesetzt.    
   
1894 wurde der Friedhof erstmals geschändet. Dabei wurden mehrere Grabsteine umgestürzt.  
   
1898
sammelte der damalige Lehrer Sichel Spenden für die Erneuerung des Grabsteines eines Gelehrten: 

Kleinsteinach Israelit 08061898.jpg (69951 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. Juni 1898: "Kleinsteinach (Bayern). In einer der früheren Nummern des 'Israelit' wurde der derzeitige Zustand der Grabstätte des berühmten Verfassers des 'Nachlath Schiwoh' bekannt gegeben und um Spenden zur Aufstellung eines neuen Grabsteines gebeten. Es sind schon welche eingegangen, doch noch weitere Gaben erwünscht. Sollte im Falle ein Überschuss sich ergeben, so wird solcher für die Entzifferung und Herstellung noch verschiedener sehr alter Grabsteine auf dem hiesigen Friedhof verwendet werden. Von allgemeinem Interesse wird es sein, wenn die Abschrift des berühmten Grabsteines veröffentlicht wird. Sie lautet (siehe Abbildung). N. Sichel, Lehrer". 

  
Im September 1925 wurde unter großer Anteilnahme der Öffentlichkeit ein Kriegerdenkmal zu Ehren der im 1. Weltkrieg gefallenen 17 jüdischen Männer der Gemeinden Kleinsteinach, Hassfurt, Hofheim, Schonungen und Westheim aufgestellt und eingeweiht; Distriktrabbiner Dr. Ksinski aus Burgpreppach hielt die Weiherede:   

Kleinsteinach BayrGZ 07101925.jpg (93661 Byte)Artikel in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 7. Oktober 1925: "Denkmalsenthüllung in Kleinsteinach. Unter zahlreicher Beteiligung der Distriktsgemeinden, der hiesigen Gemeindebehörde, des hiesigen Kriegervereins und des Kriegervereins von Westheim bei Haßfurt mit Fahnen fand heute auf dem hiesigen Distriktsfriedhofe die feierliche Enthüllung eines zu Ehren der im Weltkriege 1914-18 gefallenen 17 Heldensöhne der Distriktsgemeinden Kleinsteinach, Haßfurt, Hofheim, Schonungen und Westheim statt. 
Nach Absingen des 'Enosch kechozir jomov" - Psalm 103,15-17 durch Lehrer Blumenthal aus Hofheim hielt der Distriktsrabbiner Dr. Ksinski aus Burgpreppach die tief durchdachte, eindrucksvollen Gedächtnisrede, in welcher derselbe die Vaterlandsliebe und den Heldenmut der Juden zu allen Zeiten, trotz vielfacher Schmähungen und Zurücksetzungen besonders hervorhob unter Zugrundelegung der Textworte: Ech noflu gibaurim... ('Wie sind die Helden gefallen...'). Daran schloss sich das Seelengebet für die Gefallenen an, vorgetragen durch Lehrer Löw, dahier. 
Hierauf folgte die Übernahme des Denkmals für den Friedhofsbezirk durch Lehrer Blumenthal mit dem Gelöbnis, dasselbe zum Troste der schwergeprüften Familien der Gefallenen - darunter die 2 Söhne und Ernährer einer greisen Witwe aus Hofheim - stets in Ehren zu halten. 
Zum Schlusse brachte noch der 2. Bürgermeister, Lehrer Bertig dahier die besonderen Sympathien der hiesigen Gemeinde für die unter ihr lebenden jüdischen Glaubensgenossen und die hervorragenden Leistungen der Gefallenen zum Ausdruck unter Zugrundelegung der Worte: 'Wenn Tote schweigen, reden Steine und schloss mit der Mahnung, das gute Einvernehmen unter den hiesigen Konfessionen auch fernerhin stets aufrechtzuerhalten."

Inschrift des Kriegerdenkmals: "Wie sind gefallen die Helden, verloren gegangen die Waffen des Krieges! 2.Sam. 1,27. Zur Erinnerung an die im Weltkriege 1914-18 auf dem Felde der Ehre Gefallenen der dem Friedhofsbereich Kleinsteinach angeschlossenen Kultusgemeinden Kleinsteinach, Hofheim, Haßfurt, Schonungen und Westheim". Dazu die Namen (und Todesdaten): Max Neumann, Kleinsteinach; Max Strauß, Hofheim; Max Reus, Hofheim; Moritz Schuster, Hofheim; Julius Rosenbach, Hofheim; Jakob Strauß, Hofheim; Justin Fleischmann, Hofheim; Luitpold Frank, Haßfurt; Louis Frank, Haßfurt; Julius Silbermann, Haßfurt; Simon Rosenbaum, Schonungen; Isidor Steinberger, Schonungen; Benno Frank, Westheim; Max Pulver, Westheim; Raphael Frank, Westheim; 
   
In der NS-Zeit wurde der Friedhof mehrfach schwer geschändet, unter anderem 1940 durch eine Gruppe von etwa 50 Schülern unter Anleitung des Kleinsteinacher Lehrers Brünn (siehe Presseartikel in der "Main-Post" vom 6. Oktober 2015).    
   
Der Friedhof hat eine Größe von 122,24 ar.  
    

    
Lage des Friedhofes
   
   
Der Friedhof liegt ca. 1,5 km südöstlich von Kleinsteinach unweit des Sportplatzes.  
   
   
Fotos 

Historisches Foto 
(Quelle: Photo Archive 
Yad Vashem Jerusalem)
Kleinsteinach Friedhof 910.jpg (36171 Byte)
  Das Foto ist nicht datiert; es zeigt das Gefallenendenkmal im Friedhof  
     
Fotos von 2007 
(Hahn, Aufnahmedatum 27.5.2007)
    
Kleinsteinach Friedhof 161.jpg (128651 Byte) Kleinsteinach Friedhof 160.jpg (69832 Byte)   Kleinsteinach Friedhof 171.jpg (104295 Byte)
Eingangstor zum oberen/
neueren Teil
Hinweistafel
am Eingang 
 Grabstein mit Datum 25. Tewet (5)364 
= 29. Dezember 1603 
     
Kleinsteinach Friedhof 169.jpg (122761 Byte) Kleinsteinach Friedhof 170.jpg (121006 Byte) Kleinsteinach Friedhof P1010023.jpg (254575 Byte) 
Das Taharahaus im unteren/alten Teil nahe dem vorbeifließenden Bach 
      
 Grabstein für Rabbi Samuel Meseritz
 (Shmuel Halevi aus Meseritz - Polen)
 (gest. 1681; war zuerst Rabbiner in
 Bamberg, dann in Kleinsteinach)
 (Info mitgeteilt von Nadine Leuchter)  
   
    
      
Kleinsteinach Friedhof 172.jpg (130204 Byte) Kleinsteinach Friedhof 173.jpg (109962 Byte) Kleinsteinach Friedhof 174.jpg (131992 Byte)
Weitere Grabsteine aus dem 17. Jahrhundert 
 
Kleinsteinach Friedhof 175.jpg (131592 Byte) Kleinsteinach Friedhof 176.jpg (119789 Byte) Kleinsteinach Friedhof 177.jpg (100991 Byte)
Im alten Friedhofsteil (bewaldet)  Teilansichten im neueren Teil 
   
Kleinsteinach Friedhof 178.jpg (127674 Byte) Kleinsteinach Friedhof 179.jpg (106778 Byte) Kleinsteinach Friedhof 180.jpg (112027 Byte)
Teilansichten im neueren Teil
  
Kleinsteinach Friedhof 182.jpg (88834 Byte) Kleinsteinach Friedhof 181.jpg (106455 Byte) Kleinsteinach Friedhof 168.jpg (110559 Byte)
Blick zu den neuesten Gräbern 
über die unbelegt gebliebene Fläche 
   
Gefallenendenkmal des 
Ersten Weltkrieges, 
Inschrift siehe oben 
In der Reihe der Kindergrabsteine 
schöner Doppelgrabstein mit 
Mohnkapseln, Blumengebinde 
und ineinandergelegten Händen 
    
     
Kleinsteinach Friedhof 166.jpg (109872 Byte) Kleinsteinach Friedhof 165.jpg (107867 Byte) Kleinsteinach Friedhof 164.jpg (96520 Byte)
Grabstein für Moritz Hammelburger 
aus Haßfurt mit Levitenkanne
  
Grabstein für Juda und Ricka Schuster
 (Hofheim) mit Gedenkinschrift 
für Siegmund Schuster
Grabstein für Moses und 
Hannchen Reus
(Hofheim)
    
     
Kleinsteinach Friedhof 162.jpg (98489 Byte) Kleinsteinach Friedhof 163.jpg (132571 Byte) Kleinsteinach Friedhof 167.jpg (114911 Byte)
Grabstein für Seligmann Schloss 
aus Wonfurt 
Grabstein für Michael Vandewart und
 Karoline Vandewart geb. Heilbronner 
aus Lendershausen mit Gedenkinschrift
 für Friederike Vandewart
Grabstein für Daniel Mahler 
(1873-1942) 
       
           
     
Das Taharahaus mit dem Taharastein 
zur rituellen Waschung der Toten 
(Fotos: Elisabeth Böhrer,
 Aufnahmedatum: 23.5.2010)
Kleinsteinach Friedhof 471.jpg (145868 Byte) Kleinsteinach Friedhof 474.jpg (111411 Byte)
  Blick auf das Taharahaus Das Eingangstor
     
Kleinsteinach Friedhof 472.jpg (67553 Byte) Kleinsteinach Friedhof 470.jpg (77898 Byte) Kleinsteinach Friedhof 473.jpg (78834 Byte)
Im Inneren ist der Taharastein zur rituellen Waschung der Toten vorhanden. Vgl. Wikipedia-Artikel zu "Leichenwaschung"
     
     
     

Die Fotos in den nächsten drei Fotozeilen (von 2004) wurden von Klaus Kurre, Mainberg angefertigt und dürfen nicht ohne Genehmigung weiter verwendet werden. Hochauflösende Aufnahmen und weitere, hier nicht hinterlegte Bilder können per Mail bei Klaus Kurre angefordert werden.

Kleinsteinach Friedhof 101.jpg (109773 Byte) Kleinsteinach Friedhof 100.jpg (95710 Byte) Kleinsteinach Friedhof 102.jpg (85783 Byte)
Eingangstor Hinweistafel Taharahaus
     
Kleinsteinach Friedhof 106.jpg (93544 Byte) Kleinsteinach Friedhof 105.jpg (106643 Byte) Kleinsteinach Friedhof 104.jpg (97049 Byte)
Teilansichten des Friedhofes
 
Kleinsteinach Friedhof 103.jpg (74316 Byte) Kleinsteinach Friedhof 108.jpg (82024 Byte) Kleinsteinach Friedhof 107.jpg (79392 Byte)
Grabstein für Regina geb.
aus Lendershausen (gest. 1841)
In der Mitte Grabstein für 
Abraham Schloss aus Kleinsteinach 
Teilansicht 
   
     

Die (älteren) Fotos in den unteren beiden Fotozeilen sind von Jürgen Hanke, Kronach

Kleinsteinach Friedhof 140.jpg (69138 Byte) Kleinsteinach Friedhof 141.jpg (51622 Byte) Kleinsteinach Friedhof 143.jpg (62161 Byte)
Das Taharahaus  Blick zum Friedhof  Blick über den Friedhof 
     
Kleinsteinach Friedhof 144.jpg (49092 Byte) Kleinsteinach Friedhof 142.jpg (69979 Byte)   
Grabstein für Daniel Mahler 
(1873-1942) 
Grabstein für Nathan Sondheimer 
aus Lendershausen (1831-1888)
  
     

    
    
Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte  

Dezember 2009: Die Dokumentation von Cordula Kappner zu den jüdischen Friedhöfen im Kreis Haßberge wird im Internet zugänglich gemacht   
Artikel (ger) in der "Main-Post" vom 28. Dezember 2009 (Artikel): "KREIS HASSBERGE - Jüdische Grabmäler im Kreis Haßberge im Internet abrufbar. Haus für Bayerische Geschichte griff dazu auf die umfangreiche Dokumentation von Cordula Kappner zurück.  
Seit 26 Jahren befasst sich Cordula Kappner mit der jüdischen Geschichte des Landkreises Haßberge. Sie hatte interessierte Personen gebeten, sämtliche Grabsteine auf den jüdischen Friedhöfen in der Region zu dokumentieren. Diese Sammlung wird kommendes Jahr auf der Internetseite des Hauses für Bayerische Geschichte in Augsburg für Jedermann einzusehen sein.  
Laut Kappner gibt es im Kreis Haßberge acht, mittlerweile geschlossene jüdische Friedhöfe. Wie alle geschlossenen jüdischen Friedhöfe in Bayern unterstehen sie dem Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinde. Die Grabsteine sind überwiegend in Hebräisch beschriftet. Ende des 19. Jahrhunderts finden sich auf ihrer Rückseite aber auch Inschriften auf Deutsch, im 20. Jahrhundert auch auf der Vorderseite. 
Kappner hat sämtliche Grabdenkmäler im Kreis fotografiert. 16 Ordner umfasst ihre Dokumentation. Die Unterlagen über die Grabsteine in Burgpreppach, Ermershausen, Kleinsteinach, Limbach, Memmelsdorf, Schweinshaupten und Untermerzbach hat das Haus für Bayerische Geschichte in Augsburg eingescannt und für den Internetauftritt vorbereitet. Der wissenschaftliche Mitarbeiter Wolfgang Jahn übergab neulich die Dokumente wieder an Kappner, die diese in ihrem Privatarchiv im Schloss Gleisenau aufbewahrt. Evamaria Brockhoff, die für den Internetauftritt des Hauses für Bayerische Geschichte verantwortlich, ist, hatte die Unterlagen vor zwei Monaten erhalten. 'Christoph Dörr aus Ebelsbach hat die Ordner nach Augsburg gefahren', sagt Kappner. Sie fügt an, dass die Dokumentation über die 1083 Grabsteine im jüdischen Friedhof in Ebern von Schülern der dortigen Realschule ebenfalls an sie übergeben wurde. 'Auch diese Arbeiten werden ins Internet gestellt.' 
Es sei geplant, in den ersten Monaten des Jahres 2010 die Präsentation online bereitzustellen, teilt Jahn mit. Er berichtet, dass soeben der Band 39 der 'Hefte zur Bayerischen Geschichte und Kultur' mit dem Titel 'Der gute Ort. Jüdische Friedhöfe in Bayern' von Professor Christoph Daxelmüller erschienen sei. Zudem dokumentiere das Haus der Bayerischen Geschichte im Internet alle jüdischen Friedhöfe in Bayern sowie die KZ- und DP-Friedhöfe. 
Kappner erwartet sich durch den Internetauftritt vermehrt Anfragen von jüdischen Familien über ihre Angehörigen im Kreis Haßberge: 'Dazu sind meine Unterlagen aus den 36 Ausstellungen, die ich zwischen 1983 und 2009 organisiert habe, sehr wichtig.' Da die Dokumente über die jüdische Geschichte in den Haßbergen und, dank der Zusammenarbeit mit dem Kreisheimatpfleger aus dem Landkreis Rhön-Grabfeld, Reinhold Albert, im Osten des Grabfelds einen großen Umfang aufwiesen, sei sie froh, dass sie jetzt einen zweiten Raum im Schloss Gleisenau nutzen kann. 'Dafür bin ich der Gemeinde Ebelsbach und Bürgermeister Walter Ziegler dankbar.'"
  
Link: Internetportal des "Hauses der Bayerischen Geschichte": Jüdische Friedhöfe in Bayern" mit Bildern und Texten zu allen bestehenden und abgegangenen jüdischen Friedhöfe sowie den KZ- und DP-Friedhöfen  
 
Oktober 2015: Ein Zeitzeuge berichtet über die Schändung des Friedhofes 1938  
Artikel von Beate Dahinten in der "Main-Post" vom Oktober 2015: "KLEINSTEINACH. Friedhofs-Schändung auf dem Stundenplan
Als Zwölfjähriger zieht Otto Lang mit seinem Lehrer und seiner Klasse auf den jüdischen Friedhof in Kleinsteinach. Sie werfen Grabsteine um. 'Die ganze Lehrerschaft war braun', sagt er.

Der Hass gegen die Juden in der Nazi-Zeit hatte viele Gesichter. Eines davon: die Schändung jüdischer Friedhöfe. Allein auf dem Zentralfriedhof für den Haßfurter Bereich in Kleinsteinach gab es drei solcher Vorfälle. Aber nicht alle Täter wussten, was sie da taten. So wie die Schulkinder, die ihr Lehrer 1940 dorthin führte. 'Wir waren schon begeistert, wenn wir die Schule verlassen durften', berichtet Otto Lang am Ort des Geschehens. Für den damals Zwölfjährigen und seine Kameraden – etwas weniger als 50 Kinder aller Altersstufen – war die Wanderung eine willkommene Abwechslung zum Unterricht. Zumal es ein schöner Tag war, wie sich der Senior heute erinnert. Die Jahreszeit weiß er allerdings nicht mehr. Über Sinn und Zweck des Ausflugs machten sich die Kinder keine Gedanken und 'gesagt hat er nicht, was wir machen', erinnert Lang über Lehrer Brünn. Zusammen mit Cordula Kappner und Bernd Brünner vom Arbeitskreis Landjudentum ist Otto Lang, inzwischen 86, an den Ort des Geschehens zurückgekehrt. Elisabeth Vogl, die für das inhaltliche Konzept des Museums 'Jüdische Lebenswege' verantwortlich zeichnet, hat sich ihnen angeschlossen, ebenso Annette Nechwatal. Die Haßfurterin hatte den Kontakt zu ihrem Nachbar Otto Lang vermittelt. Nach Ansicht von Cordula Kappner ist es wichtig, dass die Ereignisse von damals nicht in Vergessenheit geraten.
Der frühere Eingang zum Friedhof, unten beim Tahara-Haus, muss seinerzeit offengestanden haben, vermutet Otto Lang, denn 'wir sind ohne Probleme reingekommen'. Was der Lehrer dann gesagt hat, wisse er nicht mehr. Jedenfalls: 'Wir sind kreuz und quer durch den Friedhof gerannt und haben Grabsteine umgeworfen. Dass welche zu Bruch gegangen sind, ist wahrscheinlich nicht auszuschließen.' Unwahrscheinlich ist jedoch, dass die Kinder die schweren Grabsteine weggehoben haben.
Wie viele Grabsteine wurden umgeworfen? 'Schwer zu sagen.' Otto Lang weiß nur noch, dass es im ganzen Friedhofsbereich war. Dabei waren die Kinder offenbar weder von Judenhass motiviert noch gab es andererseits welche, die moralische Bedenken hatten und nicht mitmachen wollten. 'Das war eine Gaudi für uns, wir haben uns keine Gedanken gemacht.' Abgesehen davon hätte es wohl niemand gewagt, sich dem Lehrer zu widersetzen. Die Frage, ob Brünn ein Nationalsozialist war, beantwortet lang eindeutig: 'Die ganze Lehrerschaft war braun.' Eine naheliegende Einschätzung: Für Andersdenkende war auch im Schulwesen kein Platz, sieben Jahre nach der Machtergreifung Hitlers und im zweiten Kriegsjahr.
Als Kinder hatten Lang und seine Mitschüler geglaubt, dass es sich um eine Einzelaktion ihres Lehrers handelte. Doch Schändungen von jüdischen Friedhöfen gab es immer wieder, in Kleinsteinach bereits 1894 und in den 1920er-Jahren, im November 1938, 1944 durch eine weitere Schulklasse und sogar noch 1947. Im Zuge des Novemberpogroms wurde auch der jüdische Friedhof in Limbach geschändet, ähnliches wird aus Burgpreppach berichtet.
Bereits 1926 kam es im Rahmen von antisemitischen Vorgängen zur Schändung des jüdischen Friedhofs in Memmelsdorf. Dass die Friedhöfe vom NS-Regime unter Naturschutz gestellt wurden, erscheint heute gelinde gesagt widersprüchlich. Otto Lang vermutet, es könnte sich um ein 'Mäntelchen' gehandelt haben. Jedenfalls mussten die Nazis später vielerorts mit Pickel und Schaufel auf die Friedhöfe ziehen und die Schäden beheben. Schändungen gab es aber auch noch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, etwa in Burgpreppach und Memmelsdorf.
Otto Lang war das Miteinander mit Menschen jüdischen Glaubens von Kindesbeinen an vertraut. Seine ersten Jahre hat er in Schwanfeld verbracht, wo es eine viel größere jüdische Gemeinde gab. Später zog die Familie nach Würzburg. Dort war Otto Langs Vater bei der Firma Fränkel beschäftigt, einer jüdischen Textilgroßhandlung. 1937 dann der Umzug nach Kleinsteinach. Dort hatte Otto Langs Vater das Haus der Familie Lichtenstetter gekauft. Diese bewohnte noch zwei Zimmer, bevor sie 1938 nach Amerika auswanderte. Gegenüber hatte ein Steinmetz seine Werkstatt. Otto Lang berichtet, dass er ihm fasziniert bei der Arbeit zugeschaut hat – auch bei der Arbeit an Grabsteinen für den jüdischen Friedhof. 'Das war ein Erlebnis.'
Seine Beteiligung an der Aktion auf dem Friedhof sah Otto Lang 'im reiferen Alter', in einem anderen Licht: 'So einen Mist habe ich gemacht', wurde ihm bewusst. Was die anderen angeht, fürchtet er, dass grade diejenigen, die damals besonders eifrig waren, heute nichts mehr davon wissen wollen. Ob Lehrer Brünn einen Sinneswandel vollzogen hat, ist nicht bekannt: Erkenntnissen von Cordula Kappner zufolge wurde er einige Wochen nach dem Vorfall zum Militär eingezogen und fiel in Rußland." 
Link zum Artikel     

    
     

Links und Literatur

Links:  

bulletWebsite der Gemeinde Riedbach (mit ausführlichen Informationen und zahlreichen Fotos zur jüdischen Geschichte
bulletZur Seite über die Synagoge in Kleinsteinach (interner Link) 
bulletDokumentation zum jüdischen Friedhof Kleinsteinach in der Website des Hauses der Bayerischen Geschichte: https://www.hdbg.de/juedische-friedhoefe/friedhoefe/nameframe/content_kleinsteinach.html   

Literatur:  

bulletIsrael Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern. Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit. A 85. 1988. S. 79-80.
bulletMichael Trüger: Der jüdische Friedhof Kleinsteinach. In: Der Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern. Jg. 1994 9. Jg. Nr. 64 vom Dezember 1994 S. 23.
bulletBaruch Z. Ophir/Falk Wiesemann: Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918-1945. Geschichte und Zerstörung. 1979 S. 340-341. 
bulletPublikation: "Die jüdischen Friedhöfe im Landkreis Haßberge". Hrsg. vom Landkreis Haßberge Neubearbeitung 2014. Online einsehbar (pdf-Datei).   

    
     

                   
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Stand: 30. Juni 2020