Eingangsseite
Aktuelle Informationen
Jahrestagungen von Alemannia Judaica
Die Mitglieder der
Arbeitsgemeinschaft
Jüdische Friedhöfe
(Frühere und bestehende) Synagogen
Übersicht: Jüdische Kulturdenkmale
in der Region
Bestehende jüdische Gemeinden
in der Region
Jüdische Museen
FORSCHUNGS-
PROJEKTE
Literatur und Presseartikel
Adressliste
Digitale Postkarten
Links
| |
zurück zur Übersicht "Synagogen in der Region"
zu den Synagogen in
Baden-Württemberg
Zur Seite über die Israelitische Religionsgemeinschaft in
Württemberg (IRGW)
Heilbronn (Stadtkreis)
Jüdischer Betsaal nach 1945 (seit 2006)
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
Nach 1945 lebten in Heilbronn zunächst nur wenige jüdische Personen/Familien. 1975 wurden 22 jüdische Einwohner gezählt; in den 1980er-Jahren waren es ca. sechs Familien und einige einzelne Personen, die zur Israelitischen Religionsgemeinschaft in Württemberg (Stuttgart) gehörten. Erst seit den 1990er-Jahren hat ihre Zahl stärker
durch Zuwanderung aus den GUS-Staaten zugenommen. Eine jüdische Gemeinde ist seit 2003/04 wieder im Entstehen,
jedoch bis auf Weiteres als Filialgemeinde der
Israelitischen Religionsgemeinschaft in Württemberg mit Sitz in Stuttgart. 2020
gehörten zu der Gemeinde etwa 100 Mitglieder. Regelmäßig wird die Gemeinde durch
den "Landrabbiner" der Israelitischen Religionsgemeinschaft besucht, der wie für
Heilbronn auch für die Betreuung der anderen Filialgemeinden (u.a. in Bad
Mergentheim, Esslingen, Reutlingen, Weingarten) zuständig ist.
Zur Geschichte des Betsaales
Seit 2002 gab es monatliche Treffpunkte, zu denen sich jüdische Einwohner in der Stadt sammeln und sich zu organisieren begannen. 2004/05 konnte ein neuer Betsaal in einem Gebäude in der "Allee"
gegenüber dem Grundstück der 1938 zerstörten Synagoge eingerichtet werden. Es handelt sich um einen Raum innerhalb von multifunktional nutzbaren Räumen. Am
19. Februar 2006 konnte verbunden mit einer festlichen Einweihung eine neue - in Israel geschriebene - Torarolle in den Betsaal eingebracht werden.
Auf dem Weg zu einer neuen
Gemeinde
(Quelle: Heilbronner Stimme vom 21.10.2003
und
27.12.2003) |
|
|
|
Rabbiner Shneur
Trebnik aus Ulm begleitet die entstehende jüdische Gemeinde an den
Festtagen: links zum Laubhüttenfest,
rechts beim Entzünden der siebten
Kerze des Chanukkaleuchters auf dem Heilbronner Marktplatz |
Die
feierliche Übergabe und Einbringung einer neuen Torarolle am 19. Februar 2006
Am 19. Februar 2006 fand ab 15 Uhr die
feierliche Übergabe einer Torarolle an die neue jüdische Gemeinde in Heilbronn
statt. Der Festakt war im großen Saal des Universum Arthaus-Kinogebäudes,
Allee 4 (Grundstück der früheren Synagoge). Die Torarolle wurde durch den
Freundeskreis Synagoge Heilbronn e.V. gespendet. Bei der
Veranstaltung sprachen Jürgen Schad (1. Vorsitzender des Freundeskreisvereins),
Bürgermeister der Stadt Heilbronn Harry Mergel, Barbara Traub MA. (Sprecherin
des Vorstands der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg), Rabbiner
Netanel Wurmser (Landesrabbiner von Württemberg) sowie Prälat Paul Dieterich
von der Evangelischen Kirche. Nach dem vom Freundeskreis gemeinsam mit der
Israelitischen Religionsgemeinschaft in Württemberg veranstalteten Festakt
wurde die Torarolle in einer feierliche Prozession zu den neuen Räumen der
jüdischen Gemeinde gebracht. Hier fand die religiöse Einweihung der Torarolle
statt. (Fotos: Hahn)
|
|
|
Landesrabbiner Wurmser
schmückt die Torarolle |
Die Torarolle unter dem
Baldachin
während dem Festakt |
Landesrabbiner Wurmser
während seiner Ansprache |
|
|
|
|
|
|
Mehrere hundert
Personen nahmen am Festakt im Universum -
Arthaus-Kinogebäude teil |
|
|
|
|
|
|
Überreichung
einer Urkunde an Jürgen Schad für den "Freundeskreis Synagoge
Heilbronn e.V."
durch Barbara Traub MA. (Vorstandssprecherin der
IRGW) |
Von links stehend: Barbara
Traub, Bürgermeister Harry Merkel,
Avital Toren, Jürgen Schad,
Landesrabbiner Netanel Wurmser |
|
|
|
|
|
|
Die Torarolle wird aus
dem
Saal gebracht |
Vor dem Universum -
Arthaus -
Kinogebäude |
|
|
|
|
|
|
Auf dem Weg zum
Betsaal - die Torarolle in den Armen von
Landesrabbiner Wurmser
unter dem Baldachin |
Singen und Tanz
mit der
Torarolle |
|
|
|
|
|
Frohe Stimmung vor
dem Einbringen der Torarolle in den neuen Betsaal |
|
|
|
|
|
|
Eingang mit Mesusa |
Im neuen Betsaal:
links hinter dem Baldachin der Toraschrein |
Pressebericht zur Einweihung der
Torarolle (aus der "Stuttgarter Zeitung" vom
20. Februar 2006):
Die Tora ist jetzt ins Unterland zurückgekehrt
Mit der heiligen Schriftrolle macht die jüdische Gemeinde in Heilbronn einen neuen Anfang - Religionsunterricht für Erwachsene
Während der vergangenen tausend Jahre sind die Juden in Heilbronn immer wieder vertrieben oder umgebracht worden. Seit gestern sind sie offiziell wieder da. Als unbedingt notwendiges Zeichen des Neuanfangs wurde eigens eine handgeschriebene Tora aus Israel eingeflogen.
Von Wieland Schmid
Avital Toren macht keinen Hehl aus ihrem Stolz. Für die 65-jährige Jüdin, die mit ihrem Mann Mosche seit Jahrzehnten in Heilbronn lebt, war das gestern ein "sehr aufregender, sehr spannender Tag". Nicht nur, weil der Landesrabbiner Natanel Wurmser (53) mit zahlreichen Angehörigen der jüdischen Glaubensgemeinschaften aus Baden und aus Württemberg ins Unterland gekommen ist. Oder weil Hunderte von Heilbronnern mit Bürgermeistern und führenden christlichen Seelsorgern ihre Aufwartung im neuen jüdischen Gemeindezentrum machten.
Das Aufregendste war ein Pergament, auf das die fünf Bücher Moses in Hebräisch mit einem Federkiel geschrieben worden sind. "Eine solche Tora ist das Höchste und Wertvollste einer jüdischen Gemeinde", erklärt Avital Toren. "Damit ist die Heilbronner Gemeinde endlich wieder autark." Auch für Rabbiner Wurmser war es eine Freude, die wertvolle Schriftrolle unter einem Baldachin in das neue jüdische Gemeindezentrum an der Allee zu bringen.
"Heilbronn ist eine weltweit berühmte Gemeinde von historischer Perspektive", rühmt der oberste Glaubenshüter von rund 3000 Juden in Württemberg die Erneuerung jüdischen Lebens im Unterland. Denn auf dem Globus weit verbreitete jüdische Familiennamen wie Halpern, Heilpern oder Heilprin sind nachweislich aus dem Namen der alten Reichsstadt abgeleitet. Obwohl die deutschen Heilbronner ihre israelitischen Mitbürger über Jahrhunderte hinweg schlecht behandelt haben.
Schon deren vermutlich erste Synagoge aus der Zeit um 1050 wurde 1298 von einem Ritter Rindfleisch aus dem Taubertal eingeäschert. Die letzte Synagoge galt nur 62 Jahre lang als eines der schönsten jüdischen Gotteshäuser in ganz Deutschland, bevor sie im November 1938 von den Nazis bis auf die Grundmauern zerstört wurde. In den tausend Jahren zuvor haben die Heilbronner die ungeliebten Mitbürger immer wieder umgebracht und aus der Stadt gejagt, um sie ein paar Jahre später widerwillig erneut in ihren Mauern aufzunehmen. Erst 1831 erhielt mit dem Tuchmacher Isidor Veit erstmals ein Jude das Heilbronner Bürgerrecht, 1849 schaffte Moritz Kallmann als Vertreter von damals rund tausend Heilbronner Juden den Sprung in den Stadtrat, obwohl 149 von insgesamt 634 Geschäften jüdische Besitzer hatten. Nach dem Ende der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft waren mindestens 235 Heilbronner Juden getötet, die übrigen 500 in alle Welt verstreut worden.
Heute ist Avital Toren schon glücklich, dass ihre inzwischen auf mehr als hundert Köpfe angewachsene Glaubensgemeinschaft seit kurzem wieder über ein eigenes Gemeindezentrum in einem Bürogebäude genau gegenüber dem Standort der ehemaligen Synagoge verfügt. "Es tut gut, dass in Heilbronn nach über sechzig Jahren wieder jüdisches Leben stattfinden kann", sagt die Toren, die sich selbst als "Mädchen für alles" innerhalb der Unterländer Gemeinde betrachtet. Jetzt müssen sie und die anderen nicht mehr ständig in die Stuttgarter Synagoge fahren oder bei befreundeten Protestanten und den Heilbronner Freimaurern gelegentlich um einen Saal für jüdische Feste bitten. Das neu gemietete Gemeindezentrum hat zwar nur drei Räume mit zusammen 200 Quadratmetern. "Aber es reicht, obwohl es eng ist, wenn alle kommen", sagt Avital Toren.
Mit der gestern feierlich eingeweihten neuen Tora kann die Gemeinschaft nach eigener Anschauung ihre religiöse und weltliche Kraft erst richtig entfalten. Rund 20 000 Euro hat allein die Anfertigung der Schriftrolle durch einen speziell dafür ausgebildeten Schreiber gekostet, der in Israel ein Jahr lang daran gearbeitet hat. Auch die christlichen Pfarrer im Unterland haben dafür bei ihren Schäfchen kräftig gesammelt. Es ist sogar so viel Geld übrig geblieben, dass der Toraschreiber nach Deutschland fliegen konnte und gestern gemäß der Tradition das Einfügen der letzten Buchstaben durch Gemeindemitglieder überwachen konnte.
Jetzt blicken die Heilbronner Juden wieder einigermaßen optimistisch in die Zukunft. Von denen, die sich einst nach dem Zweiten Weltkrieg wieder im Unterland angesiedelt haben, sind inzwischen nur noch sechs übrig. Die anderen Mitglieder jüdischen Gemeinde sind alle in jüngster Vergangenheit aus der ehemaligen Sowjetunion eingewandert. "Viele von denen haben keine Ahnung von jüdischer Religion", sagt Avital Toren. "Deshalb müssen sie angelernt werden." Vom Bau einer neuen Synagoge kann nach ihrer Ansicht vorerst keine Rede sein: "Unser nächster Schritt ist erst mal der Religionsunterricht für Erwachsene."
Informationen zum Freundeskreis Synagoge Heilbronn
e.V.: Der
Freundeskreis ist ein eingetragener Verein und möchte die jüdische
Gemeinschaft in Heilbronn bei der Wiedereinrichtung und Unterhaltung eines
Gemeindezentrums bzw. einer Synagoge unterstützen. Damit soll jüdische
Lebensweise in ihrer religiös-kulturellen Vielfalt auch in Heilbronn möglich
werden. Dem Verein liegt an der Pflege der Beziehungen zwischen jüdischen und
nichtjüdischen Bürgern und will zum Gelingen des
interreligiösen und interkulturellen Dialog im Sinne der Völkerverständigung
beitragen. Der Verein wurde am 16. Juni 2004 gegründet. Spenden an den Verein
sind steuerabzugsfähig.
Anschrift: Freundeskreis Synagoge Heilbronn e.V.
c/o 1. Vorsitzender: Jürgen Schad Max Planck-Str.
12/0 74081 Heilbronn
Bankverbindung des Freundeskreises: Konto Nr. 1230031855 bei der Kreissparkasse
Heilbronn BLZ 620 500 00
Für Interessenten an einer Mitgliedschaft: der jährliche
Mitgliedsbeitrag beträgt mind. € 12.-
Weitere Presseberichte
Juli 2020:
Bericht über die jüdische
Filialgemeinde in Heilbronn
|
Artikel von Carsten Friese
in der "Heilbronner Stimme" vom 8. Juli 2020:
"Ein Leben ohne Angst gibt es bis heute nicht
Heilbronn Avital Toren und Günter Spengler skizzieren in der Wissenspause
die Rückkehr jüdischen Lebens nach Heilbronn. Mit vielen Spenden wurde 2006
eine 20.000 Euro teure Thora-Rolle angefertigt. Seit dem Anschlag von Halle
ist bei Gottesdiensten immer Polizeischutz vor Ort.
Trotz Vertreibung, Ermordung vieler Bürger und der Zerstörung der früheren
Synagoge an der Allee in der NS-Zeit ist nach Heilbronn wieder jüdisches
Leben zurückgekehrt. Der Motor der Jüdischen Gemeinde Heilbronn, Avital
Toren, hat in der Wissenspause im Deutschhof am Mittwoch mit
Freundeskreis-Mitbegründer Günter Spengler spannende Einblicke in die
Entwicklung gegeben. Ein freies Leben ohne Angst vor Anfeindungen gibt es
für die Mitglieder bis heute nicht.
Erst 2004 folgte der Einzug in eigene Räume an der Allee. Zuerst
waren es lockere Treffen von Juden in Heilbronn, die keine eigenen Räume
hatten. Zu Zusammenkünften fuhren sie öfter in die Zentrale der
Israelitischen Religionsgemeinschaft nach Stuttgart. 2004 wurde eine Filiale
in Heilbronn gegründet, der Freundeskreis Synagoge Heilbronn unterstützte
bei der Suche nach Räumen. An der Allee wurden die Juden fündig und setzten
zwei Jahre später einen Meilenstein: Sie schafften eine eigene Thora-Rolle
an, handgeschrieben auf 40 Bögen aus Tierhaut - das Heiligtum im jüdischen
Glauben. Dass der professionelle Schreiber für die letzten Bögen aus Israel
nach Heilbronn eingeflogen wurde und hier die Thora zu Ende schrieb, 'gab es
das erste Mal in Baden-Württemberg', blickt Toren zurück.
Rund 100 Mitglieder zählt die Gemeinde heute, viele stammen aus Osteuropa.
Wanderrabiner kommen abwechselnd alle zwei bis drei Wochen in die kleineren
Gemeinden, nur dann kann auch Schabbat gefeiert werden. Der hohe Ruhetag in
der Woche beginnt mit Segen und Festmahl, am Tag drauf folgen
Thora-Prozession, Schriftlesungen, Gebete. Günter Spengler erinnerte daran,
wie der Freundeskreis einen Spendenaufruf für die 20.000 Euro teure
Thora-Rolle initiiert hatte. Zum Beispiel für fünf Euro konnten Bürger einen
Thora-Vers übernehmen - und erhielten eine Urkunde dafür. Nach zehn Monaten
'hatten wir das Geld zusammen'. Als 'verheerendes Signal' stuft Spengler es
ein, dass seit dem Anschlag auf eine Synagoge in Halle Gottesdienste der
Heilbronner Gemeinde unter Polizeischutz stehen. Die Sorge vor Anfeindungen
sei immer da, sagt Avital Toren. Jugendliche würden in der Schule ihren
Glauben verschweigen.
Inzwischen mehr Interesse von Jüngeren.
Umso mehr freut es sie, dass inzwischen Schulklassen in die Synagoge kommen,
christliche und muslimische Kinder interessiert Fragen stellen. Die
Ausrichtung der Gemeinde stuft Toren als 'orthodox, aber nicht ultra' ein.
Sie fragt sich, wer mal ihre Nachfolge als Leiterin der Gemeinde übernehmen
soll. Sie ist 79. 'Das ist meine große Sorge.' Als Wissenspause-Moderator
Christhard Schrenk nach Träumen fragt, nennt Toren einen größeren Essensraum
und eine kleine Wohnung für Rabbiner - die sonst beengt in den
Gemeinderäumen mit Familie nächtigen. Und was wäre mit einer eigenen
Synagoge in Heilbronn, wie sie einst an der Allee stand? Toren: 'Wenn es
bezahlbar ist.' Günter Spengler glaubt, dass viele Bürger dies unterstützen
würden. Aber auch die Stadt müsse sich da finanziell einbringen."
Link zum Artikel |
Links und Literatur
Links:
vorherige Synagoge zur ersten Synagoge nächste Synagoge
|