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Geiselwind (Kreis Kitzingen)
Jüdische Geschichte / Synagoge
(erstellt unter Mitarbeit von
Wolf-Dieter Gutsch)
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
In Geiselwind (früher Mittelfranken, Herrschaftsgericht Burghaslach, zu dem die
jüdischen Gemeinden Burghaslach,
Fürstenforst und Geiselwind gehörten)
bestand eine kleine jüdische Gemeinde bis zur zweiten Hälfte des 19.
Jahrhunderts (Auflösung um 1875). Ihre Entstehung geht in die Zeit des 16. Jahrhunderts zurück:
1576 wird in einem Dokument des Fürstlich Castell'schen Archives Abraham Jud
zu Geiselwind genannt (Quelle).
Im 17. Jahrhundert waren mehrere jüdische Familien am Ort. So werden in den
Pfarrmatrikeln aus dem Jahr 1664 jüdische Familien in Geiselwind genannt, von
denen jede in recognitionem parochi proprii jährlich 24 Kr. zu bezahlen hatte (Quelle).
Im 18. Jahrhundert werden jüdische Einwohner in Geiselwind mehrfach genannt:
eine Tochter des Schutzjuden Jacob Balin in Castell (Sohn des Samuel Balin von
Segnitz; Jacob, der 1712 in Castell
aufgenommen wurde, starb 1746) konvertierte zum katholischen Christentum,
heiratete um 1740/45 Johann Georg Gernet in Geiselwind und nannte sich dann
Maria Theresia; eine andere Tochter von Jacob Balin namens Idel (Itel) heiratete
den Schutzjuden Loew in Geiselwind und die Tochter Lea heiratete um 1746
Benjamin, den Sohn des Schutzjuden Lazarus von Geiselwind. Nicht
nur die Tochter von Jacob Balin konvertierte zum Christentum: 1777 ließ sich der
etwa 20-jährige Joseph Gutmann katholisch taufen, wobei einer der Taufpaten der
Fürst von Schwarzenberg war; er trug danach den Namen Wilhelm Christian Joseph
Gutmann, lebte noch einige Jahre in Geiselwind und verzog dann mit mit eigener
Familie nach Thüringen.
In den Matrikellisten des 19. Jahrhunderts (1813-1861) waren für
Geiselwind drei Matrikelstellen festgeschrieben:
1) Isaak Löw (geb. 1785; neuer Familienname: Krackenberger; hatte einen
Schutzbrief vom 2. März 1814; nach seinem Tod wurde die Matrikelstelle besetzt
von seiner Witwe Rebekka Krackenberger), lebte vom Feldbau und Viehhandel.
2) Joseph Benjamin (geb. 1755, neuer Familiename: Nachtigall; hatte einen
Schutzbrief vom 11. Juli 1789; lebte vom Handel mit Schnittwaren und vom
Schächten). Nach seinem Tod übernahm die Matrikelstelle sein Sohn Philipp
Nachtigall (geb. 1799, war als Metzgermeister tätig; nach seinem Tod 1842
[siehe Foto des Grabsteines in Aschbach unten] wurde die
Matrikelstelle besetzt von seiner Witwe Rettel Nachtigall); vgl.
auch
Dokument von 1820 zu Joseph Nachtigall; anderes
Dokument von 1828 zu Pfeifel (= Philipp) Nachtigall.
3) Lazarus Jacob (geb. 1791, neuer Familienname: Vogelbaum; hatte einen
Schutzbrief vom 15. Februar 1815; lebte vom Handel mit Ellenwaren und dem
Verkauf in einem offenen Laden). 1855 (Verzicht des Vaters) übernahm sein Sohn
Salomon Vogelbaum die Matrikelstelle (geb. 1827 in Geiselwind; lebte vom
Schnittwarenhandel); vgl. auch
Dokument von 1828 zu Lazarus Vogelbaum.
Weitere jüdische Familien waren (vermutlich nach Ablauf der festen
Matrikelregelung): Familie des Glasermeisters Löwenstein, Spenglermeister
Gutmann, Schuhmacher Schumann.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge
(s.u.), möglicherweise auch einen Schulraum und ein rituelles Bad. Die Toten der
jüdischen Gemeinde wurden (bereits nach einem Vertrag von 1761 mit den Gemeinden
Aschbach, Fürstenforst und Burghaslach) auf dem
jüdischen Friedhof in Aschbach beigesetzt. Ob zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde
zeitweise ein Lehrer
angestellt war oder ob man einen solchen mit einer anderen Gemeinde teilte, ist
nicht bekannt. 1876 wird Geiselwind als Gemeinde des bis dahin bestehenden
Distriktrabbinates Uehlfeld genannt.
Seit Mitte des 19. Jahrhunderts sind die jüdischen Einwohner aus
Geiselwind sehr schnell abgewandert oder ausgewandert, sodass die jüdische
Gemeinde um 1875 endgültig aufgelöst wurde. Löb Grünlaub (aus
Dittlofsroda in der Rhön) verzog mit
seiner Familie nach Altenschönbach
(wo seine Tochter Luise am 19.11.1880 geboren wurde, umgekommen ist der
NS-Zeit), Löb Krackenberger ebenfalls. Die letzte jüdische Einwohnerin, Lea
Löwenstein, starb am 2. Februar 1879 im Alter von 69 1/2 Jahren. Sie war ledige
Schnittwarenhändlern, ihre Eltern waren nach dem standesamtlichen Sterbeeintrag
Jakob Löwenstein und dessen Ehefrau Fanny geb. Oscher.
Von den in Geiselwind geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften
jüdischen Personen ist in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Klara Grünlaub (geb. 22.
April 1874 in Geiselwind, später wohnhaft in Altenschönbach und Würzburg,
deportiert am 23. September 1942 in das Ghetto Theresienstadt, wo sie am 4.
Dezember 1943 umgekommen ist.
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
In jüdischen Periodika des 19./20.
Jahrhunderts wurden noch keine Berichte zur jüdischen Geschichte in
Geiselwind gefunden. |
Zur Geschichte der Synagoge
Eine Synagoge unbekannten Alters war vorhanden. Sie wurde
möglicherweise noch einmal um 1850 renoviert, da in diesem Jahr eine Kollekte
für die Reparaturarbeiten genehmigt wurden (siehe unten). Wie lange die Synagoge
benutzt wurde, ist nicht bekannt.
Frühjahr 1850:
Kollekte zur Reparatur der Synagoge in Geiselwind
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im "Königlich Bayerischen Intelligenz-Blatt für Mittelfranken"
vom 29. Mai 1850: "An sämtliche Distrikts-Polizeibehörden von
Mittelfranken (Baukollekte-Gesuch der Judengemeinde in Geiselwind
betreffend). Im Namen Seiner Majestät des Königs.
Die Synagoge zu Geiselwind, königliche Gerichts- und Polizeibehörde Scheinfeld,
bedarf einer Reparatur. Da nun die wenig vermögliche Judengemeinde in
Geiselwind nicht wohl imstande ist, die auf 428 Gulden berechneten Kosten
dieser Reparatur aufzubringen, so wird der genannten Gemeinde auf deren
Ansuchten von der unterfertigten königlichen Regierung eine auf den
mittelfränkischen Regierungsbezirk beschränkte Kollekte bewilligt, und
erhalten die Distrikts-Polizeibehörden des Kreises den Auftrag, zur
Bestreitung der in Frage stehenden Kosten bei den israelitischen
Glaubensgenossen ihres Bezirkes eine Kollege zu veranstalten, und deren Ergebnis
binnen 4 Wochen anher einzusenden.
Ansbach, am 27. Mai 1850. Königliche Regierung von Mittelfranken,
Kammer des Innern. v. Voltz. Oertel." |
Adresse/Standort der Synagoge:
unbekannt
Fotos
Fotos zur jüdischen Geschichte
in Geiselwind oder zum Synagogengebäude sind noch nicht vorhanden. |
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Auf dem
jüdischen Friedhof in Aschbach:
Grabstein über dem Grab von
Philipp Nachtigall aus Geiselwind
(Foto: Wolf-Dieter Gutsch) |
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"Grabstätte des
Philipp Nachtigall von Geiselwind, gest. im Jahr 1842"; hebräisch-religiöser
Name "Jaakow Chaim Ben Jospa s.A." |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Staatsarchiv Nürnberg: Die Judenmatrikel 1813-1861
für Mittelfranken. Bd. 5. Zu Geiselwind. CD Nürnberg 2003 (gff digital,
Reihe A: Digitalisierte Quellen, 1 = Staatliche Archive Bayern, Digtale
Medien, 1) ISBN 978-3-929865-76-9. vgl.
https://www.gf-franken.de/de/gda-1-judenmatrikel-mfr.html. |
| Mesusa 1. Hrsg. Arbeitskreis Jüdische
Landgemeinden in Aisch, Aurach, Ebrach und Seebach. Johann Fleischmann. Bd.
1 enthält einen Beitrag über: 16. bis 18. Jahrhundert: Jüdische Spuren in
Geiselwind. |
| Heinz und Thea Ruth Skyte, née Ephraim: Our Family. The
Jews of Castell (Frommel, Marx, Jacob Balin). In:
http://www.rijo.homepage.t-online.de/pdf/en_de_ju_sky20104.pdf
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