In der ehemaligen freien
Reichsstadt Heilbronn bestand eine jüdische
Gemeinde zunächst im Mittelalter. Vermutlich lebten seit der Mitte des 11.
Jahrhunderts Juden in der Stadt. Bei der Judenverfolgung 1298 wurden 143 Juden
ermordet. Durch die Verfolgung während der Pestzeit 1349 wurde die Gemeinde
vernichtet. Um 1359 ließen sich Juden wieder in Heilbronn nieder, bis 1437/38
durch eine erste Ausweisung alle Juden die Stadt verlassen mussten. Nach ihrer
Wiederzulassung 1439 war noch bis zur endgültigen Vertreibung 1476 jüdisches
Leben in Heilbronn möglich.
19./20. Jahrhundert
Eine neue Gemeinde entstand in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Nach
den Neuregelungen des "Gesetzes in Betreff der öffentlichen Verhältnisse
der israelitischen Glaubensgenossen" von 1828 konnten Juden unter
bestimmten Voraussetzungen auch in Orten zuziehen, in denen bis dahin keine
israelitische Gemeinde bestand. 1831 erhielt als erster Jude der
Tuchmacher Isidor Veit aus Sontheim das Heilbronner Bürgerrecht. In der
Folgezeit zogen zunächst nur einzelne, seit den 1850er-Jahren verstärkt
jüdische Personen und Familien aus den benachbarten Landgemeinden in die Stadt.
1849 wurde mit dem Rechtskonsulenten Moritz Kallmann der erste Jude in den
Gemeinderat gewählt. Offizielle Neubegründung der Gemeinde war 1864.
Seit Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich die Zahl der
jüdischen Einwohner wie folgt: 1855 65 jüdische Einwohner (0,5 % von insgesamt
13.968), 1861 137 (1,0 % von 14.333), 1865 369 (von insgesamt 16.439) 1871 610 (3,2 % von 18,955), um 1885
Höchstzahl mit 994 Personen, 1900 815 (2,2 % von 37,981), 1912 855 (2,0 % von
42,689).
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde insbesondere eine Synagoge
(ab 1910/11 auch eine orthodoxe Synagoge) und eine jüdische Schule
(Religionsschule). Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war - neben
dem für Stadt und Bezirk zuständigen Rabbiner - ein Lehrer (zeitweise zwei
Lehrer) angestellt, die auch als Vorbeter tätig waren.
Nach der Verlegung des Lehrensteinsfelder Rabbinats 1867 war Heilbronn
Sitz eines Bezirksrabbinates. Rabbiner in der Stadt
(beziehungsweise im Bezirk) waren: 1864 bis 1889 Dr. Moses Engelbert, 1889 bis
1892 Dr. Berthold Einstein (Rabbinatsvertreter), 1892 bis 1914 Ludwig Kahn, 1914
bis 1935 Dr. Max Beermann, 1935 bis 1939 Dr. Harry Heimann. Rabbiner der
Israelitischen Religionsgemeinschaft waren 1911 bis 1920 Dr. Jonas Ansbacher,
1921 bis 1922 Dr. Benjamin (Benno) Cohen, 1920/23 bis 1930 Dr. Gerson Feinberg.
Informationen und Texte zu den Rabbinern siehe auf einer weiteren
Seite.
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde: Unteroffizier
Richard Adler (geb. 1889 in Heilbronn, gef. 1918), Moritz Arnstein (geb. 1892 in
Heilbronn, gef. 1915), Leutnant David Bauernfreund (geb. 1886 in Schluchtern,
gef. 1918), Walter Danziger (geb. 1890 in Heilbronn, gef. 1914), Feldunterarzt
Adolf Daube (geb. 1896 in Heilbronn, gef. 1918), Vizefeldwebel Fritz Ehrlich
(geb.1892 in Wanfried, gef.1915), Vizewachtmeister Leo Flegenheimer (geb. 1897
in Heilbronn, gef. 1918), Unteroffizier Max Gumbel (geb. 1893 in Heilbronn gef.
1914), Ludwig Hanauer (geb. 1884 in Schw. Hall, gef. 1918), Leutnant Siegfried
Henle (geb. 1890 in Heilbronn, gef. 1915), Gefreiter Eugen Herz (geb. 1888 in
Heilbronn, gef. 1914), Leutnant Otto Herz (geb. 1889 in Heilbronn, gef. 1917),
Leutnant Hermann Kern (geb. 1894 in Wollenberg, gef. 1918), Sergeant Felix
Ledermann (geb. 25.9.1879 in Menzingen, gef. 1918), Unteroffizier Theodor
Löwengart (geb. 1882 in Heilbronn, gef. 1916), Unteroffizier David Mann, geb.
1881 in Heilbronn, gef. 1916), Elias Ottenheimer (geb. 1890 in Heilbronn, gef.
1916), Gefreiter Ludwig Pincus (geb. 1895 in St. Johann, gef. 1917), Jakob Reis
(geb. 1892 in Heilbronn, gef. 1916), Gefreiter Julius Reis (geb. 1896 in
Hoffenheim, gef. 1918), Albert Samuel Rosengart (geb. 1891 in Heilbronn, gef.
1916), Unteroffizier Julius H. Sänger (geb. 1886 in Heilbronn, gef. 1914),
Gefreiter Moritz Scheuer (geb. 1885 in Heilbronn, gef. 1918), Emil Schwarz (geb.
1872, gef. 1918), Vizefeldwebel Jakob Steigerwald (geb. 1873 in Heilbronn, gef.
1917), Unteroffizier Ludwig Stein (geb. 1894 in Heilbronn, gef. 1918), Adolf
Stern (geb. 1895 in Heilbronn, gef. 1918), Gefreiter Paul Stern (geb. 1896 in
Heilbronn, gef. 1918), Gefreiter Julius Wolf (geb. 1882 in Sennfeld, gef.
1918).
An Vereinen gab es in der jüdischen Gemeinde insbesondere: 1. die Herder
Loge U.O.B.B. (gegründet 1910; 1924 unter Leitung von Hermann Schloß mit
120 Mitgliedern; war geistiger Mittelpunkt der jüdischen Gemeinde in
Heilbronn), der IsraelitischeWohltätigkeitsverein (gegründet
1847, 1924 unter Leitung von Moritz Kirchheimer mit 220 Mitgliedern, 1932 unter
Leitung von Carl Kern mit 250 Mitgliedern, Deutschhofstraße 2; Zweck und
Arbeitsgebiet: Unterstützung Hilfsbedürftiger und Kranker), der Israelitische
Unterstützungsverein (Armenverein, gegründet 1863, 1924 unter
Leitung von H. Wollenberger, 1932 unter Leitung von L. Horowitz,
Götzenturmstraße 11 und Adolf Steckelmacher, Mozartstraße 7 mit 180
Mitgliedern; Zweck und Arbeitsgebiet: Unterstützung der Ortsarmen und
Durchwanderer), der Israelitische Frauenverein (gegründet 1872, 1924
unter Leitung der Frau von S. Henle mit 230 Mitgliedern, 1932 unter Leitung von
Rosa Kirchheimer mit 250 Mitgliedern, Friedenstraße 39; Zweck und
Arbeitsgebiet: Unterstützung Hilfsbedürftiger, Witwen und
Waisenunterstützung, Schulpflege), der Talmud Tora-Verein (1924 unter
Leitung von Bezirksrabbiner Dr. Beermann), eine Ortsgruppe des
Central-Vereins (1924 unter Leitung von Dr. Gumbel), eine Ortsgruppe der
liberalen Vereinigung, eine Ortsgruppe der Freien Vereinigung, eine Ortsgruppe
"Blauweiß", der Jüdische Jugend- und Schülerbund "Montefiore"
(1924 unter Leitung von Georg Schwarzenberger), der Synagogenchorverein
(1924 unter Leitung von M. Stein), der Hilfsverein (1924 unter Leitung
von Dr. Rosengart).
Zur Israelitische Religionsgemeinschaft Adass Jeschurun e.V.
gehörten 1924 etwa 100 Personen aus etwa 30 Familien. Rabbiner der
Religionsgesellschaft war Dr. Feinberg. Die Schule der Religionsgesellschaft
besuchten etwa 30 Kinder. 1932 war Vorsitzender der Israelitischen
Religionsgemeinschaft Heinrich Scheuer (Bismarckstraße 11), Schatzmeister war
Moses Reis (Kurze Straße 12), Schriftführer Dr. Julius Bachrach (Steinstrasse).
Als Lehrer war Kurt Flamm tätig (Kleine Bahngasse 3). Er unterrichtete in
Religion im Schuljahr 1931/32 17 Kinder der Religionsgemeinschaft (an den
Volks-, Mittel- und Höheren Schulen)
Um 1924, als zur jüdischen Gemeinde etwa 900 Personen gehörten (2,0 %
von insgesamt 45,520 Einwohnern), waren die Gemeindevorsteher J. Flegenheimer,
Dr. Gumbel, Bezirksrabbiner Dr. Beermann, Maier Stein, Carl Kern, Dr. Manfred Scheuer,
Jacob Victor, Isidor Wollenberger, Siegmund Kahn, Baruch Kahn und Max
Maier-Adler. Die Geschäftsstelle der Gemeinde (Gemeindepflege) war in der
Roßkampfstraße 21. Für die religiösen Aufgaben der Gemeinde waren tätig:
Bezirksrabbiner Dr. Beermann, Oberlehrer Isy Krämer, Gemeindeverwalter Schloß,
Organist Kohler, Synagogendiener Dietz, Gemeindepfleger J. Danziger und
Friedhofsgärtner Werner. Rabbiner und die beiden Lehrer erteilten den
Religionsunterricht (im Schuljahr 1924/25 für etwa 200 Kinder; im Schuljahr
1931/32 118 Kinder).
1933 lebten 790 jüdische Personen in Heilbronn (1,3 % von insgesamt
60,308 Einwohnern). Seit 1933 wurden einzelne jüdische Personen immer wieder verhaftet, festgehalten und
misshandelt, insbesondere im Keller des Braunen Hauses, Fleiner Straße 1. 1936 musste eine jüdische Privatschule eingerichtet werden, die im
'Adlerkeller' (Klarastraße 21, hier heute Galeria Kaufhof) eine vorübergehende Bleibe fand.
Ab 1936 war in diesem Gebäude auch das 'Israelitische Gemeindelokal', der
Treffpunkt der jüdischen Gemeinde (bewirtschaftet von Max Strauß; der
"Adlerkeller" wurde mehrfach von Nationalsozialisten überfallen).
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge zerstört. Die in der Pogromnacht verhafteten jüdischen Einwohner wurden bis zur
weiteren Verschleppung ins KZ Dachau im Gestapo-Haus, Wilhelmstraße 4 festgehalten. –
Bei Kriegsbeginn 1939 mussten die noch in Heilbronn wohnenden Juden in von der Gestapo
kontrollierte "Judenhäuser" einziehen, wozu (bis 1941/42) gehörten:
Allerheiligenstraße 32, Badstraße 10 und 22, Bergstraße 2, Bismarckstraße 3a,
Dammstraße 26, Frankfurter Straße 46, Herweghstraße 25, Innere Rosenstraße 14,
Klettstraße 5, Schillerstraße 6, Urbanstraße 7, Weststraße 53. Ältere jüdische Einwohner mussten in das Landesasyl Wilhelmsruhe nach Sontheim ziehen. – Sammelplatz für die Deportation über Stuttgart nach Riga am 21. November 1941 war der Wollhausplatz.
Nach den Deportationen in der NS-Zeit kamen von den 1933 in Heilbronn wohnhaften Personen mindestens 235 ums Leben. Vgl. die Liste
der aus Heilbronn deportierten Juden" (pdf-Datei der
an den International Tracing Service Bad Arolsen 1962 mitgeteilten Liste mit den
Namen der damals bekannten Personen, die aus Heilbronn deportiert wurden.
Vgl. Website www.stolpersteine-heilbronn.de
(mit interaktiver Karte zu den in Heilbronn verlegten
"Stolpersteinen")
Die erste
mittelalterliche Synagoge (aus der Zeit um 1050?) befand sich
wahrscheinlich am Platz der heutigen Einhorn-Apotheke Ecke Lohtorstrasse/Sülmerstraße
17 (südöstliche Ecke). Sie wurde vermutlich 1298 oder 1349 zerstört.
Die zweite Synagoge stand an der Stelle des Hauses Lohtorstraße 22. Mit ihrem Bau wurde im Monat Adar (Februar/März) des Jahres
1357 durch Mose, Sohn des Eljakim begonnen. Sie ersetzte die 1349 verbrannte
Synagoge. Nach der Vertreibung der Juden aus Heilbronn kaufte die Stadt 1490 von
Kaiser Friedrich die Synagoge und den jüdischen Friedhof für 250 Gulden.
Rituelle Bäder sind nachweisbar an der Stelle des
Hauses Kieselmarkt 1, zu dem eine unterirdische Verbindung zum Haus der
(zweiten) Synagoge Lohtorstrasse 22 bestand, und in dem früheren Eckhaus
Lammgasse/Lohtorstrasse 33. Da sich das erstgenannte Bad nahe des ersten jüdischen
Friedhofes am Kieselmarkt befand, könnte es sich dabei zuerst um einen
Totenwaschraum gehandelt haben, der nach Stillegung des Friedhofes 1415 in ein
rituelles Bad umgewandelt wurde.
19./20. Jahrhundert
Zunächst gehörten die seit
1831 in Heilbronn zugezogenen jüdischen Personen zur israelitischen Gemeinde in
Sontheim und besuchten die dortige Synagoge.
1857 schlossen sich sieben Familien unter Leitung von Liebmann Strauß zu einem
Verein unter dem Namen "Israelitischer Wohltätigkeitsverein"
zusammen. Ein erster Betsaal wurde in einem Haus des Gustav Meinhold in
der Rappenstrasse eingerichtet. Die Sontheimer Gemeinde protestierte zunächst
gegen diese Einrichtung, doch wurde wenig später von der Israelitischen
Oberkirchenbehörde der Filialgottesdienst in Heilbronn genehmigt. Nachdem der
Betsaal in der Rappenstrasse sich schnell als zu klein erwies, bekam die neu
entstehende Gemeinde die Erlaubnis, in einem Raum im Mittelbau des Deutschhofes
ihre Gottesdienste zu feiern (Trakt III, in dem sich heute die Volkshochschule
befindet). Für ihre Gottesdienste bekamen die Heilbronn zwei Torarollen, eine
aus Sontheim, eine aus Grombach. Auch dieser Betsaal war nur ein Provisorium, da
in diesem Teil des Deutschhofes der Schwurgerichtssaal eingebaut wurde. Vorübergehend
stellte die Stadt einen Raum in der Klosterkirche (Klara-Kloster) zur Verfügung
und später erlaubte das Justizministerium die Abhaltung der Gottesdienste im
Schwurgerichtssaal.
Einweihung einer neuen Torarolle
(1861) Anmerkung: der genannte, damals für Heilbronn zuständige Rabbiner war Dr.
Elkan Weimann, der seit dem 3. August 1861 Bezirksrabbiner in Lehrensteinsfeld
war und alsbald, jedoch vergeblich versuchte, den Amtssitz aus der "Einöde"
nach Heilbronn zu verlegen. 1862 wurde er Bezirksrabbiner in Bad
Buchau.
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 11. Dezember 1861: "Heilbronn, den 24. November
(1861). Gestern feierten die hiesigen Israeliten ein schönes Fest.
Nachdem dieselben durch hohe Entschließung des königlichen
Kultministeriums zur selbstständigen Kirchengemeinde erhoben und drei
Kirchenvorsteher bereits gewählt worden, stiftete einer derselben, Herr
M. Ullmann, der Gemeinde eine neu geschriebene Gesetzesrolle; deren
feierliche Weihe zugleich mit dem ersten gesetzlich geordneten
Gottesdienste am gestrigen Sabbat in sinniger Weise verbunden worden. Bei
dieser Gelegenheit hatten wir Gelegenheit, unsern Rabbiner, Herr Dr.
Weimann, das erste Mal zu hören, dessen Predigt allgemein
ansprach.
Mittags versammelte man sich zu einem gemeinsamen Mahle in der Rose, wobei
ungezwungene Heiterkeit herrschte, mehrere passende Toaste ausgebracht und
Herrn Liebmann Strauß, Kaufmann dahier in Anerkennung seiner vielfachen
Verdienste um die hiesige israelitische Gemeinde ein schön gearbeiteter,
mit sinnigem Bibelspruche versehener silberner Pokal unter
zweckentsprechender Anrede durch Herrn Dr. Weimann überreicht worden
ist."
Einweihung des Betsaales in der Deutschordenskommantur und
Rückblick auf die jüdische Geschichte der Stadt (1862)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 1. Januar 1862: "Heilbronn, den 23. November (1862). Heute
zog eine Prozession von Israeliten und Israelitinnen mit einer von einem
hiesigen israelitischen Bürger gestifteten Gesetzesrolle in ihren Betsaal,
welcher provisorisch in einem Saale des ehemaligen
Deutschordenskommando eingerichtet worden ist. Nachdem nämlich am 5.
Mai 1831 zuerst ein Israelite hiesiger Bürger geworden, haben sich nach
und nach so viele hier niedergelassen, wovon 21 Familien hier bürgerlich
geworden sind, dass ihre Seelenzahl über 100 beträgt. Sie bilden jetzt
eine besondere Gemeinde, die sich von der in Sontheim trennt, mit der sie
dann nur noch den Begräbnislatz dort gemein haben. Früher waren viele in
Heilbronn, welche die Judengasse bewohnten, Synagoge und Judenbad und
einen besonderen Begräbnisplatz hatten. Als 1348 eine Pest, die man den schwarzen
Tod nannte, von Asien her in Deutschland eingedrungen war und viele
Tausend Menschen hinweggerafft hatte, wurden die Juden beschuldigt, sie
hätten die Brunnen vergiftet, sie wurden in vielen Städten
verfolgt, und auch in Heilbronn wurde ihre Synagoge zerstört und viele
von ihnen verbrannt und grausam hingemordet. Die übrigen entflohen,
jedoch auf Kaiserlichen Befehl kehrten manche wieder zurück. Aber im
Jahre 1467 begann in Heilbronn wieder eine Judenverfolgung, und von da an
durften ur sehr wenige hier wohnen, ja noch bis zum Ende der Reichsstadt
musste jeder Jude, der sie besuchte, am Tore jedes Mal 15 kr. Leibzoll
erlegen. Die Begräbnisplatz wurde überbaut, 1589 mit der Amtswohnung des
städtischen Syndikus (jetzt die Oberamtei) und 1765 mit dem Stadtarchiv.
Mehrere Leichensteine wurden bei der 'Anlegung einer Schießstätte, wo
jetzt der neue Hafen ist, verwendet, und umgekehrt. Zwei derselben blieben
dadurch gut erhalten. Sie sind von den Jahren 5167 und 5170 (1408 und 1420
nach Christi Geburt), und der eine ist im städtischen Archive, der andere
auf dem Sontheimer israelitischen Begräbnisplatz
zu sehen."
Mitteilungen aus der Gemeinde, u.a. feierliche Übergabe einer
renovierten Tora-Rolle (1865)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 3. Mai 1865: "Dünsbach (Oberamt Gerabronn). Nach dem
Ergebnis der jüngsten Volkszählung zeigt sich abermals die
vorherrschende Neigung der Israeliten, aus den Dorf- in die
Stadtgemeinden zu ziehen und sich selbst da anzusiedeln, wo bisher keine
Juden ihren Wohnsitz hatten. In Stuttgart wohnen jetzt unter 63.816
Einwohnern 1.169 Israeliten; Ulm hat ca. 20.000 Einwohner mit 400 Israeliten;
Esslingen 15.591 Einwohner mit 140 Israeliten; Laupheim
3.836 Einwohner mit 768 Israeliten; Gmünd 8.852 Einwohner mit 9
Israeliten; Göppingen 7225 Einwohner mit 130 Israeliten; Cannstatt
8.0987 Einwohner mit 162 Israeliten; Hall 7.245 Einwohner mit 72
Israeliten; Crailsheim 3.165 Einwohner mit 227 Israeliten; Rottweil
3.832 Einwohner mit 105 Israeliten; Biberach 6.500 Einwohner mit 1
Israeliten; Heilbronn 16.439 Einwohner mit 369 Israeliten. - Die
israelitische Kirchengemeinde in der letzten Stadt insbesondere ist in den
jüngsten zwei Jahren erst zu solcher Ausdehnung gediehen und noch immer
im Wachstum begriffen. So vermehrte sich (das Volk) (2. Mose 1,12).
Am Sabbat Paraschat HaChodesch (= Sabbat vor dem 1. Nissan, das war
Samstag, 25. März 1865) feierte sie die feierliche Übergabe einer
renovierten Tora-Rolle, welche der Gemeindepfleger Herr Is. Amberg für
die Synagoge daselbst gestiftet hat, nachdem schon früher drei
Gesetzes-Rollen ebenfalls auf dem Wege der Stiftung vermacht worden sind.
Das Projekt eines Synagogen- und Friedhof-Baues ist eine Frage, welche
jetzt das Vorsteheramt und die Gemeinde lebhaft diskutiert und die
selbstverständlich alle anderen Wünsche in der Körperschaft in den
Hintergrund drängt, welche nur persönlichen Bestrebungen ihre Entstehung
zu verdanken haben."
Einweihung einer neuen Torarolle
(1865) Anmerkung: die Bedingungen des orthodox eingestellten Spenders waren, dass
keine liberalen Neuerungen im Synagogengottesdienst (Orgel) und keine
Veränderung der traditionellen Toralesung (statt einjährigem Rhythmus etwa ein
dreijähriger Rhythmus) eingeführt werden sollten.
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 18. Oktober 1865: "Heilbronn am Neckar. Am Sabbat
Parachaschat Ki tawo (= 9. September 1865) feierte die hiesige
Synagoge die Einweihung einer neuen Torarolle, welche Herr Maier
Strauß hier nebst wertvollem Mäntelein unter der merkwürdigen
Bedingung gestiftet hatte, dass im Falle der Einführung einer Orgel oder
der Abänderung im Vorlesen der Tora in der hiesigen Synagoge, (welche zur
Zeit zwar ein gemieteter Betsaal ist, künftig aber ein neuerbauter Tempel
sein wird), ihm oder seinem Erben das Recht zustehen solle, die Torarolle
wieder zurückzunehmen. Das hiesige Kirchenvorsteheramt hat die so
bedingte Stiftung gerne angenommen und die israelitische
Oberkirchenbehörde, welcher alle Stiftungen von Oberaufsichtswegen zur
Genehmigung vorgelegt werden müssen, hat gegen der örtlichen Beschluss
nichts zu erinnern gewusst. Bei der Einweihungsfeier sprach der
Bezirksrabbiner passende Worte über die Stelle Psalm 19,8.9 und würdigen
Dank dem ehrenwerten Stifter aus. Der Stiftungssinn der Gemeinde hätte
hierbei angeregt und geweckt werden dürfen, da die junge rasch zunehmende
Gemeinde zu ihrer Konstituierung noch mancherlei Einrichtungen bedarf,
wozu insbesondere ein Friedhof und eine Synagoge zu zählen sind.
Wir haben jetzt 5 Torarollen als Gemeinde-Eigentum, während die rituellen
Gegenstände dazu noch im Besitze von Privaten sich befinden. So
vermehrte und so breitete sich (das Volk) aus!"
Während der Feiertage können die Gottesdienste im
Schwurgerichtssaal abgehalten werden (1873)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 30. September 1873: "Heilbronn, 20. September. Wenn auch der Gegenstand von keiner großen Bedeutung ist ist, so teilen wir doch den folgenden Artikel aus der
'Neckar-Zeitung' vom 19. d. W. mit, weil er für die Verhältnisse und die Gesinnung in erfreulicher
Weise bezeichnend ist.
Bei der Zahl der hiesigen israelitischen Gemeindemitglieder war es schon seit einigen Jahren schwierig, ja nahezu unmöglich, während der hohen Festtage die Besucher des Gottesdienstes in die engen Räume des Lokals in der Kaserne unterzubringen; dazu gesellte sich heute die Befürchtung, es möchte bei dem gegenwärtig hier herrschenden gestörten Gesundheitszustandes (Cholera) gewagt sein, eine solche
Menge von Menschen, wie sie an den hohen Festtagen sich zu versammeln pflegt, während der Dauer eines Vormittags, oder gar eines ganzen Tages in die beschränkten Räume des Betlokales einzuzwängen. Das Kirchenvorsteheramt beschloss daher einen zweiten Gottesdienst abzuhalten, und hierzu ein geeignetes Lokal ausfindig zu machen. Man wandte sich zunächst an den Herrn Direktor des hiesigen Zellengefängnisses, um die Kirche des bisherigen Zuchtpolizeihauses zu diesem Zwecke zu erlangen; mit dankenswerter Bereitwilligkeit wurde von Seiten jener Behörde das genannte Lokal, vorbehaltlich höherer Genehmigung zur Verfügung gestellt, zugleich aber bemerkt, dass ein Teil der Kirche zur Aufnahme von wegen der Cholera Evakuierten zu dienen bestimmt sei, weshalb hiervon Abstand genommen werden musste. Schon war man nahe daran, den Sonnensaal zu jenem Zwecke zu mieten, für welchen der Actiengartenverein in zuvorkommender Weise Subsellien
(Bänke) zur Verfügung stellte, als es bekannt wurde, dass die Schwurgerichtssitzungen für dieses Jahr ausfallen sollten; die Nähe des Schwurgerichtssaals bei der Synagoge musste den Gedanken erregen, sich um Einräumung des Schwurgerichtssaales zu bemühen. Der Herr Direktor des hiesigen Kreisgerichtshofes, der seitens einer Deputation des israelischen Kirchenvorsteheramtes mit einer desfallsigen Bitte angegangen wurde, sagte zu, die Angelegenheit sofort mit seiner Befürwortung an das königl. Justizministerium berichten zu wollen. Heute nun kam schon ein Erlass des Direktoriums des hiesigen Kreisgerichtshofes an das Kirchenvorsteheramt, worin demselben die Gewährung des Schwurgerichtssaales zur gottesdienstlichen Feier während des Neujahrsfestes und Versöhnungstages angezeigt wurde. Die hiesige israelitische Gemeinde ist den genannten hohen Behörden zu großem Dank verpflichtet und hoch erfreut über die Liberalität, mit der man ihr entgegenkam."
1865 entschied sich der Vorstand der Israelitischen
Gemeinde zum Erwerb eines Platzes für den Bau einer Synagoge. Sechs
Jahre später konnte man ein geeignetes Grundstück an der Allee kaufen und
fasste am 21. Juni 1871 den Beschluss, hier eine Synagoge zu errichten.
Ein Grundstück zum Bau einer neuen Synagoge wurde angekauft
(1871)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 10. Mai 1871: "Heilbronn am Neckar. Die hiesige
israelitische Gemeinde, jetzt etwa 124 Familien zählend, hat am 14. April
dieses Jahres einen Garten an der Allee um 16.000 Gulden zum
Synagogenbauplatz angekauft, wovon jedoch ein Teil zu einem einstigen
Gemeindehaus für Schule und Amtswohnungen des Rabbinen und Vorsängers
etc. verwendet und doch noch eine größere Fläche zu Privatbauten wieder
veräußert werden kann, da das Areal mehr als 1 Morgen misst. Eine
vorangegangene Gemeindeversammlung genehmigte den Ankauf des Platzes,
verschob jedoch den Synagogenbau selbst, um abzuwarten, ob nicht in der
Nähe desselben ein Teil eines bald zu verkaufenden staatlichen
Gebäudekomplexes billiger zu diesem Zwecke erworben werden kann.
Jedenfalls wird bei einem Synagogenbau von orthodoxer Seite mit Vorsicht
die Gefahr der Einführung verbotener Reformen zu vermeiden gesucht.
S."
Erstes Ergebnis des Architektenwettbewerbs
(1872)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 24. Januar 1872: "Heilbronn, 17. Januar (1872). In dieser
Woche waren zwei Architekten, von Karlsruhe Prof. Durm und von Baden
Techniker Lang, hier, um als Preisrichter über drei einverlangte Pläne
zum Bau einer neuen Synagoge ihr Urteil abzugeben, welche von den
Professoren Grauth und Wolter in Stuttgart und Baurat Wolf in Nürnberg
abverlangt worden waren. Die Entwürfe, von denen der Wolter'sche
bevorzugt wurde, sind ausgezeichnet, deren strikte Ausführung wurde aber
die ausgesetzte Bausumme weiter übersteigen und sich auf je 100.000
Gulden belaufen. Es sollen deshalb bedeutende Reduktionen vorgenommen
werden, um die Ausgaben zu vermindern."
In einer Gemeindeversammlung wird der Bau der neuen
Synagoge beschlossen (1872)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 20. März 1872: "Heilbronn, 2. März (1872). In einer
heute stattgehabten Gemeindeversammlung wurde mit großer Majorität der
Bau einer neuen Synagoge beschlossen, die einschließlich des Kaufpreises
für den schönen Bauplatz und die innere Ausstattung auf 100.000 Gulden
zu stehen kommen dürfte. Eine Minorität, in der die Orthodoxie stark
vertreten war, protestierte gegen die für die gegenwärtigen
Verhältnisse zu große Belastung der Kontribuenten und verwahrte sich
gegen Einführung einer Orgel und eines Reformgottesdienstes mit dem
Anfügen, dass in letzterem Falle, wenn und sobald die Gesetze es
ermöglichen, sie aus dem Gemeindeverband ausscheiden würde. Über
Reformen und Orgeleinführung ist vorerst kein Beschluss gefasst worden.
Diese Fragen sollen in besonderer Versammlung beraten und erledigt werden.
Ein solcher Austritt müsste die Steuerlast der Verbleibenden noch mehr
erhöhen. Es soll bereits ein Anlehen von 80.000 Gulden à 4 1/2 % Zins
zum Cours von 97 p.Ct. mit hiesigen Bankhäusern und der
Württembergischen Vereinsbank vorbehaltlich höherer Genehmigung
abgeschlossen sein. Der Synagogenbau bringt unsere Gemeinde, namentlich
solang die Domiziliantensteuerfrage noch nicht definitiv zu Gunsten des
Domizils entschieden ist, in eine finanzielle und religiöse Krisis. Möge
sie dieselbe glücklich und zur Ehre Gottes
überstehen."
Der Plan
von Baurat Adolf Wolff aus Stuttgart wurde 1873 genehmigt. Mitte August dieses
Jahres konnte die Grundsteinlegung vorgenommen werden. Am 23. November 1874
wurde Richtfest gefeiert; die weiteren Arbeiten zogen sich jedoch bis Ende Mai
1877 hin, sodass schließlich am Freitag, 8. Juni 1877 die Einweihung der
Synagoge feierlich begangen werden konnte. Dazu fand zunächst ein
Abschiedsgottesdienst in der alten Synagoge statt. Um 11 Uhr erfolgte der Umzug
der Torarollen in die neue Synagoge. Die Festpredigt und das Weihegebet hielt
Rabbiner Dr. Moses Engelbert. Um 13 Uhr mittags versammelte man sich in der
"Rose" zu einem Festessen, an dem die Vertreter der Heilbronner Behörden,
der Vorstand des Oberamtes und viele andere geladene Gäste teilnahmen. Das Fest
endete um 6 Uhr abends, ihm folgte bei den Klängen der städtischen Kapelle ein
Ball in der Harmonie, bei dem der Synagogenchor und der Jugendverein auftraten.
Der Bauaufwand für die neue Synagoge erforderte im ganzen 372.778 Mark.
Das in maurischem Stil mit einer großen Kuppel erbaute Gebäude
galt als eines der schönsten Bauwerke Heilbronns. Es war der architektonische
Eckpfeiler der oberen Allee und stand hier in Richtung von Nordwest nach Südost.
Die Synagoge bestand aus einem dreischiffigen Langbau mit hohem Mittelschiff und
niedrigeren Seitenschiffen; das Mittelschiff war überragt von der gewaltigen,
mit 12 Rundbogenfenstern versehenen Kuppel. Die vier weiteren kleineren Kuppeln
saßen auf den Ecken des Baus zur Verziehung. Zwei turmartige, vorspringende
Anbauten an der Vorderseite trugen ebenfalls kleinere Kuppeln auf den Laternen.
Das Gebäude betrat man von der Westseite durch drei maurische Bögen und eine
etwas niedere, von mehreren hintereinanderstehenden Säulen getragene Vorhalle.
Von hier führten drei Türen in den Innenraum. Über dem Portal stand eine
vergoldete hebräische Inschrift mit den Worten aus Jesaja 56,7: "Mein Haus
soll ein Bethaus für alle Völker genannt werden". Ein schönes, großes,
reichornamentiertes Rosenfenster war in der Mitte der Vorderseite. Zwei weitere,
kleinere und einfachere Portale führten von Süden und Norden in das Innere der
Synagoge; auch über diesen Portalen waren große Rosenfenster. Innen trug eine
über der genannten Vorhalle liegende Empore die Orgel; zwei weitere Emporen
waren in den Seitenschiffen. Nach Osten öffnete sich hinter dem hohen
Hufeisenbogen ein gewölbter, polygonaler Chor. Die hohe Kuppel in der Mitte
wurde von starken, säulengeschmückten Pilastern getragen. An den Seiten waren
zwei Fensterreihen übereinander, die unteren Fenster kleiner als die oberen.
Der Synagogenplatz war mit eisernen Gittern umgeben.
Verkauf der alten Synagogeneinrichtung
(1877)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 28. März 1877: "Die Synagogenausstattung
unserer bisherigen Betsaales ist uns durch die Erbauung eines neuen
Gotteshauses entbehrlich geworden.
Sämtliche in sehr gutem Zustande erhaltene Utensilien, bestehend in
Tabernakel, Vorlese- und Betpult, vielen Männer- und Frauen-Subsellien,
Hängeleuchtern, Kerzengestellen, Opferstöcken, Sesseln etc. etc. Werden
am Ostermontag, den 2. April d. J., Mittags 1 Uhr,
in der alten Synagoge öffentlich versteigert.
Mancher israelitischen Gemeinde ist hierdurch Gelegenheit geboten, ihre Synagoge
und Schule vollständig und billig auszustatten.
Heilbronn am Neckar. Israelitisches Kirchenvorsteher-Amt."
Königin Olga von Württemberg
besucht die Synagoge (1877)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 9. Oktober 1877: "Aus Württemberg, 28.
September (1877). Ihre Majestät die Königin
Olga von Württemberg besuchten mit ihrer Kaiserlichen Hoheit der Frau
Herzogin Wera von Württemberg die Stadt Heilbronn, um der am 25.
dieses Monats stattgefundenen Einweihung einer Anstalt für
Krankenpflegerinnen beizuwohnen. Nach Beendigung dieser Feier erfolgte die
Fahrt zu Synagoge, woselbst Begrüßung durch die Kirchenvorsteher,
Orgelspiel und Gesang stattfand."
Gemeindeversammlung der israelitischen Gemeinde im
Blick auf eine eventuelle Orgel in der Synagoge (1879)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 26. Februar 1879: "Heilbronn, 22. Febr. Gestern Abend war im Saale des hiesigen
'Württemberger Hof' eine vom israelitischen Kirchenvorsteheramte infolge höheren Auftrags einberufene
Gemeindeversammlung, um zu konstatieren, ob die Gemeinde dem auch im
'Israelit' schon erwähnten Beschlusse der Majorität des Kirchenvorsteheramtes in die neue etwa in einem Jahre vollendete Synagoge eine
Orgel einzuführen, zustimme oder nicht. Auffallender Weise war der Termin zu dieser Versammlung im Widerspruche mit den öffentlichen Einladungen im Amtsblatte und in der Synagoge plötzlich von heute auf gestern verlegt worden, wodurch viele Missverständnisse möglich geworden sind. Es
erschien auch wirklich kaum die Hälfte der Gemeindegenossen. Die Verhandlung dauerte, da man stundenlang warten musste, bis endlich etliche und sechzig Mitglieder erschienen, nur sehr kurze Zeit, weil die Vorsteher sich vorher das Wort gegeben hatten, weder für noch gegen das Vorhaben zu sprechen und die Majorität auf Abstimmung drängte. Da das Vorsteheramt seinen Majoritätsbeschluss für dieses christliche Kircheninstrument infolge einer bekannten, mit 100 durch Kolportage gewonnene Unterschriften versehenen Eingabe gefasst hat, so wurde von orthodoxer Seite in Übereinstimmung mit einer Minorität des Vorsteheramtes beantragt, die Abstimmung
geheim vorzunehmen, damit diejenigen Gemeindegenossen, welche eine andere Überzeugung gewonnen haben könnten, sich aber genierten, gegen ihre frühere Unterschrift zu
votieren, nun ungebunden und frei ihre Stimmen hätten abgeben können. Dieses gerechte Verlangen wurde niedermajoriert. Es wurde mit Namensaufruf abgestimmt und sind auf diese Weise außer zwei Vorstehern nur noch
sieben Jehudim zu verzeichnen, welche gegen die Einführung der Orgel stimmten. Der
70-jährige Greis und Rabbi Maier Strauß, dessen Erscheinen in später Abendstunde als eine
wahre Heiligung des Gottesnamens unter vielen den Gegners anfänglich mächtig imponierte, äußerte sich deshalb nach der Abstimmung, dass die geringe Beteiligung an heutiger Versammlung ihm die Vermutung aufdränge, die abwesenden seien zum Teil auch gegen die Orgel, sie seien aber weggeblieben, weil sie in
öffentlicher Abstimmung mit der ihnen abgelockten früheren Unterschrift sich nicht in Widerspruch setzen wollten. Die Frage, ob diese nach der Debatte gesprochenen Worte in dem Protokoll Aufnahme finden dürfen, rief einen charakterisierenden wütenden Sturm hervor. Die
finanzielle Seite der Orgeleinführung kam gar nicht zur Erörterung. Wenn der Vorsitzende, Rabbiner Dr. Engelbert, der schon seit Jahren für dieses Lieblingsorgan der Reformer agitiert, im Geiste des Erlasses der Oberkirchenbehörde, welche diese Gemeindeversammlung trotz der hundert Unterschriften angeordnet hat, alle Aktenstücke pro und contra in der Versammlung zur Verlesung gebracht hätte, würde die Minorität wohl respektabel gewachsen sein. Es kam aber weder der schriftliche Protest der Orthodoxen noch eine ältere gedruckte Broschüre des Dr. Lehmann gegen die Orgel zur Kenntnis der Versammlung, obschon die Oberbehörde alle diese Akten dem Kirchenvorsteheramt zu diesem Zwecke zur Verfügung gestellt hatte. Es ist nun abzuwarten, wie die Oberkirchenbehörde auf dieses Resultat hin ihre Entscheidung treffen und welche Schritte die protestierende Minorität in der Sache weiter tun wird."
Diebstahl in der Synagoge
(1893)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. März 1893: "Heilbronn a. N. Als kürzlich der Synagogendiener Hermann Stern die Synagoge öffnete, machte er die Wahrnehmung, dass die beiden Opferbüchsen erbrochen und
geleert waren. Dem sehr umsichtigen Wachmeister König von hier gelang es, die beiden Täter (junge
Bürschchen) zu entdecken und der gerechten Bestrafung zuzuführen."
Zur Feier des 25-jährigen Bestehens der Synagoge -
Antwort auf einen nicht korrekten Bericht im "Israelitischen
Familienblatt" (1902) Anmerkung: Äußerst kritisch wurde in der orthodox-konservativen Zeitung
"Der Israelit" gesehen, dass am Sabbat durch die beschriebenen
Arbeiten die Synagoge geschmückt und auch noch ein Foto erstellt wurde. Beides
sind nach konservativer Auffassung Entweihungen des Sabbat.
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 21. August 1902: "Aus Württemberg. Awerah gaureres
Awerah, eine Sünde zieht die andere nach (sc. Spruch von Schim'on Ben
Assai in den Pirke Aboth IV,2). Wie die Entweihung des von Gott gebotenen Ruhetages dazu führt, unwahre Tatsachen zu verbreiten, dafür nach nachfolgend ein drastisches Beispiel.
Das 'Israelitische Familienblatt' in Hamburg berichtet in Nr. 30, dass am Samstag, den 8. Juni die israelitische Gemeinde in Heilbronn das fünfundzwanzigjährige Bestehen ihrer Synagoge gefeiert, die Orgel zu diesem Zwecke festlich dekoriert worden sein
usw. Diese Angaben sind von vorne bis hinten einfach unwahr.
An Sabbat Paraschath Schelach Iocho vor 25 Jahren wurde genannte Synagoge ihren Zwecken übergeben und am gleichen Sabbat dieses Jahres, also am 28. Juni wurde ein Festgottesdienst mit Predigt abgehalten und wäre damit die einfache Festlichkeit erledigt gewesen, wenn nicht einige Mitglieder des Synagogenchors es anders gewollt hätten. Am Freitag, den 27. Juni d. J.
beim Abendgottesdienst war in der Synagoge alles wie gewöhnlich – irgendwelche Veränderung war daselbst nirgends zu erblicken – ganz anders sah jedoch am Samstag beim Frühgottesdienst die Synagoge
aus. Auf Veranlassung einiger Mitglieder des Synagogenchors wurde in früher Morgenstunde (am Sabbat) unter Beaufsichtigung des Herrn
Vorsänger Dreyfus die Emporen bei der Orgel durch Aufstellen von Kübel- und Blattpflanzen, durch Anbringung von Nägeln zur Befestigung von
Girlanden an der Brüstung, diese ganzen Partie in einen Blumengarten verwandelt. Als Schlusseffekt fanden sich am gleichen Samstag Nachmittag Damen und Herren des Synagogenchors wiederholt in der Synagoge ein, um ein photographisches Gesamtbild der Mitglieder, inklusive des Herrn
Vorsängers Dreyfus, aufnehmen zu lassen. Die Aufnahme erfolgte in der Weise, dass sich die anwesenden Mitglieder wie gewöhnlich um die Orgel aufstellten, der Photograph mit seinem Apparat postierte sich gegenüber auf der frei und erhöht stehenden Kanzel.
Fragliches Bild kam mit dem im Eingang des erwähnten Berichtes gleichfalls in genannter jüdischer Zeitung zum Abdruck. -
Jeder Kommentar hierzu ist überflüssig. Es würde die Wucht der Tatsachen nur abschwächen."
Im Mai 1927 konnte mit einem großen Fest das 50-jährige
Bestehen der Synagoge gefeiert werden, wozu Dr. Oskar Mayer aus Heilbronn eine
Festschrift zur Geschichte der Juden in Heilbronn schrieb. Am 21. Mai 1927 war
ein Festgottesdienst in der Synagoge, danach ein Festabend in der Harmonie. In
seiner Festrede bedauerte Rechtsanwalt Dr. Siegfried Gumbel den Judenhass, der
sich immer wieder zeige und einer vollkommenen staatsbürgerlichen und
gesellschaftlichen Gleichberechtigung entgegenstehe. Ein Festspiel von Kaufmann
Hermann Wolf (Heilbronn) zeigte in sechs Bildern Vergangenheit, Gegenwart und
Zukunft der Heilbronner israelitischen Gemeinde.
Eine schwierige Situation ergab sich in unmittelbarer Nähe
der Synagoge im Frühjahr 1928. Auf dem Nachbargrundstück Ecke
Allee/Titotstraße beabsichtigte die Post einen fünf Stockwerke hohen, modernen
Neubau zu erstellen, der den Blick auf die Synagoge empfindlich beeinträchtigt
hätte. Intensive Verhandlungen zwischen der Israelitischen Gemeinde, der Stadt
und der Post führten dazu, dass die Post auf einen geplanten Winkelvorbau
verzichtete, die Bauflucht um zwei Meter zurücksetzte und die Dächer des
Neubaus ganz flach hielt. Im Februar 1931 konnte das Postamt feierlich
eingeweiht werden. Bei der Feier hierzu sprach auch Rabbiner Dr. Max Beermann
und lobte, dass durch den Neubau der Post die Synagoge in ihrer imposanten
Erscheinung nicht beeinträchtigt werde. Tatsächlich zeigten in den folgenden
Jahren verschiedene Postkarten der Stadt nebeneinander das neue Postamt und die
Synagoge.
Im Juli 1928 wurde auf Antrag der städtischen Bauabteilung der
Verbindungsweg zwischen der Gymnasiumstrasse und der Allee verbreitert und nun
offiziell als "Synagogenweg" bezeichnet, nachdem unter den
Heilbronnern dieser Weg schon viele Jahre "Synagogengässle" genannt
wurde.
Die Zerstörung der Synagoge beim Novemberpogrom 1938
Am Morgen des 10. November 1938 wurde die Synagoge niedergebrannt.
Bereits kurz nach Mitternacht hatten SA-Leute mit den Vorbereitungen zur
Brandstiftung begonnen. Benzinkanister wurden in die Synagoge getragen. Zwischen
3 und 5 Uhr wurde die Feuerwehr von der bevorstehenden Aktion informiert. Gegen
5 Uhr waren in der Stadt zwei heftige Detonationen zu hören. Wenig später
stand die Synagoge in Flammen und brannte in wenigen Stunden völlig aus. Die
Kuppel fiel glühend in das Innere des Hauses. Die Feuerwehr löschte vor allem
im Blick auf den Schutz der Nachbargebäude.Zahlreiche Anwohner und Neugierige verfolgten das Geschehen. Auch der
Oberbürgermeister, der Polizeidirektor und andere Amtspersonen waren an der
Brandstätte. Nachdem die ausgebrannte Ruine gelöscht war, blieb sie lange Zeit
unberührt. Erst am 16. Februar 1940 begann der Abbruch, der am 16. März 1940
abgeschlossen wurde. Ein Teil der Kultgegenstände wurde vor der Brandstiftung
am 10. November 1938 offensichtlich aus dem Gebäude getragen. Über ihren
Verbleib ist jedoch nichts mehr bekannt geworden.
Nach 1945 wurde das Grundstück der Synagoge neu überbaut. 1966 wurde
ein Gedenkstein beim Platz der Synagoge aufgestellt. Eine aus der Synagoge
gerettete Tora-Rolle befindet sich in einer Synagoge in Baltimore/Maryland, USA.
Der Betsaal der orthodox-jüdischen Gemeinde
Ein Betsaal der seit 1911 in Heilbronn bestehenden orthodox-jüdischen
Gemeinde (Israelitische Religionsgemeinschaft Adass Jeschurun) befand sich
zunächst in einem alten Haus in der Siebeneichgasse, dann in einem zuvor
gewerblich genutzten Hintergebäude des Hauses von Max Rosenstein in der
Uhlandstrasse 7. Im Erdgeschoss des Vordergebäudes wurde eine Dienstwohnung für
den orthodoxen Rabbiner eingerichtet. Später wohnte er in der Kaiserstrasse. Im
Juli 1918 erwarb die Israelitische Religionsgemeinschaft das Hintergebäude
Bismarckstrasse 3a. Hier wurde eine neue Rabbiner-Wohnung und ein rituelles Bad
eingerichtet (fertiggestellt 1920.
Eine orthodoxe Gemeinde ist im Entstehen (1910)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 16. September 1910: "In Heilbronn wird für die Errichtung
einer orthodoxen Separatgemeinde agitiert. Man plant schon zu den
Feiertagen einen eigenen Betsaal und die Anstellung eines besonderen
Beamten".
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 16. September 1910: "Heilbronn. Hier ist eine orthodoxe
Separatgemeinde in Bildung. Der Sohn des Herrn David Reis wurde jüngst
nicht mehr in der Synagoge Barmizwoh."
Einweihung des Betsaales der Israelitischen
Religionsgesellschaft in der Uhlandstraße 7 (1911)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 28. September 1911: "Heilbronn, 25. September (1911).
Einen erfreulichen Fortschritt hat die hiesige Israelitische
Religionsgesellschaft noch im zu Ende gehenden Jahre zu verzeichnen,
indem es ihr gelang, am letzten Schabbat vor Rosch Haschana (Neujahr)
ihr neue Bethaus (Uhlandstraße 7), eine in jeder Hinsicht würdige
und dem heiligen Zweck entsprechende Gebetstätte einzuweihen. Nachdem vor
dem Toraschrein die Umzüge mit den Torarollen
vorgenommen waren, dankte nach dem Einheben der Torarollen Herr
Rabbiner Dr. Ansbacher in seiner Festrede dem Vorstand, durch dessen
unermüdliche Tätigkeit und Umsicht die Arbeiten rasch und wohlgelungen
vollendet wurden, sowie allen, die durch freiwillige Spenden die innere
Ausstattung noch verschönerten. Anlehnend an das Wort der Sidra 'nimm
diese Buch der Lehre', ermahnte er die Gemeinde, stets das heilige
Torawort als Richtschnur für jedes Tun und Lassen in Gemeinde- und
Privatleben zu nehmen.
Wie Vater Isaak im fremden Philisterlande an drei Stellen nach Wasser
grub, weil die Einwohner die von seinem Vater angelegten Quellen getrübt
und verstopft hatten, so habe auch die Adas Jeschurun einzelne 'Quellen'
anzulegen sich bestrebt, um sich an dem lebenden und erbauenden, der
Überlieferung entsprechenden Gebete zu stärken und ihren Wissensdurst
aus dem frischen Lebensborn der Tora zu stillen, in einer Zeit, da diese
Quellen durch Modernisierungssucht oft getrübt und eingedämmt werden.
Auch das neue Bethaus sei die dritte Gebetsstätte (nachdem vorher in der Wohnung
des Vorstands, Herrn D. Reis, sodann in einem kleineren Saal
Gottesdienst abgehalten worden war), doch sei nicht Bedrückung
oder Verleumdung, 'Zank' oder 'Hindernisse' die Veranlassung, eine
neue 'Quelle' anzulegen, sondern die Erweiterung und Vergrößerung der
gesetzestreuen Schar, die keine 'Neuorthodoxie' vertrete, sondern nur die
von fremden Händen getrübten quellen wiederherstellen wolle. Möge sich
die 'Heilige Gemeinde' in gleicher Weise zur Ehre der Gottesfürchtigen
Württembergs stets vergrößern und ausbauen. Amen!"
Der Betsaal in der Uhlandstrasse 7 war nach der
Beschreibung der Arthur Reis "etwa 80 qm groß. [...] Die Männerabteilung
enthielt 50 Sitzplätze, die durch einen durchsichtigen Vorhang getrennte
Abteilung für Frauen weitere 20. [...] Mehrere Torarollen mit ihrem Schmuck,
der Toraschrank, der Almemortisch zum Vorlesen der Tora, das Vorbeterpult, die
samtenen, goldbestickten Mäntelchen, Vorhänge und Decken, die handbemalten bunten
Wimpel sowie die Sitzbänke mit ihren Pulten bildeten das Inventar des
Gotteshauses".
Ein besonderes Ereignis war der 11. Januar 1933, da in der
festlich geschmückten Synagoge die Neueinweihung einer Torarolle gefeiert
werden konnte. Sie war von verschiedenen Personen, insbesondere dem damaligen
Vorsteher Heinrich Scheuer und Moses Reis gespendet worden. 1933 gehörten der
Religionsgesellschaft etwa 60 Mitglieder an (1935 noch etwa 40 bis 45), darunter
auch einige ostjüdische Familien, die in Heilbronn keinen eigenen Betsaal
hatten.
Einweihung einer Torarolle bei der Israelitischen
Religionsgesellschaft (1933)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 16. Februar 1933: "Heilbronn am Neckar, 13. Februar
(1933). In Verbindung mit Chamischa Asar (gemeint der 15. Schewat = Tu
Bischwat, ein Fasttag, das war am 11. Februar 1933) konnte die
Israelitische Religionsgesellschaft das seltene Feste der Einweihung einer
Torarolle begehen, nachdem sich am Sonntag vorher die Spender zur
Vollendung der letzten Buchstaben eingefunden hatten. In der festlich
geschmückten Synagoge wurde am Schabbos das neue, mit wundervollem
Schmuck ausgestattete Sefer feierlich nach vorausgegangenen Hakovaus
(Umzügen) eingeweiht. Es war eine wahre Simchas Tauroh (Freude
über die Tora). Nach dem Leienen (Vorlesen des Toraabschnittes)
erläuterte Herr Lehrer Flamm den Zusammenhang zwischen Chamischa Asar
und der Einweihung einer Torarolle anhand einer Mischnah aus den Perokim
in schöner Weise. Nach dem Minchogottesdienst lud der Vorstand, Herr
Heinrich Scheuer und Gemahlin die Gemeindemitglieder und deren Jugend ein
einer Festfeier ein. Im harmonischen Verlauf derselben dankte Herr Lehrer
Flamm nochmals den edlen Spendern, insbesondere Herrn Heinrich Scheuer
und Herrn Moses Reis für ihre große Mühe und Liebe, mit der sie
dieses Fest ermöglichten. Die Zeit bis Maariw (Abendgebet) wurde
durch Semiraus (Lieder) und dem Tag entsprechende Aufwartung
ausgefüllt, sodass es eine wahre Freude über die Erfüllung eines
göttlichen Gebotes war, die einen Schimmer von Licht mit in den
trüben Alltag hinausnehmen ließ. Möge unsere Gemeinde im Sinne des Groß-
und Bedeutendmachens der Tora weiter bestehen und
wachsen."
Beim Novemberpogrom 1938 wurde der Betsaal der
Religionsgesellschaft verwüstet, 1944 kriegszerstört. Das Grundstück ist 1952
neu überbaut worden. Auch die Einrichtung des Hauses Bismarckstrasse 3a wurde
in der Pogromnacht zerstört.
April 2012:
In Heilbronn wurden "Stolpersteine"
verlegt
Artikel von Helmut Buchholz in der
"Heilbronner Stimme" vom 17. April 2012: "Stolperstein-Verlegung
in Heilbronn und Neckarsulm..." Link
zum Artikel
November 2013:
Die Wiedererrichtung der Heilbronner Synagoge
beantragt
Artikel von Alfred Dagenbach in
meine.stimme.de vom 23. November 2013: "Wiederrichtung der
Heilbronner Synagoge beantragt..." Link
zum Artikel
April 2015:
Die Vorsitzende der jüdischen
Gemeinde Heilbronn - Avital Toren - spricht sich für eine neue Synagoge aus
Artikel von Heinz Deininger in
meine.stimme.de vom 1. Juni 2015: "Vortrag A. Toren: 'Eine neue Synagoge
für Heilbronn?'
Frau Avital Toren, Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Heilbronn, sprach am
23. April im Johanniterhaus in Affaltrach vor 26 Mitgliedern des
Freundeskreises ehemalige Synagoge Affaltrach. Sie führte aus: 'Seit dem 9.
November 1938 hat die Heilbronner jüdische Gemeinde keine eigene Synagoge
mehr. Derzeit dient eine 5-Zimmer-Wohnung in der Allee der über 100köpfigen
Gemeinde als Betraum. Diese Räumlichkeiten sind zu klein für die
umfangreichen Aktivitäten, so daß der Wunsch nach größeren Räumen, am
liebsten in einer eigenen Synagoge, besteht. Das Haupthindernis für eine
eigene Synagoge sind die Kosten, die leicht mehrere Millionen Euro erreichen
können. Als Alternative zum Neubau kommt die Verwendung bereits bestehender
Gebäude in Frage, was weniger kosten würde. Die jüdische Gemeinde Stuttgart,
zu der die Heilbronner jüdische Gemeinde gehört, kann dies aber auch nicht
alleine tragen. Daher braucht es auf jeden Fall viele öffentliche und
private Förderer für dieses Vorhaben, das angesichts der beengten
Raumsituation durchaus dringend ist.' In der angeregten Diskussion kamen
viele Nachfragen und Vorschläge für das weitere Vorgehen. Es wurde deutlich,
dass es den Mitgliedern des Freundeskreises ein wichtiges Anliegen ist,
dieses Projekt der jüdischen Gemeinde mit Rat und Tat zu unterstützen."
Link zum Artikel
Mai 2015:
Siebte Verlegung von
"Stolpersteinen"
Artikel von in stimme.de vom 20. Mai 2015: "17
Stolpersteine für NS-Opfer
Heilbronn Der Künstler Gunter Demnig verlegte am heutigen Mittwoch in
Heilbronn wieder Stolpersteine, die an Heilbronner Opfer der Nazi-Diktatur
erinnern.
Neben Bürgermeisterin Agnes Christner und Günter Spengler vom Freundeskreis
Synagoge waren Schülerinnen und Schüler des Mönchsee- und
Robert-Mayer-Gymnasium sowie der Johann-Jakob-Widmann-Schule mit dabei. Die
Jugendlichen sind Paten der neu verlegten weiteren 17 Stolpersteine, die an
diesem Tag an acht Orten verlegt werden. Messingtafeln. Bereits seit über 20 Jahren setzt sich der Künstler
Gunter Demnig mit seinem Projekt 'Stolpersteine' deutschland– und europaweit
dafür ein, dass die Opfer des Nationalsozialismus nicht vergessen werden.
Bereits zum siebten Mal war Demnig jetzt auch in Heilbronn unterwegs. Die
Messingtafeln mit Namen und Lebensdaten der Opfer wurden vor deren letzter
frei gewählter Wohnung im Straßenbelag eingelassen.
'Das Gedenken an die jüdischen und die Euthanasie-Opfer aus Heilbronn machen
wir durch das Verlegen der Stolpersteine sichtbar', sagte Bürgermeisterin
Agnes Christner. Dies sei Teil der Erinnerungskultur, die die Stadt auch in
Verantwortung für ihre Geschichte pflege. Dieses Mal setzte Demnig
Stolpersteine für Klara und Kurt Asch (Allee 57), Adolf, Heinz und Pauline
Einstein (Cäcilienstr. 60), Aron Eliaschow (Fleiner Str. 9), Julie Herz (Sichererstr.
30), Hermann Grünebaum und Rebekka Simsohn (Allee 39), Bertha Sternfeld geb.
Igersheimer (Gymnasiumstr. 48), Eugenie Luise und Max Rosenthal (Klarastr.
6) sowie Heinz, Herbert, Klara, Martha und Salomon Vollweiler (Mozartstr.
8). Hintergrund: Seit 2009 verlegt Gunter Demnig Stolpersteine in Heilbronn.
Inzwischen sind es 97 Steine an 37 Orten im Heilbronner Stadtgebiet. Unter
www.stolpersteine-heilbronn.de hat das Stadtarchiv einen interaktiven
Stadtplan angelegt, in dem alle Stolpersteine und die Geschichte ihrer
Namensgeber hinterlegt sind. Zudem hat das Schul-, Kultur- und Sportamt
einen Flyer mit den Standorten der Gedenksteine aufgelegt."
Link zum Artikel
November 2018:
Der in Heilbronn geborene Walter
Strauss erinnert sich an die Ereignisse der Pogromnacht in Berlin
Anmerkung: Walter Strauss ist am 16. Juli 1922 in Heilbronn geboren als
Sohn von Dr. Moses Strauss (geb. 1887 in
Eschau) und der Elsa geb. Wolf (geb. 1895 in
Baden/Schweiz). Dr. Strauss hatte eine
Arztpraxis in der Kilianstraße 19. Walter hatte zwei Geschwister: Edith
(geb. 16. Dezember 1926 in Heilbronn) und Ernst (geb. 6. April 1928 in
Heilbronn). Walter verzog 1937 von Heilbronn nach Berlin. Seine Eltern und
Geschwister konnten im Dezember 1937 nach Liechtenstein emigrieren, Walter
Strauss konnte ihnen Anfang 1939 folgen.
Artikel (mit Videos) von Marc Tribelhorn und
Simon Hehli in der "Neuen Zürcher Zeitung" vom 9. November 2018: "Walter
Strauss erlebte die Reichspogromnacht – und sagt heute: «Ich glaube nicht,
dass die Menschen aus der Geschichte lernen. Der Weg von der Zivilisation
zur Barbarei ist kurz.'
Im November 1938 brennen in Deutschland die Synagogen. Walter Strauss wird
zum Zeugen des Nazi-Terrors. Erst über Umwege gelingt ihm die Flucht in die
schweizerische Heimat seiner Mutter..."
Link zum Artikel
Oktober 2017:Weitere "Stolpersteine" sollen in
Heilbronn verlegt werden Anmerkung: bis Oktober 2017 wurden in Heilbronn insgesamt 151
"Stolpersteine" verlegt.
Artikel von Carsten Friese in der
"Heilbronner Stimme" vom 23. Oktober 2017: "Neue Stolperstein-Paten werden gesucht
Heilbronn Organisatoren der Erinnerungsobjekte für Opfer der Nazi-Diktatur planen 15 weitere Verlegungen in Heilbronn. Bei Interesse können sie sich beim pensionierten Pfarrer Spengler melden.
151 Messingsteine erinnern in der Stadt bereits an Opfer der Nazi-Diktatur. Das Stolperstein-Projekt, das der Runde Tisch mit dem Stadtarchiv und dem Kölner Künstler Günter Demnig aufbaute, hat vom Schüler bis zum Rentner schon viele Menschen bewegt. 40 Stolperstein-Paten kümmern sich mit wenig Aufwand im Jahr um die im Gehweg verlegten glänzenden Namensschilder. Nun suchen die Organisatoren weitere Helfer, um das Projekt fortsetzen zu können.
"Wir suchen Menschen, die bereit sind, ab und an nach einem Stolpersteinplatz nach möglichen Schäden zu sehen", sagt Koordinator Günter Spengler, ehemaliger Pfarrer der Nikolaigemeinde. Paten sollen keine großen Aufwand haben. Einmal im Jahr sollte ein Stein mit einem normalen Silberputzmittel und einem weichen Tuch geputzt werden, da Messing nachdunkele und die Schrift sonst schlecht lesbar sei. "Das ist kein großer Aufwand, und wenn man nicht gerade Scheuersand benutzt, kann man nichts falsch machen", versichert Spengler.
Für viele Steine haben Paten, die Bereitschaft der Heilbronner sei bisher überwältigend gewesen. Jetzt plane man für 2018 rund 15 neue Stolpersteine in der Stadt und suche für die neueren Objekt neue Paten. Opfer-Liste umfasst etwa 450 Namen. Die Stadt Heilbronn unterstützt das Projekt mit einem Faltblatt, das in der Tourist-Information erhältlich ist. Zudem kann sich jeder im Internet unter
www.stolpersteine-heilbronn.de ausführlich informieren.
Etwa 450 Namen umfasst die Liste der Opfer des Nazi-Terrors in Heilbronn - viele Juden sind darunter, Behinderte, Kranke, politische Gegner, Sinti und Roma. Das Material und das Verlegen der Steine wird über Spenden finanziert. Jeder Stein öffnet den Zugang zu einer besonderen Lebensgeschichte.
Wer Interesse an einer Patenschaft hat, kann sich bei Günter Spengler melden: über E-Mail
crg.spengler@gmx.de oder Telefon 0151 58 32 81 81." Link
zum Artikel
November 2017:
Gedenken an den Novemberpogrom
1938
Artikel in der "Heilbronner Stimme" vom 9.
November 2017: "Gedenkveranstaltungen zum Jahrestag der Reichspogromnacht
Heilbronn Am heutigen Donnerstag lädt die Stadt Heilbronn anlässlich des 79.
Jahrestags der Reichspogromnacht zur Gedenkfeier 'Wider das Vergessen' am
Synagogengedenkstein an der Allee ein.
Die Gedenkveranstaltung beginnt um 19.15 Uhr am Synagogengedenkstein an der
Allee. Nach der Begrüßung durch Oberbürgermeister Harry Mergel wird Silke
Ortwein, DGB-Vorsitzende im Stadt- und Landkreis Heilbronn, eine Ansprache
halten. Für den musikalischen Rahmen sorgt der Posaunenchor Horkheim unter
der Leitung von Helmut Reustle. Bestandteil der Erinnerungskultur. 'Es war mir ein persönliches
Anliegen, dass die bisher vom Friedensbüro Heilbronn organisierte
Gedenkveranstaltung jetzt auch offiziell ein fester Bestandteil der
Heilbronner Erinnerungskultur ist', betont Oberbürgermeister Harry Mergel.
Damit sei nicht nur die Organisation der Veranstaltung für die Zukunft
gesichert, sondern auch die historische Relevanz der Veranstaltung
hervorgehoben. 'Das Erinnern an die Reichspogromnacht in Heilbronn reiht
sich damit ein in die seit langem etablierten Veranstaltungen zum
Volkstrauertag und zum Gedenken an den Bombenangriff vom 4. Dezember 1944',
so Mergel.
Video: Spaziergang um die Heilbronner Synagoge. Wie klein muss sich gefühlt
haben, wer vor der 30 Meter hohen Synagoge mit ihren mächtigen Kuppeln
stand. Am frühen Morgen des 10. November 1938 wurde das imposante Gebäude an
der Heilbronner Allee ein Raub der Flammen. Nationalsozialisten hatten das
Feuer gelegt, Schaulustige und Anwohner verfolgten das Geschehen. Noch bis
März 1940 mahnten unübersehbar die verkohlten Reste an die böse Tat. Der
Mosbacher 3D-Grafiker Bernd Pfoh hat das seinerzeit weithin berühmte,
orientalisch anmutende jüdische Gotteshaus nach den Plänen des Architekten
Adolf Wolff rekonstruiert. Im Stimme.tv-Video unternehmen wir einen
virtuellen Spaziergang rund um die Synagoge von 1877." (Link zum Video siehe
unten)
Link zum Artikel
Juli 2018:
Weitere "Stolpersteine" werden
verlegt
Artikel von Brigitte Fritz Kador in der
"Rhein-Neckar-Zeitung" vom 16. Juli 2018: "Stolpersteine in Heilbronn -
Aus Luise Heilbronner wurde Luise Bronner
Vergangen, aber nicht vergessen - Neue Denkmäler erinnern an sie und weitere
Juden.
Heilbronn. Der Künstler Gunter Demnig ist 'Stammgast in Heilbronn',
mindestens einmal im Jahr kommt er, um auch hier seine Stolpersteine zu
verlegen. Mehr als 69.000 Mal hat er die Pflastersteine mit Messingkappe
verlegt, auf denen Name, Geburts- und Todesdatum jüdischer Mitbürger stehen
und die er vor den Häusern ins Pflaster versenkt werden, in denen sie einst
gewohnt haben. Demnig kann noch oft nach Heilbronn kommen: 161 Stolpersteine
hat er hier schon verlegt, sagt Peter Wanner vom Stadtarchiv, der, zusammen
mit Günther Spengler vom 'Runder Tisch Stolpersteine Heilbronn', das 2009
gestartete Projekt betreut, denn vermutlich sind im Holocaust 400 Mitglieder
der jüdischen Gemeinde umgekommen. Unter denen, die immer mit dabei sind,
ist Avital Toren, Vorsitzende der jüdischen Gemeinde in Heilbronn. Sie frage
sich oft "was wäre eigentlich aus Heilbronn geworden, wenn es den Holocaust
nicht gegeben hätte?' Ja, wie hätten alle die Bankdirektoren, die Wein- und
Einzelhändler, die Schneiderinnen und die höheren Töchter das Stadtleben
heute geprägt? Eine Vorstellung dazu kann man kaum entwickeln, aber möglich
ist, jedes einzelne Schicksal zu verfolgen und jeden einzelnen Menschen
nicht zu vergessen. In Heilbronn tun das schon von Anfang an auch Schüler.
Sie gehen mit der Hilfe des Stadtarchivs den einzelnen Lebensläufen nach bis
zum Ende, für das meist Namen wie Treblinka oder Auschwitz stehen. Nur
wenigen Heilbronner Juden es gelungen zu überleben - auch ihrer wird
gedacht. Eine davon ist Luise Bronner. Ihre Familie lebte zuletzt in der
Schillerstraße. Vor dem Mehrfamilienhaus sind zu den drei Stolpersteinen
zwei weitere hinzugekommen. Bevor Demnig diese in die vom Tiefbauamt
ausgeführten Vertiefungen einlässt, poliert er die anderen erst blank. Von
den zwei neuen Steine erinnert einer an Luise Bronner. Eigentlich hieß die
Familie 'Heilbronner', sie änderte ihren Namen in der Emigration. Schüler
der Luise-Bronner-Realschule sind mit ihren Lehrern gekommen. Ein Bruder von
Luise war schon 1933 emigriert. Die Familie, zuvor schon reiche
Seifenfabrikanten, konnte ihren Erfolg in den USA fortsetzen. Heute haben
die Produkte von 'Dr. Bronner‘s Magic Soap' Kultstatus in den USA. Luise,
die noch 1932 ihr Abitur an der Vorläuferschule des heutigen
Robert-Mayer-Gymnasiums abgelegt hatte, wanderte 1938 in die USA aus,
besuchte Heilbronn 1958 noch einmal und gab ihr Vermögen in eine Stiftung,
die bis heute den Schüleraustausch zwischen Heilbronn und Baltimore
finanziert. Ihre Eltern hatten auch bereits alle Ausreisedokumente
beisammen. Doch einen Tag vor ihrer Abreise griff Japan als deutscher
Verbündeter die USA an, das besiegelte auch das Schicksal der Bronners. Sie
überlebten die weitere Verfolgung nicht, wurden deportiert und ermordet. Den
Schülern, die diesen Schicksalen nachgehen, gehen sie auch nahe.
Kulturbürgermeisterin Agnes Christner betont die Wichtigkeit solcher
'Geschichtsstunden'. Die Beschäftigung mit Einzelschicksalen bringt das
Verbrecherische dieser Zeit auf eine nachvollziehbare Ebene und hinterlässt
Spuren. Leon Fisel vom Robert-Mayer-Gymnasium hat seine Semesterarbeit im
elften Schuljahr dem Thema Stolpersteine und 'Wie sieht richtiges Gedenken
aus?' gewidmet. Er sagt, er werde nie wieder vergessen können, was er
hierbei erfahren hat. Seine Mitschülerin kämpft mit den Tränen, als sie das
Gedicht 'Ich will leben' von Selma Meerbaum vorliest, einer Cousine des
Dichters Paul Celan, die, kaum älter als sie selbst, in einem Lager starb.
Unterstützt wird die Aktion von der Volksbank. Sie geht auf die
Bankengründung der bedeutenden Heilbronner jüdischen Familie Gumbel zurück.
Der Abraham-Gumbel-Saal an ihrem Standort an der Allee erinnert daran, was
diese Familie von Bankiers und Anwälten einst für die Stadt bedeutete. Auch
diesmal war ein Stolperstein in der Uhlandstraße einem Familienmitglied
gewidmet. Emma Gumbel wurde nach Theresienstadt deportiert, wo sie 1943
starb."
Link zum Artikel
November 2018:
Ausstellung zu "80 Jahre Pogromnacht"
Artikel von Bärbel Kistner in der
"Heilbronner Stimme" vom 29. Oktober 2018: "Mahnende Erinnerung an eine
dunkle Epoche
Heilbronn Eine Ausstellung zu 80 Jahre Reichspogromnacht zeigt in der
Kilianskirche detailreich die Geschichte von jüdischen Heilbronnern.
Ein paar Texte und Bilder zur Reichspogromnacht in Heilbronn vor 80 Jahren
zu zeigen, das war zunächst die Idee. Herausgekommen ist nun eine
detailreiche Schau zur Geschichte der jüdischen Heilbronner von den Anfängen
bis in die Gegenwart. Initiatorin Alexandra Winter, Pfarrerin der Citykirche
und zuständig für die Evangelische Erwachsenenbildung, hat für sich
festgestellt: Nur die Ereignisse der Reichspogromnacht 1938 zu erklären
reicht nicht. Die Einzelschicksale von jüdischen Heilbronnern und die
lokalen Ereignisse müssen im Zusammengang mit dem schon vorher vorhandenen
Antisemitismus und der Politik des NS-Regimes gezeigt werden. In Martin
Schmidt und Sarah Peters hat die Pfarrerin Mitstreiter gefunden, 'um das
heikle, dunkle und belastete Thema anzugehen'. Sie hat unzählige Texte im
Archiv gelesen und Kontakte zu ehemaligen Heilbronnern in Israel geknüpft. 'Mahnend an eine Epoche erinnern'. Mit der Ausstellung wolle man
'mahnend an die Epoche erinnern, nicht zuletzt, um an diesem Datum gegen den
immer stärker werdenden Antisemitismus in Deutschland ein Zeichen zu
setzen', erklärt Winter zur Eröffnung im Rahmen eines Themengottesdienstes.
Die Schau sollte nicht irgendwo versteckt, sondern mitten in der Innenstadt,
in der Kilianskirche gezeigt werden. 'Das hat für die Kirche auch einen
symbolischen Wert, und ich bin froh, dass der Kirchengemeinderat zugestimmt
hat.'
Mahnende Erinnerung an eine dunkle Epoche. Winter möchte mit der Schau
deutlich machen, dass dem Brand der Heilbronner Synagoge am 10. November
'die menschlichen Schweinereien' folgten. Mit dem Einschlagen von Scheiben
und Schaufenstern habe es begonnen, danach seien Menschen eingeschüchtert
und misshandelt worden: 'Das wird gerne vergessen, wenn man den Begriff der
Reichskristallnacht verwendet.' Das Unrechtsbewusstsein war vorhanden. Texte auf den Tafeln berichten
zum Beispiel vom Überfall auf das israelitische Landesasyl in Sontheim.
Bewegend waren für die Pfarrerin Erinnerungen Älterer, die, obwohl sie noch
Kinder waren, gewusst hätten: ein Gotteshaus anzuzünden, verletzt ein Tabu.
'In den Köpfen und Herzen war das Unrechtsbewusstsein da.' Fassungslos ist
Winter über den alltäglichen Antisemitismus, wie Entrechtung und Ausgrenzung
hingenommen wurden und wie wiederholte Floskeln und Schuldzuweisungen
Wirkung zeigten. 'Das macht mir auch heute wieder Angst.' Auf dem Schulhof
ihres Sohnes höre man wieder 'Du Jude' als Schimpfwort. Gerade jüngere
Menschen, so die Hoffnung Winters, soll die Ausstellung erreichen, damit sie
die Geschichte der Juden in Heilbronn kennenlernen. 'Wir wollen nicht
anklagen, aber dennoch Namen nennen dürfen.' Die Besucher erfahren, dass
jüdische Heilbronner einst gleichberechtigt hier lebten und arbeiteten. Aber
auch Episoden wie diese: 1932 verließen die NSDAP-Mitglieder im Gemeinderat,
Alfred Faber, Heinrich Gültig und Hugo Kölle, bei der Vereidigung des
jüdischen Stadtrats Siegfried Gumbel den Saal. Daten zur Ausstellung. Geöffnet Montag bis Samstag, 10 bis 17 Uhr,
Sonntag 12 bis 17 Uhr. Finissage Freitag, 30. November, 18.30 Uhr. Führungen
unter Telefon 07131 179850. Die Akteure. Pfarrerin Alexandra Winter hat die Ausstellung der
Evangelischen Erwachsenenbildung initiiert und gemeinsam mit dem früheren
Gymnasiallehrer Martin Schmidt und mit Sarah Peters umgesetzt: unter anderem
mit Unterstützung des Stadtarchivs und der jüdischen Gemeinde Heilbronn und
in Kooperation mit der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit
Stuttgart, den Freundeskreisen Synagoge Heilbronn und ehemalige Synagoge
Affaltrach, dem evangelischen Schuldekanat Heilbronn und der Kiliansgemeinde."
Juni 2019:
Weitere "Stolpersteine" wurden
verlegt
Anmerkung: bis Juni 2019 wurden in Heilbronn nunmehr insgesamt 178
"Stolpersteine" verlegt.
Artikel von Kilian Krauth in der
"Heilbronner Stimme" vom 1. Juli 2019: "17 weitere Stolpersteine in
Heilbronn verlegt
Heilbronn Künstler, Schüler und Privatpersonen haben in Heilbronn 17 weitere
Stolpersteine für Opfer des NS-Terrors verlegt. Bürgermeisterin Agnes
Christner warnte vor Neonazis und rechter Gewalt.
Mit einem Appell gegen rechtsradikale Gedanken und Gewalttaten leitete
Bürgermeisterin Agnes Christner am Montag die Verlegung 17 neuer
Stolpersteine ein. Die aus Messing und Beton gefertigten Quader erinnern an
Verfolgung, Vertreibung und Flucht überwiegend jüdischer Menschen in der
Nazi-Zeit. 'Das Thema ist leider wieder aktuell', sagte Christner. Umso
wichtiger sei es, über eine entsprechende Erinnerungskultur die
Öffentlichkeit dafür zu sensibilisieren: zum Beispiel über Stolpersteine des
Künstlers Günter Demnig, der seit 1992 in 23 Ländern fast 70 000 solcher
Pflastersteine mit der Grundfläche neun auf neun Zentimeter verlegt hat. Anfeindungen gegen den Ideengeber. Mit Eimern, Spachtel und Hammern
im Gepäck lobte Demnig die Zusammenarbeit mit der Stadt. So habe das
Betriebsamt passende Löcher ins Pflaster gefräst. 'In anderen Großstädten
kümmert sich da kaum jemand drum.' Er habe sogar zunehmend mit Anfeindungen
zu leben - bis hin zu Morddrohungen. '600 Steine wurden bereits geklaut.'
Dennoch will sich der 71-Jährige nicht entmutigen lassen, 'irgendwann komme
ich halt mit Krücken oder Rollator.' Nunmehr 178 Stolpersteine in Heilbronn. In Heilbronn wurden in zehn
Jahren 161 Steine verlegt, 17 kamen jetzt hinzu. Mitinitiator Pfarrer Günter
Spengler bedankte sich bei Schülern, Privatpersonen, Stadtarchiv und
Stadtbibliothek, die die 'Einzelschicksale für die Erinnerungszeichen'
recherchiert oder hierfür zugearbeitet hätten. Vor allem Stadthistoriker
Peter Wanner habe viele Türen geöffnet. Ähnlich äußerten sich Lehrer und
Schüler wie Geschichtslehrerin Viola Widmaier und Lara Gürol, Emily
Burroughs, Larissa Liebhardt und Emma Käß von der Luise-Bronner-Realschule,
die von den bewegenden Lebensgeschichten berichteten. An dem Projekt
beteiligt waren zudem Mönchsee-, Robert-Mayer und
Elly-Heuss-Knapp-Gymnasium. Angehörigen sind gerührt und beeindruckt. Beeindruckt vom großen
Engagement zeigten sich Nachfahren von Opfern, die die Aktion in der
Cäcilienstraße oder etwa an der Frankfurter Straße begleiteten und danach
mit Avital Toren von der jüdischen Gemeinde im Rathaus empfangen wurden.
Angehörige der Familien Hochherr und Hanauer beispielsweise leben heute in
den Niederlanden, Südafrika, Kanada, England, USA, Italien, aber auch im
Heimatland ihrer verfolgten Vorfahren. Betty Weiss, geb. Israel, betrieb mit Ehemann Hermann einen Kleider-
und Schuhladen an der Kirchbrunnenstraße, den sie nach der sogenannten
Machtergreifung durch die Nazis im Jahre 1933 zum Trödelladen machen musste.
Sie wurde in Riga ermordet, ihr Mann starb bereits 1938 in Heilbronn. Dora und Gustav Karlsruher besaßen eine Lumpensortieranstalt. Er war
im Ersten Weltkrieg deutscher Soldat. 1935 flüchteten sie in Doras
Heimatstadt Metz, wurden aber 1944 nach Birkenau deportiert, wo sie ermordet
wurden. Sohn Ernst wanderte 1928 in die USA aus. Helene Würzburger: Ihrer Familie gehörte die Adler-Brauerei in der
Deutschhofstraße und in der Klarastraße der Adlerkeller, der zeitweise als
jüdische Schule diente, Helene wohnte hier als Witwe. Sie starb in
Theresienstadt. Sohn Alfred emigrierte über Israel in die USA. Martha Rothschild kam aus der Pfalz nach Heilbronn und arbeitete als
Dienstmädchen. 1939 flüchtete sie nach Holland zu ihrer Schwester. Martha
wurde in Auschwitz ermordet. Einer dritten Schwester, Erna, gelang die
Flucht nach England. Gertrud und Alfred Oppenheimer: Die wohlhabende Familie führte die
gleichnamige Darm- und Gewürzhandlung, die nach der 'Arisierung' als Ried &
Co. firmierte. Er emigrierte 1936 nach Palästina, wo er als Landwirt in
einer jüdisch-deutschen Siedlung arbeitete. Die Familie klagte wegen der
Enteignung ihres Grundstücks 1938 nach dem Zweiten Weltkrieg gegen die Stadt
Heilbronn und bekam eine Entschädigung von 700 D-Mark. Berta, Isaak, Manfred Hanauer und Gertrud Farrer: Die Familie
kam aus Gemmingen und eröffnete an der Cäcilienstraße ein Geschäft für
Polster- und Sattlerartikel mit Schreinerbedarf. Manfred und Gertrud
flüchteten 1934 nach Palästina. 1941 waren Isaak und Berta bei den ersten
Heilbronner Juden, die deportiert wurden. Cilly Levi, Aron und Theresia Lindner sowie Sofie Schwab: Die
teils aus Affaltrach zugezogene
Familie betrieb eine Manufaktur an der Allee und später an der
Rollwagstraße. Ihr Haus wurde zum 'Judenhaus'. Manchen Familienmitgliedern
gelang die Flucht, andere wurden deportiert und ermordet. Bernhard und Grete Hochherr: Die Familie betrieb verschiedene
Zigarrenfabriken im Kraichgau und in Heilbronn mit hunderten Angestellten.
Ihr Besitz wurde 1938 'arisiert'. Bernhard starb nach Aufenthalten in
Altersheimen 1942 in Theresienstadt, angeblich an Altersschwäche. Tochter
Grete arbeitet beim Heilbronner Bankverein und der Madaform Seifenfabrik.
Sie konnte 1938 nach Südafrika auswandern, wo sie Bruno Kaufmann heiratete,
der zuvor für eine Schuhfabrik in Heilbronn arbeitete.
Lebenswege und Stationen:
www.stolpersteine-heilbronn.de"
Link zum Artikel
November 2019:
Erinnerung an die Pogromnacht 1938
Artikel von Carsten Friese in der
"Heilbronner Stimme" vom 10. November 2019: "Gedenken an NS-Brandanschlag
auf Heilbronner Synagoge.
Heilbronn Gut 200 Teilnehmer erinnern an den NS-Brandanschlag auf die
Synagoge an der Allee vor 81 Jahren. OB Harry Mergel bekundet tiefe Scham
und fordert zum Einsatz gegen Hass und Gewalt auf. Die Sprecherin der
Jüdischen Gemeinde dankt in bewegenden Worten für aktuelle Zeichen der
Hoffnung.
Mit einer emotional-bewegenden Gedenkfeier haben gut 200 Menschen am
Samstagabend am Synagogenstein an der Allee an die Reichspogromnacht am 9.
November 1938 erinnert. In der Nacht, in der im Dritten Reich 267 Synagogen
brannten, wurde auch das jüdische Gotteshaus an der Allee ein Opfer der
Flammen. Dieser Tag stecke 'wie ein Stachel im Fleisch', sagte
Oberbürgermeister Harry Mergel auf der Veranstaltung unter dem Motto ' Wider
das Vergessen'. Auch acht Jahrzehnte später 'erfüllt uns diese Gewalt noch
mit tiefer Scham'. Man wolle die Erinnerung wachhalten und mahnen, die Werte
von Toleranz, Weltoffenheit und Demokratie zu verteidigen. Man wolle dafür
einstehen, dass Hass und Gewalt ' in unserer Stadt keinen Platz haben'. Fester Teil der Heilbronner Erinnerungskultur. Dieses Gedenken soll
nach Mergels Worten ein fester Teil der Heilbronner Erinnerungskultur
bleiben. Man wolle deutlich machen, 'dass wir in Heilbronn nicht nur Opfer,
sondern auch Täter waren'. In der vom Posaunenchor Horkheim und Bläsern aus
dem Kirchenbezirk umrahmten Gedenkstunde stufte St.-Augustinus-Pfarrer
Markus Pfeiffer das historische Datum als ' furchtbar unmenschliche Nacht'
ein. Wie Christen damals einerseits Gottesdienste feiern konnten und dann
eine ' furchtbare Judenhetze' betrieben, die in den Holocaust mündete, mache
ihn sprachlos. Wenn so etwas passiere, dann ' müssen wir aufschreien,
anprangern und unsere Stimme dagegen erheben'. Auch heute, sagte Pfeiffer,
hätten viele Menschen ' aus der Geschichte offenbar nichts gelernt'. Positive, mitfühlende Briefe nach der Tat von Halle haben jüdischer
Gemeinde gut getan. Der bewegendste Moment der Gedenkfeier: Avital
Toren, die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Heilbronn, blickte auf den
Abend zurück, als sie vom Gewaltanschlag auf die jüdische Synagoge in Halle
erfuhr. ' Es war für uns sehr schlimm. Viele hatten Angst.' Doch dann habe
sie viele positive Briefe und Anrufe erhalten von Heilbronnern, die
verdeutlichten, 'dass sie hinter uns stehen'. Das habe es wieder etwas
leichter gemacht ' und uns allen sehr gut getan', sprach sie ihren Dank aus.
Und dass an diesem Abend gut 200 Heilbronner zu dem Gedenken erschienen
sind, wertete Toren ebenfalls als 'gutes Zeichen'. Stolpersteine erinnern an jüdische Heilbronner, die von den Nazis
deportiert und ermordet wurden. DGB-Regionssekretärin Silke Ortwein und
OB Harry Mergel entrollten Schleifen an zwei Gedenkkränzen an der Allee.
Zuvor hatte der frühere Pfarrer Günter Spengler rund 35 Teilnehmer zu acht
Stolpersteinen in der Innenstadt geführt. Sie erinnern an jüdische
Heilbronner, die im Dritten Reich deportiert und ermordet worden waren. In
der Gymnasiumstraße verwies Spengler unter anderem auf Max Strauss, der in
Höhe der heutigen Kreissparkasse den Brauereigasthof Adlerkeller führte.
Nach der Reichspogromnacht sei das jüdische Gemeindeleben in kurzer Zeit
zerstört worden, mahnte er."
Link zum Artikel
Dezember 2019:
Übergabe eines Gemäldes von Luise
Bronner in der Luise-Bronner-Realschule
Foto
links: Der Stifter Veit Feger und die Malerin Marlis Glaser neben dem von
ihr gemalten Bild der aus Heilbronn stammenden, in den USA überlebenden
Chemikerin und Germanistin Luise Bronner.
Foto: Hildegard Glaser.
Mitteilung vom Dezember 2019: "Die Luise-Bronner-Realschule Heilbronn
erhält ein Portrait ihrer Namensgeberin
HEILBRONN (vf). Die Luise-Bronner-Realschule der Stadt ist per
Gemeinderatsbeschluss vom Jahr 2018 nach einer ungewöhnlichen Tochter der
Stadt benannt, nach Luise Bronner, geboren als Luise Heilbronner in
Heilbronn (geb. 1912, gest. 1999, siehe Informationen in der Website der
Schule:
https://lbrhn.de/index.php/unsere-namensgeberin-luise-bronner/; Luise
Heilbronner benannte sich in den USA um in 'Bronner').
Die in Attenweiler bei Biberach lebende Künstlerin Marlis Glaser hat jetzt
ein Bild dieser Frau gemalt. Es wurde von dem früheren Ehinger
Zeitungsverleger und Redaktionsleiter Veit Feger der Luise-Bronner-Schule in
Heilbronn gestiftet, mit der Maßgabe, das Bild an einem schönen, gut
sichtbaren Platz im Schulgebäude zu präsentieren. Am 4. Dezember 2019 wurde
das Bild im feierlichen Rahmen eines Schulfestes übergeben. Die Schulleitung
hatte diesen Termin mit Absicht gewählt; siebzig Jahre zuvor war die Stadt
zu großen Teil zerbombt worden, sechstausend Menschen starben. - Obwohl
Luise Bronner vor den Nationalsozialisten fliehen musste, obwohl ihre Eltern
im NS-Reich ermordet wurden, nahm Luise Bronner ab Ende der Fünfziger Jahre
wieder Kontakt zu ihrer Heimatstadt auf und stiftete später sogar ihrer
Heimatstadt Geld für schulische Zwecke. Die Schulfeier am 4. Dezember wurde
mitgestaltet von dem Kantor der liberalen jüdischen Gemeinde München, Nikola
David. Zu den Ehrengästen gehörte die Vorsitzende der jüdischen Gemeinde
Heilbronn, die 78jährige Avital Toren. Die US-Firma 'Bronner’s' wurde in den
Vierzigern von einem Angehörigen der aus Deutschland geflüchteten
Seifensieder-Dynastie Heilbronner/ Bronner in den USA wiedergegründet; diese
Firma beschenkte alle Besucher der Feier mit einem Stück edler Seife.
Im Sommer des Jahres 2019 übergab Veit Feger ein von ihm gestiftetes, ein
von Marlis Glaser gemaltes Portrait des einstigen Riedlinger Bürgermeisters
Ludwig Walz der Stadt Riedlingen. Bürgermeister und Gemeinderat stimmten der
Aufhängung im Sitzungssaal des Rathauses zu. Ludwig Walz wurde 1974 für
seine Hilfe für verfolgte jüdische Menschen - vor allem in der nahen
Gemeinde Buttenhausen – von der israelischen Gedenkstätte 'Yad Vashem' zum
'Gerechten unter den Völkern' erklärt. Ebenfalls zu einer 'Gerechten unter
den Völkern' ernannt wurde die Helferin vieler verfolgter jüdischer Menschen
im Dritten Reich, Gertrud Luckner, Ehrenbürgerin von Freiburg. Auch von ihr
malte Marlis Glaser, Attenweiler, im Auftrag von V. Feger, Ehingen, ein
Portrait. Dieses Portrait wurde im November der
Gertrud-Luckner-Gewerbeschule Freiburg zur schönen Aufhängung im
Schulbereich übergeben. Hier einige der Gedanken, die M. Glaser bei der
Übergabe des Portraits von Luise Bronner in Heilbronn vortrug. Marlis Glaser über das von ihr gemalte Portrait von Luise Bronner:
Dieses Bild gehört in eine Reihe von Arbeiten mit dem Titel: 'Abraham aber
pflanzte einen Tamariskenbaum – Bilder über deutschsprachige Emigranten und
Überlebende und deren Kinder in Israel'. Die Bilder sind der Erinnerung und
der Hoffnung gewidmet. Diese Bilder-Serie umfasst inzwischen über
zweihundert Werke und drei Buch- oder Katalog-Dokumentationen. - Die Bilder
haben mit dem Leben der Dargestellten, ihrer Geschichte, ihrer
Persönlichkeit zu tun. Ich begann mit dieser Bilderreihe im Jahr 2005. Die
Welt der deutschsprachigen Überlebenden und Emigranten und deren Kinder in
Israel (teils auch in den USA) wurde durch vier symbolische Motive
angedeutet: durch das menschliche Antlitz, durch den Namen des
Portraitierten, durch einen Gegenstand, bevorzugt durch einen Baum. Soweit
es mir möglich war, malte und zeichnete ich die Männer und Frauen mit Blick
zum Betrachter denn das Angeschaut-, das Beachtetwerden und das Anschauen
des Anderen können uns in den Bann ziehen. - Der 1905 in Kaunas geborene
überlebende jüdische Philosoph Emanuel Levinas schrieb: 'Das Antlitz des
anderen Menschen ist ein 'Um-Erbarmen-Bitten'. Das Gebot 'du sollst nicht
morden' ist Gottes Wort, und das menschliche Antlitz sagt mir dieses Wort
Gottes.' Das Bild zu Luise Bronner wurde gemalt nach einem Foto, welches vor
Jahrzehnten von ihr bei einem Vortrag in Heilbronn aufgenommen wurde. Das
von mir gewählte Rot in diesem Portrait symbolisiert Bronners Energie und
Vitalität bis ins hohe Alter. Ihr Gesicht ist umgeben von den drei
Grundfarben, dem Rot, dem Gelb und dem Blau, alle drei Töne in verschiedenen
Nuancen; zwei Drittel von Kopf, Hals und Schultern sind in warmen Gelbtönen
gehalten. Deutlicher als auf dem sehr kleinen Foto, das mir vorlag, malte
ich die Augen unterschiedlich. – In der Mundpartie ist der vage
Ansatz eines Lächelns erkennbar, aber nicht in ihren Augen.
Zur Farbe Rot, die Energie und Vitalität empfinden lässt: Luise Bronner
wollte handeln. Diese Empfindung über ihren Charakter ließ mich ein
Gespräch erinnern, das ich 2004 in Israel mit der damals fast
neunzigjährigen Überlebenden Stella aus Wien führte, für eines meiner ersten
Portraits dieser Bilderreihe; ich fragte sie damls: 'Stella, was macht denn
das Jüdische aus?' Ihre Antwort, lächelnd: 'es tun!' Im fünften Buch
Mose klingt das so: 'Wer macht, ist gesegnet – wer nicht macht, nicht.' -
'es tun' steht auch für 'Tikkun Olam', die Welt wieder ganz machen, zu einem
besseren Ort machen, das Auseinandergerissene wieder zusammenbringen, es
heilen, 'Tikkun Olam' steht für: Reden und Tun in Übereinstimmung bringen. -
Nach allem, was ich über Luise Bronner gelesen habe, gehörte sie zu den
Menschen, die die Aufforderung 'es tun' ernst nehmen und als Maßstab für ihr
Handeln ansehen. Zur Komposition: Luise Bronners Kopf ist als eine Art Öffnung in die
Bildebene gesetzt, umgeben an zwei Seiten von Symbolen und Texten mit Daten
ihrer Geschichte und der ihrer Vorfahren. Da sind die Namen der Eltern, das
Datum ihrer Deportation und ihres Todes, das Fabrikgebäude des Unternehmens,
Zeichen von L. Bronners erster Berufsausbildung, zur Chemie-Laborantin, der
Beginn ihres Exils in den USA, ihre Promotion in Germanistik, ein Bildzitat
aus dem Umschlag ihres Gedichtbandes, dann oben auf dem Portrait der Titel
ihres für mich wichtigsten Gedichts 'May I never forget…' In diesem Gedicht
beschreibt Luise Bronner ihre Empfindungen über den Tod der Eltern. - Ganz
oben noch die Titel-Zeile eines ihrer Gedichte: 'Auf Bertolt Brecht'. Dieser
Schriftsteller war für mich während meines Studiums sehr bedeutsam."
Germania Judaica II,1 S. 346-350; III,1 S. 531-540.
Wolfram Angerbauer/Hans Georg Frank: Jüdische
Gemeinden in Kreis und Stadt Heilbronn. 1986. S. 91-101.
Steffen Zürger u.a.: Die Synagoge in Heilbronn (1877-1938),
Arbeit der 12. Klasse des Robert-Mayer-Gymnasiums Heilbronn im Rahmen des Schülerwettbewerbs
Deutsche Geschichte 1992/93.
Norbert Jung: Von Kahn zu Kult. Unsere Nachbarin - Die
Zigarre. Ein Beitrag zur Geschichte der Heilbronner Bahnhofsvorstadt.
Erschien 2009 (eingestellt
als pdf-Datei). Anmerkung: 2009 erschien diese Publikation, initiiert und hrsg. von der
HELA und der Abendrealschule Heilbronn, um die historische Dimension dieses
Platzes in der Bahnhofsvorstadt und den Übergang von der industriellen
Nutzung zum Kulturhaus zu würdigen, nicht zuletzt aber der Pflege der
Nachbarschaft wegen. Die Brüder Anselm, Julius und Josef Kahn, aus
Gemmingen nach Heilbronn gekommen,
betrieben gemeinschaftlich die Anhang des 20. Jahrhunderts gegründete
Zigarrenfabrik in der Achtungstraße und setzten ihre gefragten Produkte in
hohen Stückzahlen ab. In der Zeit der NS-Diktatuer wurden jüdische
Unternehmer infolge der Arisierung aus der Wirtschaft und zur Emigration
gedrängt. Auch die Brüder Kahn mussten nach der Flucht aus Deutschland neue
Perspektiven in Europa und in den USA suchen. 2019 besuchte Harold Kahn, ein
Engel Josef Kahns, begleitet von seinen Nichten Lauren und Lynelle, die
Heimat seines Großvaters und zugleich den Geburtsort Heilbronn seines Vaters
Otto Albert, die Familie hatte in der Bruckmannstraße 28 gewohnt.
Ergänzender Hinweis
zu einer für die mittelalterliche Geschichte Heilbronns wichtigen neueren
Publikation (darin ausführlich zur mittelalterlichen jüdischen
Geschichte Heilbronns und der Heilbronner Inschrift "Nathan
ha-Parnas"):
Klaus Cuno: Die ältesten jüdischen Grabsteine in den Rheinlanden
(bis ca. 1100): onomastische Aspekte und die Traditionen der
Epitaphgestaltung seit der Antike. Dissertation Trier 2010. Online
zugänglich über http://ubt.opus.hbz-nrw.de/volltexte/2012/745/
Zu Heilbronn S. 37-104.
Heilbronn Wuerttemberg.
A Jewish settlement existed in the mid-11th century. It was largely destroyed in
the Rindfleisch massacres of 1298 and again in the Black Death persecutions of
1348-49. Subsequently the community received royal protection. In 1476 the Jews
were expelled "perpetually" by the town council.
The settlement was renewed in the first half of the 19th century and by 1857
included 20 families. Jews owned two textile factories. Another 17 families from
the Rhineland joined them after the emancipation of Wuerttemberg Jews in 1861
and an independent community was constituted. In 1867, Heilbronn became the seat
of the district rabbinate and in 1877 a synagogue was dedicated after a bitter
controversy over installing an organ. A new controversy over cremation split the
community in 1910 and resulted in the founding of the Jeshurun Congregation by
Orthodox circles with separate community facilities. Jews were fully integrated
in public life. They served on the city council and were socially accepted. They
were also an important factor in the economic development of Heilbronn. In
addition to textiles, Jews ran cigarette, furniture, shoe and hide-processing
factories. Jews also operated major distilleries that won international prizes
at Paris and Vienna. They dominated the horse, cattle and sheep trade. In
1885 the Jewish population stood at 994 (total 27,758). Antisemitism began to be
felt in the Weimar period, though most local residents opposed the National
Socialist movement and an attempt was even made on Hitler's life when he
appeared in Heilbronn in 1926. In 1933, the Jewish population was 790 (total
77,569), with ten other communities under the aegis of its rabbinate. Among the
bodies represented were the Zionist Organization, B'nai B'rith, and ORT. Of the
534 factories and business establishments in Heilbronn, 149 were in Jewish hands
and Jews were also prominent in the professional class.
In the Nazi era, anti-Jewish propaganda was fostered in the vitriolic local
press. Already in 1933, SA units rounded up Jews and beat them and Jewish
children were isolated on separate benches in the public schools. Economic
boycotts were instituted and Jews banned in various public places. In response,
Jewish cultural and social life expanded within the community, with the Zionists
increasing their activity significantly. In 1936 the community started its own
school. On Kristallnacht (9-10 November 1938), the synagogue was set on
fire and Nazis vandalized the Jeshurun Congretation's prayer house, the
cemetery, the community center, and the Jewish school. Jewish homes and business
establishments were also broken into and destroyed. Subsequently the Nazis
impounded Jewish businesses and homes under their policy of "Aryanization".
By November 1938, 353 Jews had emigrated to over 30 countries and by 1941 the
number reached 603, including 238 to other countries in Europe, 170 to the
United States and 105 to Palestine. Those remaining in the city were sent east
in a number of stages: 49 to the Riga ghetto on 1 December 1941 (all perishing);
16 to Izbica in the Lublin district (Poland) in April 1942; and 52 to the
Theresienstadt ghetto in August 1942 by way of Stuttgart. Another 56 were
expelled from their various places of refuge throughout Germany and 22 were
deported from the European countries where they had found shelter after these
areas fell into German hands. After the war a number of Jews returned to
Heilbronn and one of the Jewish distilleries was reopened, employing 360 workers
and salesmen by 1961.
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