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zu den Synagogen in
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Eberbach (Rhein-Neckar-Kreis)
Jüdische Geschichte / Betsaal/Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In dem bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts zur Kurpfalz gehörenden Eberbach
lassen sich jüdische Bewohner zunächst im Mittelalter nachweisen. Bei
den Judenverfolgungen 1298 und 1349 wurden auch in Eberbach Juden
ermordet. 1380 wird ein Jude namens Lazron in der Stadt genannt.
Die Entstehung der neuzeitlichen Gemeinde geht in die Zeit Ende des 17.
Jahrhunderts zurück, als wieder einzelne Juden in der Stadt genannt werden:
zuerst 1683 Jud Moyses, im 18. Jahrhundert eine Familie Löw/Löb, 1803/06 drei
Familien. Das jüdische Wohngebiet konzentrierte sich im 18./19. Jahrhundert vor
allem auf die Kellereistraße.
Eine eigentliche Gemeinde bestand erst, als sich im Sommer 1831 fünf
Familien zusammenschlossen, um zeitweise einen jüdischen Lehrer einzustellen.
Die Zahl der jüdischen Einwohner entwickelte sich im 19. Jahrhundert
wie folgt: 1825 21 jüdische Einwohner (0,6 % von insgesamt 3.737 Einwohnern),
1861 35 (0,7 % von 4.906), 1871 64 (1,6 % von 4.105), 1880 57 (1,2 % von 4.830),
1895 110 (2,2 % von 5.039).
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde einen Betsaal/eine Synagoge
(s.u.), eine Religionsschule (der Unterricht wurde bis 1882 in Privathäusern
erteilt, seitdem in einem Raum der örtlichen Volksschule beziehungsweise seit
1893 in der Höheren Bürgerschule) sowie ein rituelles Bad (im 19. Jahrhundert
zunächst noch in Strümpfelbrunn
oder Zwingenberg,
bis um 1860 im Synagogengebäude Zwingerstraße 7 eine Mikwe eingerichtet
wurde). Die Toten der Gemeinde wurden zunächst in Hirschhorn
beigesetzt (1785 genannt), bis 1891 in Eberbach ein eigener Friedhof
angelegt wurde. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war zeitweise
ein Religionslehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig
war. Unter den Lehrern ist insbesondere Abraham Frohmann zu nennen, der
von 1902 bis zu seiner Zurruhesetzung 1927 in der Gemeinde tätig war (gestorben
1931). Die Gemeinde war dem Bezirksrabbinat Mosbach
zugeteilt.
Die höchste Zahl jüdischer Einwohner wurde um 1900 mit 138 Personen erreicht
(2,2 % von insgesamt 5.907 Einwohnern). Danach ging sie durch Aus- und
Abwanderung wieder zurück.
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde: Unteroffizier
Siegfried David (geb. 6.9.1895 in Eberbach, vor 1914 in Köln wohnhaft, gef.
23.4.1917).
Um 1925, als zur Gemeinde 72 Personen gehörten (1,1 % von insgesamt
6.793 Einwohnern), waren die Gemeindevorsteher Adolf David, Moritz Salomon und
Lehrer Abraham Frohmann. Lehrer Frohmann erteilt im Schuljahr 1924/25 neun
Kindern den Religionsunterricht. 1932 waren die Gemeindevorsteher Hermann Wolf
(1. Vors.), Alfred Freudenberger (2. Vors.) und Jakob Götz (3. Vors.).
An ehemaligen, teilweise bis nach 1933 bestehenden und in jüdischem Besitz
befindlichen Handels- und Gewerbebetrieben sind bekannt: Metzgerei
Ferdinand Bär (Kellereistraße 26, Haus 1945 abgebrannt), Kolonialwaren Adolf
David (Kellereistraße 9), Schuhgeschäft Aron David (Hauptstraße 14),
Eisenwaren und Werkzeuge Alfred Freudenberger (Hauptstraße 15), Viehhandlung
Jakob Götz (Neckarstraße 25), Textilgeschäft Benjamin Levy (Obere Badstraße
18, Haus 1945 abgebrannt), Metzgerei Israel Mayer (vor 1930, Backgasse 1),
Eisenhandlung David Östreicher (Obere Badstraße 21), Sägewerk Moritz Salomon
(vor 1930, Hirschhorner Landstraße 30), Manufakturwarengeschäft Zacharias
Seligmann (Kellereistraße 30, bestand von 1868-1908), Textilgeschäft, Schirme,
Möbel Hermann Wolf (Obere Badstraße 14).
1933 lebten noch 39 jüdische Personen in der Stadt (0,5 % von insgesamt
7,477 Einwohnern). Auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts, der
zunehmenden Entrechtung und der Repressalien ist der Teil dieser Personen in den
folgenden Jahren ausgewandert (insgesamt 15 in die USA und nach Argentinien)
oder in andere Städte verzogen. Kurz nach der Machtübernahme der
Nationalsozialisten 1933 wurde Simon Leibowitsch als KPD-Funktionär verhaftet
und im Lager Heuberg so misshandelt, dass er am 9. September 1933 dort starb. Im
April 1938 wurden noch 25 jüdische Einwohner in der Stadt gezählt. Beim Novemberpogrom
1938 wurde die Synagoge zerstört; die Schaufenster der noch bestehenden jüdischen
Geschäfte wurden eingeschlagen (Levy & Wolf in der Oberen Badstraße 14,
Eisenwarengeschäft Alfred Freudenberger Hauptstraße 15 und Gemischtwarenhandel
Adolf David in der Kellereistraße 9). Haupttäter waren SS-Leute der Eberbacher
Ortsgruppe 12/33, die in Zivil aufgetreten sind. Sechs Männer wurden in das KZ Dachau
eingeliefert. Fünf der jüdischen Einwohner (von 1933) sind bis 1940 in
Eberbach gestorben. Am 22. Oktober 1940 wurden aus Eberbach 17 jüdische
Personen in das Konzentrationslager Gurs in Südfrankreich deportiert. Von den
beiden jüdischen Frauen, die in sogenannter "Mischehe" verheiratet
waren, überlebte eine den Krieg in Freiburg im Breisgau, während die andere
bis zu ihrem Tod in Eberbach wohnen blieb.
Von den in Eberbach geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen
Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem, den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945", sowie des Stadtarchives und
der Darstellung von H. Joho "Vergiß nie", s.Lit.): Bertha
Baer (1906), Felice Baer (1902), Helen Benedek geb. Rothauser (1896), Bertha Brückheimer
geb. David (1860), Aaron David (1858), Adolf David (1860), Arthur David (1893),
Edwige David (1893), Eugenie David (1892), Karoline David geb. Rosenstein
(1866), Karoline David geb. Spiegel (1859), Oskar David (1887), Sophie David
(1894), Felicitas Eckstein geb. Freudenberger (1891), Anna Freudenberger (1899),
Johanna Freudenberger (1891), Henny Freudenberger (1889), Henri Freudenberger
(1889), Fanny Fuld (1880), Bertha Goetz (1869), Hannchen Goetz geb. Blumentfeld
(1862), Jeno Guth (1903), Isidor Israel (1882, "Stolperstein" in
Wertheim, Maingasse 17), Deszi Krauss (1920), Jeno Krauss
(1912), Simon Leibowitsch (1888), Flora Lohn geb. Davic (1891), Benjamin (Beni)
Levy (1855), Lazarus Mannheimer (1886), Lina Ottenheimer geb. Würzburger
(1872), Mina Rolef geb. Ottenheimer (1909), Josef Rothauser (1892), Juliette
Salomon (1879), Regina Salomon geb. Goldstein (1863), Bertha Seligmann (1885),
Fritz Seligmann (1890), Johanna Seligmann (1886), Sofie Seligmann geb. Goetz
(1854), Betty Traubermann geb. Simon (1880), Jolan Weiss geb. Rothauser (1894),
Max Würzburger (1873.
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet
1841 / 1885 / 1901 beziehungsweise eines Hilfsvorbeters (1908)
Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den
See-Kreis" von 1841 S. 514 (Quelle: Stadtarchiv Donaueschingen): "Mosbach
(Bekanntmachung).
Bei der israelitischen Gemeinde Eberbach ist die Lehrstelle für den Religionsunterricht
der Jugend, mit welcher ein Gehalt von 60Gulden nebst freier Kost, sowie der Vorsängerdienst samt den davon abhängigen Gefällen
verbunden ist, erledigt, und durch Übereinkunft mit der Gemeinde unter
höherer Genehmigung zu besetzen.
Die rezipierten israelitischen Schulkandidaten werden daher aufgefordert,
unter Vorlage der Rezeptionsurkunde und der Zeugnisse über ihren
sittlichen und religiösen Lebenswandel binnen 6 Wochen sich bei
diesseitiger Stelle zu melden. Auch wird bemerkt, dass im Falle weder Schulkandidaten noch
Rabbinatskandidaten sich melden, andere inländische Subjekte nach
erstandener Prüfung bei dem Bezirks-Rabbiner zur Bewerbung zugelassen
werden.
Mosbach, den 26. Januar 1841. Großherzogliche
Bezirks-Synagoge. Friedberg." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. April 1885:
"Mosbach am Neckar (Baden).
Auskündigung einer Religionsschul-Stelle.
Die mit einem festen jährlichen
Gehalt von 550 Mark, auch Schulgeld 2 Mark für jedes die Schule besuchende
Kind, sowie dem Vorsänger- und Schächterdienst mit den davon abhängigen, auf
ca. 300 Mark sich belaufenden Gefällen bei der israelitischen Gemeinde der
Amtsstadt Eberbach, diesseitigen Rabbinatsbezirks, wird andurch, weil z.Z. noch
unbesetzt, wiederholt zur Bewerbung ausgekündigt.
Berechtigte Bewerber, auch Nichtbadener, jedoch deutscher Nationalität, wollen
ihre diesbezüglichen Zeugnisse alsbald portofrei anher einsehen. Unverheiratete
Bewerber werden bevorzugt.
Mosbach, den 27. April 1885.
Das Großherzogliche
Bezirksrabbinat: S. Weil." |
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Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
18. November 1901:
"Vakanz.
Die mit einem festen Gehalt von 800 Mark und 5 bis 600 Mark
Nebenverdienst verbundene Religionslehrer-, Vorsänger- und
Schächterstelle in Eberbach ist auf 15. Februar 1902 neu zu
besetzen. Bewerber wollen ihre mit Zeugnisabschriften belegten
Gesuche innerhalb 14 Tagen bei uns einreichen.
Mosbach, 15. November.
Die Bezirks-Synagoge:
Dr. Löwenstein." |
Anmerkung: auf diese Ausschreibung hin
bewarb sich erfolgreich Lehrer Abraham Frohmann (siehe unten) |
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Ausschreibungen im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 24. Juli 1908: "Aus der Lehrerwelt.
Frankfurt am Main. Vakanzen. - Lambsheim
in der Pfalz (4300 Einwohner, 19 jüdische Familien), Lehrer, Vorbeter
und Schächter per sofort oder später, 700 Mark, freie Wohnung, 800 bis
1000 Mark Nebenverdienst. - Trabelsdorf
bei Bamberg (500 Einwohner, 15 jüdische Familien), Lehrer, Vorbeter und
Schächter per bald, 700 Mark, freie Wohnung und Heizung, 3-400 Mark
Nebenverdienst. - Eberbach in Baden,
Hilfsvorbeter für die hohen Feiertage, - Braunfels
an der Lahn (1500 Einwohner), 1300 Mark Gehalt. - Hechingen
in Hohenzollern (4400 Einwohner, 82 jüdische Familien), Lehrer und
Vorbeter, 1400 Mark Anfangsgehalt (2400 Mark Höchstgehalt), freie
Wohnung, 1000 Mark Nebeneinkommen. - Nordheim
a.d. Rhön (1200 Einwohner, 15 jüdische Familien), 1100 Mark
Gehalt." |
Zum Tod des Religionslehrer Simon Stern (1899, Lehrer in Eberbach bis
1888)
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. Mai 1899: "Schweinfurt, 3.
Siwan.
Heute Nachmittag, kurz vor Schabbat
Kodesch, erfüllten wir die traurige Pflicht, einem früh
dahingegangenen Freund das letzte Geleite zu geben. Herr Simon Stern, der
zuletzt 11 Jahre in Gochsheim als Religionslehrer, Schochet und Kantor
gewirkt hat, nachdem er bereits mehrere Jahre diese Funktionen in Eberbach, Bez.-Rabbinat Mosbach ausgeübt hatte, ist seinem qualvollen, tückischen
Leiden, das ihm seit mehr als einem Jahrzehnt ein furchtbares Martyrien
auferlegt hatte, im 33. Lebensjahre erlegen. Bereits seit dem Monat
Oktober des Vorjahres hatte er sein Amt in
Gochsheim aufgegeben, da ihm
die furchtbaren Schmerzen der Krankheit und die immer mehr überhand
nehmende Schwäche nicht mehr gestatteten, zu seiner Befriedigung seine
Pflichten zu erfüllen. Ungern sah ihn die Gemeinde scheiden! Denn Lehrer
Simon Stern war ein Muster als Mensch und Jehudi, dessen schlichtes,
aufrichtiges und bescheidenes Wesen jedem Achtung abrang und Liebe einflößte.
Er war ein Vorbild an Pflichttreue und ein wirklicher Pädagoge; er
verstand es bei seiner Sachkenntnis, seinem unermüdlichen Eifer und
seiner Liebe zu jedem einzelnen Kind, auch den Schwachen Kenntnisse zu
vermitteln. Die schon seit Jahren an Schmerzen überreiche Krankheit, ließ
ihn doch nicht um Haaresbreite von dem Weg der strengsten Pflichterfüllung
abweichen, wiewohl seine Stelle, mit der noch eine Filiale verbunden ist,
nicht geringe Anforderungen an ihn stellte. Simon Stern war aber vor allem
eine Zierde seines Standes; seine ideale Auffassung des Lehrerberufes, die
Selbstlosigkeit, mit der er ihm oblag, verdienen Bewunderung. In der Tat
haben ihn auch seine Kollegen zum Beweis ihrer Hochachtung in die
erweiterte Vorstandschaft
des israelitischen bayerischen Lehrervereins während der letzten Jahre
gewählt.
Wer mit den Verhältnissen der Israeliten auf dem Lande, zumal in unserer
Gegend, vertraut ist, der weiß, welchen Einfluss ein tüchtiger,
gesinnungstreuer Lehrer zu üben vermag, welchen Verlust darum der Tod
eines solchen darstellt; mit Fug und Recht dürfen wir ausrufen. … Diese
Empfindungen beherrschten denn auch alle Teilnehmer der Beerdigung auf dem
Friedhof in Euerbach, wo sich alle die Kollegen, denen es trotz der
Sabbatnähe zu erscheinen möglich war, eine Deputation der Gemeinde
Gochsheim und Distrikts-Rabbiner Dr. Stein aus
Schweinfurt, außer den übrigen
zahlreichen Freunden und Bekannten und Leidtragenden eingefunden hatten.
Rabbiner Dr. Stein konnte nur seinem Bedauern Ausdruck verleihen, dass die
Sabbat- und Festesnähe es ihm nicht gestatte, dem Verblichenen, dem er
nicht nur als Vorgesetzter, sondern auch als wahrer Freund gegenübergestanden
hatte, den verdienten, ehrenvollen Nachruf zu widmen. Seine
Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens. S." |
Lehrer M. David wirbt für seine Pension (1892/1893)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. April 1892:
"In dem reizend gelegenen Städtchen Eberbach am Neckar,
bevorzugt durch seine herrliche, gesunde und nervenstärkende Berg- und
Waldluft finden Kurgäste und Reisende Kost und Logis zu mäßigen Preisen
bei M. David, Lehrer und Kantor." |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. Juni 1893:
"Luftkurort Eberbach am Neckar. Kurgäste erhalten streng
rituelle Kost zu billigen Preisen bei M. David, Lehrer." |
Zum 40-jährigen Dienstjubiläum von Lehrer Abraham
Frohmann (Lehrer in Eberbach seit 1902)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. Oktober 1924:
"Eberbach (Baden), 21. Oktober. Die jüdische Gemeinde in Eberbach
hat in diesen Tagen das 40jährige Dienstjubiläum ihres Lehrers, Herrn
Abraham Frohmann, gefeiert. 22 Jahre dieser langen Zeit hat der
verdienstvolle Jubilar in unserer Gemeinde gelebt und gewirkt. In die
denkbar schwierigsten Verhältnisse, auf einen außerordentlich
schwierigen Vorposten gestallt, hat Herr Frohmann es in mustergültiger
Aufopferung verstanden, Gegensätze zu überbrücken und eine seltene
Harmonie unter den Mitgliedern der Gemeinde zu schaffen; nicht zuletzt ist
seinem in jeder Hinsicht tadellosen Charakter die geachtete Stellung zu
danken, die die jüdischen Bürger in unserer Stadt einnehmen.
Deshalb ist es selbstverständlich, dass nicht nur die gesamte jüdische
Glaubensgemeinschaft, sondern auch die christliche Gemeinde freudigen
Anteil an dem Freudentage des Jubilars genommen hat. Besonders die
Direktion der Oberrealschule, an der unser Lehrer schon seit 22 Jahren
wirkt, hat in einem erfreulich herzlichen Schreiben ihrer Freude darüber
Ausdruck verliehen, dem allseits verehrten Lehrer ihre aufrichtige
Anerkennung aussprechen zu dürfen. Die größte Genugtuung dürfte der
Jubilar aber wohl aus der Tatsache schöpfen, dass alle seine Schüler,
die heute zum großen Teil in der Welt zerstreut sind, dankbar der
jüdischen Erziehung gedenken, die sie in ihrem Unterricht genossen haben.
Wohl keiner von ihnen wird wohl je in seinem Leben ganz die Worte
vergessen können, die ihnen von dem jüdischen Lehrer mit auf den
Lebensweg gegeben wurden. Zu einer Feier von ganz besonderer Würde wurde
der Gottesdienst am Schlussfest der Sukkotfeiertage, als der Jubilar in
einer zu Herzen gehenden Predigt zu seiner Gemeinde Sprache. Mit ihm
wollen wir hoffen, dass es dem Jubilar noch recht lange vergönnt sein
möge, zu wirken und zu schaffen, ein unübertreffliches Vorbild treuer
Hingabe an Pflicht und inneren Beruf." |
Lehrer Frohmann geht in den Ruhestand
(1927)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. Juli 1927:
"Eberbach (Baden), 1. Juli (1927). Herr Abraham Frohmann wurde
auf sein Ansuchen aus Gesundheitsrücksichten in den Ruhestand versetzt,
nachdem er uns mehr als 25 Jahre in seiner Eigenschaft als Vorbeter und
Lehrer unvergesslich wertvolle Erziehungsarbeit geleistet hat. Die zwei
Schüler-Generationen sehen ihn mit schmerzlichem Bedauern aus dem Amte
scheiden; sie verlieren in ihm ein Stück froher Jugenderinnerung und
bester Tradition. Er war und wurde ihnen Sinnbild rastloser
Pflichterfüllung, sich selbstbescheidender Hingabe an die Idee des
Erhabenen und Gewaltigen, eines religiösen Allgefühls, das ihn in
tiefster Seele erfüllte. Der pädagogische Grundakzent seiner religiösen
Haltung, wie seine seelsorgerische Übung lag nicht so sehr im
Methodischen, wie im Gemüthaften. Und das ist das Wertvollere bei unserer
kleinen Gemeinde. Nach außen hin von beispielloser Zurückhaltung, die
Würde des Judentums überzeugend repräsentierend und für es Achtung
heischend, nach innen ausgleichend und überbrückend, zusammenhaltend und
klärend, ruhender Pol in der Erscheinungen Flucht - so steht sein Bild
vor unseren Augen. Seine Freunde und Schüler vereinigen sich in den
heißesten Wünschen für ein langes Leben an der Seite seiner Gemahlin
und im Kreise der ihn Verehrenden." |
Zum Tod von Lehrer Abraham Frohmann (1931)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. Oktober 1931: "Lehrer
Abraham Frohmann - das Andenken an den Gerechten ist zum Segen - Eberbach,
26. Oktober (1931).
Von einem der letzten Schüler des Verstorbenen erhalten wir folgende,
absichtlich persönlich gehaltene Würdigung: Zwei Generationen wanderten
als Schüler an Abraham Frohmann vorüber, zwei Generationen, deren
Gefühl für die Ethik des Judentums von ihm wachgerufen und geprägt,
zwei Generationen, deren innere religiöse Haltung von ihm markiert wurde.
Denn Erziehung bedeutete für ihn niemals nur einseitig
verstandesmäßiges Lernen und Üben des Religionsgesetzes. Für ihn war
die Einbeziehung der frommen Tat in den Begriff der Frömmigkeit selbstverständlich
und die religiösen Begriffe der Demut und Liebe haben in seinem Munde und
in seiner Übung jenes Maß von Verlebendigung erfahren, das den
gesetzestreuen Juden auszeichnen soll. Ohne sich je anders als im
innersten Wesen getroffen zu fühlen von den Angriffen, die aus Unkenntnis
oder bösem Willen gegen seinen Glauben und dessen Institutionen geführt
wurden, hat er doch nie versucht, aus seiner tiefen Kenntnis der
jüdischen Moral und ihrer Gebote ein Streiter im kleinlich-gehässigen
Kampfe des Alltags zu sein. Die angeborene Würde und Vornehmheit seines
Charakters geboten ihm Schweigen; in seinem Innern aber stärkten sie
seine Heilshoffnung auf Gottes Hilfe, wie sie dem Judentum verheißen ist.
Aber nie hat er versäumt und gezögert, zur Selbstbesinnung aufzurufen
und auch nachdem er (sehr wider seinen Willen) aus gesundheitlichen
Gründen vor wenigen Jahren gezwungen ward, seine 30-jährige Tätigkeit
als Lehrer und zum größten Teil auch als Vorbeter einzustellen, hat er
immer wieder beschwörend und mahnend auf die großen Taten der
gottfürchtigen Großen in der jüdischen Geschichte hingewiesen, deren
Leben und Wirken er als verpflichtend und richtunggebend ansah.
Die wichtigen innerjüdischen Fragen der Gegenwart: Zionismus und
Deutschjudentum, waren für Abraham Frohmann keine Probleme
grundsätzlicher Natur. Er sah diese Faktoren nur unter dem Gesichtspunkt
des jüdischen Glaubens. Nur sprachliches Verstehen der jüdischen Gebote
und Gebete war für ihn lediglich Voraussetzung. Mittelpunkt und Ziel
seines Strebens war das Bemühen, den Geist des Judentums, das war ihm der
Geist der Demut und ehrfürchtigen Liebe, das 'Dienen dem Herrn in Freude'
(Psalm 100,2), seinen Schülern, die alle seine Freunde waren,
einzupflanzen, und alle seine Schüler, die einen Hauch seines Geistes
verspürt haben, danken ihm jetzt und immer für alle Güte, für alle
väterlich-nahe Liebe. Dr. S.D." (vermutlich
von Dr. Sante David verfasst) |
Aus dem jüdischen Gemeindeleben
Bei J. Östreicher können Kurgäste koschere Verpflegung erhalten (1890)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. Mai 1890:
"Kurgäste, welche auf Koscher-Kost reflektieren, können solche
haben bei
J. Oestreicher, Eberbach am Neckar." |
Politische Versammlung - gegen den Antisemitismus
(1893)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. März 1893:
"Eberbach (Baden), 19. Februar. Am 12. Februar wurde in dem großen
Saale und dessen Nebenzimmer von Heinrich Holloch von der
nationalliberalen Partei eine Versammlung abgehalten, welche so zahlreich
besucht war, wie schon lange keine derartige Versammlung.
In derselben sprach Herr Geheime Hofrat Dr. Meyer aus Heidelberg über die
Militärvorlage und berührte zum Schlusse die Agitation der Antisemiten.
Er bat die Anwesenden mit aller Kraft den Antisemiten entgegen zu
arbeiten. Die nationalliberale Partei sei bestrebt dem Wucher und der
unreellen Geschäftsausbeutung durch strenge Gesetzgebung entgegen zu
treten und damit ungesunde Zustände wegzuschaffen. Aber dem Rassenhasse
Vorschub zu leisten und einem Volke, welches Jahrhunderte hindurch sich
nur dem Handel hat widmen können, da es kein Bewerbe und Landwirtschaft
betreiben konnte, auf einmal alle Lebensfäden abzuschneiden, könnte sich
die nationalliberale Partei nicht bereit erklären. Herr Lehmann Strauß
von hier, sprach dem verehrlichen Redner im Namen seiner Glaubensgenossen
den tief gefühlten Dank aus." |
Treffen der süddeutschen jüdischen Jugendvereine in
Gaimühle-Eberbach am 14. August 1927 (1927)
Anmerkung: Zur Geschichte des Stadtteiles Gaimühle in der Website der Stadt
Eberbach: http://www.eberbach.de/pb/,Lde/265745.html
Artikel in der "Gemeindezeitung für die Israelitischen Gemeinden
Württembergs" vom 1. September 1927: "Stuttgart. Am 14. August
fand ihn Gaimühle-Eberbach das erste süddeutsche Treffen der jüdischen
Jugendvereine statt. Es waren die Vereine von Stuttgart, Frankfurt, Speyer,
Mainz, Bruchsal, Karlsruhe, Pforzheim und anderen Städten, sogar Vertreter
der Jugendvereine Hamborn und aus dem Saargebiet anwesend. Der
Bertold-Auerbach-Verein war mit 25 Mitglieder vertreten und hat einen großen
Teil der ausgetragenen Sport-Wettkämpfe an sich gebracht. An den
Veranstaltungen nahm auch Herr Landgerichtsdirektor Stern-Stuttgart teil.
Leider tat das schlechte Wetter dem Verlauf der Tagung Abbruch. Wir werden
in einem ausführlichen Bericht in der nächsten Nummer auf das Jugendtreffen
zurückkommen." |
|
Artikel in der "Gemeindezeitung für die Israelitischen Gemeinden
Württembergs" vom 16. September 1927: "Stuttgart: das Treffen
der süddeutschen jüdischen Jugendvereine in Gaimühle-Eberbach am 14. August
1927. Eine Einladung des Vereins 'Montefiore-' rankfurt am Main führte
am 14. August dieses Jahres in Gaimühle Gruppen der verschiedenen jüdischen
Jugendvereine aus Frankfurt, Mainz, Karlsruhe, Pforzheim, Bruchsal,
Stuttgart und anderen Städten zusammen. Im Programm waren sportliche
Wettkämpfe am Vormittag und gemeinsames Beisammensein in geselliger Form am
Nachmittag vorgesehen.
Leider entsprachen die Vorbereitungen an Ort und Stelle nicht den
Erwartungen, die sich an die Einladung knüpften. Die Leitung des Tages
(Montefiore-Frankfurt) hatte es versäumt, sich einen Sportplatz zu sichern
und die Teilnehmer mussten sich damit abfinden, die Sprinterkämpfe auf eine
Landstraße verlegt zu sehen, die zu allem Übel technisch in jeder Hinsicht
zu Wettläufen ungeeignet war. Der Mangel an Vorbereitungen zu den Starts
ließ keine flotte Abwicklung der einzelnen Läufe zu, sodass, als gegen 12
Uhr ein heftiger Regen einsetzte, knapp fünf Konkurrenzen ausgetragen waren,
die infolge der Unzulänglichkeit der Bahn völlig unmaßgebliche Resultate
erzielten. Eine Fortsetzung dieses Fiaskos ergab sich weiterhin aus der
Unmöglichkeit, ein gemeinsames Mittagessen abzuhalten, da keines der
umliegenden Gasthäuser infolge fehlender Benachrichtigung imstande war, den
Andrang der zahlreich Erschienenen zu bewältigen.
Den Bemühungen tatkräftig einschreitender Gäste gelang es, wenigstens für
den Nachmittag in Eberbach einen Saal zu reservieren, der es ermöglichte,
die zusammen etwa 200 Teilnehmer unterzubringen. Eine Feierstunde, bei der
Fritz Schwarzschild - Wiesbaden eine inhaltlich treffende Rede hielt,
schwelgte in sentimentaler Romantik und konnte nur wenig befriedigen. Man
war sehr erstaunt, bei dieser Gelegenheit feststellen zu müssen, dass die
für die Jugendbewegung doch immerhin ereignisreichen Jahre seit 1922
mancherorts nichts geändert haben. An den Vortrag von Lyrik, Liedern und
Instrumentalmusik schloss sich die einzige gemeinsame Mahlzeit an: ein
Vesper. Der Rest des Mittags wurde bei gutem Wetter und erfrischenden
Debatten am schönen Eberbacher Neckar zugebracht.
Zusammenfassend muss man feststellen, dass der eigentliche Zweck der
Zusammenkunft, nämlich die Annäherung fremder, in einem Verband zu
gemeinsamer Arbeit zusammengeschlossener junger Menschen, nur in einem
minimalen Grad erreicht wurde. Man kann den Einberufern des Treffens den
Vorwurf nicht ersparen, da sie sich durch die mangelhafte Organisation des
Tages einen positiven Erfolg fast unmöglich gemacht haben. Die anwesenden
Vertreter des Bertolt-Auerbach-Vereins Stuttgart haben mit Recht die Mängel
der Veranstaltung gerügt und sich erboten, das nächstjährige süddeutsche
Treffen in Stuttgart stattfinden zu lassen. Für eine geregelte und
ordentliche Abwicklung des Programms wird dann gesorgt werden. Dem sehr
zahlreich vertretenen Bertolt-Auerbach-Verein gelang es, die Mehrzahl der
veranstalteten Kämpfe zu gewinnen. Max Gellhorn. " |
Berichte zu
einzelnen Personen aus der Gemeinde
Oscar David erhält das Eiserne Kreuz II (1916)
Meldung
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 1. Dezember
1916: "Eberbach am Neckar. Offiziersaspirant Vizefeldwebel Oscar
David, Sohn des Fabrikanten Albert A. David, erhielt das Eiserne Kreuz 2.
Kl." |
Über Prof. Sante David (geb. 1908 in Eberbach,
gest. 2007)
Sante David: Germanist, Kunsthistoriker, Sprachwissenschaftler; nach 1933 Prof. für deutsche Literatur an der Universität Bologna, 1950 in Siena; erhielt deutsche und italienische Auszeichnungen, darunter 1982 den Ehrenring der Stadt Eberbach (referierte noch 2000 in Eberbach). |
Artikel
vom 16. Januar 2008 aus www.neckartal-aktuell.de
(Online-Magazin für Eberbach und Umgebung, Artikel):
Prof. Dr. Dr. Sante David verstorben (Foto: Archiv)
(hr) Prof. Dr. Dr. Sante David, Träger des Ehrenrings der Stadt Eberbach in Gold, ist am 2. Dezember 2007 im Alter von 99 Jahren verstorben. Zuletzt lebte er bei Florenz in Italien.
Sante David wurde am 3. April 1908 in Eberbach geboren. Nach Abitur, Studium und Promotion siedelte er 1933 nach Italien über, um der drohenden Judenverfolgung des Nazi-Regimes zu entkommen. Nach einer zweiten Promotion lehrte er deutsche Literatur an der Universität in Bologna. In Italien bekam David den Mussolini-Faschismus zu spüren und musste sich von 1939 bis 1943 meistens zwangsweise in Gebirgsdörfern aufhalten. Ab 1943 arbeitete er als Dolmetscher für die alliierte Militärregierung. 1945 konnte er seine Lehrtätigkeit in Bologna wieder aufnehmen. Es folgten Professuren in Siena und Buffalo (USA) sowie zahlreiche Publikationen. Sante David wurde für seine Verdienste um das kulturelle Erbe in Literatur und Kunstgeschichte und seine Persönlichkeit unter anderem mit dem großen Bundesverdienstkreuz, dem Orden eines Cavaliere Ufficiale der Republik Italien und der Ehrenmitgliedschaft in der Deutsch-Italienischen Gesellschaft ausgezeichnet.
Trotz des großen Leids, das seiner Familie durch Nazi-Deutschland zugefügt wurde - fünf Geschwister verlor er durch den NS-Terror -, hat Prof. Dr. Dr. Sante David sich immer für die Versöhnung mit seiner Heimat eingesetzt. Bereits 1982 wurde ihm der Ehrenring der Stadt Eberbach in Silber verliehen. In Eberbach war David häufig zu Vorträgen über italienische und deutsche Kunstgeschichte zu Gast. Der goldene Ehrenring wurde ihm im Oktober 2002 verliehen. |
|
Vgl. Artikel von Raimund Klingbeil:
Sante (Siegfried) David. Für "Alemannia Judaica" erstellt Januar 2020
(eingestellt als pdf-Datei). |
Über Rabbiner Dr. Alfred Wolf (geb.
1915 Eberbach, gest. 2004 Los Angeles)
Über Prof. Hermann Freudenberger (geb.
1922 Eberbach, gest. 2017 Houston)
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Anzeige der Fa. Hermann David (1886)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. Dezember 1886:
"Prima Lederappretur - Prima Kidledercreme, Prima Metallputzpomade
fabriziert als Spezialitäten Hermann David, Eberbach in Baden. Agenten
gesucht." |
Anzeige der Fa. Z. Seligmann (1902)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. Juli 1902:
"Ärztlich empfohlenen, abgelagerten Heidelbeerwein aus eigener
Kelterei (vorzüglicher Tischwein) als gesundes und erfrischendes Getränk
sehr beliebt, versendet in Flaschen und Fässer
Z. Seligmann,
Eberbach a.N., Baden. Probe zu Diensten." |
Anzeige des Eisen- und Maschinengeschäftes Lehmann Strauß Nachfolger
(1903)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 31. August 1903: "Suche
per 1. Oktober einen Lehrling mit schöner Handschrift bei freier
Kost und Logis.
Lehmann Strauß Nachfolger, Eisen- und Maschinengeschäft. Eberbach
am Neckar (Baden)." |
Anzeige der Privat-Pension der Witwe B. Bär beziehungsweise Bär-May (1927 /
1929 / 1930)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. Juni 1927: "Luftkurort
Eberbach a.N.
Empfehle meine streng rituelle Privatpension bei bekannt
bester Verpflegung und billigen Preisen an angenehmer Aufenthalt.
Herrliche Wälder, Wasser- und Rudersport. Bad im Hause.
B. Bär Witwe, Kellereistr. 26." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. Juli 1929:
"Luftkurort Eberbach am Neckar.
Privat-Pension Bär-May
empfiehlt
angenehmen Aufenthalt bei bester Verpflegung - volle Pension Mark 5. -
Frühzeitige Anmeldung erwünscht. Unter Aufsicht Seiner Ehrwürden Herrn
Rabbiner Greilsheimer Mosbach Baden." |
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Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. Mai 1930: "Die
Metzgerei und Pension Bär - May in Eberbach am Neckar bietet bei mäßigen
Preisen beste Unterkunft und Verpflegung. vorherige Anmeldung ist erwünscht.
Die Aufsicht hat Herr Rabbiner Greilsheimer in Mosebach in Baden. Näheres
Inserat."
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. Mai 1930: "Metzgerei
und Pension Bär - May Eberbach am Neckar
bietet bei mäßigen Preisen das Beste an Unterkunft und Verpflegung.
Vorherige Anmeldung erwünscht.
Aufsicht Seiner Ehrwürden Herrn Rabbiner Greilsheimer.
Mosbach in Baden." |
Zur Geschichte des Betsaals / der Synagoge
Von mittelalterlichen Einrichtungen ist nichts bekannt. Möglicherweise war hierfür die Zahl der Juden in der Stadt zu gering.
Erst im 19. Jahrhundert wuchs die Zahl der jüdischen Einwohner so, dass an eigene Einrichtungen zu denken war.
1833 wurde auf Anordnung der Großherzoglichen Regierung in Eberbach ein Synagogenrat gewählt. Dieser war für das religiöse Leben in der Gemeinde zuständig. Bald machte sich der Synagogenrat gemeinsam mit der Gemeinde dazu Gedanken, ob in Eberbach Einrichtungen einer jüdischen Gemeinde geschaffen werden könnten. Dies war jedoch ein großes finanzielles Problem. Als im August 1835 eine die Erhöhung der Besoldung des Bezirksrabbiners in Mosbach betreffende Anfrage an die Eberbacher Gemeinde kam, wies diese darauf hin, dass die Eberbacher Juden keinen höheren Betrag für den Rabbiner bezahlen könnten. Sie seien dazu umso weniger im Stande, "als wir eine Synagoge und ein Bad brauchen, welche wegen Unbemitteltheit der Gemeinde nur aus einer Kollekte hergerichtet werden könne". Damals bestand die Gemeinde aus sechs Familien.
1837 regte der Mosbacher Bezirksrabbiners Isak Friedberger den Bau einer Synagoge beziehungsweise die Einrichtung eines Fonds zu diesem Zweck in Eberbach an. Vermutlich hatten die inzwischen sieben jüdischen Familien (1840) bereits ein
Betzimmer in einem Privathaus eingerichtet. Am 6. April 1839 wurde der Antrag an die Stadt gestellt, eine Synagoge bauen zu dürfen. Dieser wurde abgelehnt mit Hinweis auf die "geringe Seelenzahl", da der Bau mindestens 1.500 Gulden kosten würde. Erst 1849 nahmen die Planungen konkretere Formen an. Die Stadt war bereit, der jüdischen Gemeinde entgegenzukommen. Freilich kam es erst Ende 1860 zum Erwerb eines Hauses für den Umbau zur Synagoge und den Einbau eines rituellen Bades (Gebäude Eckhaus Zwingerstraße 7/Binnetzgasse, Lagerbuch Nr.
656; bisheriges Haus des Bierbrauers Schmitt am Neckar). Da die Gemeinde für den Ankauf 900 Gulden aufzubringen hatte, bat man um Bewilligung einer Kollekte bei den jüdischen Gemeinden einer weiteren Umgebung, die im August 1860 genehmigt wurde. Mit Hilfe dieser Kollekte, eines städtischen Zuschusses von 100 Gulden, einer Spende von 50 Gulden durch die Fa. Rothschild Söhne in Frankfurt und einer Umlage unter den Gemeindegliedern kamen schließlich die Mittel zusammen, damit die kleine israelitische Gemeinde in Eberbach ein ein Zentrum ihres Gemeindelebens hatte. Der Betsaal befand sich im oberen Stock des Hauses. Bis
1897 feierte die Gemeinde ihre Gottesdienste in diesem Gebäude. Danach mussten sie wegen Baufälligkeit des Hauses in provisorischen Räumen (zeitweise in einem Zimmer des Turnhallengebäudes) abgehalten
werden, von November 1900 bis Frühjahr 1901 im Spritzenhaus der Turnhalle.
Ein im Jahre 1896 von Synagogenrat Zacharias Seligmann eingerichteter Fond zum Bau einer neuen Synagoge bildete schließlich die Grundlage zur Finanzierung eines Synagogenneubaus.
1912/13 konnte dieser an der heutigen Einmündung der Adolf-Knecht-Straße in die (1951 angelegte) Brückenstraße erstellt werden. Am
19./20. September 1913 war die feierliche Einweihung des Gebäudes, zu der zahlreiche Vertreter von Behörden und der Kirchen versammelt waren. Bezirksrabbiner Dr. Leopold Löwenstein nahm die Einweihung vor. Der Festzug, an deren Spitze vier Träger die Torarollen trugen, bewegte sich unter den Klängen der Eberbacher Musikkapelle vom bisherigen Betsaal zu der neuen Synagoge. Dort überreichte Oberamtmann Schmitt den Synagogenschlüssel an Dr. Löwenstein. Der feierliche Gottesdienst wurden von Gesängen des Mannheimer Synagogenchores umrahmt. Beim anschließenden Festbankett in der Turnhalle erklärte Bürgermeister Dr. Weiß, dass die städtischen Behörden "in strengster Neutralität" auch das neue jüdische Gotteshaus in ihren Schutz nähmen und wünschte der jüdischen Gemeinde ein ferneres Wachsen, Blühen und Gedeihen. Zu den Kosten von 17.000 Mark für den Bau der Synagoge hatte die Stadt einen Zuschuss von 800 Mark beigesteuert.
Zuschuss der Stadt Eberbach zum Synagogenbau (1912)
Mitteilung in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 11.
September 1912: "In der Bürgerausschusssitzung der Stadt Eberbach
wurde ein Beitrag zum Synagogenbau der dortigen israelitischen Gemeinde im
Betrage von 800 Mark mit großer Mehrheit bewilligt." |
Einweihung der Synagoge (1913)
Meldung
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 26. September
1913: "Eberbach (Baden). Hier ist die neu erbaute Synagoge eingeweiht
worden. Rabbiner Dr. Löwenstein - Mosbach hielt die Festrede." |
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Artikel in der "Eberbacher Zeitung" nach H. Joho s. Lit. S.
35-36: "Nach langer Arbeit und Überwindung einer Reihe äußerer und innerer
Schwierigkeiten ist am heutigen Tage ein Werk vollendet worden, das den
Bewohnern Eberbachs und besonders seinen jüdischen Mitbürgern Gelegenheit zu
einer würdigen Feier gab, zur Einweihung des neuen Gotteshauses. Mit einer
stillen bescheidenen Feier wurde heute früh das Haus seiner Bestimmung
übergeben. Eine große Zahl fremder Gäste, Damen und Herren, weltliche und
geistliche Behörden, in ihrer Mitte Bezirksrabbiner Dr. Löwenstein aus Mosbach
mit den vier Trägern der Torarollen hatten sich zum Zuge zusammengestellt, um
von dem alten Gotteshaus in das neue überzusiedeln. Unter den feierlichen
Klängen der Musikkapelle gelangte der stattliche Zug an seinem Ziele an. Die
Schlüsselträgerin Frl. Levy überreichte, nachdem sie einen Prolog gesprochen
hatte, den Schlüssel dem Vertreter der Staatsbehörde, Herrn Oberamtmann
Schmitt, der ihn in einer kurzen Ansprache dem Bezirksrabbiner Dr. Löwenstein
weitergab. Dieser öffnete das Tor, Gäste und Gemeindemitglieder betraten das
Gotteshaus und der feierliche Gottesdienst begann mit einem von dem Mannheimer
Synagogenchor prächtig gesungenen hebräischen Lied. In seiner Predigt, die in
ihrer einfach schlichten Weise und ihrem innigen Vortrag allen Zuhörern sehr zu
Herzen ging, sprach Herr Bezirksrabbiner Dr. Löwenstein über die Frage:
"Warum und zu welchem Zwecke bauen wir Gotteshäuser?" Jakob hat
draußen in der Natur sich einen groben Stein zum Gotteshaus ersehen. So wie
Jakob an diesem Stein seinen Gott suchte und fand, so wird auch dieses kleine
Häuschen ein Sammlungsort für das Gemüt werden können. Der Bezirksrabbiner
dankte den weltlichen und kirchlichen Behörden für ihr Erscheinen und hob
besonders den loyalen Sinn der Einwohner Eberbachs hervor, die es sich nicht
haben nehmen lassen, dem heutigen Tag ein festliches Gepräge zu geben. Nach dem
Gebet für Fürst und Reich und zwei Musikvorträgen schloss die feierliche
Handlung. - Möge das neue Gotteshaus, das in seiner äußeren und ins einer
inneren Ausstattung ein kleines Kunstwerk ist, der Bestimmung, der es übergeben
wurde, lange Zeit genügen.
Zum Festbankett in der Turnhalle fanden sich die Mitglieder der jüdischen Gemeinde
sowie die Behörden und sonstige Einwohner der Stadt zahlreich ein. Herr
Bezirksrabbiner Dr. Löwenstein leitete den Abend mit einer patriotischen
Ansprache ein, in der er die treue und edle Gesinnung unseres Fürstenhauses
betonte, und brachte ein Hoch auf den Großherzog aus. Herr Benjamin Levy gab in
seiner Ansprache einen historischen Überblick über die Entwicklung der
jüdischen Gemeinde und schloss mit Worten des Dankes an die hiesige
Einwohnerschaft, die sich für die Erstellung der Synagoge bereitwilligst ins
Werk gelegt habe. Herr Bürgermeister Dr. Weiß erklärte, dass die städtischen
Behörden in strengster Neutralität auch das neue jüdische Gotteshaus in ihren
Schutz nähmen und wünschte der jüdischen Gemeinde ein ferneres Wachsen, Blühen
und Gedeihen. Herr Oberamtmann Schmitt gedachte des konfessionellen Friedens,
dessen sich unsere Stadt erfreut, und verlieh der Hoffnung Ausdruck, dass dieser
Friede unter den Bekennern der verschiedenen Konfessionen in alle Zukunft
erhalten bleibe. Herr Lehrer Frohmann toastete auf Herrn Bezirksrabbiner Dr.
Löwenstein, Herr Aron David auf Herrn Lehrer Frohmann. Die Gesangvereine
"Liederkranz" und "Germania" trugen durch gut geschulte Männerchöre
wesentlich dazu bei, dem Abend einen weihevollen Gehalt zu geben, auch die
hiesige Feuerwehrkapelle erbrachte durch ihre schönen Musikvorträge wieder den
Beweis, dass sie bei Festlichkeiten unentbehrlich ist.
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Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 10. Oktober 1913:
"Am 20. September ist die neue Synagoge in Eberbach ihrer Bestimmung
übergeben worden. Bei der Einweihungsfeier waren auch Bürgermeister Dr.
Weiß und Oberamtmann Schmitt zugegen. In festlichem Zuge fand die
Übersiedelung in das neue Gotteshaus statt, wo ein Gottesdienst
abgehalten wurde. Am gleichen Abend fand aus Anlass der Einweihung ein
Festbankett statt." |
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Artikel
in der "Badischen Presse" vom 23. September 1913: "Eberbach, 22.
September (1913). Am Samstag ist die neue hiesige Synagoge ihrer
Bestimmung übergeben worden. Bei der Einweihungsfeier waren auch
Bürgermeister Dr. Weiß und Oberamtmann Schmitt zugegen. In
festlichem Zuge fand die Übersiedelung in das neue Gotteshaus statt, wo ein
Gottesdienst abgehalten wurde. Am Abend des Samstag war aus Anlass der
Einweihungsfeier ein Festbankett." |
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge
niedergebrannt. Die Aktion wurde durch die Ortsgruppe 12/32 der SS durchgeführt,
die in den frühen Morgenstunden des 10. November die entsprechenden Anweisungen
von der Geheimen Staatspolizei aus Heidelberg erhalten hatte. Von den in Zivil
auftretenden SS-Leuten wurde die Inneneinrichtung der Synagoge demoliert und das
Holz zu einem Stoß aufgeschichtet. Mit Hilfe von Wachs wurde das Holz angezündet.
Schriften, Gebetbücher und Torarollen wurden von der Polizei in zwei Säcken
auf dem Rathaus "sichergestellt". Die Feuerwehr sicherte nach der
morgens 6.30 Uhr erfolgten Inbrandsetzung die angrenzenden Gebäude. Innerhalb
von zweieinhalb Stunden brannte die Synagoge bis auf die Umfassungsmauern
nieder. Die Stadt Eberbach stellte, einer reichsweiten Vorgabe folgend, der
jüdischen Gemeinde die Forderung für Aufräumarbeiten in Höhe von 1576,70
Reichsmark aus und übernahm als Gegenrechnung das Synagogengrundstück für 576
Reichsmark. Mit dem verkohlten Bauschutt der Synagoge wurde der Winterhafen am
Neckar aufgefüllt.
Vgl. zur Zerstörung der Synagoge auch den Artikel von Rainer Hofmeyer in https://www.eberbach-history.de/synagoge
1979
wurde am Standort der Synagoge ein Gedenkstein aufgestellt; nach der Straßenverlegung wurde der Stein 2013 neu aufgestellt. Die Gebotstafeln
vom Dachfirst der Synagoge waren 1938 in den Neckar gestürzt worden und
wurden im Sommer 1978 bei Baggerarbeiten aus dem Fluss geborgen. Sie stehen seit
1984 in einer eigenen Wandnische im Evangelischen Gemeindehaus am
Leopoldsplatz 3 in Eberbach aufbewahrt. (Beischrift aber mit falschem Datum der
Einweihung der Synagoge).
Zur Situation am
"Synagogenplatz": Bei der Sanierung der Altstadt-Ost ist im Rahmen der Straßenverlegung ein kleiner, dreieckiger Platz, eingeschlossen von der Brückenstraße, Weidenstraße und Adolf-Knecht-Straße, entstanden. Die Baumaßnahmen waren im
Juni 2009 vom Gemeinderat der Stadt Eberbach beschlossen worden, der Platz hatte von der Bauverwaltung zunächst den Arbeitstitel
"Synagogenplatz" bekommen. Im März 2011 beschloss der Gemeinderat offiziell den Namen
"Synagogenplatz". Da es in Eberbach keinen Synagogenplatz gab und er nun knapp 100 m vom Standort der ehemaligen Eberbacher Synagoge (1913 – 1938) entfernt liegt, gib es
allerdings keinen historischen oder topographischen Bezug. Der Platz hat bis heute (2013) keine Straßenschild.
Am 9. November 2013 wurde im
Beisein von Rabbiner Shaul Friberg (Heidelberg) ein neu erstelltes Mahnmal eingeweiht, bestehend aus einem Sandsteinblock mit den Maßen 110 × 110 cm, auf dem dachförmig Bronzereliefs montiert
sind (dazu Texttafeln, Namensliste). Die Reliefs wurden von einer Projektgruppe aus Schülern des
Hohenstaufen-Gymnasiums unter der Leitung der projektbegleitenden Lehrer
Sebastian Schäuffele und Markus Reuter und in Zusammenarbeit mit dem
Eberbacher Künstler Hans Wipfler gestaltet.
An der bergseitigen Bushaltestelle in der Brückenstraße (vor dem Sonnenstudio), dem ehemaligen Standort der Eberbacher Synagoge, ist wieder der
Gedenkstein mit Mahntafel (von 1979) aufgestellt. |
Fotos
Historische Fotos / Pläne:
Fotos nach 1945/Gegenwart:
Fotos um 1985:
(Quelle: Fotos obere Fotozeile von H. Joho, Eberbach) |
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Das Eckhaus
Zwingerstraße-Binetzgasse
(2. Haus von links)
diente von 1860
bis 1897 für gottesdienstliche Zwecke
(Gebäude wurde 1986 abgebrochen;
Bronzetafel an der Mauer des Zwingers, davor
das Gurs Mahnmal der Evang. Jugend) |
Die 1978 im Neckar gefundenen
Gebotstafeln vom Giebel der
Synagoge -
Vorderseite |
Rückseite der Gebotstafeln
vom Giebel der Synagoge
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Nachstehende Fotos: Hahn, um
1988/90 |
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Der ehemalige Synagogenstandort.
Der Gedenkstein ist bei
den Büschen
vor der Tankstelle |
Der Gedenkstein befand sich
rechts von den Büschen
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Der Gedenkstein für die zerstörte
Synagoge mit falschem Datum der Zerstörung
("11. November 1938") |
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Die Synagoge
wurde am 10. November 1938
zerstört. |
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Fotos 2003:
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 22.10.2003) |
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Der ehemalige
Synagogenstandort.
Die Tankstelle (vgl. oben) besteht nicht mehr
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Der Gedenkstein für die zerstörte Synagoge
mit
korrigiertem, aber immer noch falschem Datum
der Zerstörung ("9. November 1938") |
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Das Mahnmal der
Evangelischen Jugend
für die nach Gurs deportierten
Eberbacher Juden |
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Das Foto zeigt das
Mahnmal in der Gedenkstätte in
Neckarzimmern; ein identisches Mahnmal
steht seit Oktober 2005 neben dem Spielplatz vor der Mauer des
Zwingers
(unterhalb der Zwingerstraße; vgl.
Information und Foto) |
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Das neu gestaltete
Denkmal am
ehemaligen Synagogenstandort
(Fotos: Bernhard Kukatzki, Mai 2021) |
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Das Denkmal am
Standort der ehemaligen Synagoge |
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Gedenktafel |
Abbildung der Synagoge
in Eberbach |
Stadtplan mit Eintragung
der "Stolpersteine" |
Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
November 2009:
Verlegung von "Stolpersteinen" in
Eberbach angeregt |
Artikel in der
"Rhein-Neckar-Zeitung" vom 18. November 2009 (Online-Artikel):
"Stolpersteine weisen den Weg.
Eberbach. "Stolpersteine" heißt das Projekt von Gunter Demnig, das nach dem Willen von Robert Moray auch in Eberbach umgesetzt werden soll. Der Gemeinderat befasst sich in seiner Sitzung am Donnerstag mit dem Thema. Um es zu verwirklichen, bedarf es einiger Spenden, weswegen das Rätegremium ihre Annahme dafür gutheißen soll. Moray hatte im Rahmen des letztjährigen Gedenkens am 9. November, dem Tag der Reichspogromnacht, die Idee zur Beteiligung. "Warum sollten wir nicht auch in Eberbach auf diese Art unserer jüdischen Mitbürger gedenken?", meint er.
"Ein Projekt für Europa" nennt der in Köln lebende Demnig sein Vorhaben. Es soll "die Erinnerung an die Vertreibung und Vernichtung der Juden, der Zigeuner, der politisch Verfolgten, der Homosexuellen, der Zeugen Jehovas und der Euthanasieopfer im Nationalsozialismus" lebendig halten..." |
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November 2009:
Der Gemeinderat stimmt der Verlegung zu. |
Aus einem Artikel im "Eberbach-Channel.de"
- Online Magazin für Eberbach und Umgebung (Artikel):
"Stolpersteine sollen an Unrecht erinnern.
(hr) Das Projekt "Stolpersteine", bei dem ein Künstler aus Nordrhein-Westfalen durch das Einlassen von beschrifteten "Pflastersteinen" aus Messing in Straßenbeläge die Erinnerung an Nazi-Opfer aufrecht erhalten will (Link s.u.), soll auch in Eberbach umgesetzt werden. Der Gemeinderat begrüßte heute eine Initiative von Altstadtrat Robert Moray. Dieser will damit insbesondere an die ehemaligen jüdischen Mitbürger Eberbachs erinnern, die durch die Nationalsozialisten deportiert wurden. Finanziert werden sollen die "Stolpersteine" durch Spenden. Die Kosten pro Stück sollen bei 95 Euro liegen. Wo sie platziert werden, muss noch entschieden werden..." |
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März 2010:
Stolpersteine sowie eine dazugehörige
Gedenktafel sollen angebracht werden |
Aus einem Artikel im "Eberbach-Channel.de"
- Online Magazin für Eberbach und Umgebung vom 29. März 2010 (Artikel):
"Stolpersteine ... beschäftigten das Stadtparlament.
(hr). ...Ebenfalls gab das Gremium grundsätzliche Zustimmung zur Verlegung von beschrifteten "Stolpersteinen" aus Messing zur Erinnerung an ehemalige jüdische Bürger, die durch die Nationalsozialisten verfolgt und ermordet wurden. Die Steine sollen vor den ehemaligen Wohnstätten der Verfolgten platziert werden. Sie kosten pro Stück 95 Euro und werden über Spenden finanziert. Wie Initiator Robert Moray in der Sitzung mitteilte, habe er bereits Zusagen für 38 Steine. 53 sollen es insgesamt werden. Außerdem soll eine
Gedenktafel auf die Aktion 'Stolpersteine' hinweisen. Auch sie soll möglichst aus Spendengeldern bezahlt werden." |
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Oktober 2010:
Erinnerung an die Deportation nach Gurs
1940 |
Artikel in der
"Rhein-Neckar-Zeitung" vom 26. Oktober 2010 (Artikel):
"Im Gedenken an eine der dunkelsten Stunden
Eberbach. (bnc) "Viele Eberbacher standen laut Zeugenaussagen schweigend dabei", als am Morgen des 22. Oktober 1940 die 19 letzten noch im Ort lebenden Juden sich beim Rathaus versammeln mussten. 50 Kilo Gepäck und 100 Reichsmark waren alles, was sie dabeihaben durften. Sie wurden auf einen Lkw verladen und nach Heidelberg transportiert. In Sonderzügen ging es weiter zum südfranzösischen Internierungslager Gurs. 1939 für Flüchtlinge des spanischen Bürgerkriegs eingerichtet, dienten die von Stacheldraht umgebenen armseligen Baracken nun der Unterbringung der Deportierten aus Baden, der Pfalz und dem Saarland..." |
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Januar 2011: Zur
Neugestaltung des Synagogengrundstückes |
Artikel in der "Rhein-Neckar-Zeitung" vom 20. Januar 2011 (Artikel):
"Sandsteinplatten sollen an Synagoge erinnern.
Eberbach (mawe). Über Ausführungsdetails am Erinnerungsstandort Synagoge im Bereich der Brückenstraße hat der Gemeinderat in seiner heutigen Sitzung um 17.30 Uhr im Ratssaal zu entscheiden. Dabei gibt es verschiedene Vorschläge. Laut Bürgermeister Bernhard Martin muss der Platz sowohl eine "optische Wertigkeit" haben als auch "mechanisch beanspruchbar" sein..." |
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März 2011:
Der Synagogenplatz wird neu gestaltet |
Artikel von Hubert Richter in
eberbach-channel.de vom 29. März 2011 (Artikel):
"Neuer Platz hat seinen Namen - Gedenktafeln für jüdisches Gotteshaus.
(hr) An der Brückenstraße, kurz vor dem heutigen Kreisverkehr, stand einmal ein jüdisches Gotteshaus - eine Synagoge. In der Pogromnacht vom 9. auf 10. November 1938 wurde sie von örtlichen Nationalsozialisten niedergebrannt. Daran soll künftig dauerhaft erinnert
werden..." |
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April 2011:
In Eberbach werden "Stolpersteine"
verlegt |
Artikel von Christa Huillier in der "Rhein-Neckar-Zeitung" vom
15. April 2011 (Artikel):
"Ein Stolperstein, ein Name, ein Mensch.
"Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist", sagt der Kunstpädagoge Gunter Demnig und verwirklichte sein Projekt "Stolpersteine". Die Gedenktafeln – kubische Betonsteine mit einer Kantenlänge von zehn Zentimetern und einer individuell beschrifteten Messingplatte – erinnern an die verfolgten, deportierten, ermordeten Opfer des Nationalsozialismus. Ein Stolperstein, ein Name, ein Mensch..." |
Anmerkung: bei den in Eberbach verlegten
"Stolpersteinen" gibt es einige Ungenauigkeiten, da (1) einige Steine
falsch liegen, weil sich die Hausnummern nach 1945 geändert hatten und
dies im Zusammenhang mit der Verlegeaktion noch unbekannt war und (2)
einige Steine falsch beschriftet sind (richtige Angaben im Beitrag von H.
Joho im Eberbacher Geschichtsblatt Nr. 88 1989 s.Lit.). |
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Juli 2013:
Zur Planung eines neuen Gedenksteines / Mahnmals
am Synagogenplatz |
Artikel von Martina Weyrauch in der
"Rhein-Neckar-Zeitung" vom 16. Juli 2013: "Schicksal der
Eberbacher Juden in Bronze auf Sandstein.
Eberbach. Mit dem Standort und der Gestaltung des Gedenksteins/Mahnmal am Synagogenplatz (gegenüber dem ehemaligen Standort der Synagoge) wird sich der Gemeinderat am Donnerstag beschäftigen. Beginn der öffentlichen Sitzung im Ratssaal ist um 17.30 Uhr. .."
Link
zum Artikel |
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November 2013:
Einweihung des
Synagogenplatzes
(Link zu einem Video zur Einweihung, eingestellt bei Youtube) |
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September
2017: Neue Publikation zur jüdischen
Geschichte in Eberbach |
Artikel von Felix Hüll in der
"Rhein-Neckar-Zeitung" vom 14. September 2017: "Eberbacher Biografie.
Lehre aus der Geschichte kommt als fesselnder Roman daher
Einstiger Hohenstaufen-Gymnasium-Abiturient Göhrig schildert eine Eberbacher Biografie von Kaisers Zeiten übers Dritte Reich hinaus
Eberbach. Mein Gott, noch so ein mahnendes Buch über das Dritte Reich und wie sich die Deutschen da hinein entwickelt haben! Auf den Gedanken kann man kommen, wenn man unvermittelt Ralf Göhrigs neuestes Werk in die Hände bekommt und die Kapitelüberschriften überfliegt, die lauten
'1955', 'Der Held von Sedan', 'Jüdisches Leben', 'Am Stammtisch', 'Die
Synagoge' oder 'Aufbruch' und 'Heimkehr'. Aber es verhält sich anders. Und es lohnt sich, diese 174 Seiten zu lesen.
Nicht allein die spannend erzählten Lebenskapitel der (frei erfundenen) Hauptperson machen
'Geschenk des Himmels - die Lebensgeschichte des Hans Berger' zu einer spannenden Lektüre.
Da ist die Zeitreise jeweils im Eberbacher Ausschnitt von Kaiserreich, Erstem Weltkrieg, Weimarer Republik, Machtergreifung, Drittem Reich und zweitem Weltenbrand hin zu dessen Nachkriegszeit einschließlich der Betrachtungen zur jüdischen Gemeinde in Eberbach.
Und da ist das Anliegen des Autors, sich ausgrenzendem Schubladendenken entgegen zu stellen. Göhrig schafft das ohne den mahnenden Zeigefinger. Er führt vor Augen, was passiert, wenn man sich nicht allen Tendenzen entgegenstellt, Menschen nach Religion, Hautfarbe oder Abstammung zu beurteilen. Das lehrt Hans Bergers Leben.
Dieser Sohn des 'Helden von Sedan' ist ein Junge aus einem nicht näher bezeichneten Dorf der Umgebung von Eberbach. Der begabte Schüler verliebt sich in ein Mädchen aus Eberbachs jüdischem Viertel. Statt in eine gemeinsame Zukunft führt Bergers Lebensweg den Enttäuschten nach Hamburg und ins
'Einjährig Freiwillige'; die kaiserliche Armee stützt den Außenseiter, bis er über eine Anstellung in Heidelberg zurück in den Odenwald kehrt. Die Freimaurerloge schafft die Verbindung zum künftigen Schwiegervater, Eberbachs einflussreichstem Industriellen und Politiker, dessen Tochter Berger 1902 in der Michaelskirche vor den Traualtar führt.
Sechs Monate später kommt der Sohn zur Welt. Im Werk des Schwiegervaters entfaltet Berger seine Fähigkeiten. In der Stadt engagieren sich die Eheleute als freiheitlich Denkende. Sie gelten als Freunde der jüdischen Gemeinde. Deutschnationalen Kreisen passt das aber nicht.
Aus dem Ersten Weltkrieg kehrt Berger als Generalmajor heim und widmet sich - nicht körperlich aber seelisch kriegsversehrt - in der Folge weniger dem Wiederaufbau als seiner Tochter. So steigt Sohn Friedrich in den Wirtschaftskrisenjahren zum Firmenführer auf.
Nach dem Tod der Gattin zieht’s Berger in die Politik. Als DVP-Reichstagsabgeordneter erlebt er den Aufstieg von Hitlers NSDAP in Berlin und Eberbach. Hier geht der Firmenerfolg einher mit Sohn Friedrichs Mitgliedschaft in SA und SS. Noch vor dem Eberbacher Synagogenbrand verlässt Berger mit seiner Tochter das Deutsche Reich. In Palästina führt der Handlungsstrang Hans Berger mit seiner Jugendliebe aus Eberbach wieder zusammen.
Der Zusammenbruch der NS-Diktatur ermöglicht Berger schließlich ein Pendeln zwischen beiden Welten - Israel und Deutschland. Hier verfolgt er mit, wie nun Enkel Karl das demontierte Unternehmens in Eberbach wieder aufbaut.
Autor Göhrig ist über 25 Jahre Forstbeamter in Jestetten am Hochrhein. Dennoch hat der HSG-Abiturient von 1986 mit dem Roman geschafft, über 80 Jahre nach den NS-Jahren heutigen Lesern packend zu schildern,
'wie das damals war'. Göhrig widmete das Buch seinem Großvater Karl und schreibt, er lasse die frei erfundene Figur Bergers im Umfeld tatsächlicher Ereignisse auftreten, die nach historischen Quellen genau so stattgefunden haben. So lässt Göhrig etwa SS-Mann Friedrich Berger der elterlichen Maschinenfabrik einen chemischen Unternehmensteil hinzufügen. Die historische Person Wilhelm Keppler beispielsweise kommt nicht vor. Der in den Nürnberger Prozessen angeklagte SS-Obergruppenführer Keppler, einer von zwei Direktoren der
(Foto-)Gelatine-Fabrik 'Chemische Werke Odin' in Eberbach, war ein Wirtschaftsberater Hitlers; viele Arbeiter der Odin-Werke waren in der NSDAP organisiert.
Eines der vier im Buch veröffentlichten Bildmotive zeigt Göhrigs Großvater mit Arbeitskollegen in einer Fabrik, bei der es sich um Odin handeln könnte. Dieses Bild stammt aus Privatbesitz. Fürs Überlassen einer Stadtansicht von 1937 und einer Aufnahme der Synagoge um 1920 dankt Göhrig dem Stadtarchiv."
Link
zum Artikel |
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Februar
2018: Die "Stolpersteine"
werden durch Schüler geputzt |
Artikel von Christofer Menges in
der "Rhein-Neckar-Zeitung" vom 17. Februar 2018: "Stolpersteine in Eberbach.
Große Putzaktion in der Altstadt
Inschriften auf Gedenktafeln sind wieder lesbar: Schüler des Hohenstaufen-Gymnasiums polieren die in Eberbach verlegten Stolpersteine
Eberbach. Sie erinnern an die Schicksale von Menschen: Die Stolpersteine, die im April 2011 vom Kölner Künstler Gunter Demnig in Eberbach verlegt wurden. Doch nach sieben Jahren waren die Messingplatten der im Pflaster eingelassenen Steine mattschwarz angelaufen, die Inschriften kaum mehr zu lesen. Jetzt glänzen die Steine wieder: 17 Schüler des Hohenstaufen-Gymnasiums zogen vorigen Freitag mit Schwämmen, feiner Stahlwolle und biologisch abbaubarem Universalreiniger los und polierten die in und um die Eberbacher Altstadt verlegten 48 Steine.
Um 12.30 Uhr am Freitagmittag rückte einer der vier ehrenamtlichen Schülerputztrupps in der Kellereistraße an. Vor dem Haus Nummer 22 liegen die Steine, die an die Familie Würzburger erinnern, die dort einst gewohnt hatte. Helene, Frieda und Irwin Würzburger - darüber geben die Inschriften auf den Steinen Auskunft - schafften es, 1939 nach Argentinien zu fliehen und dort den Holocaust zu überleben. Zilly Würzburger überlebte in England. Max Würzburger wurde 1940 in der
'Heilanstalt' Wiesloch als Euthanasie-Opfer ermordet.
Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt fangen die Neuntklässler an, die Reinigungspaste auf dem Messing zu verteilen und die zehn auf zehn Zentimeter großen Gedenkplättchen im Boden zu polieren. Auch der frühere Stadtrat Robert Moray, inzwischen 80, kommt dazu. Auf Morays Initiative wurden die Stolpersteine vor sieben Jahren in Eberbach verlegt. 1992 fing Demnig mit der Verlegung der Stolpersteine an. Inzwischen sind es mehr als 60.000 in Deutschland und 21 weiteren europäischen Ländern.
Moray hatte vor zwei Jahren auch die Idee, in Zusammenarbeit mit Schülern, die den Nationalsozialismus im Geschichtsunterricht durchnehmen, die Steine wieder zu polieren. Dabei fand er in Geschichtslehrer Till Weidenhammer einen Ansprechpartner. Der Altstadtrat besorgte nach Rücksprache mit Demnigs Büro, was für die Reinigung am besten geeignet ist, die Putzmittel; die Schüler schrubben und wienern und lernen dabei etwas über die Geschichte Eberbachs zur Zeit des Nationalsozialismus.
'Mit richtig viel Kraft', gibt Weidenhammer seinen Schülern Tipps, wie sie die Patina von den Messingplatten bekommen.
'Mit Schmackes!', bestätigt Marvin und schrubbt weiter. Es dauert länger als geplant.
'Das ist doch mehr Arbeit, so ein einzelner Stein, als es aussieht', stellt Lehrer Weidenhammer fest.
Nach 20 Minuten glänzen die Gedenktafeln vor Haus Nummer 22 wieder. Dann sind die ein paar Meter weiter verlegten Gedenksteine vor Haus Nummer 24 dran, darunter der für die in Auschwitz ermordete Fanny Fuld und der für Max Seligmann der 1943 in Theresienstadt starb.
Die Schüler opfern einen Teil ihrer Mittagspause und wienern weiter. Ganz fertig werden sie am Freitag nicht: An manchen der Messingtafeln haben sich nach sieben Jahren hartnäckige Verschmutzungen festgesetzt.
'Da müssen wir noch mal nacharbeiten', sagt Weidenhammer. Das ist nach den Fastnachtsferien geplant. Nachgearbeitet wird dann auch im Unterricht: Die Schüler erhalten Material zur Geschichte der Eberbacher Juden und sollen selbst eine Dokumentation anfertigen.
Doch die Aktion zeigt auch schon am Freitag erste Wirkung: Die ersten Passanten werden auf die wieder glänzenden Stolpersteine aufmerksam und bleiben stehen. Einer beugt sich runter und liest die Inschriften. So wie es Künstler Demnig beabsichtigt hat: Als Verbeugung vor den Opfern des Nationalsozialismus, deren Namen, da wo sie einst gelebt hatten, nicht in Vergessenheit geraten sollen."
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November 2019:
Für Salomon (Simon) Leibowitsch
wird ein "Stolperstein" in Stetten am Kalten Markt verlegt
Anmerkung: Salomon Leibowitsch (geb.
22. April 1885 in Ananioff in der Ukraine) war von Beruf Gerber. Er war im
Ersten Weltkrieg in deutsche Kriegsgefangenschaft geraten und war in den
Kriegsgefangenenlagern Hammerstein, dann in Puchheim inhaftiert. Nach
Kriegsende blieb er als Staatenloser in Deutschland und kam 1923 nach
Eberbach, wo er 1925 heiratete. Er arbeitete in verschiedenen Berufen (u.a.
Reichsbahn, zuletzt bei der Stadt Eberbach). 1929 trat er der KPD,
Ortsgruppe Eberbach bei. Am 10. März 1933 wurde er zusammen mit anderen SPD-
und KPD-Mitgliedern verhaftet und in das Mosbacher Gerichtsgefängnis
verbracht, wo ihn seine Frau noch besuchen konnte. Am 8. September 1933
wurde er ins KZ Heuberg in Stetten am kalten Markt verlegt, wo er aufs
Schwerste misshandelt wurde. Er starb am Tag darauf an weiteren
Misshandlungen durch zwei SA-Männer. Vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Stetten_am_kalten_Markt
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Artikel von Susanne Grimm im
"Schwarzwälder Boten" vom 7. November 2019: "Stetten am kalten Markt
"Stolperstein" erinnert an Schicksal
'Stolpersteine' sollen an die Untaten der Nazis erinnern – der erste seiner
Art auf einem militärischen Gelände befindet sich nun in Stetten am kalten
Markt.
Stetten am kalten Markt. Vor einem kleinen Kreis geladener Gäste hat der
Künstler Gunter Demnig im Kasernenbereich Lager Heuberg einen 'Stolperstein'
für den dort von den Nationalsozialisten ermordeten Salomon Leibowitsch
gesetzt – damit wurde erstmals ein solcher Stein in einer militärischen
Liegenschaft angebracht. Der Kommandant des Truppenübungsplatzes Heuberg,
Oberstleutnant Udo Eckbrett, auf dessen Einladung der Künstler des
dezentralen Mahnmals gekommen war, stellte fest, dass dieser Akt in
mehrfacher Hinsicht bedeutsam sei. Zum einen erinnere es an den sinnlosen
Tod des grausam Ermordeten und daran, dass Herkunft, Glaube und Überzeugung
eines Menschen niemals dessen 'Auslöschung' rechtfertigen könnten und
dürften, zum anderen dokumentiere er: 'Bei uns, in der Bundeswehr, ist kein
Platz für rechtsradikales Gedankengut – dieser Stein soll das ganz deutlich
machen.' Eckbrett gab einen kurzen Einblick in das Leben des 1885 in der
Ukraine geborenen Salomon Leibowitsch, der am 9. September 1933 an den
Folgen der Folter im Gebäude 21 des Lagers Heuberg starb. Genau vor diesem
Gebäude hat nun Gunter Demnig den Erinnerungsstein für Leibowitsch in den
seit mehr als 100 Jahren militärisch genutzten und dadurch steinhart
verdichteten Boden eingefügt. ...
Oberstleutnant Udo Eckbrett verwies auf den Leiter der
militärgeschichtlichen Sammlung, die im Lager Heuberg in der ehemaligen
kaiserlichen Offiziersspeiseanstalt angesiedelt ist. Markus Klotz sei in
seiner Eigenschaft als Museumsleiter und profunder Kenner der regionalen
Militärhistorie auf die Geschichte von Leibowitsch gestoßen, die im
Gegensatz zu den Schicksalen der allermeisten Ermordeten schriftlich
dokumentiert sei. Für ihn, Eckbrett, sei dann klar gewesen, dass diese
Schreckensgeschichte mit dem Setzen des Stolpersteins ein würdiges Ende
finden müsse. Denn die Erinnerung an das, was Menschen anderen Menschen
angetan hätten, könne den Weg zu einem neuen Anfang ebnen."
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November 2018:
Gedenkveranstaltung zur Erinnerung an den Novemberpogrom 1938
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Artikel von Barbara Nolten-Casadoin der "Rhein-Neckar-Zeitung" vom 12. November 2018: "80.
Jahrestag der Reichspogromnacht. Glaubwürdige Erinnerungskultur fordert
jeden Einzelnen
Drei Elemente enthielt das Eberbacher Gedenken zur 80. Wiederkehr des Datums
der Reichspogromnacht von 1938: Ansprache, Stolpersteinrundgang und
Gottesdienst
Eberbach. 'Der 9. November 1938 mit seinem von den Nationalsozialisten
heimtückisch in Szene gesetzten Pogrom an den jüdischen Mitbürgerinnen und
Mitbürgern bleibt für alle Zeiten das Symbol eines Zivilisationsbruchs.' Das
sagte Bürgermeister Peter Reichert am Freitagabend bei der
Gedenkveranstaltung anlässlich des 80. Jahrestages der Reichspogromnacht.
Zahlreiche Eberbacher, darunter viele junge Menschen, hatten sich dazu beim
Mahnmal auf dem Synagogenplatz versammelt - schräg gegenüber des einstigen
Standorts der damals niedergebrannten Synagoge. Mit dem Gedenken an die
Opfer des Pogroms allein sei es allerdings nicht getan, mahnte Reichert.
Eine glaubwürdige Erinnerungskultur setze das Engagement jedes Einzelnen für
die Werte der Demokratie und Wachsamkeit gegenüber ihren Feinden voraus. Ein
jeder sei aufgerufen dafür zu sorgen, dass Hass, Unfrieden und
Menschenverachtung 'in unserer Stadt und unserem Land' keinen Platz hätten.
Dr. Sebastian Schäuffele, Kunstlehrer am Hohenstaufen-Gymnasium, wertete in
seiner Ansprache das vor fünf Jahren auf dem Synagogenplatz eingeweihte
Mahnmal als Zeichen dafür, dass die junge Generation Eberbachs sich mit dem
Geschehen von vor 80 Jahren auseinandersetze. 13 Schülerinnen des
Neigungskurses Bildende Kunst hatten, begleitet von ihren Lehrern Sebastian
Schäuffele und Markus Reuter sowie dem Eberbacher Bildhauer Hans Wipfler,
2013 die 18 Reliefplatten erstellt, die die Außenwände des Mahnmals zieren.
Es erinnere an Gräueltaten, an Verbrechen, an Mord in unfassbarem Ausmaß, so
Schäuffele. Die Schülerinnen hätten sich der Herausforderung gestellt, das
Unbegreifliche abzubilden und zugleich einem Hoffnungsschimmer darin Raum
gegeben. Zu einem Rundgang durch die Altstadt entlang der 2011 verlegten
'Stolpersteine' luden im Anschluss die Schülerinnen und Schüler des
HSG-Neigungskurses Geschichte mit ihrem Lehrer Bernhard Schell ein. Dabei
sollten die an den einzelnen Stationen in der Oberen Badstraße, der
Kellerei- und der Hauptstraße genannten Familien für alle einst in Eberbach
lebenden jüdischen Mitbürger stehen, die, sofern sie nicht rechtzeitig
emigrieren konnten, in Gurs oder Auschwitz ihr Leben ließen. Dem Rundgang
folgte eine Gedenkandacht in der Michaelskirche. 'Veni Domine…' sang der
Kammerchor der Singschule unter Leitung von Kirchenmusikdirektor Achim
Plagge in einer Mendelssohn-Motette - 'Komm Herr, erhöre uns…, verzeihe die
Missetat deinem Volke…' Gedenken bedeute, auf das zu schauen, was geschehen
sei, damit sich das Schlimme nicht wieder ereigne, eröffnete Dekan Ekkehard
Leytz den Gottesdienst. Erschütternd klangen danach die Worte des rund 2500
Jahre alten Psalms 74, die Diakon Joachim Szendzielorz vortrug: 'Sie legten
an dein Heiligtum Feuer, entweihten die Wohnung deines Namens bis auf den
Grund. Und sie verbrannten alle Gottesstätten ringsum im Land…' Zum
Gedächtnis an alle 1938 in Eberbach lebenden Juden und ihr Schicksal wurden
anschließend Kerzen entzündet. Die Jungs und Mädels des HSG-Neigungskurses
Musik begleiteten an Gitarren, Cello, Querflöte und Klavier unter Leitung
von Musiklehrerin Jutta Gewahl das Lied, das den israelischen Traum von
einem geeinten Jerusalem beschreibt: 'Jeruschalajim schel zahav - Jerusalem
aus Gold. Ihre Mitschülerinnen Antonia Lechner und Rebecca Sensbach hatten
dazu eigene Textstrophen geschrieben. Das Schlusslied der Gemeinde hatte der
deutsch-israelische Journalist und Religionswissenschaftler Schalom Ben
Chorin 1942 verfasst: 'Freunde, dass der Mandelzweig sich in Blüte wiegt,
bleibe uns ein Fingerzeig, wie das Leben siegt.'"
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November 2018:
Zeitzeugen berichten über die
Ereignisse beim Novemberpogrom 1938 |
Artikel von Rainer Hofmeyer in
der "Rhein-Neckar-Zeitung" vom 8. November 2018: "Pogromnacht in
Eberbach. Als die Synagoge in Flammen stand. Drei Zeitzeugen berichten, was
sie vor 80 Jahren erlebt haben.
Eberbach. Achtzig Jahre ist sie jetzt her, die sogenannte
Reichspogromnacht. Reichsweit, aber auch im kleinen Eberbach mobilisierten
sich die Nationalsozialisten gegen die Juden. Die SS-Leute der Ortsgruppe
12/33 tobten sich vom Abend des 9. auf den Morgen des 10. November 1938 in
der Stadt aus. Statt in ihren schwarzen Uniformen waren sie dabei in Zivil:
Die 'Judenaktionen' sollten aussehen wie Wut der Bevölkerung. Auf Kommando
aus Heidelberg nahmen sich die Eberbacher Nazis am Abend erst einmal die
jüdischen Läden vor. Vier jüdische Einzelhandelsgeschäfte gab es 1938 noch
in der Altstadt. Es wird von drei zerstörten Kaufläden berichtet: Bei
Händler Levy & Wolf in der Oberen Badstraße 14, beim Eisenwarengeschäft
Alfred Freudenberger in der Hauptstraße 15 und beim Gemischtwarenhandel
Adolf David in der Kellereistraße 9. Die straff organisierten Trupps rissen
Rollläden ein, Fenster und Auslagen wurden zertrümmert. Allein bei Levy &
Wolf verursachten die Schläger einen Schaden in Höhe von 2000 Reichsmark.
Eine Beobachterin von damals, die nicht genannt werden will, berichtete, wie
auch an der Ecke der Hauptstraße zur Oberen Badstraße Inventar aus dem Haus
Aron David auf die Straße geworfen wurden - unter dem 'Gejohle' von
dabeistehenden Eberbachern. Dann zogen die Horden hinaus in die
Brückenstraße. Sie drangen dort in die kleine Synagoge, seit 1913 der Stolz
der Eberbacher Juden, demolierten die Einrichtung, raubten die
Gottesdienstgegenstände. Um halb sieben brannte das Gebäude. Noch heute gibt
es unmittelbare Erinnerungen an die Reichspogromnacht. Alte Eberbacher sind
es, die das Ende der Synagoge miterlebt haben und auch 80 Jahre danach noch
davon berichten können. Die inzwischen 93 Jahre alte Ilse Ketterer, geb.
Hilbert, kann sich klar an den Brand des Gotteshauses erinnern. Die Familie
Hilbert wohnte in unmittelbarer Nähe beim Rosenturm in einem alten
Fachwerkhaus, in Blickrichtung zur Synagoge. Zusammen mit ihrer älteren
Schwester Liselotte sah die 13-jährige Ilse das lodernde Feuer von der
Dachgaube der elterlichen Wohnung aus. Sie seien von der Feuersirene
aufgeschreckt worden, sagt Ilse Ketterer heute. Als die beiden Kinder kurz
vor acht Uhr in die nahe gelegene Dr.-Weiss-Schule gingen, brannte es immer
noch. Auch vom Unterricht aus haben die beiden Schwestern das Geschehen an
der Synagoge beobachten können. An den an der Brandstiftung beim jüdischen
Gotteshaus beteiligten SS-Mann Anton K. kann sich Altstadtrat Fred Henk (92)
auch nach 80 Jahren erinnern. Der 12-jährige Fred stand am Morgen des 10.
November 1938 kurz vor acht mit seinen Mitschülern an der alten Turnhalle
bei der katholischen Kirche, um auf den Sportlehrer zu warten, einen
ostpreußischen Adligen. Der Rauch der brennenden Synagoge war von Weitem zu
sehen. Da eilte der in der Stadt bekannte SS-Mann in Zivil vom Tatort her
über die Kirchenstaffel 'im Stechschritt' heran Richtung Friedrichstraße, um
pünktlich seine Arbeit bei der Allgemeinen Ortskrankenkasse in der nahen
Bussemerstraße aufzunehmen. Anderthalb Stunden vorher war er bei der
Brandstiftung beteiligt. Der Lehrer, auf den die Schüler gewartet hatten,
wurde nie mehr gesehen. Womöglich war er an der Zerstörung der Synagoge
beteiligt und die Leitung des Gymnasiums hat ihn 'aus der Schusslinie
genommen', interpretiert heute Fred Henk die möglichen Hintergründe des
Verschwindens. Gymnasialprofessor Helmut Joho (85) wohnte als Kind in der
Neckarhälde. Er war am Morgen auf dem Weg in den Kindergarten an der
Synagogen-Ruine vorbeigegangen, als das Feuer schon weit heruntergebrannt
war. Joho war fünf Jahre alt, kann sich aber noch die Szene ins Gedächtnis
rufen. Viele Menschen betrachteten damals das Geschehen von der
Leopold-Plaichinger-Straße aus, benannt nach dem Ortsgruppenführer der SA -
heute Adolf-Knecht-Straße. 'Keiner der Anwesenden rief ‚Sieg Heil!‘', betont
Joho, 'alle hatten ernste Gesichter'. Der kleine Helmut sah, wie die
Feuerwehr mit Äxten die Dachbalken des ausgekohlten Gotteshauses
herunterschlug. 'Ich hatte vorher noch nie ein abgebranntes Haus gesehen.'
Als die Synagoge gänzlich in Flammen gestanden hatte, war die
'Feuerschutzpolizei' untätig geblieben - sie achtete nur darauf, dass kein
Gebäude der Nachbarschaft gefährdet wurde. Zuhause angekommen, kommentierte
Johos Mutter: 'Da haben wir Deutschen große Schuld auf uns geladen. Wenn wir
das nicht mal büßen müssen.' Der vom Verleger Wilhelm Krauth herausgegebene
'Stadt- und Landbote', dem im Mai 1935 zwangsweise Joseph Wieprechts
'Eberbacher Zeitung' eingegliedert worden war, lag auf der Linie der
Propaganda und berichtete über die Zerstörungen in Eberbach als einer
'Demonstration gegen die Juden' und einer starken 'Empörung über die Mordtat
des Juden Grünspan am deutschen Gesandtschaftsrat von Rath in Paris', die
die 'antijüdischen Akte' ausgelöst habe. Bürgermeister Hermann Schmeißer
(1935 bis 1940), Mitglied der SA und immer in Uniform, ließ unter dem
Zeitgeschehen für 1938 im Geschichtsblatt lapidar notieren: 'Die Erbitterung
der Bevölkerung … machte sich in der Demolierung der jüdischen
Geschäftsschaufenster Luft … Außerdem ging die Synagoge in Flammen auf'. Die
Eberbacher haben Hermann Schmeißer seine Rolle im Dritten Reich eigentlich
nie verübelt. Von 1954 bis 1972 wurde er demokratisch zum Bürgermeister
gewählt. Und zum Abschied aus dem Amt erhielt Schmeißer sogar die
Ehrenbürgerschaft der Stadt. Nur fünf an den Ausschreitungen in der Nacht
vom 9. auf den 10. November 1938 beteiligten Eberbacher SS-Leuten wurde 1948
beim Landgericht Mosbach der Prozess gemacht. Sie hatten alle nach dem Krieg
wieder eine bürgerliche Existenz in der Stadt eingenommen. Kaufmann Anton
K., Kaufmann Georg S., Vertreter Joseph H., Werkmeister Jakob Philipp
Wilhelm H. und Zementeur Josef Sch. mussten sich verantworten. Vier
Angeklagte bekannten sich zu ihren Taten, beriefen sich aber gleichzeitig
auf übergeordnete Befehle. Anton K. konnte auf Befragen des Gerichtes noch
nicht einmal erläutern, was er denn damals überhaupt angezündet hatte. Er
dachte, eine Synagoge sei ein einfacher Versammlungsraum für Juden und kein
Gotteshaus. Das Gericht verhängte Haftstrafen von einmal zwei Jahren und
drei Mal anderthalb Jahren. Man rechnete den Angeklagten ihren 'guten
Leumund' zugute - sie waren nicht vorbestraft. Weitere Eberbacher wurden
nicht zur Rechenschaft gezogen. Anderen Verdächtigen konnte die Beteiligung
an der Pogromnacht von 1938 nicht nachgewiesen werden - oder sie waren im
Zweiten Weltkrieg gefallen. Der Gedenkstein für die Synagoge wurde am 9.
November 1979 von Bürgermeister Schmeißers Nachfolger Horst Schlesinger
enthüllt."
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Oktober 2020:
Erinnerung an die jüdische Geschichte in Eberbach anlässlich des Gedenktages
der Deportation nach Gurs |
Artikel von Rainer Hofmeyer in
der "Rhein-Neckar-Zeitung" vom 23. Oktober 2020: "80 Jahre Deportation
nach Gurs. Juden waren bedeutender Faktor im Eberbacher Leben. Deutsche
Juden fühlten sich als Teil dieser Nation - Einst hatte die Gemeinde 138
Mitglieder, bis sie 1940 de facto ausstarb.
Eberbach. Ein Pferdefuhrwerk kommt, um den Sarg am Wohnhaus des
Verstorbenen abzuholen. Es ist der Jude Alfred Freudenberger. Er ist am 8.
Februar 1940 im Alter von 55 Jahren in Eberbach verschieden. Abfällig johlt
die herumstehende Menge. Und es sind nicht etwa SS-Leute oder SA-Männer in
Uniform oder Zivil. Es sind grölende Zuschauer aus der übrigen Bevölkerung –
zwar nicht sehr viele, aber es gibt sie. Alfred Freudenberger hatte einen
Laden in der Hauptstraße, Kreuzung Obere Badstraße. Eine Zeitzeugin
erinnerte sich an diese schockierende Szene. 'Es waren sogar Geschäftsleute
dabei'. Alfred Freudenberger wurde auf dem jüdischen Friedhof am Ohrsberg
beigesetzt. Nur wenig mehr als ein Jahr vorher, am Morgen des 10. November
1938, beim 'Reichskristallnacht' genannten Pogrom, hatte Alfred
Freudenberger als Synagogenvorsteher den Schlüssel zum jüdischen Gotteshaus
an die SS herausgeben müssen. Er musste mit ansehen, wie man das kleine
Gebäude an der Brückenstraße in Brand steckte. Freudenbergers eigenes
Geschäft, eine Eisenwarenhandlung, wurde in jener Nacht ebenfalls schwer
demoliert. Die Nazis hatten ab 1933 den Hass gegen die Juden auch in
Eberbach auf einen Höhepunkt getrieben. Juden waren im 19. Jahrhundert, im
liberalen Großherzogtum Baden, zu gleichberechtigten Bürgern geworden,
emanzipierter Teil der Eberbacher Bevölkerung. Sie waren in Vereinen und
städtischen Gremien vertreten, hatten ihre Geschäfte, ihre Kundschaft aus
allen Schichten. Die Juden waren wie alle anderen auch Deutsche, und sie
fühlten sich auch so. Sie nahmen am Ersten Weltkrieg teil. Von den 24
jüdischen Eberbacher Kriegsteilnehmern sind drei gefallen. Neun wurden mit
dem Eisernen Kreuz für Tapferkeit geehrt. Und Alfred Freudenberger erhielt
als Soldat bei den Schutztruppen in Übersee sogar den Pour-le-Mérite-Orden,
die bedeutendste militärische und zugleich zivile Auszeichnung. Seit dem 14.
Jahrhundert gab es nachweislich Juden in Eberbach. Landesherr Ruprecht der
Ältere stellte dem Eberbacher Juden Lazron 1380 einen Schutzbrief aus. Unter
Ruprecht II. wurden 1391 sämtliche Juden aus der rechtsrheinischen Kurpfalz
vertrieben. Später, 1743, wird wieder über einen Juden namens Löw Moyses in
Eberbach berichtet. In der folgenden Zeit waren teilweise nur zwei, drei
jüdische Familien hier beheimatet. 1900 stand die jüdische Gemeinde in
Eberbach in ihrer ganzen Blüte. Im Zenit war die Höchstzahl von 138
Mitgliedern notiert. In einigen städtischen Gremien Eberbachs waren Juden
überproportional vertreten. Dem städtischen Bürgerausschuss gehörten nicht
weniger als acht an. Im Odenwaldklub, im Roten Kreuz und im Verkehrsverein
betätigten sich Juden frei. Hingegen waren die Rudergesellschaft und der
evangelische Liederkranz für sie tabu. Von 1914 bis 1924 fungierte der Jude
Alfred Blum als Eberbacher Bahnhofsvorstand, eine lokale Schlüsselposition
sondergleichen. Ganze 38 Jahre lang war Benjamin Levy in herausragender
Position beim Eberbacher Deutschen Roten Kreuz, zuletzt sogar
Transportführer. Die Nazis verboten ihm gleich im Jahr der Machtübernahme
1933 die Mitgliedschaft. Levy verlor alle Ämter. Er starb 1941 im Lager Gurs.
Zahlreiche jüdische Geschäfte waren bis in die Nazi-Zeit in der Stadt
ansässig. Kellereistraße, Obere Badstraße und Hauptstraße – mittendrin im
damaligen geschäftlichen Zentrum waren die Juden mit ihren Läden. Die
jüdischen Geschäfte hatten einen guten Ruf. Textilien und Manufakturen seit
1919 bei Levy & Wolf in der Oberen Badstraße 18, dann Hausnummer 14. Adolf
David (gestorben in Gurs) mit seinem Gemischtwarenladen in der
Kellereistraße 9. Aron David, genannt 'Zick', ebenfalls in Gurs umgekommen,
hatte sein Schuhgeschäft in der Hauptstraße 14. Und eben Alfred
Freudenberger mit seiner Eisenwarenhandlung, seit 1881 im Besitz der
Familie, inzwischen führend in der Branche, es wurde in die ganze Umgebung
geliefert.
Mehrere jüdische Metzgereien waren in der Stadt: Moses Ottenheimer,
Ferdinand Bär (nach Holland ausgewandert) in der Kellereistraße 4 bzw. 26.
In der Backgasse 1 schlachtete Israel Mayer koscher – nach den jüdischen
Speisegesetzen. Das Ritual des Schächtens hielt auch christliche Metzger
nicht ab, für die jüdischen Mitbürger zu liefern. Zwei nichtjüdische
Fleischer ließen wöchentlich von jüdischen Schächtern schlachten. Es gab die
Viehhändler – Vater und Sohn – Jakob und Siegfried Götz (nach Argentinien
ausgewandert) und Selig Seligmann. Albert David handelte in der
Güterbahnhofstraße 10 mit Schmierölen und -fetten. Aus dieser Familie
entstammte Sante (Siegfried) David. Düstere Geschichte des Hauses der
Davids: Es wurde 1930 verkauft und SS-Heim. Die Reichspogromnacht vom 9. auf
den 10. November 1938 änderte alles im Leben der Eberbacher Juden. Einige
ihrer Läden wurden zerstört. Ihre Einzelhandelsgeschäfte mussten sie danach
aufgeben, Inventar und Lagerbestände gingen zum Spottpreis an 'arische'
Ladeninhaber. Innerhalb von vier Jahrzehnten, vom Höhepunkt mit 138
Gemeindemitgliedern bis zum Todesjahr von Alfred Freudenberger 1940, ging’s
mit der Zahl der Juden in Eberbach stetig bergab. Die meisten waren in die
Großstädte abgewandert, überwiegend aus wirtschaftlichen Gründen. Jeder
dritte badische Jude lebte inzwischen in Mannheim. Fünfzehn Eberbacher Juden
gelang zwischen 1936 und 1939 die Auswanderung in die USA und Argentinien.
Am Tag ihrer Deportation nach Südfrankreich, dem 22. Oktober 1940, lebten
noch siebzehn Juden in Eberbach. Sechzehn mussten die Reise ins Verderben
antreten. Davon überlebten nur drei."
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Links und
Literatur
Links:
Literatur:
| Franz Hundsnurscher/Gerhard Taddey: Die jüdischen Gemeinden in Baden.
1968. S. 68-69. |
| Eberbacher Geschichtsblatt (1979) S. 148f, (1980) S. 95ff, (1983) S.
185-186. |
| Helmut Joho: Gesetzestafel der Eberbacher Synagoge
gefunden. In: Eberbacher Geschichtsblatt 78 1979 S. 148-149. |
| ders.: Gedenkstein an die jüdische Synagoge. In:
Eberbacher Geschichtsblatt 79 1980 S. 95-97. |
| ders.: "Vergiß nie - auch für mich ist Eberbach
stets meine Heimat gewesen". (Salomon David bei seinem Abschied von
Eberbach im Jahre 1937). Die Geschichte der jüdischen Gemeinde in Eberbach,
in: Eberbacher Geschichtsblatt 1989 S. 7-82 (m. zahlr. Tabellen). |
| Andreas Cser, Roland Vetter, Helmut Joho: Geschichte
der Stadt Eberbach am Neckar. Band 2: Geschichte der Stadt Eberbach am
Neckar vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Sigmaringen 1992 (hierin
Abschnitt: "Die jüdische Gemeinde". S. 338-340). |
| Joseph Walk (Hrsg.): Württemberg - Hohenzollern -
Baden. Reihe: Pinkas Hakehillot. Encyclopedia of Jewish Communities from
their foundation till after the Holocaust (hebräisch). Yad Vashem Jerusalem
1986. S. 213-214. |
| Joachim
Hahn / Jürgen Krüger: "Hier ist nichts anderes als
Gottes Haus...". Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte
und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen. Hg. von Rüdiger Schmidt,
Badische Landesbibliothek, Karlsruhe und Meier Schwarz, Synagogue Memorial,
Jerusalem. Stuttgart 2007. |
| Christiane
Twiehaus: Synagogen im Großherzogtum Baden (1806-1918). Eine
Untersuchung zu ihrer Rezeption in den öffentlichen Medien. Rehe: Schriften
der Hochschule für jüdische Studien Heidelberg. Universitätsverlag Winter
Heidelberg 2012.
Zur Synagoge in Eberbach: S. 42-45. |
| Rolf
Göhrig: Geschenk des Himmels - die Lebensgeschichte des Hans Berger.
Verlag Tredition Hamburg 2017. ISBN 978-3-7345-9286-7. 9,99 € |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Eberbach (in Jewish sources, Edirbach)
Baden. Jews are first mentioned in 1299. The community was wiped out in the
Black Death persecutions of 1348-49 and, after renewing the settlement, was
expelled in 1390. Few Jews lived there again until the early 19th century, when
the town was annexed to Baden. The Jewish population reached a peak of 138 in
1900 (total 5,907). It fell to 39 in 1933. Ten of these left by 1938. After Kristallnacht
(9-10 November 1938), when the synagogue was burned and Jewish stores were
vandalized, 17 were deported to the Gurs concentration camp (22 October 1940).
All but four perished in the death camps.
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