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Synagogen in Bayerisch Schwaben
Mönchsdeggingen (Landkreis
Donau-Ries)
Synagoge und rituelles Bad (Mikwe)
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
In Mönchsdeggingen (in alten Quellen nur
als "Deggingen" bezeichnet) bestand von 1684 bis zur Auflösung am
25. April 1879 eine Jüdische Kultusgemeinde. Einige der ersten jüdischen
Familien sind aus Höchstädt/Donau zugezogen, wo sie ausgewiesen worden waren.
Bald erwarben die zugezogenen Familien eigene Häuser. 1707 waren sieben
jüdische Familien am Ort, 1739 bereits 31 Familien. In den ersten
Jahrzehnten (bis um 1730) bildeten die jüdischen Familien in Mönchsdeggingen
und Harburg eine gemeinsame Gemeinde. Auch
weiterhin bestanden enge Beziehungen zwischen den Gemeinden. Als 1840 Harburg
vorübergehend einen eigenen Rabbiner erhielt, gehörte zu seinem Distrikt auch
die Gemeinde in Mönchsdeggingen. Ursprünglich hatte die Mönchsdegginger
Gemeinde gemeinsam mit derjenigen in Harburg zum Rabbinat Oettingen,
seit 1743 zum damals gebildeten Rabbinat Wallerstein
gehört.
Am Anfang des 19.
Jahrhunderts waren es 40 Familien, zur besten Zeit um 1839 sogar 53
jüdische Familie, die etwa einem Viertel der damaligen
Gesamteinwohnerschaft entsprachen. Noch Mitte des 19. Jahrhunderts war eine blühende Gemeinde
vorhanden.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine
Schule (in der jüdischen Volksschule lernten 1857 noch 74 Schulkinder), ein
rituelles Bad und einen Friedhof. Zur
Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer angestellt, der
zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war. Aus dem 19. Jahrhundert sind
bekannt: Naftali Hirz Sternberger (bis 1861; vgl. unten Bericht zum Tod seines
Sohnes Meier Sternberger 1901), gefolgt von seinem Schwiegersohn Nathan
Sonn aus Schweinshaupten. Von 1861 an
lebte bis zu seinem Tod 1875 auch dessen Vater Rabbiner Mosche Sonn in
Mönchsdeggingen, eine zu seiner Zeit hoch angesehene rabbinische
Autorität.
Die jüdischen Familien lebten vor allem vom Handel mit Landesprodukten und
Waren. Im 19. Jahrhundert gab es mehrere bedeutende jüdische Leder- und Getreidehändler
am Ort, die mit ihren Waren
das Monopol für das halbe Ries und Kesseltal innehatten.
Nach 1860 verzogen fast alle
Familien nach Nördlingen oder in andere Städte, nachdem
eine geplante Bahnlinie
nicht durch Mönchsdeggingen geführt wurde. Die in Mönchsdeggingen
verbliebenen jüdischen Einwohner wurden der Nördlinger Gemeinde zugeteilt.
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Allgemeine Beiträge zur frühen Geschichte der jüdischen Gemeinde
Die Anfänge der jüdischen
Geschichte Mönchsdeggingens nach einem Artikel von 1842
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 24. September
1842 aus einem in mehreren Fortsetzungen erschienen Beitrag von J. M. Fuch
s.u.): "Harburg. In den Judenakten zu Harburg
findet sich ein Bericht vom 1. September 1740 des Inhalts: 'Anno 1671 sind
zum allererstenmal Juden in den allhiesigen Markt Harburg in Schutz
aufgenommen worden, da hingegen vormals nie Juden in dem Markte Harburg
gewesen oder darinnen geduldet worden. Die Anzahl dieser neu aufgenommenen
Juden aber hat sich auf 11 Mann belaufen (vid. Befehl s.d. 10. März
1671). Wie man aber mit diesen 11 Juden ratione ihres jährlich zu geben
habenden Schutzgeldes, zweifelsohne in dem Markt gebrachten Vermögen
nach, akkordiert hat, gibt die obengedachte Beilage und der darin
enthaltene Schutzbrief zu erkennen. Im Jahre 1686 und zwar den 14. Juni
hat man denen Juden in dem Markte Harburg abermals einen Schutzbrief
erteilt. Es sind aber damals statt der obgedachten 11 Juden 12 allhier und
3 Juden zu Deggingen (Mönchsdeggingen) gewesen, mit welchen
abermals ein Akkord auf ein gewisses Schutzgeld getroffen worden. Die
neugedachten 4 Juden zu Deggingen sind aber allererst im Jahre 1684 und
1686 in den Schutz gekommen, wo vormals zu Deggingen auch niemals
Juden gewesen sind.'
Der erste erteilte Schutzbrief war auf die Dauer von 3 Jahren gegeben.
Übereinstimmend mit demselben ist ein vorgefundener Schutzbrief von
Albrecht Ernst regierendem Grafen zu Oettingen, d.d. 10. März 1671. Ob er
gleich nur in Fragmenten vorhanden ist, so ist doch an der Echtheit nicht
zu zweifeln." |
|
Aus
einem Beitrag von J. M. Fuchs in der "Allgemeinen Zeitung des
Judentums" vom 1. Oktober 1842: "(Aus dem neunten Jahresberichte
des historischen Vereins für Mittelfranken. 1839. 'Über die ersten
Niederlassungen der Juden in Mittelfranken.' Mitgeteilt von J. M. Fuchs,
Professor in Ansbach. (Fortsetzung.) Die Juden zu Harburg und Deggingen
bildeten vor ungefähr 100 Jahren eine Gemeinde, welche zum Oberrabbinate
Oettingen gehörte, bis späterhin das Fürstentum Wallerstein ein eigenes
Oberrabbinat bildete. Die Grabdenkmäler geben keinen Anhaltspunkt. In der
Synagoge finden sich keine Dokumente." |
Gemeindebeschreibung durch Pfarrer Stiller aus
Untermagerbein (1839)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 31. August 1839:
"Untermagerbein, Juli. Da es mit zu Ihrem Zwecke gehört,
dasjenige zu veröffentlichen, was zu Beförderung des Lichtes und Hebung
der Religiosität von einzelnen Männern, oder ganzen Gemeinden Ihrer
Glaubensgenossen geschehen ist, so bin ich so frei Ihnen zu diesem Zwecke
einige Mitteilungen über das Wirken der israelitischen Gemeinde zu
Mönchsdeggingen, im Fürstentum Wallerstein, zu machen, deren
Synagoge und Schule (der Ort ist nur eine halbe Stunde von hier entfernt
und der geprüfte Religions- und Elementarlehrer gehört zu einer
Fortbildungsanstalt, deren Vorstand ich bin), ich schon mehrmals besucht
habe. - Die vor 12 Jahren, von der, aus 53 Familien bestehenden Gemeinde
neu erbaute Synagoge ist ein würdiger Tempel des Herrn, den die
Gemeinde nur erst vor einem Jahre mit einer sehr geschmackvollen Chorgalerie
geschmückt hat. Der Sängerchor ist trefflich eingeübt und der Gottesdienst
von den alten, unpassenden Gebräuchen gereinigt. Vorträge in deutscher
Sprache werden schon seit zwanzig Jahren gehalten. - Die Schule ist
durch die Bemühungen des wackern Lehrers, Herrn Levi Hochstädter,
welchen die Gemeinde schon seit zwanzig Jahren mit 300 Gulden besoldete,
im schönsten Flore. Ebenso erfreulich, als die Kenntnisse der Schüler,
ist ihr gesundes Aussehen, ihre große Reinlichkeit und ihr
wohlgesittetes, artiges Betragen. - Durch viele milde Stiftungen ist für
die Armen, und durch einen neuen, 1.400 Gulden kostenden Friedhof für die
Gestorbenen gesorgt. Stiller, Senior und Pfarrer." |
Die Zugehörigkeit von Mönchsdeggingen zum
Rabbinat Harburg nach 1840
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 13. Juni 1840:
"Harburg (Schwaben), 20. Mai
(1840). Am gestrigen Tage wurde unser Rabbine, Herr Selz, feierlich
installiert, wozu außer den meisten Israeliten hiesiger und der zum
Distrikte gehörenden Gemeinde Deggingen, die christliche
Gemeindeverwaltung und von Seiten der Hochfürstlichen Herrschaft ein
besonderer Installations-Kommissarius und Installations-Aktuarius sich
einfanden. In der Synagoge in feierlichem Zuge angekommen wurde nach
Absingung des 111. Psalms und eines deutschen Chorals durch das von dem Schulverweser
Berolzheimer trefflich geleitete Schulchor, vom Installations-Kommissarius
eine schöne Anrede an Rabbinen und Gemeinde gehalten, das königliche
Regierungsdekret verlesen, und dann vom Rabbinen eine sehr angemessene und
gediegene Antrittspredigt gehalten. Ein Halleluja schloss die
Feierlichkeit, an die sich nachmittags ein fröhliches Mahl schloss." |
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibung der Stelle des Lehrers (1848)
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 16. Oktober 1848: "Vakanz.
Durch den Tod unseres bisherigen Lehrers Herr Höchstädter ist die
hiesige Schul- und Religionslehrerstelle erledigt. Dieselbe gewährt einen
fixen Gehalt von 300 fl., 25 fl. für die Wohnung des Lehrers, 25 fl. für
die Beheizung des Schulzimmers.
Hierauf Reflektierende, welche ein Seminar absolviert haben, musikalische
Bildung besitzen und namentlich auch im Hebräischen tüchtig sind,
belieben sich innerhalb 6 Wochen in portofreien Briefen, unter Beilegung
ihrer Zeugnisse, an die unterzeichnete israelitische Kultusverwaltung zu
wenden.
Die Kenntnis von neuen Sprachen würde gern gesehen werden.
Mönchsdeggingen bei Nördlingen, den 16. Oktober 1848. Die israelitische Kultusverwaltung.
Lazarus Murr. Nathan Höchstädter." |
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde
Zum Tod von Rabbiner Moses Sonn aus Schweinshaupten,
gestorben 1875 in Mönchsdeggingen
Moses Sonn stammte aus Schweinshaupten,
wo seine Frau Sara (Särle) bereits 1848 gestorben war. Er zog kurz 1861 nach
Mönchsdeggingen, wo sein Sohn Nathan Sonn mit Sara Sternberger verheiratet war.
Diese war die Tochter des Vorbeters Hirz Sternberger. Nathan wurde in diesem Amt
1861 Nachfolger seines Schwiegervaters. Weitere Artikel zu Mose Sonn und Familie
siehe Seite zu Schweinshaupten.
Der Grabstein für Rabbiner Moses Sonn ist erhalten, vgl. Nr. 129 in der Dokumentation
zum jüdischen Friedhof
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. Februar 1876:
"Aus Bayern, 18. Februar. Am 1. Kislew (29. November 1875) hat
in der Gemeinde Mönchsdeggingen bei Nördlingen ein edler Greis, Herr
Moses Sonn - unser Lehrer und unser Meister, der Herr Mosche (=
Rabbiner) - nach kurzem Krankenlager seine irdische Laufbahn beschlossen.
Er hat es wohl verdient, in diesem geschätzten Blatte einen Nachruf zu
erhalten.
Herr Moses Sonn war geboren zu Schweinshaupten in Unterfranken; er widmete
sich schon in jungen Jahren dem Torastudium; da er bei sehr großen
Anlagen einen regen Eifer betätigte, so haben die Eltern kein Opfer
gescheut, den Geist ihres begabten Sohnes ausbilden zu lassen. Er besuchte
die Jeschiwot (Talmudschulen) zu Frankfurt am Main und Mainz mit
großem Erfolge. Er wollte aber aus der Tora keinen Lebensunterhalt
(frei übersetzt) machen, er wollte keinen materiellen Gewinn
daraus ziehen! er machte sich in seinem Geburtsorte ansässig und betrieb
dort mit allem Fleiße den Feldbau. Alle freien Stunden aber widmete er
dem Selbststudium sowohl als auch dem Unterrichte nicht nur seiner eigenen
Kinder (er hatte vier Söhne und eine Tochter), sondern auch strebsamer,
fremder Jünglinge. Wenn es sich bestätigt, dass man an den Früchten den
Baum erkennt, so war es hier der Fall. Seine Söhne hat er in der Tora
unterrichtet und zur echten Gottesfurcht erzogen, so wie er auch für
seine einzige Tochter einen unterrichteten und gottesfürchtigen Gatten
gesucht und gefunden hat. Da seine Frau schon vor 25 Jahren das Zeitliche
gesegnet hatte, so übergab er seinem Sohne Nathan Sonn sein Anwesen und
lebte in dessen Familie geliebt und hoch geehrt. Von dieser Zeit an aber
widmete er seine ganze Zeit dem Torastudium und den frommen Werken. Vor 14
Jahren siedelte er mit diesem Sohne nach Mönchsdeggingen über, da
letzterer in dortiger Gemeinde die Vorbeter und Schochet Stelle
übernommen hatte. Auch dort ist er unermüdet vom Morgen bis zum später
Abend dem Talmudstudium obgelegen, dabei war er auch in profanen
Wissenschaften, in Mathematik und Sprachen wohl bewandert, und verfolgte
er auch bis zum hohen Alter, er erreichte das 80. Lebensjahr mit lebhaftem
Interesse die Weltbegebenheiten, sodass er in Wahrheit Tora mit respektvollem
Umgang aufs Schönste und Innigste vereinte. Durch sein bescheidenes,
anspruchsloses Wesen, sowie durch seine Nächstenliebe und Leutseligkeit,
hat er überall die Herzen sich gewonnen und wurde ihm Liebe und Achtung
in reichem Maße erwiesen, sodass sein Scheiden allseitig die
schmerzlichste Teilnahme gefunden hat. Seine Seele sei eingebunden in
den Bund des Lebens. St." |
Zum Tod von Joseph Holzmann (1879)
Der Grabstein für Joseph Holzmann ist erhalten, vgl.
Nr. 130 in der Dokumentation
zum jüdischen Friedhof
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. Januar 1879 (leicht
abgekürzt wiedergegeben): "Nachruf! Deggingen bei
Nördlingen. Wenn fromme, gesetzestreue Israeliten von dieser Welt
scheiden, in welcher sie zum Heil und Segen der Mit- und Nachwelt
zeitlebens gewirkt, so ist sicherlich der 'Israelit' die würdigste
Ruhmeshalle für das Andenken dieser Edlen, das zu ehren vielleicht auch
für manche aneifernd sein wird, den Heimgegangenen in ihrem edlen Wirken
nachzuahmen. Wir erfüllen anmit mit schmerzlich bewegter Seele die
traurige Pflicht, zuvörderst unserem Schmerz Ausdruck zu geben über den
Heimgang eines seltenen Biedermanns - ein demütiger und frommer Mann -
, des allverehrten Herrn Joseph Holzmann - er ruhe in Frieden
-, welcher im Alter von 78 Jahren nach achttätigem Krankenlager am 4.
Tewet (30. Dezember 1878) mit ausgezeichnetem gutem Namen das
Zeitliche verließ, um dort den wohl verdienten Lohn zu empfangen aus der
Hand unseres himmlischen Vaters für die guten Werke, die er geübt.
Derselbe war ein Ehrenmann in des Wortes strengster Bedeutung, geliebt,
geachtet und geehrt von Allen, die jemals Gelegenheit hatten, mit ihm zu
verkehren. Stets zeigte er besonders regen Sinn für alles jüdische
Interesse, für Förderung, Hebung und Verbreitung echt religiöser
Zwecke, wozu er weder Mühe noch Opfer scheute. Seine Herzensgüte für
Armenunterstützung kannte fast keine Grenzen. Mit Freuden suchten ihn die
Armen auf, und mit noch freudigerem Herzen sah man ihn offen oder im
Verborgenen diese Gebote ausüben. Die Armen des Heiligen
Landes wurden sehr oft von ihm bedacht, und wurde eine Kollekte für
Bedürftige aller Art veranstaltet, so war er gewiss zu den ersten
Spendern zu zählen. Den Torastudierenden zollte er stets große
Verehrung und Achtung, und trug viel zur Unterstützung für dieselben
bei, sowie überhaupt war er stets bemüht, jene Pflichten, welche am
Anfange des Morgengebetes verzeichnet sind, von denen es heißt, sie seien
eine dauernde Stiftung für die ewige Welt, mit namhaften, sehr
ansehnlichen Beträgen zu erfüllen. Er war ein wahrhafter Pedant in
der Ausübung der Gebote. Sabbate und Feiertage heiligte er streng
nach göttlicher Vorschrift und war er stets einer der Ersten im
Gotteshause. Im Allgemeinen lässt sich von dem teuren, gottergebenen
Verblichenen ohne Übertreibung sagen, dass das Bestreben desselben
hauptsächlich dahin gerichtet war, nach dem Sinne des Rabbi Simeon
HaZadik in den Pirkei Awot, die drei Säulen, Träger und Stützen des
Weltalls, Tora, Gottesdienst und Wohltätigkeit aufrecht zu erhalten und
zu befestigen:
'Lehre der Wahrheit war in seinem Munde, und Falsch ward nicht gefunden
auf seinen Lippen, in Frieden und in Redlichkeit wandelte er mit mir, und
Viele brachte er von Sünden zurück' (Maleachi 2,6).
Viele Freunde von Nah und Fern waren bei dem Leichenbegängnisse, welches
am Freitag, dem 8. Tewet (3. Januar 1879) Mittag stattfand,
anwesend. Herr Distrikts-Rabbiner Selz aus Harburg hielt dem teuren
Hingeschiedenen eine Gedächtnisrede, wie sie brillanter und ergreifender
nicht gedacht werden kann, er erschütterte alle Zuhörer und hat für
seine herrlichen, herzlichen und wahrheitsgetreuen Worte die trauernden
Hinterbliebenen zu aufrichtigem Danke verpflichtet.
Möge doch der Allgütige die trauernde Familie trösten und ihr seinen Schutz
und Beistand nicht versagen. An dem Dahingeschiedenen wollen sich die
Worte unserer heiligen Schrift erfüllen: (hebräisch und deutsch:= 'deine
Herrlichkeit wolle vor dir hergehen und die Herrlichkeit Gottes dich
aufnehmen. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens." |
Zum Tod des aus Mönchsdeggingen stammenden Meier Sternberger (gest. 1901 in
Harburg, 1856 bis 1893 Vorbeter und Mohel in Ansbach)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. September 1901: "Harburg,
Schwaben. Am Sonntag, 7. Juli, wurde ein Mann hier zu Grabe getragen, der
es wohl verdient, dass seiner in diesen geschätzten Blättern gedacht
werde, da sein Lebensgang für jeden wahren Jehudi vorbildlich sein
dürfte. Es war Meier Sternberger seligen Andenkens, den man unter
großer Beteiligung seitens der jüdischen und nichtjüdischen
Bevölkerung zur letzten Ruhe bestattete. Der reiche Lebensinhalt des
Zadik hanedor kann hier nur in skizzenhafter Kürze angedeutet
werden.
Meier Sternberger war in Deggingen bei Nördlingen geboren, ein
Sohn des frommen Naftali Sternberger, der dort Vorbeter und
Mohel war. Den Grundsätzen und Lehren des Elternhauses blieb der
Verstorbene zeitlebens treu. Nciht weniger als 37 Jahre wirkte er als
Chasan und Schochet in Ansbach, und war
ein gewandter, weithin gesuchter Mohel, welches Amt er so oft unter
großen persönlichen Entbehrungen und pekuniären Opfern versah. Im
Verein mit seiner vor 1 1/2 Jahren dahingegangenen Gattin, einer echten Esches
chajil (tüchtiger Frau), gestaltete er sein Heim zu einer von allen
orthodoxen Glaubensgenossen gern und oft aufgesuchten Stätte. Geradezu
unmöglich ist es, all das zu schildern, was beide zusammen für die öffentlichen
Bedürfnisse, insbesondere auf dem Gebiete der Wohltätigkeit
geleistet. Es sei nur erwähnt, dass der Verblichene 32 Jahre lang das
schwere Amt eines Verwalters der Armenkasse für Durchreisende
unentgeltlich versah. Die einzelnen Jahrgänge des 'Israelit' ließ er
unter den Mitgliedern der Gemeinde kursieren, um Sinn für Tora und
Gottesfurcht zu erwecken. In den höchsten Gesellschafts- und
Beamtenkreisen der mittelfränkischen Kreishauptstadt war der
Heimgegangene angesehen und geachtet. Vor acht Jahren zog das kinderlose
Ehepaar hierher, um den Lebensabend in der Nähe von Verwandten zu
verbringen, freudigst begrüßt in der numerisch reduzierten Gemeinde, die
dadurch eine Kräftigung und Neubelebung des Gemeindelebens erfuhr. So
manches Gute hat der Verstorbene hier bewirkt. Nun sind sie beide in
die Ewigkeit gegangen. leibliche Nachkommen hinterlassen sie nicht,
aber ihre guten Taten sind ihre Nachkommen.
Zur Lewajoh (Beisetzung) war der Kultusvorstand von Ansbach,
Herr Selling, herbeigeeilt. In tief empfundenen Worten sprach der
Herr Rabbiner von Ansbach, Herr Dr.
P. Cohn namens dieser Gemeinde, nach diesem Herr A. Mannheimer, Lehrer
in Dettelbach im Auftrage des
engeren Verwandtenkreises, endlich für die Gemeinde Harburg Herr
Lehrer Krämer daselbst.
Möge der S'chus - das Verdienst dieses wahrhaft Frommen uns
beistehen und er ein Meliz joscher - ein rechter Fürsprecher uns
allen sein. Secher zadik liwrochoh - das Andenken an den Gerechten ist
zum Segen.
Wie nachträglich bekannt ward, vermachte der Heimgegangene bedeutende
Lage an Moschab Sekenim und Talmud Thora im heiligen Lande, an die
Präparandien Höchberg, Burgpreppach,
an das israelitische Lehrerseminar und
das israelitische Hospital in Würzburg, endlich an das Rabbinerseminar in
Berlin." |
Zur Geschichte der Synagoge und des rituellen Bades
Von 1684 bis 1734 wurde eine erste
Synagoge in einem 1542 erbauten Haus eingerichtet, das erhalten ist und als
Wohnhaus genutzt wird (Albstraße 20). Eine Gedenktafel erinnert an diesem Haus
an seine Funktion als ehemaliger Synagoge. Eine zweite Synagoge wurde von
1734 bis 1828 benutzt. In diesem Bau unterhielt die jüdische Gemeinde bis 1827
auch eine eigene Schule. Wegen Raummangels wurde das Gebäude abgebrochen und an
ihrer Stelle 1826-28 eine dritte Synagoge erbaut,
die bis zur Auflösung der jüdischen Gemeinde 1879 verwendet wurde. 1882 wurde
das Gebäude verkauft und noch im selben Jahr abgebrochen (Standort Römerstraße 11).
In den Central Archives Jerusalem ist noch ein Bericht über die Öffnung des
Grundsteines beim Abbruch der Synagoge vorhanden.
Als wichtigste bauliche Erinnerung an die jüdische
Geschichte gilt neben dem Friedhof
das Gebäude der 1841 durch den einheimischen Maurermeister Georg Mittring erbauten Mikwe (rituelles Bad) in der Alemannenstraße 17.
Der quaderförmige, eingeschossige, beheizbare Bau besitzt ein Vollwalmdach.
Das Gebäude ist restauriert und heute im Besitz der Gemeinde
Mönchsdeggingen.
Um die Erhaltung der Spuren der jüdischen Geschichte
bemühte sich bis zu seinem Tod der evangelische Kirchdiener Johann Friedrich
Wiedemann (1897-1991). Er hatte den jüdischen Friedhof am 27. Juni 1939 der
israelitischen Kultusgemeinde Nördlingen abgekauft und ihn vor einer geplanten
Zerstörung in der NS-Zeit bewahrt. Am Gebäude der ehemaligen Mikwe wurde 1994
eine Erinnerungstafel an Johann Friedrich Wiedemann angebracht. Wiedemann hatte
auch die Gedenksteine für die Synagogen aufstellen lassen. Ein Gedenkstein für die erste Synagoge ist vorhanden (s.u.),
ein Gedenkstein
für die 2./3. Synagoge wurde im Frühjahr 2005 wieder aufgestellt, nachdem er
einige Jahre "verschwunden" war (ein benachbarter Bauer hatte ihn bei
Glatteis umgefahren).
Fotos
Historisches Foto:
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Das um 1910 entstandene Foto
zeigt rechts das bis heute erhaltene
rituelle Bad (Mikwe; Quelle des Fotos: G. Römer: Schwäbische Juden
s. Lit. S. 63). |
Historische Fotos der Synagoge sind nicht bekannt, eventuelle
Hinweise bitte an den Webmaster von Alemannia Judaica (Adresse siehe Eingangsseite)
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Fotos
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum: 12.3.2004)
Das Gebäude der
ersten Synagoge |
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In dem Gebäude an
der Albstraße war bis 1734 eine Synagoge eingerichtet |
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Grundstück der zweiten
und dritten
Synagoge |
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Die zweite und
dritte Synagoge befanden sich auf dem hinter dem Zaun befindlichen
Grundstück; nachdem ein benachbarter Bauer den Stein bei Glatteis
umgefahren hatte,
war bis Frühjahr 2005 nur der Rest des Gedenksteines
vorhanden. |
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Der im Frühjahr 2005 wieder
aufgestellte
Gedenkstein
(Fotos: Helene Kränzlein) |
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Der Gedenkstein trägt die Inschrift: "In diesem Obstgarten Hs. Nr. 52 alter Ordnung
stand von 1734 bis 1828 die zweite und von 1828 bis 1879 die dritte
Synagoge der im
letztgenannten Jahre aufgelösten Israelitischen
Kultusgemeinde Deggingen" |
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Das Gebäude der ehemaligen Mikwe
(rituelles Bad) |
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Die ehemalige
Mikwe hatte ihren Eingang von der Straßenseite her. Über dem Eingang
befindet sich bis heute eine Portalzier im "maurischen"
(neu-islamischen) Stil. |
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Der Eingang |
Hinweistafel |
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Fotos nach der Restaurierung
im September
2005
(Fotos: Helene Kränzlein) |
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Die Mikwe |
Der Eingang |
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Maurischer Bogen über
Eingangsportal |
Die Fenster |
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Erinnerung an die jüdische
Gemeinde
(aus der Sammlung von Peter Karl Müller,
Kirchheim/Ries) |
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(Leerer)
Briefumschlag mit einem sogenannten Fingerhutstempel aus Oettingen,
adressiert "An den israelitischen Cultusvorstand Mönchsdeggingen bey
Nördlingen"
(vermutlich von 1838) |
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Andernorts entdeckt |
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Grabsteine im jüdischen
Friedhof in Augsburg für
Jacob Waitzfelder
(geb. 1844 in Mönchsdeggingen - 1903 in Augsburg) und Deborah
Waitzfelder
geb. Oettinger geb. 1854 in Thalmässing
- 1927 in Augsburg) |
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Erinnerungsarbeit vor Ort
Bericht vom Europäischen Tag der jüdischen Kultur am 4. September 2005 in
Mönchsdeggingen über die Einweihung der renovierten Mikwe (aus den
"Rieser Nachrichten" vom 6.9.2005 S.
26):
Links und Literatur
Links:
Quellen:
Literatur:
vorherige Synagoge zur ersten Synagoge nächste Synagoge
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