Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Zwingenberg (Neckar-Odenwald-Kreis) 
Jüdische Geschichte / Betsaal/Synagoge

Achtung: Zwingenberg im Neckar-Odenwald-Kreis ist nicht identisch mit dem hessischen Zwingenberg an der Bergstraße. 
Näheres zu der dortigen Synagoge siehe Seite zur Synagoge in Zwingenberg Kreis Bergstraße   
  
Übersicht:  

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde  
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer   
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde   
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen  
Zur Geschichte der Synagoge   
Fotos / Darstellungen    
Links und Literatur   

       

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde          
    
In dem von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts zur Kurpfalz gehörenden Zwingenberg bestand eine kleine jüdische Gemeinde bis zu ihrer Auflösung am 8. November 1937. 
  
Die Entstehung der jüdischen Gemeinde geht mindestens in die Zeit der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts zurück. Der erste Beleg ist die Angabe, dass der Jude Chajum Isaac, Sohn des Abraham Isaac 1732 in Zwingenberg geboren ist. Demnach wurden bereits vor dem Verkauf Zwingenbergs 1746 an die Pfalz durch die Familie Göler von Ravensburg Juden am Ort aufgenommen. Nach dem Übergang an die Pfalz werden wiederum 1757 Juden am Ort genannt. 
    
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie folgt: 1827 27 jüdische Einwohner, Höchstzahl um 1839 mit 46 Personen, 1900 noch 16 jüdische Einwohner.      
 
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde einen Betsaal. Die Toten der Gemeinde wurden auf dem jüdischen Friedhof in hessischen Hirschhorn (Neckar) beigesetzt. Die Gemeinde hatte - zumindest zeitweise - einen eigenen jüdischen Lehrer (vgl. unten Ausschreibung der Stelle von 1836). Die Gemeinde gehörte zum Bezirksrabbinat Mosbach.  
  
Die jüdischen Familien lebten vom Handel mit Waren und Vieh. Von einigen Häusern in der Alten Dorfstraße ist noch bekannt, dass es sich um ehemalige jüdische Wohnhäuser handelt, unter anderem Alte Dorfstraße 31.  
 
1933 lebten noch vier jüdische Personen in Zwingenberg. Von ihnen verzog Josef David nach Frankfurt, Rebekka David nach Mannheim, wo sie verstarb. Julchen David wurde am 22. Oktober 1940 im Alter von 81 Jahren mit ihrer Tochter nach Gurs deportiert, wo sie umgekommen ist. Im Grab Nr. 549 auf dem Friedhof von Gurs wurde sie 1941 beigesetzt. Ihre Tochter Hilda ist verschollen.       
   
Von den in Zwingenberg geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"):  Hilda Ida David (1890), Julie David geb. Stern (1859), Clementine Fertig geb. David (1889).      
  
  
  
Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde     
  
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer     
Ausschreibung der Stelle des Lehrers und Vorbeters (1836) 
  

Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den See-Kreis" von 1836 S. 172  (Quelle: Stadtarchiv Donaueschingen): "Erledigte Stelle. Bei der israelitischen Gemeinde Zwingenberg ist die Lehrstelle für den Religionsunterricht der Jugend, mit welcher ein Jahresgehalt von 30 Gulden nebst freier Kost und Wohnung sowie der Vorsängerdienst samt den davon abhängigen Gefällen verbunden ist, erledigt, und durch Übereinkunft mit der Gemeinde unter höherer Genehmigung zu besetzen. 
Die rezipierten israelitischen Schulkandidaten werden daher aufgefordert, unter Vorlage ihrer Rezeptionsurkunden und der Zeugnisse über ihren sittlichen und religiösen Lebenswandel binnen 6 Wochen sich bei der Bezirks-Synagoge Mosbach zu melden.  Auch wird bemerkt, dass im Falle weder Schulkandidaten noch Rabbinatskandidaten sich melden, andere inländische Subjekte nach erstandener Prüfung bei dem Bezirks-Rabbiner zur Bewerbung zugelassen werden. 
Mosbach, den 13. Februar 1836. 
Großherzogliche Bezirks-Synagoge."   

   
   
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde  
Urkunde zur Geburt von Chajum Isaac in Zwingenberg (1732 / 1754)   
(Quelle: Kirchenregister der Pfarrei Willstätt, 1754 S. 204; erhalten von Bernd Joos, Alpirsbach) 
Anmerkung: auf Grund seiner Liebe zu einer Frau in Willstätt/Hanauerland und der beabsichtigten Heirat musste Chajum Isaac konvertieren; im Willstätter Kirchenbuch aus dem Jahr 1754 ist der Taufeintrag vermerkt; seitdem .    

Zwingenberg Dok 1754.jpg (137046 Byte)Auszug aus dem Kirchenregister der Pfarrei Willstätt, aus dem Jahr 1754: "Den 4.ten Junii wurde in hiesiger Kirche Bey Zahlreicher Versamlung so wohl einheimisch als fremder Personen nach vorher geschehenem Unterricht und ordentlich abgelegtem Glaubens Bekentnis durch S.T. (sc. salvo titulo) Ihro Hochwürden Herrn Johannem Mizenium Hochfürstl. Heßen Hanau Lichtenbergischen Consistorial Rath und Superintendenten wie auch des hießigen Orts Pfarrern getauft Chajum Isaac ein zu Zwingenberg am Neckar in der Oberen Pfaltz geborener Jude 22. Jahr alt, deßen im Judenthum allda verstorbener Vater ist gewesen Isaac Abraham. Der Täufling erwehlte sich den Namen, welcher ihm auch in der Taufe beygeleght worden(:) Ludwigs Christian Friedrich mit dem Zunamen Lebrecht. Taufzeugen waren und hatten sich erbeten laßen: S.T. der Hochedelgeborene Herr Justus Jacob Otto(,) Hochfürstl. Heßen Hanau Lichtenbergischer Hochverordneter Regierungs Rath und Amtmann deren Beeden (beiden) Ämter Wilstett und Lichtenau(.) S.T. der Hochedele Herr Matthias Schulmeister (,) des Amts Lichtenau Wohlverordneter Landschreiber Namens deßen samtlichen Lands(Stände) nemlich gedachter dießeit Rheinischer Beeder Aemter Wilstett u(nd) Lichtenau(,) und die Hochedele Frau Anna Francisca geborene Faber(in)(,) S.T. des Hochedlen Herrn Friedrich Wilhelm Wildermuths des Amts Wilstett Landschreibers Frau Eheliebste.  
J(ustus) J(acob) Otto proproio no(min)e
(?)    Anna Francisaca Wildermuthin als Göttel    Johann Mathias Schumeister im Nahmen des Lands."   

  
  
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen 
Anzeige der Pension J. David Witwe (1928)  

Zwingenberg Israelit 13041928.jpg (50226 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. April 1928: "Zwingenberg am Neckar 
in herrlichster Lage des Neckartales, dicht am Neckar und Gebirge gelegen, ist in Zwingenberg (Baden) Bahnstation, streng rituelle Pension zu haben bei 
Frau J. David Witwe. 
Auskunft erteilt Herr Bezirksrabbiner Greilsheimer 
Mosbach (Baden)."

   
   
   
Zur Geschichte des Betsaals /der Synagoge         
   
Zunächst war ein einfacher Betsaal vorhanden, der vermutlich um 1800 in einem Privathaus eingerichtet wurde. 1823 wird berichtet, dass das "die Stelle einer Synagoge in Zwingenberg vertretende Lokal in einem sehr schlechten Zustand sich befinde und die Eigentümerin dasselbe höchst nötig selbst bedürfe...". Durch diesen Eigenbedarf war die jüdische Gemeinde gezwungen, sich nach einer anderen Lösung für ihren Betsaal umzuschauen. Zur selben Zeit wurde sie von Seiten der Behörden auch dazu gedrängt, ein heizbares rituelles Bad zu erstellen. Die jüdische Gemeinde wies allerdings darauf hin, dass sie "schlechterdings nicht imstande" sei, das eine oder das andere aus eigenen Mitteln zu erbauen. Damals lebten sechs jüdische Familien am Ort, von denen vier als "unbemittelt", die anderen beiden als "bettelarm" eingestuft wurden. Das Oberamt Eberbach, das gleichfalls bescheinigte, dass die Gemeinde "weder Almosen noch sonstige Fonds" besitze und "notorisch arm" sei, wollte sich dennoch dafür einsetzen, dass die kleine Gemeinde zu ihren Einrichtungen kam.  
   
Im Januar 1823 baten die jüdischen Familien die Behörden darum, dass sie eine Kollekte zur Erbauung einer Synagoge und eines Bades durchführen könnten. Diese Bitte wurde von Seiten des Kreisdirektoriums zunächst nicht genehmigt. Auf den erneuten Antrag des jüdischen Gemeindevorstehers Ephraim Wolf vom 20. Juli 1823 erlaubten die Behörden die Kollekte, allerdings durfte sie nur im Bezirk des Neckarkreises und nur bei Juden durchgeführt werden. Nachdem die erste Kollekte nicht viel erbrachte, bat Gemeindevorsteher Wolf David im September 1825 darum, im ganzen Großherzogtum Baden kollektieren zu dürfen. Das Innenministerium in Karlsruhe hatte Einsehen und genehmigte 1827 die Sammlung. Immerhin erbrachte diese nun 157 Gulden, womit die Gemeinde an die weiteren Planungen für einen neuen Betsaal gehen konnte. 
      
Ein Glücksfall für die Einrichtung eines Betsaales hatte sich im Frühjahr 1827 ergeben, als das bisherige evangelische Schulhaus (Schule mit Lehrerwohnung) am Ort nicht mehr gebraucht wurde und mit Kaufvertrag vom 27. April 1827 von der jüdischen Gemeinde für 525 Gulden gekauft werden konnte. Bis zur Genehmigung des Kaufvertrages durch die Behörden dauerte es jedoch nochmals zwei Jahre. Erst danach konnte eine Hälfte des bisherigen Schulhauses zu einer Synagoge umgebaut werden. Zusammen mit der neuen Einrichtung hatte die Gemeinde Ausgaben von 700 Gulden, was ihre finanziellen Kräfte – nachdem in diesem Jahr acht "unbemittelte" Familien die jüdische Gemeinde bildeten – weit überstieg. Jahrelang blieb die Gemeinde auf einem Schuldenberg von 300 Gulden sitzen, wofür jährlich 15 Gulden Zins zu bezahlen waren. Als im August 1835 eine Erhöhung der Besoldung des Mosbacher Bezirksrabbiners anstand, wiesen die Zwingenberger Juden in ihrer Antwort darauf hin, dass "unsere politische sowohl als insbesondere die israelitische Gemeinde eine der ärmsten (ist). Wir [...] haben 300 Gulden Schulden, welche wir jährlich verzinsen müssen". Endlich ergab sich eine Lösung dadurch, dass sich für die andere Hälfte des ehemaligen Schulgebäudes ein Kaufinteressent fand. Diese Hälfte brauchte die jüdische Gemeinde nicht. Freilich mussten die Behörden den Verkauf genehmigen. Der Oberrat fragte an, ob diese Hälfte nicht für eine jüdische Schule oder eine Wohnung des Vorbeters gebraucht würde. Dafür war jedoch kein Bedarf. Der Mosbacher Bezirksrabbiner Isaak Friedberger meinte, dass die Haushälfte auch für keine Erweiterung des Betsaales nötig wäre. Selbst wenn die Zwingenberger Gemeinde auf das dreifache ihrer Zahl ansteigen würde, wäre noch genügend Platz in dem vorhandenen Betsaal. Schließlich konnten alle Behörden dem Verkauf des halben ehemaligen Schulhauses an Wilhelm Menges aus Zwingenberg zum Preis von 330 Gulden zustimmen. Damit konnten die Schulden abgezahlt werden. Die übrig bleibenden 30 Gulden verwendete die Gemeinde zu einem dringend nötigen neuen Schrank für die Torarollen (Toraschrein).  
      
Zacharias Seligmann, der 1845 in Zwingenberg geboren wurde und sich später in Eberbach niederließ, berichtete in seinen "Lebenserinnerungen", dass es bereits um 1880 durch die in Zwingenberg kaum mehr anwesende Zahl von zehn Männern in der jüdischen Gemeinde immer schwieriger wurde, Gottesdienste zu feiern: "Nach Wegzug meiner Mutter (sc. Ende der 1870er-Jahre) und nach dem Absterben einiger Familien war die kleine jüdische Gemeinde in Zwingenberg nicht mehr in der Lage, einen Gottesdienst zu halten. Auch zur Zeit, als meine Eltern noch dort wohnten, musste mein Vater oft für die sogenannten Minjenleute sorgen...".  
       
Das Gebäude mit dem Betsaal ("Synagoge" genannt), das sich auf dem heutigen Grundstück Alte Dorfstraße 21 (früher Nr. 15, Flurstück Nr. 31) befand, blieb dennoch im Besitz der jüdischen Gemeinde bis zu ihrer Auflösung in der NS-Zeit. Erst am 6. September 1938 wurde es für 500 RM an Zwingenberger Privatleute verkauft. Den Kaufvertrag unterzeichnete für die jüdische Gemeinde David Rothschild. Das ehemalige Synagogengebäude wurde seitdem als Wohnhaus genutzt. Nach 1945 wurde von den Besitzern im Zuge des Restitutionsverfahrens eine Nachzahlung an die jüdische Vermögensverwaltung eingefordert. Auf Grund zunehmender Baufälligkeit wurde die ehemalige Synagoge 1948/49 abgebrochen. Auf dem Grundstück ist ein neues Wohngebäude erstellt worden, in dem sich in den folgenden Jahren neben einer Wohnung zeitweise die Poststelle der Gemeinde befand. Dieses Gebäude ist bis heute erhalten.  
   
   
   

Fotos 
Historische Fotos: 
(Quelle: Gemeinde Zwingenberg)  

Zwingenberg Synagoge 010.jpg (50150 Byte)
Unterschriften unter dem Kaufvertrag vom 27. April 1827 über den Kauf des bisherigen evangelischen Schulhauses 
durch die jüdische Gemeinde zur Einrichtung eines Betsaales. Für die jüdische Gemeinde unterschrieb u.a. der 
damalige Judenvorsteher Ephraim Wolf David
  
Zwingenberg Synagoge 013.jpg (43282 Byte) Zwingenberg Synagoge 012.jpg (39295 Byte)
In der "Alten Dorfstraße" in Zwingenberg mit dem Gebäude der ehemaligen Synagoge (1930er-Jahre?). 
Das Foto rechts zeigt eine Ausschnittsvergrößerung.


Fotos nach 1945/Gegenwart:

1960er-Jahre:
(Foto: Gemeinde Zwingenberg)
Zwingenberg Synagoge 011.jpg (62127 Byte)   
              
       
Neueres Foto
(Foto: Michael Ohmsen, Sommer 2010;
Quelle: Website von M. Ohmsen mit 
Fotoseite zu Zwingenberg)
   Zwingenberg Synagoge 820.jpg (147589 Byte)  
   
     
Mahnmal zur Deportation nach Gurs 
in Neckarzimmern (zentrale Gedenkstätte) und Zwingenberg
Zwingenberg Denkmal N01.jpg (93515 Byte) Zwingenberg Denkmal N02.jpg (91321 Byte)
     
     

   
   

Links und Literatur

Links:

Website der Gemeinde Zwingenberg  

Literatur:   

Franz Hundsnurscher/Gerhard Taddey: Die jüdischen Gemeinden in Baden. 1968. S. 302.   
synagogenbuch-1.jpg (32869 Byte)Joachim Hahn / Jürgen Krüger: "Hier ist nichts anderes als Gottes Haus...". Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen. Hg. von Rüdiger Schmidt, Badische Landesbibliothek, Karlsruhe und Meier Schwarz, Synagogue Memorial, Jerusalem. Stuttgart 2007.  

  
Achtung: Zwingenberg im Neckar-Odenwald-Kreis ist nicht identisch mit dem hessischen Zwingenberg an der Bergstraße. 
Näheres zu der dortigen Synagoge siehe Seite zur Synagoge in Zwingenberg Kreis Bergstraße  
  
   

  

                   
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Stand: 02. Januar 2014